The Project Gutenberg EBook of Komik und Humor, by Theodor Lipps Copyright laws are changing all over the world. Be sure to check the copyright laws for your country before downloading or redistributing this or any other Project Gutenberg eBook. This header should be the first thing seen when viewing this Project Gutenberg file. Please do not remove it. Do not change or edit the header without written permission. Please read the "legal small print," and other information about the eBook and Project Gutenberg at the bottom of this file. Included is important information about your specific rights and restrictions in how the file may be used. You can also find out about how to make a donation to Project Gutenberg, and how to get involved. **Welcome To The World of Free Plain Vanilla Electronic Texts** **eBooks Readable By Both Humans and By Computers, Since 1971** *****These eBooks Were Prepared By Thousands of Volunteers!***** Title: Komik und Humor Author: Theodor Lipps Release Date: June, 2005 [EBook #8298] [This file was first posted on July 4, 2003] Edition: 10 Language: German Character set encoding: US-ASCII *** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, KOMIK UND HUMOR *** E-text prepared by Carlo Traverso, Thomas Berger, and the Online Distributed Proofreading Team KOMIK UND HUMOR EINE PSYCHOLOGISCH-AESTHETISCHE UNTERSUCHUNG VON THEODOR LIPPS Vorwort Vor jetzt zehn Jahren habe ich in den "Philosophischen Monatsheften" eine Reihe von Aufsaetzen ueber die "Psychologie der Komik" zu veroeffentlichen begonnen. Teils eigenes Beduerfnis, teils der Wunsch anderer, hat mich zu einer Umarbeitung und Erweiterung dieser Aufsaetze veranlasst. Daraus ist schliesslich dies Buch geworden. Ich bezeichne den Inhalt desselben als "psychologisch-aesthetische Untersuchung". Dabei koennte das "psychologisch" ueberfluessig erscheinen. Eine aesthetische _Untersuchung_ ist immer psychologisch. Aber ich wollte mit diesem Ausdruck andeuten, dass es mir vor allem ankam auf die psychologische Analyse meines Gegenstandes, auf die breite psychologische Fundamentierung des Problems, auf die Einfuegung desselben in den Zusammenhang mit angrenzenden, verwandten und allgemeineren psychologischen und aesthetischen Problemen. Darueber trat ein anderes Interesse zurueck. Ich habe darauf verzichtet, den Humor oder die kuenstlerische Verwendung des Komischen weiter, als es die Natur der Sache erforderte, in die verschiedenen Kunstgattungen und Kunstrichtungen hinein zu verfolgen, oder gar bestimmte humoristische Kunstwerke im einzelnen zu analysieren. Es genuegte mir, die verschiedenen Moeglichkeiten, die Arten, Daseinsweisen und Stufen der Komik und des Humors allgemein aufgezeigt und in ihrer Wirkung verstaendlich gemacht zu haben. Jene mehr kunst- und litterarhistorische Aufgabe moechte ich gerne anderen, womoeglich solchen, die dazu geschickter sind, ueberlassen. Ich hoffe aber freilich, dass fuer solche Arbeit das in diesem Buche Gebotene als die geeignete Grundlage erscheinen wird. Ich gedenke noch mit besonderem Danke der Anregung, die ich bei Abfassung dieses Buches aus einem die Komik betreffenden Aufsatze _Heymans'_ in der Zeitschrift fuer Psychologie habe schoepfen koennen. _Starnberg_, Mai 1898. Th. L. INHALT. I. ABSCHNITT. THEORIEN DER KOMIK. I. Kapitel. _Theorie des Gefuehlswettstreites_. Heckers Theorie. Komik, Lust und Unlust.--Gefuehl und Gefuehlswettstreit.--Gefuehl der Tragik und der Komik.--Gefuehlskontrast.--Der Wechsel der Gefuehle.--Schadenfreude und gesteigertes Selbstgefuehl. II. Kapitel. _Die Komik und das Gefuehl der Ueberlegenheit_. Hobbes' und Groos' Theorie.--Gefuehl und Grund des Gefuehls.--Allerlei aesthetische Theorien.--Die Komik des Objektes und meine Ueberlegenheit.--Ueberlegenheit und "Erleuchtung".--Das Wesen der "Ueberlegenheit".--Zieglers Theorie. III. Kapitel. _Komik und Vorstellungskontrast_. Kraepelins "intellektueller Kontrast".--Wundts Theorie.--Verwandte Theorien. II. ABSCHNITT. DIE GATTUNGEN DES KOMISCHEN. IV. Kapitel. _Die objektive Komik_. Kontrast des Grossen und des Kleinen.--Nachahmung und Karikatur.--Situationskomik.--Die Erwartung.--Die Komik als Groesse und Kleinheit _Desselben_. V. Kapitel. _Objektive Komik_. _Ergaenzungen_. Das komische "Leihen".--"Selbstgefuehl in statu nascendi". Komik und Lachen. --Komik des "Neuen".--Komische Unterbrechung.--Positive Bedeutung der Neuheit.--"Verblueffung" und "Verstaendnis". VI. Kapitel. _Die subjektive Komik oder der Witz_. Abgrenzung der subjektiven Komik.--Verschiedene Theorien.--Begriffsbestimmung und verschiedene Faelle.--Witzige Handlungen.--Verwandte Theorien.--"Verblueffung und Erleuchtung" beim Witz. VII. Kapitel. _Das Naiv-Komische_. Die Theorien.--Die drei Arten der Komik.--Moeglichkeiten des Naiv-Komischen.--Kombination der drei Arten der Komik.--"Verblueffung und Erleuchtung" beim Naiv-Komischen. III. ABSCHNITT. PSYCHOLOGIE DER KOMIK. VIII. Kapitel. _Das Gefuehl der Komik und seine Voraussetzung_. Komik als "wechselndes" oder "gemischtes" Gefuehl.--Die Grundfarbe des Gefuehls der Komik.--"Psychische Kraft" und ihre Begrenztheit.--Genaueres ueber die "psychische Kraft".--"Aufmerksamkeit". "Psychische Energie".--Die besonderen Bedingungen der Komik. IX. Kapitel. _Das Gefuehl der Komik_. Gesetz des Lustgefuehls.--"Qualitative Uebereinstimmung" als Grund der Lust.--"Quantitative Verhaeltnisse".--Gefuehl der "Groesse".--"Groesse" und Unlust.--Gefuehl des "Heiteren".--Das ueberraschend Grosse.--Das ueberraschend Kleine. Die Komik. X. Kapitel. _Das Ganze des komischen Affektes_. Umfang und Erneuerung der komischen Vorstellungsbewegung.--Ruecklaeufige Wirkung der psychischen "Stauung".--Hin- und Hergehen der komischen Vorstellungsbewegung.--Das Ende der komischen Vorstellungsbewegung.--Einzigartigkeit des komischen Prozesses. XI. Kapitel. _Lust- und Unlustfaerbung der Komik_. Primaere Momente der Lust- und Unlust.--Qualitative Uebereinstimmung und quantitativer Kontrast.--Ausserkomische Gefuehlsmomente.--Besonderheit der naiven Komik. IV. ABSCHNITT. DIE UNTERARTEN DES KOMISCHEN XII. Kapitel. _Die Unterarten der objektiven und naiven Komik_. Stufen der objektiven Komik.--Situations- und Charakterkomik.--Natuerliche und gewollte Komik.--Possenhafte, burleske, groteske Komik. XIII. Kapitel. _Die Unterarten der subjektiven Komik_. Allgemeines.--Der Wort- oder Begriffswitz.--Die witzige Begriffsbeziehung.--Das witzige Urteil.--Die witzige Urteilsbeziehung.--Der witzige Schluss. V. ABSCHNITT. DER HUMOR. XIV. Kapitel. _Komik und aesthetischer Wert_. Allgemeines ueber "aesthetischen Wert".--Erkenntniswert und aesthetischer Wert.--"Verstaendnis" des Kunstwerkes.--"Kunstwert".--Die Komik als "Spiel".--Arten von Gegenstaenden des Gefuehls ueberhaupt.--Der Wert der Komik kein aesthetischer Wert. XV. Kapitel. _Die Tragik als Gegenstueck des Humors_. Die Tragik als "Spiel".--Tragik und "aesthetische Sympathie".--Volkelts ausseraesthetische Begruendung der Tragik.--Das Specifische des tragischen Genusses.--Weitere aesthetische Wirkungen des Konfliktes.--Aesthetische Bedeutung des Boesen. XVI. Kapitel. _Das Wesen des Humors_. Lazarus' Theorie.--Naivitaet und Humor.--Humor und "psychische Stauung". XVII. Kapitel. _Arten des Humors_. Die Daseinsweisen des Humors.--Humor der Darstellung.--Stufen des Humors.--Unterarten des Humors.--Die humoristische Darstellung und der Witz. XVIII. Kapitel. _Der objektive Humor_. Unentzweiter Humor.--Satirischer Humor.--Ironischer Humor. I. ABSCHNITT. THEORIEN DER KOMIK. Die Psychologie der Komik kann ihre Aufgabe auf doppeltem Wege zu loesen versuchen. Komisch heissen Gegenstaende, Vorgaenge, Aussagen, Handlungen, weil sie ein eigenartiges Gefuehl, naemlich eben das Gefuehl der Komik in uns erwecken. Das Wort "komisch" will, allgemein gesagt, zunaechst nicht wie das Wort "blau" eine Eigenschaft bezeichnen, die an einem Gegenstaende angetroffen wird, sondern die Wirkung angeben, die der Gegenstand auf unser Gemuet ausuebt. Freilich muss dieser Wirkung irgendwelche Beschaffenheit des Gegenstandes zu Grunde liegen. Insofern dies der Fall ist, heisst dann auch die Beschaffenheit selbst oder der Traeger derselben komisch. Darnach scheint der naturgemaesseste Weg zur Bestimmung des Wesens der Komik, dass man erst jene Wirkung feststellt, also das Gefuehl der Komik in seiner Eigentuemlichkeit zu begreifen sucht, um dann zuzusehen, welche Besonderheiten der Gegenstaende diese Wirkung nach psychologischen Gesetzen ergehen koennen, bezw. wie sie dieselbe ergeben koennen. Daran muesste sich natuerlich die Probe auf das Exempel anschliessen, d. h. es muesste festgestellt werden, inwiefern die thatsaechlich gegebenen Arten des Komischen diese Besonderheiten an sich tragen. Andererseits hindert doch nichts, auch in anderer Weise die Untersuchung zu beginnen. Das Gefuehl der Komik ist ein so eigenartiges, dass wir im gegebenen Falle kaum zweifeln koennen, ob wir einen Gegenstand, ein Verhalten, ein Ereignis, eine Gebaerde, Rede, Handlung unter die komischen zu rechnen haben. Darauf beruht die Moeglichkeit, zunaechst von diesen _Gegenstaenden_ auszugehen. Wir fassen dieselben ins Auge, analysieren sie, vergleichen die verschiedenartigen Faelle, variieren die Bedingungen, und gelangen so zu den Momenten, auf denen die Wirkung beruhen muss. Auch hier ist dann eine Probe erforderlich. Wir muessen uns ueberzeugen, ob diese Momente auch nach allgemeinen psychologischen Gesetzen die komische Wirkung hervorbringen koennen, bezw. wiefern sie dazu faehig sind. Darin ist dann die Analyse des Gefuehls der Komik schon eingeschlossen. Diese beiden Wege unterscheiden sich nicht hinsichtlich dessen, was zu leisten ist, sondern lediglich hinsichtlich des Ausgangspunktes. Offenbar hat aber der zweite Weg insofern einen Vorzug, als man dabei von vornherein in den Gegenstaenden der Komik einen sicheren Halt hat. Im Uebrigen wird individuelle Neigung und Befaehigung die Wahl des Wegs bestimmen, oder zum Mindesten darueber entscheiden, ob die eine oder die andere Weise der Untersuchung vorherrscht. I. KAPITEL. THEORIE DES GEFUEHLSWETTSTREITES. HECKERS THEORIE. KOMIK, LUST UND UNLUST. Achten wir auf die Geschichte der Psychologie und Aesthetik des Komischen in unseren Tagen, so sehen wir den ersten jener beiden Wege am entschiedensten eingeschlagen von _Hecker_ in seiner "Physiologie und Psychologie des Lachens und des Komischen", Berlin 1873. Dagegen tritt die andere Weise deutlicher hervor bei _Kraepelin_, dem Verfasser des Aufsatzes "Zur Psychologie der Komik" im zweiten Bande von _Wundts_ "Philosophischen Studien". Hiermit habe ich zugleich diejenigen Arbeiten bezeichnet, die bisher--abgesehen von den Aufsaetzen, als deren Umarbeitung und Erweiterung diese Schrift sich darstellt--, mit der Psychologie der Komik am eingehendsten sich befasst haben. Wie leicht der Versuch, das Gefuehl der Komik in seiner Eigenart zu begreifen, ohne dass man von vornherein an den Gegenstaenden der Komik einen festen Halt sucht, in die Irre fuehren kann, zeigt _Hecker_ deutlich. Er meint das Gefuehl der Komik zu analysieren. Statt dessen dekretiert er es. Fuer Hecker ist das Gefuehl der Komik ein "beschleunigter Wettstreit der Gefuehle" d. h. ein "schnelles Hin- und Herschwanken zwischen Lust und Unlust". "Von einem Punkte aus sehen wir ploetzlich und gleichzeitig zwei verschiedene unvereinbare Gefuehlsqualitaeten (Lust und Unlust) in uns erzeugt werden." Dass sie von einem Punkte aus und darum gleichzeitig erzeugt werden und doch unvereinbar sind, dies bedingt nach _Hecker_ den Wettstreit. In diesem Wettstreit wuerde die schwaechere der beiden Qualitaeten unterdrueckt werden, wenn eine erhebliche Verschiedenheit der Gefuehle hinsichtlich ihrer Staerke bestaende. Eine solche besteht aber nach _Hecker_ nicht. Die kontraeren Gefuehle sind von "annaehernd gleicher Staerke". Daraus ergiebt sich die Notwendigkeit des Hin- und Hergehens. Dasselbe wird zum schnellen Hin- und Hergehen, zum beschleunigten Wettstreit in diesem Sinne, wegen der Ploetzlichkeit der Wirkung. Das Gefuehl der Lust, das urspruenglich dem der Unlust nur die Wage hielt, erscheint in diesem ploetzlich erzeugten Wettstreit durch Kontrast gehoben, so dass in der schliesslichen Gesamtwirkung die Lust ueberwiegt. Den Inhalt dieser Erklaerung sucht _Hecker_ zu stuetzen, indem er auf das Phaenomen des Glanzes verweist. Wenn dem einen Auge eine schwarze, dem andern an derselben Stelle des gemeinsamen Sehfeldes eine weisse Flaeche dargeboten wird, so ergiebt sich unter Umstaenden das Gesamtbild einer glaenzenden schwaerzlichen Flaeche. Die beiden monokularen Bilder koennen, so wie sie sind, nicht an derselben Raumstelle gleichzeitig gesehen werden. Sie koennen wegen der Selbstaendigkeit, welche sie besitzen, auch nicht einfach zu einem Mittleren, also zum Bilde einer grauen Flaeche verschmelzen. Sind keine Bedingungen vorhanden, welche das eine der Bilder vor dem andern bevorzugt sein lassen, so fehlt endlich auch die Moeglichkeit, dass das eine durch das andere auf laengere Zeit verdraengt werde. So bleibt nach _Hecker_ nur uebrig, dass die Wahrnehmung zwischen beiden mit grosser Schnelligkeit hin- und herzittert; und dies Hin- und Herzittern, meint _Hecker_, sei der Glanz. In gleicher Weise nun sollen auch annaehernd gleich starke Gefuehle der Lust und Unlust, die gleichzeitig gegeben sind, nicht nebeneinander bestehen, noch zu einem mittleren Gefuehle verschmelzen koennen, sondern zu schnellem Wechsel genoetigt sein. Und in diesem Wechsel soll das Gefuehl der Komik bestehen. Scharfsinnig ausgedacht mag diese Theorie erscheinen. Schade nur, dass sie gar keinen Boden unter den Fuessen hat. Dem Physiologen _Hecker_ erscheint die Analogie zwischen Gefuehl der Komik und Wahrnehmung des Glanzes als eine vollstaendige. Ich sehe in _Heckers_ Meinung nur ein Beispiel dafuer, wie leicht es demjenigen, der mit der Eigenart eines Gebietes wenig vertraut ist, begegnet, dass er Erscheinungen, die diesem Gebiete angehoeren, mit Erscheinungen von voellig heterogener Natur in Analogie setzt und aus dieser Analogie zu erklaeren meint. Dass auch _Heckers_ Erklaerung des _Glanzes_ keineswegs einwandfrei ist, soll dabei nicht besonders betont werden. Thatsaechlich ist freilich auch nach _Heckers_ Darstellung die Analogie zwischen Glanz und Komik keine vollstaendige. Der beschleunigte Wettstreit wird beim Glaenze einfach daraus abgeleitet, dass die entgegengesetzten Qualitaeten sich die Wage halten, waehrend beim Gefuehl der Komik das ploetzliche Auftreten des Kontrastes als wesentlich erscheint. Aber davon wollen wir absehen. Wichtiger ist, dass die Grundvoraussetzung der ganzen Theorie irrig ist. Das Gefuehl der Komik gehoert der Linie zwischen reiner Lust und reiner Unlust an. Aber es erfuellt in seinen moeglichen Abstufungen die ganze Linie, so dass es stetig einerseits in reine Lust, andererseits in reine Unlust uebergeht. Wenn jemand eine anerkannte Wahrheit in witziger Form ausspricht, so spielend und doch so unmittelbar einleuchtend, wie es der gute Witz zu thun pflegt; wenn durch einen solchen Witz niemand verletzt oder abgefertigt wird; dann ist das Gefuehl der Komik, das sich daran heftet, zwar durchaus eigenartig, hinsichtlich seines Verhaeltnisses zu Lust und Unlust aber mit den reinsten Lustgefuehlen, die uns beschieden sind, vergleichbar. Wenn andererseits ein Mann sich wie ein Kind betraegt, jemand, der wichtige Verpflichtungen mit viel Selbstbewusstsein uebernommen hat, im letzten Momente sich feige zurueckzieht, so kann ein Gefuehl der Komik entstehen, das von reiner _Unlust_ sich beliebig wenig unterscheidet. Auch hier darf freilich das Moment der Erheiterung nicht fehlen, wenn wir das Gebahren noch komisch oder "laecherlich" nennen sollen. Aber eine bestimmte Staerke desselben ist dazu nicht erforderlich. Denken wir uns dies Moment schwaecher und schwaecher, so geht das Laecherliche nicht sprungweise, sondern allmaehlich in das Veraechtliche oder Erbaermliche ueber. Das Gleiche gilt von dem "Hohnlachen", mit dem der Verbrecher, der am Ende seiner nichtswuerdigen Laufbahn angekommen ist und alle seine Plaene hat scheitern sehen, sich gegen sich selbst und seine Vergangenheit wendet. Auch hierin steckt noch jenes Moment der Erheiterung. Zunaechst aber spricht aus diesem verzweiflungsvollen Lachen eben das Gefuehl der Verzweiflung, also des hoechsten seelischen Schmerzes. Und dieser Schmerz kann sich steigern und die Faehigkeit sich darueber zu erheben und der Sache eine heitere Seite abzugewinnen, sich mindern. So lange dies letztere Moment nicht voellig verschwindet, ist der Verbrecher sich selbst laecherlich, also Gegenstand einer, wenn auch noch so schmerzlichen Komik. GEFUEHL UND "GEFUEHLSSWETTSTREIT". Das Gefuehl der Komik, das steht uns fest, ist nicht durch ein bestimmtes quantitatives Verhaeltnis von Lust und Unlust gekennzeichnet. Darueber haette _Hecker_ schon der einfache Sprachgebrauch belehren koennen, der ein Lachen bald als lustig, froehlich, herzlich, bald als aergerlich, schmerzlich, bitter bezeichnet. Es koennen aber auch umgekehrt Lust und Unlust, die "aus einem Punkte erzeugt" sind, recht wohl sich annaehernd die Wage halten, ohne dass doch, sei es das Gefuehl der Komik, sei es der Wettstreit entsteht, der nach _Hecker_ die Komik machen soll. Lust und Unlust sollen nicht nebeneinander bestehen und sich zu einem Gesamtgefuehl vereinigen koennen. Und warum nicht? Wegen der Analogie des Glanzes? Aber diese Analogie wird Lust und Unlust schwerlich verhindern, ihren eigenen Gesetzen zu gehorchen. Sagen wir es kurz: Der ganze _Hecker_'sche Wettstreit der Gefuehle ist ein psychologisches Unding. Es giebt in uns gar keine "_Gefuehle_", die mit einander in Wettstreit geraten koennten, sondern von vornherein immer nur ein _Gefuehl_, genauer: eine so oder so beschaffene Weise, wie uns zu Mute ist, oder wie wir "_uns_" fuehlen. Fuehlen heisst _sich_ fuehlen. Alles Gefuehl ist Selbstgefuehl. Dies ist eben das Besondere des Gefuehls im Gegensatz zur Empfindung, die jederzeit Empfindung von Etwas, d. h. Empfindung eines von mir unterschiedenen Objektes ist. Ich fuehle mich lust- oder unlustgestimmt, ernst oder heiter, strebend oder widerstrebend. So gewiss nun ich in meinem Selbstgefuehl mir nicht als eine Mehrheit erscheine, so gewiss giebt es fuer mich nicht in einem und demselben Momente nebeneinander mehrere Gefuehle. Dies hindert nicht, dass ich an dem Gefuehl oder Selbstgefuehl eines Momentes mehrere _Seiten_ unterscheide, so etwa, wie ich auch an einem Klange, diesem einfachen Inhalte meines Bewusstseins, verschiedene Seiten, naemlich die Hoehe, die Lautheit und die Klangfarbe unterscheide. Aber diese verschiedenen Seiten sind eben doch nur verschiedene Seiten eines und desselben an sich _Einfachen_. Ich fuehle mich etwa in einem Momente lustgestimmt. In der Lust aber liegt zugleich ein gewisser Ernst. Andererseits ist damit ein Streben oder Sehnen "verbunden". Dann habe ich doch nicht drei Gefuehle, so wenig ich drei Toene hoere, wenn mein Ohr eine Tonhoehe und mit ihr "verbunden" eine bestimmte Lautheit und eine bestimmte Klangfarbe vernimmt. Sondern ich fuehle Lust, aber die Lust ist nicht Lust ueberhaupt, sondern Lust von eigentuemlich ernster Art. Und wiederum ist diese ernste Lust nicht ernste Lust ueberhaupt, sondern zugleich Lust mit einem Charakter des Sehnens. Oder umgekehrt gesagt, das Sehnen oder Streben ist ein lustgestimmtes und ernstes. Dem entspricht auch der eigentliche psychologische Sinn der Lust. In dem einen Gefuehl giebt sich mir jedesmal der _Gesamtzustand_ meines psychischen Lebens, der immer nur einer sein kann, in gewisser Art unmittelbar kund. Oder genauer gesagt: Es giebt sich mir darin eben die--freie oder gehemmte--_Weise_ kund, _wie_ sich die mannigfachen Vorgaenge und Regungen in mir zu einem psychischen Gesamtzustande vereinigen. Nichts ist unrichtiger als die Vorstellung, dass jemals ein Gefuehl, so wie Gefuehle in uns thatsaechlich vorzukommen pflegen, an einer einzelnen Empfindung oder Vorstellung oder auch an einem einzelnen Komplex von solchen, hafte. Nichts ist unzutreffender als die Lehre vom "Gefuehlston" einer Empfindung oder Vorstellung, wenn damit eine solche Meinung sich verbindet. Dies schliesst nicht aus, dass dennoch ein Gefuehl an bestimmten einzelnen Empfindungsinhalten oder Komplexen von solchen in gewissem Sinne "haften" koenne und als an ihnen haftend sich uns darstelle. Wir muessen nur wissen, was wir damit meinen und einzig meinen koennen. In dem gesamten psychischen Leben eines Momentes sind nicht alle Elemente psychisch gleichwertig. Sondern die einen treten beherrschend hervor, die anderen treten zurueck. Und es treten in aufeinanderfolgenden Momenten bald diese bald jene Elemente hervor oder zurueck. Damit aendert sich auch das Gefuehl. Es gewinnt jetzt diesen, jetzt jenen Charakter. Es wandelt sich etwa, indem ein bestimmter psychischer Inhalt, eine bestimmte Empfindung oder Vorstellung, hervortritt, ein Gefuehl, das Lustcharakter besass, in ein unlustgefaerbtes, und diese Faerbung wird immer deutlicher, jemehr jener bestimmte Inhalt hervortritt. Dann kann ich sagen, es hafte diese Unlustfaerbung meines Gefuehles, oder auch: es hafte ein Gefuehl der Unlust an diesem Inhalte. Das einheitliche oder einfache Gesamtgefuehl bleibt dann doch durch den psychischen Gesamtzustand bedingt. Nur ist zugleich eben dieser psychische Gesamtzustand vorzugsweise durch jenen bestimmten, in ihm hervorstrebenden _Inhalt_ bedingt. Darnach giebt es auch keinen Wettstreit der Gefuehle. Man muss in Wahrheit etwas anderes meinen, wenn man diesen Ausdruck gebraucht. Und was man einzig meinen kann, das ist der Wettstreit der _Vorstellungen_, an denen verschiedene Gefuehle im oben bezeichneten Sinne des Wortes "_haften_". Ein solcher Vorstellungswettstreit besteht ja thatsaechlich. Es geschieht nicht nur, wie oben gesagt, dass Vorstellungen hervortreten, andere zuruecktreten, sondern das Hervortreten einer Vorstellung bedingt das Zuruecktreten anderer. Und damit vollzieht sich zugleich, wie gleichfalls bereits bemerkt, ein Wechsel der Gefuehle, genauer ein Wechsel in der "Faerbung" _des_ Gefuehls. Nehmen wir aber jetzt versuchsweise an, auch _Hecker_ wolle eigentlich von einem Wettstreit der _Vorstellungen_ reden. Dann erscheint doch der Irrtum, in dem _Hecker_ sich befindet, nicht geringer. Nach _Hecker_ muessten Vorstellungen, die "von einem Punkte aus", also gleichzeitig erzeugt werden, in Wettstreit geraten, also sich wechselseitig verdraengen, wenn oder weil sie eine entgegengesetzte Faerbung des Gefuehles bedingen. Aber dies trifft nicht zu. Der Vorstellungswettstreit hat an sich mit dem Gegensatz der Gefuehle gar nichts zu thun. Vorstellungen geraten in Wettstreit einmal, weil sie einander fremd sind, d. h. in keinem Zusammenhang miteinander stehen; zum anderen, zugleich in anderer Weise, weil sie miteinander unvertraeglich sind, also sich wechselseitig ausschliessen. Vorstellungen nun, die von einem Punkte aus erzeugt sind, koennen, eben weil sie von einem Punkte aus erzeugt sind, einander niemals voellig fremd sein. Sie sind es um so weniger, je mehr sie von einem Punkte aus erzeugt sind. Und ob Vorstellungen sich ausschliessen oder nicht, dies haengt keineswegs von den an ihnen haftenden Gefuehlen ab. Die Vorstellungen, dass ein Objekt jetzt hier, und dass dasselbe Objekt jetzt dort sich befinde, schliessen sich aus. Dies heisst doch nicht, dass die eine Vorstellung von Lust, die andere von Unlust begleitet sei. Und umgekehrt: Die Vorstellung, dass ein Objekt eine schoene Form und zugleich eine haessliche Farbe habe, vertragen sich vortrefflich miteinander, obgleich die schoene Form Gegenstand der Lust, die haessliche Farbe Gegenstand der Unlust ist. Geraten aber Vorstellungen, die von einem Punkte aus erzeugt und einerseits von Lust, andererseits von Unlust begleitet sind, nicht miteinander in Wettstreit, so ist auch kein Grund zum Wechsel des Gefuehles. Sondern es entsteht ein einziges in sich gleichartiges Gefuehl, in dem beide zu ihrem Rechte kommen. GEFUEHL DER TRAGIK UND DER KOMIK. Hierfuer giebt es allerlei Beispiele, auf die _Hecker_ haette aufmerksam werden muessen. Psychologie ist doch nicht ein Feld fuer blinde Spekulationen, sondern fuer die Feststellung von Erfahrungsthatsachen, und fuer sichere Schluesse aus solchen. Nicht auf die ganze Mannigfaltigkeit der hier in Betracht kommenden Thatsachen, sondern zunaechst nur auf eine einzige will ich hier hinweisen. Ich meine die Tragik und das Gefuehl der Tragik. Eine Persoenlichkeit leide, sei dem Untergange geweiht, gehe schliesslich thatsaechlich unter. Aber in allem dem bewaehre sich eine grosse Natur, irgend welche Staerke und Tiefe des Gemuetes. Hier werden, wenn irgendwo, von einem Punkte aus gleichzeitig Lust und Unlust erzeugt. Der fragliche Punkt ist das Leiden der Persoenlichkeit. Dass sie--nicht nur ueberhaupt--sondern in solcher Weise, _leidet_, ist Grund der Unlust; dass sie--nicht nur ueberhaupt, sondern in solcher _Weise_, d. h. als diese grosse Persoenlichkeit, leidet, oder dass sie im Leiden als diese grosse Persoenlichkeit sich zeigt, das ist Grund der Lust. Hier waeren also in besonderem Masse, ja wir duerfen sagen in unvergleichlicher Weise, die Bedingungen des _Hecker_'schen Wettstreites der Gefuehle gegeben. Aber derselbe will sich nicht einstellen. Gerade dies, dass in so hohem Grade von _einem Punkte_ aus die entgegengesetzten Gefuehle erzeugt werden, verhindert ihn. In dem einen psychischen Gesamtthatbestande sind die beiden Vorstellungen, des Leidens und der Persoenlichkeit, die leidet, untrennbar verbunden. Ebendarum findet kein Vorstellungswettstreit statt; und damit unterbleibt auch der Wechsel der Gefuehle. Die Eigenart jenes Gesamtthatbestandes giebt sich vielmehr, hier wie ueberall, dem Bewusstsein kund in einem einzigen _eigenartigen Gefuehl_. Wir kennen es als Gefuehl der Tragik. Dies Gefuehl ist so wenig ein wechselndes oder schwankendes dass vielmehr die feierliche Ruhe fuer dasselbe kennzeichnend ist. Lassen wie uns aber den "Wettstreit" fuer einen Augenblick gefallen. Er finde bei der Tragik statt, obgleich ich wenigstens von solchem Stattfinden desselben nichts weiss. Dann besinnen wir uns, dass doch Hecker aus demselben nicht das Gefuehl der Tragik, sondern das Gefuehl der Komik ableiten will. Der Wechsel der Gefuehle soll das Gefuehl der Komik sein. Das Gefuehl der Tragik ist aber, wie man weiss, nicht das Gefuehl der Komik. GEFUEHLSKONTRAST. Allerdings bezeichnet _Hecker_ die Bedingungen dieses Gefuehles noch genauer. Lust und Unlust sollen sich beim Wettstreit zunaechst die Wage halten. Dann aber soll das Gefuehl der Last durch Kontrast gehoben werden. Indessen auch diese Bedingungen koennen in unserem Falle erfuellt sein. Es hindert zunaechst nichts, dass das Unlustvolle des Leidens und das Befriedigende, das die Weise des Leidens oder die Eigenart der leidenden Persoenlichkeit in sich schliesst, in beliebigem Grade sich die Wage halten. Und auch eine Kontrastwirkung kann nicht nur, sondern wird jederzeit bei der Tragik stattfinden.--Doch ist hierzu eine besondere Bemerkung erforderlich. _Hecker_ redet von _Gefuehls_kontrast. Das Gefuehl der Unlust soll unmittelbar das mit ihm wechselnde Gefuehl der Lust "_heben_". Hier ist ein, auch sonst behauptetes allgemeines psychologisches _Kontrastgesetz_ vorausgesetzt. Nehmen wir einmal an, dies Gesetz bestaende, so muesste ihm zufolge offenbar, wie die Lust durch die Unlust, so auch die Unlust durch die Lust gehoben werden. Damit waere das schliessliche Ueberwiegen der Lust, das _Hecker_ bei der Komik annimmt, wiederum illusorisch geworden. Aber jenes Kontrastgesetz existiert nicht. Wohl giebt es mancherlei Thatsachen, die man als Wirkungen eines Kontrastes bezeichnen kann. Aber wenn man dies thut, so hat man nur einen zusammenfassenden Namen, und zwar einen Namen fuer sehr Verschiedenartiges. Die fraglichen Thatsachen sind der mannigfachsten Art und beruhen auf voellig heterogenen Gruenden. Rot _scheint_ nicht bloss, sondern _ist_, fuer das Auge naemlich, roeter neben Gruenblau als neben Rot. Dies hat seine bestimmten, naemlich _physiologischen_ Gruende. Der Mann von mittlerer Groesse _ist_ nicht, fuer unsere Wahrnehmung naemlich, groesser, wenn er neben einem Zwerge, als wenn er neben einem Riesen steht, aber er wird groesser _geschaetzt_ oder _taxiert_. Dies hat wiederum seine bestimmten, aber diesmal _psychologischen_ Gruende. Wie es aber auch mit dem Empfindungs- oder Vorstellungskontrast bestellt sein mag; eine Kontrastwirkung, die Gefuehle unmittelbar auf Gefuehle ausuebten, giebt es nicht. Wenn ich hier ganz allgemein reden darf: Gefuehle wirken ueberhaupt nicht. Sie haben als solche keine psychomotorische Bedeutung. Sie sind ueberall nichts als begleitende Phaenomene, Bewusstseinsreflexe, im Bewusstsein gegebene Symptome der Weise, wie _Empfindungen_ und _Vorstellungen_, oder Zusammenhaenge von solchen, in uns wirken. Die Psychologie hat sich noch nicht ueberall zur klaren Anerkennung dieses Sachverhaltes durchgearbeitet. Aber sie wird sich wohl oder uebel dazu entschliessen muessen. Was man so Wirkung von Gefuehlen nennt, ist Wirkung der Bedingungen, aus denen die Gefuehle erwachsen, also Wirkung der Empfindungs- und Vorstellungsvorgaenge und der Beziehungen, in welche dieselben verflochten sind. So ist auch der "Gefuehlskontrast" in Wahrheit Empfindungs- oder Vorstellungskontrast. Vorstellungen koennen anderen, zu denen sie in Gegensatz treten, eine hoehere psychische "Energie" verleihen, und dadurch auch das an diesen haftende Gefuehl steigern. Sie thun dies nicht ohne weiteres, wohl aber unter bestimmten Voraussetzungen. Welches diese Voraussetzungen sind, und nach welcher psychologischen Gesetzmaessigkeit dieselben die "Kontrastwirkung" vermitteln, dies muss natuerlich im einzelnen festgestellt werden. Das Kontrastgesetz ist mehr als ein blosser Sammelname, soweit dieser Forderung genuegt ist. Ich sagte nun schon, dass auch bei der Tragik eine Kontrastwirkung stattfinde. Auch diese hat ihre eigenen Gruende. Je groesser das Leid, je haerter der Untergang, und je groesser unser Eindruck von beidem, desto schoener und groesser erscheint die Persoenlichkeit, die in allem dem sich oder das Grosse, Gute, Schoene, das in ihr liegt, behauptet. Damit ist wenigstens eine moegliche Art der tragischen Kontrastwirkung bezeichnet. Fassen wir alles zusammen, dann sind--falls wir fortfahren, die _Hecker_sche Theorie des "Wettstreites" uns gefallen zu lassen, in der Tragik alle _Hecker_'schen Bedingungen der Komik in ausgezeichneter Weise gegeben. Die Tragik muesste also nach _Hecker_ die komischste Sache von der Welt sein. Wir muessten ueber die Tragik des Leidens und Untergangs aufs herzlichste lachen. Dies thun wir nicht, Tragik und Komik sind aeusserste Gegensaetze. DER WECHSEL DER GEFUEHLE. Ich nahm oben versuchsweise an, dass der _Hecker_'sche "Wettstreit" unter den _Hecker_'schen Bedingungen wirklich stattfinde. Traefe diese Annahme zu, dann waere noch die Frage, ob aus solchem Wettstreit, oder dem damit gegebenen schnellen Wechsel von entgegengesetzten Gefuehlen ein einheitliches Gefuehl, wie das Gefuehl der Komik es ist, sich ergeben wuerde. Auch diese Frage muss verneint werden. Ein Wettstreit der Vorstellungen kann thatsaechlich stattfinden und mit einem Wechsel der Gefuehle, speciell der Gefuehle der Lust und Unlust, verbunden sein, ohne dass doch das Gefuehl der Komik entsteht. Ich stehe etwa vor dem Momente, wo es sich entscheiden muss, ob eine lange gehegte Hoffnung in Erfuellung gehen wird oder nicht. Alles scheint fuer die Erfuellung zu sprechen. Nur ein Umstand liegt vor, der am Ende die ganze Hoffnung zunichte machen koennte. Diese gegensaetzlichen Gedanken werden sich weder dauernd das Gleichgewicht halten, noch wird einer den andern fuer laengere Zeit voellig unterdruecken koennen. Das letztere um so weniger, in je engerem Zusammenhang die der Hoffnung guenstigen, und der ihr unguenstige Faktor miteinander stehen. Ich achte jetzt auf die guenstigen Faktoren und glaube an die Erfuellung der Hoffnung. Aber je lebendiger dieser Gedanke in mir wird, um so sicherer weckt er die Vorstellung jenes anderen, unguenstigen Faktors. Diese Vorstellung tritt hervor und verwandelt fuer einen Augenblick mein Vertrauen in sein Gegenteil. Doch nur fuer einen Augenblick. Denn in Wirklichkeit ist zu ernster Besorgnis kein Grund. Ich brauche nur den unguenstigen Faktor genau ins Auge zu fassen, um zu sehen, wie wenig er doch gegen die anderen Faktoren in Betracht kommen kann, wie unwahrscheinlich es also ist, dass er die Erfuellung der Hoffnung verhindern wird. Damit hat wieder der erste Gedanke das Uebergewicht gewonnen u. s. w. So ergiebt sich ein bestaendiges Hin- und Hergehen, zunaechst zwischen entgegenstehenden Gedanken, dann auch zwischen entsprechenden Gefuehlen. Und die Unruhe dieses Hin- und Hergehens, in dem im Ganzen ebensowohl die Lust wie die Unlust ueberwiegen kann, wird sich steigern, je mehr der Moment der Entscheidung naht. Heisst dies: mir wird immer komischer und komischer zu Mute? Ich denke nicht. Andere moegen ueber die Situation lachen. Ich selbst werde vom Lachen soweit als moeglich entfernt sein. Ist dem aber so, dann liegt in dem Beispiel der Beweis, dass auch, wo das gleichzeitige Entstehen von Lust und Unlust aus einem Punkte wirklich in den _Hecker_'schen beschleunigten Wettstreit muendet, noch etwas hinzukommen muss, wenn das Gefuehl der Komik entstehen soll. Dies Etwas ist die Komik. SCHADENFREUDE UND GESTEIGERTES SELBSTGEFUEHL. Nachdem _Hecker_ das Gefuehl der Komik in der bezeichneten Weise bestimmt hat, geht er dazu ueber, die Moeglichkeiten der gleichzeitigen Entstehung von Lust und Unlust festzustellen und daraus die moeglichen Arten der Komik abzuleiten. Das ist gut und konsequent gedacht. Die Ausfuehrung des Gedankens aber geschieht in denkbar unvollstaendigster Weise. Freilich, waere sie weniger unvollstaendig, so wuerde _Hecker_ selbst die Unmoeglichkeit seiner Theorie des komischen Gefuehles sich aufgedraengt haben. Die Faelle der Komik, die er anfuehrt, sind wirklich komisch, wenn auch nicht aus den angegebenen Gruenden. Dagegen wuerden andere Faelle und Klassen von Faellen, die er haette anfuehren _muessen_, sich jeder Bemuehung, sie komisch zu finden, widersetzt haben. Einige Bemerkungen genuegen, um dies zu zeigen. Eine Hauptgattung der Komik bezeichnen fuer _Hecker_ die Faelle, bei denen zwei Vorstellungen in ihrer Vereinigung oder ihrem Zusammenhang unseren logischen, praktischen, ideellen "Normen" oder den "Normen der Ideenassociation" entsprechen, waehrend zugleich die eine der Vorstellungen einer der Normen widerstreitet. Nachher schrumpft die ganze Gattung zusammen zur Komik der "gerechten Schadenfreude". Die rote Nase zum Beispiel missfaellt, weil sie unseren "ideellen Normen" widerspricht. Betrachten wir sie aber als verdiente Strafe der Unmaessigkeit, so befriedigt diese Ideenverbindung unser Gerechtigkeitsgefuehl. Und aus Beidem zusammen ergiebt sich das Gefuehl der Komik. Diese Erklaerung ist ohne Zweifel falsch. Die Schadenfreude hat, so oft sie auch zur Erklaerung der Komik verwandt worden ist, mit Komik nichts zu thun. Die gerechteste und intensivste Schadenfreude ergiebt sich, wenn wir ueber einen nichtswuerdigen und gefaehrlichen Verbrecher die wohlverdiente Strafe verhaengt sehen. Je nichtswuerdiger und gefaehrlicher er ist, je gerechter und wirkungsvoller andrerseits die Strafe erscheint, um so staerker ist das Gefuehl der Unlust, das er selbst, und das Gefuehl der Befriedigung, das seine Bestrafung erweckt. Nun mag ein solcher Verbrecher zwar, wie wir schon oben meinten, sich selbst in gewisser Weise Gegenstand der Komik werden, uns wird er nie so erscheinen. Dementsprechend kann die Schadenfreude auch die Komik der roten Nase nicht begruenden. Andrerseits haette _Hecker_ neben den Faellen der Schadenfreude mannigfache andere Faelle beruecksichtigen muessen, die ganz den gleichen Bedingungen genuegen. Ich hoere etwa, jemand habe eine entehrende Handlung begangen aus Freundschaft, um einen andern, vielleicht mich selbst, aus toedlicher Verlegenheit zu retten. Oder ich lese in der Geschichte, L. Junius _Brutus_ habe seine eigenen Soehne hinrichten lassen, um seiner Pflicht zu genuegen. In beiden Faellen missfaellt die That an sich; sie gefaellt zugleich, wenn wir sie im Zusammenhang mit dem zu Grunde liegenden Motiv betrachten. Sie befriedigt insofern nicht unser Gerechtigkeitsgefuehl, aber andere sittliche "Normen". Darum ist doch von Komik keine Rede. Neben der Schadenfreude spielt bei _Heckers_ Erklaerung der (objektiven) Komik das gesteigerte "Selbstgefuehl" die Hauptrolle. Freilich, Schadenfreude ist am Ende eine Weise des gesteigerten Selbstgefuehles, oder kann es zum mindesten sein. Dann waere mit dem gesteigerten Selbstgefuehl kein neues Moment eingefuehrt. Aber _Hecker_ sagt nicht, ob und wie er die Schadenfreude auf das gesteigerte Selbstgefuehl zurueckzufuehren gedenkt. Dies gesteigerte Selbstgefuehl spielt in der Psychologie der Komik auch sonst eine Rolle. Schon _Hobbes_ hat es zur Erklaerung der Komik herangezogen. Es ist aber fast der schlechteste Erklaerungsgrund, den man finden kann. Jede Unwissenheit, die ich nicht teile, jeder Irrtum, den ich durchschaue, jede mangelhafte Leistung, der gegenueber ich das Bewusstsein des Besserkoennens habe, muesste mich zum Lachen reizen, wenn das Gefuehl der Ueberlegenheit dem unangenehmen Gefuehl, das Unwissenheit, Irrtum, mangelhafte Leistung an sich erwecken, ungefaehr die Wage haelt. Der Pharisaeer muesste lachen ueber den Zoellner, dessen Verschuldungen seiner Vortrefflichkeit zur Folie dienen, der Reiche ueber den Armen, der vergeblich sich ein gleich behagliches Dasein zu verschaffen sucht, die schoene Frau ueber die haessliche, deren Haesslichkeit sie an ihre Schoenheit erinnert, auch wenn der Charakter des Zoellners, die Not des Armen, die Haesslichkeit der haesslichen Frau an sich nicht im mindesten komisch erschiene. Aber eben das ist es, was _Hecker_ und was jeder, der den Eindruck der Komik aus der Erhoehung des Selbstgefuehles abzuleiten versucht, im Grunde jedesmal voraussetzt. Man meint nicht den Irrtum, sondern den laecherlichen Irrtum, nicht die Haesslichkeit, sondern die laecherliche Haesslichkeit u. s. w. und diese allerdings sind komisch, nicht wegen des hinzutretenden Selbstgefuehles, wohl aber gelegentlich trotz demselben. Denn es ist offenbar, dass das Selbstgefuehl geradezu die Komik _zerstoeren_ kann. Ich sehe jemanden vergebens bemueht, eine Last zu heben, zu der, wie ich mich sofort ueberzeuge, seine Kraefte nicht ausreichen. Der Anblick ist mir peinlich, zugleich aber habe ich das befriedigende Bewusstsein, dass ich die Last heben und dem Armen helfen kann. Hier ist von Komik keine Rede, auch wenn das Bedauern und das Befriedigende des Bewusstseins, zu koennen, was der Arme nicht kann, sich die Wage halten. Ich lache nicht, eben weil ich die Kraft des Menschen mit der eigenen vergleiche und die letztere als so viel groesser erkenne. Unterlasse ich dagegen den Vergleich und fasse nur einfach die Situation ins Auge, so kann mir diese recht wohl komisch erscheinen. Und ich habe allen Grund, mir _selbst_ so zu erscheinen, wenn ich den Versuch mache, die Last selbst zu heben, und dabei es erlebe, dass mein Selbstgefuehl nicht gesteigert, sondern schmaehlich zu _Schanden_ wird. Der Begriff der Ueberlegenheit ist nach dem oben Gesagten, ebenso wie der engere Begriff der Schadenfreude, nicht ein entscheidender Begriff der _Hecker_'schen Theorie. Er soll nur besondere Faelle der Komik charakterisieren. Sehen wir darum von diesem Begriffe hier ab, und beachten den oben dargelegten allgemeinen Grundgedanken _Heckers_. Dann scheint doch ein doppeltes Moment der Kritik standzuhalten. Einmal wird es dabei bleiben, dass lust- und unlusterzeugende Elemente in die Komik eingehen. Das Gefuehl der Komik wird in gewissem Sinne beide Gefuehle in sich enthalten. Das andere Moment ist der Gegensatz oder Kontrast zwischen Vorstellungen oder Gedankenelementen. Mag _Hecker_ diesen Kontrast noch so unzutreffend bezeichnen, der Gedanke, dass ein solcher Kontrast beim Komischen stattfinden muesse, wird seinen Wert behaupten. II. KAPITEL. DIE KOMIK UND DAS GEFUEHL DER UEBERLEGENHEIT. HOBBES' UND GROOS' THEORIE. Dagegen ist das gesteigerte Selbstgefuehl von anderen in den Mittelpunkt der Theorie der Komik gestellt worden. Wie schon gesagt, hat bereits _Hobbes_ dasselbe zur Erklaerung der Komik verwendet. _Hobbes_ meint, der Affekt des Lachens sei nichts, als das ploetzlich auftauchende Selbstgefuehl, das sich ergebe aus der Vorstellung einer Ueberlegenheit unserer selbst im Vergleich mit der Inferioritaet anderer, oder der Inferioritaet, die wir selbst vorher bekundeten. Hierin liegt zugleich, so viel ich weiss, der zeitlich erste Versuch einer Begruendung des _Gefuehls_ der Komik. _Aristoteles_ bezeichnet als komisch das unschaedliche Haessliche. Hier fehlt die Antwort auf die Frage, wiefern denn das Haessliche, das an sich Gegenstand der Unlust ist, vermoege des rein negativen Momentes seiner Unschaedlichkeit die komische Lust oder Lustigkeit hervorrufen koenne. Dagegen scheint die lusterzeugende Wirkung des Gefuehles der Ueberlegenheit ohne weiteres einleuchtend. Ich will aber hier nicht an _Hobbes_, sondern an einen Erneuerer der _Hobbes_'schen Theorie meine weiteren kritischen Bemerkungen anknuepfen. Ich denke an _Groos'_ Einleitung in die Aesthetik. _Groos_ scheint sich freilich seines Verhaeltnisses zu _Hobbes_ nicht bewusst zu sein. Seine Theorie giebt sich wie eine neue. Indessen dies thut hier nichts zur Sache. In welcher Weise _Groos_ zu seiner Theorie gelangt ist, ob auf dem einen oder dem anderen der eingangs dieser Schrift unterschiedenen Wege, vermag ich nicht zu entscheiden. _Groos_ beginnt sofort mit der Definition der Komik, um sie dann zu eroertern und zu begruenden. Das Gefuehl der Komik ist fuer _Groos_ das Gefuehl der Ueberlegenheit ueber eine Verkehrtheit. In diesem _Groos_'schen Gefuehl der Ueberlegenheit liegt eine genauere Bestimmung des _Hecker_'schen gesteigerten Selbstgefuehles. Zugleich ist bei _Groos_ die Forderung eines Gleichgewichtes von Lust und Unlust und des Wettstreits zwischen beiden Gefuehlen weggefallen. An die Stelle tritt die Forderung, dass nicht Mitleid oder Furcht in den Vordergrund trete, weil sonst die erheiternde Wirkung notwendig ausbleiben muesste. Dabei sollen unter dem Mitleid auch die "sanfteren Regungen der Ehrfurcht und Einschuechterung" begriffen werden. Gehen wir darauf etwas naeher ein. Ich darf von vornherein sagen: Ist es unzutreffend, dass jedes Gefuehl der Ueberlegenheit, bei dem Lust und Unlust--nach _Heckers_ Forderung--sich die Wage halten, ein Gefuehl der Komik ist, dann ist es noch unzutreffender, dass jedes Gefuehl der Ueberlegenheit ein Gefuehl der Komik ist, falls das Angenehme dieses Gefuehles nicht durch Furcht oder Mitleid aufgehoben wird. Und ebenso unzutreffend ist die Umkehrung dieser Annahme, dass bei allem Komischen ein Gefuehl der Ueberlegenheit ueber eine Verkehrtheit stattfinde. Wenn ich das Bewusstsein habe, klueger oder geschickter zu sein, als ein anderer, so mag es wohl geschehen, dass ich mit dem im Vergleich mit mir Unklugen oder Ungeschickten Mitleid habe. Dann ist nach _Groos_ die Bedingung fuer die Komik nicht gegeben. Aber vielleicht habe ich kein Mitleid. Der Unkluge oder Ungeschickte beansprucht gar kein Mitleid. Er mueht sich in einer Sache vergeblich und laesst dann die Sache laufen. Oder es waere wohl Grund zum Mitleid, aber ich gebe mir nicht die Muehe mich darauf zu besinnen. Ich bin nun einmal der Selbstbewusste, fuer den die "Verkehrtheit" anderer lediglich ein Mittel ist, sich in seiner Ueberlegenheit zu sonnen. Ich thue dies also auch in diesem Falle. Wo ist dann die Komik? Es ist kein Zweifel, dass dieselbe um so sicherer unterbleibt, je mehr ich meinem Gefuehl der Ueberlegenheit mich hingebe. GEFUEHL UND GRUND DES GEFUEHLS. Dass es so sich verhalten muss, zeigt eine einfache Ueberlegung. Fuer _Groos_ soll die _Verkehrtheit komisch_ erscheinen, weil ich mich _ueberlegen_ fuehle. Das Gefuehl meiner Ueberlegenheit ist fuer _Groos_ identisch mit dem Gefuehl der Komik des Gegenstandes, oder allgemeiner gesagt, ein auf mich bezogenes Gefuehl soll identisch sein mit einem nicht auf mich, sondern auf ein Objekt bezogenen Gefuehl. Dies ist ein Widerspruch in sich selbst. Was heisst dies: Ein Gefuehl ist fuer mich auf ein Objekt bezogen? Worin besteht das _Bewusstsein_ dieses _Bezogenseins_? Gewiss nicht einfach darin, dass ich ein Objekt und neben ihm oder gleichzeitig mit ihm ein bestimmtes Gefuehl in meinem Bewusstsein vorfinde. Gefuehle koennen mit Objekten gleichzeitig vorhanden sein und doch nicht auf sie bezogen erscheinen. Ich stehe etwa vor einem Kunstwerk, und es stoert mich etwas an ihm. Aber ich weiss zunaechst nicht, was das Stoerende ist. Hier ist das Gefuehl des Stoerenden, d. h. das Gefuehl der Unlust fuer mein Bewusstsein nicht auf sein Objekt bezogen. Und wie nun kommt das Bewusstsein der Beziehung des Gefuehls auf ein bestimmtes Objekt zu stande? Jedermann weiss die Antwort. Ich analysiere den Wahrnehmungskomplex, in dem das Kunstwerk fuer mich besteht; d. h. ich richte nach einander auf die verschiedenen Teile, Zuege, Momente des Kunstwerkes meine Aufmerksamkeit, und sehe zu, wann das Unlustgefuehl heraustritt oder sich steigert. Endlich weiss ich, was mich stoerte. Ich achtete auf einen bestimmten Zug des Kunstwerkes mit Ausschluss anderer. Indem ich dies that, und mir zugleich dieses Thuns, d. h. der auf diesen bestimmten Zug gerichteten Aufmerksamkeit bewusst war, trat das Unlustgefuehl rein oder beherrschend zu Tage. So besteht die bewusste Beziehung oder das Bewusstsein der Bezogenheit eines Gefuehles der Lust oder Unlust auf ein Objekt immer darin, dass das Gefuehl hervortritt, indem ich das Bewusstsein habe, es sei die Aufmerksamkeit auf eben dieses Objekt gerichtet. Neben die eben gestellte Frage stelle ich jetzt die andere, davon verschiedene: Wie wird ein psychischer Vorgang von uns als _Grund_ eines Gefuehles erkannt? Diese Frage haben wir schon ehemals gestreift. Offenbar muss die Antwort lauten: Ein psychischer Vorgang ist Grund eines Gefuehles, wenn und sofern die Steigerung dieses Vorganges, oder die erhoehte Kraft seines Auftretens in uns dies Gefuehl steigert oder erst heraustreten laesst. Es leuchtet ja ein: Ist ein psychischer Vorgang, ein Vorgang des Empfindens oder Vorstellens etwa, dasjenige, was ein Gefuehl bedingt, oder woran ein Gefuehl "haftet", so muss das fragliche Gefuehl sich steigern--oder, was dasselbe sagt, es muss unser Gesamtgefuehl die Faerbung dieses Gefuehles annehmen--in dem Masse als der bedingende Vorgang psychisch zur Geltung kommt, Kraft gewinnt, im Zusammenhang des psychischen Geschehens dominierend hervortritt. Nun findet dies "Hervortreten" oder Kraftgewinnen eines psychischen Vorganges statt, wenn wir auf ihn unsere Aufmerksamkeit richten. Und der _Bewusstseinsthatbestand_, den wir als _Bewusstsein_ des Aufmerkens auf ein empfundenes oder vorgestelltes Objekt bezeichnen, ist nichts anderes als die Begleiterscheinung dieses Hervortretens, Kraftgewinnens, Dominierens des Empfindungs- oder Vorstellungsvorganges. Also koennen wir auch sagen: Erscheint in unserem Bewusstsein, oder nach Aussage desselben, ein Gefuehl der Lust oder Unlust auf einen Empfindungs- oder Vorstellungsinhalt bezogen, so ist in dem entsprechenden Empfindungs- oder Vorstellungs_vorgang_ zugleich der _Grund_ dieses Gefuehles zu suchen. ALLERLEI AESTHETISCHE THEORIEN. Diese Einsicht scheint nun eine sehr triviale. Aber dies hindert nicht, dass damit eine ganze Reihe psychologisch-aesthetischer Theorien endgueltig abgewiesen sind. Ich erwaehne etwa die Theorie, die das Wohlgefallen an Linien auf das Wohlgefallen an bequemen oder leicht zu vollziehenden Augenbewegungen zurueckfuehrt; oder derzufolge Linienschoenheit nichts anderes ist als Annehmlichkeit von Augenbewegungen. Es ergiebt sich aus Obigem, was dagegen einzuwenden ist: Die Linien, nicht die Augenbewegungen meine ich, wenn ich die Linien schoen finde. Auf jene nicht auf diese erscheint mein Gefuehl der Lust bezogen. Dies zeigt sich besonders deutlich, wenn ich besondere Faelle annehme. Es koennte geschehen, dass die Augenbewegungen, vermoege deren ich eine schoene Linie--wirklich oder angeblich--"verfolge", einmal sehr unbequeme waeren. Die Linie findet sich etwa an einer Wand, so weit oben, dass ich den Kopf und die Augen stark nach oben wenden muss, um die Linie zu betrachten. Jetzt sind die Augenbewegungen vielleicht sogar schmerzhaft. Dann ist doch nicht die Linie fuer mich haesslich, sondern eben die Augenbewegung schmerzhaft. Ich verspuere Wohlgefallen "_an_" der Linie, d. h. ich verspuere Lust, wenn und in dem Masse, als ich auf die Linie achte, und damit zugleich meine Aufmerksamkeit von der Stellung und Bewegung meiner Augen _abwende_. Ich verspuere andererseits Unlust "_an_" den Augenbewegungen, d. h. ich verspuere Unlust, wenn und in dem Masse, als ich auf die Augenbewegungen achte, und die Linie fuer eine Zeitlang Linie sein lasse. Also habe ich auch den _Grund_ jener Lust in der Linie zu suchen. Wenn nicht in der sichtbaren Form der Linie, dann in etwas, das fuer mich in der Linie oder ihrer Form unmittelbar liegt. Dies wird allerdings gleichfalls eine Bewegung sein. Aber nicht eine Bewegung meiner Augen, ueberhaupt nicht eine Bewegung in oder an mir, sondern eine Bewegung _der_ Linie oder _in_ der Linie selbst, eine Bewegung, die die Linie selbst zu vollfuehren, oder vermoege welcher die Linie, dies von mir unterschiedene und mir frei gegenuebertretende Objekt, in jedem Augenblick von neuem _sich selbst zu erzeugen_ scheint.--Nicht minder liegt der Grund meiner Unlust in den Augenbewegungen, also _nicht_ in der Linie und dem, was sie leistet, sondern in mir und dem was ich, diese von der Linie unterschiedene und sich ihr gegenueberstellende Person, leiste oder zu leisten jetzt genoetigt bin. Eben dahin gehoert die Theorie, welche die Erhabenheit von Objekten identifiziert mit dem Gefuehl meiner Erhabenheit, etwa der Ueberlegenheit meines Verstandes. In dieser Theorie liegt gewiss Richtiges. Aber es fehlt noch die Hauptsache. Das Gefuehl meiner Erhabenheit ist an sich schlechterdings nichts, als das Gefuehl meiner Erhabenheit, niemals ein Gefuehl der Erhabenheit eines _Objektes_. Wie ueberall, so setze ich auch hier deutlich einander gegenueber: mich und das Objekt. Dieser Gegensatz ist ja fuer uns der allerfundamentalste. Es ist der Gegensatz der Gegensaetze. Es ist damit hier wie ueberall absolut ausgeschlossen, dass ich mich mit dem Objekt, das ich anschaue, verwechsele oder dem Objekte zurechne, was mir zugehoert, dass ich also auch ein Gefuehl auf das Objekt bezogen glaube, das nach Aussage meines unmittelbaren Bewusstseins auf mich bezogen ist. Erst wenn ich, durch das "erhabene" Objekt selbst genoetigt,--nicht meine gegenwaertige Erhabenheit, aber eine Erhabenheit, wie ich sie in mir finden _kann_, also eine moegliche Erhabenheit menschlichen Wesens--und eine andere Erhabenheit giebt es fuer uns nicht--in das Objekt _hinein verlege_, und in ihm, als etwas ihm Zugehoerigen, _wiederfinde_, oder besser gesagt, wenn ich im Objekte, als ihm zuhoerig, die persoenlichen Regungen, inneren Verhaltungsweisen, Wollungen wiederfinde, die das Gefuehl der Erhabenheit begruenden, wenn mir also diese Regungen in dem Objekte als etwas von mir Verschiedenes, "Objektives", gegenuebertreten, kann das Objekt fuer mich zu einem erhabenen werden, oder kann mein Gefuehl der Erhabenheit mir auf dies Objekt bezogen erscheinen. Und umgekehrt, erscheint das Gefuehl auf das Objekt bezogen, erscheint also das Objekt mir erhaben, so liegt darin der Beweis, dass das Objekt diesen Grund des Erhabenheitsgefuehles in sich selbst traegt, dass nicht mein Erhabensein, sondern der erhebende Sinn und Inhalt des Objektes das Gefuehl bedingt.--Dass, nebenbei bemerkt, diese Erhabenheit des Objektes keine Erhabenheit des Verstandes sein kann, leuchtet ein. Unser Anthropomorphisieren ist kein Objektivieren unseres Verstandes, sondern unseres Willens. Nicht minder gehoert hierhin der ganze Grundgedanke der _Groos_'schen Aesthetik. Freude an der Schoenheit von Objekten, oder, wie _Groos_ zu sagen vorzieht, Freude am "aesthetischen Wert" von Objekten soll _Groos_ zufolge Freude am Spiel meiner Phantasie sein. Ich entgegne: Es ist nun einmal thatsaechlich nicht so. Freude am Spiel meiner Phantasie ist--Freude am Spiel meiner Phantasie. Solche Freude mag vorkommen. Vielleicht gelingt es auch diesem oder jenem, solche Freude zu haben, waehrend er angeblich mit einem _Kunstwerke_ innerlich beschaeftigt ist. Ich mag vielleicht gelegentlich das Kunstwerk, dies mir objektiv gegenuebertretende und fuer mein Bewusstsein von mir total unterschiedene Ding, eine Zeitlang aus dem Auge lassen und auf meine Phantasiethaetigkeit hinblicken; ich meine: auf die Phantasiethaetigkeit, die ich jetzt eben, wo ich noch mit dem Kunstwerk beschaeftigt war, geuebt habe; und ich mag dann an dem Spiel dieser Thaetigkeit, an diesem von mir erkannten psychologischen Faktum, meine Freude haben. Dann freue ich mich eben an diesem Spiel. Und dies Spiel ist dann notwendig auch der _Grund_ meiner Freude. Ebenso gewiss aber ist dieses Spiel _nicht_ der Grund meiner Freude, sondern der _Gegenstand_ dieses Spieles begruendet mein Gefuehl, wenn ich das Gefuehl innerlich auf diesen Gegenstand beziehe, wenn also das _Kunstwerk_ mir wertvoll oder erfreulich erscheint. Ich sage: der Gegenstand des "Spieles" ist der Grund der Freude. Dabei setze ich natuerlich voraus, dass mein Verhalten zum Kunstwerk wirklich Spiel ist, ich nicht etwa in allem Ernst mich dem Kunstwerk hingebe, nicht etwa das Kunstwerk mich so erfasst und zu sich hinzwingt, dass das Spielen mit ihm ein Ende hat. DIE KOMIK DES OBJEKTES UND MEINE UEBERLEGENHEIT. Am auffallendsten tritt aber schliesslich die Verwechselung, auf welcher, nach dem eben Gesagten, _Groos'_ Begruendung des aesthetischen Genusses ueberhaupt beruht, bei _Groos'_ Theorie der Komik zu Tage. Ich sei ueberlegen ueber die Verkehrtheit des komischen Objektes. Das komische Objekt, oder das Verkehrte, ist dann natuerlich nicht ueberlegen, sondern inferior. Komisch aber ist fuer mich das Objekt, nicht ich, oder meine Ueberlegenheit. Mein Gefuehl der komischen Lust ist ein nicht auf das ueberlegene Ich, sondern auf das inferiore Objekt bezogenes Gefuehl. Ich kann wohl auch hier meiner Ueberlegenheit mich freuen. Das heisst, ich kann auf die Ueberlegenheit, die mir und nur mir zukommt, achten, und dabei ein angenehmes Gefuehl haben. Aber das, worum es sich hier handelt, das ist ja das Gefuehl, das ich auf das von mir so deutlich als moeglich unterschiedene Objekt und seine Inferioritaet beziehe, d. h. das Gefuehl, das entsteht, indem ich--_nicht_ mich und meine Ueberlegenheit mir vergegenwaertige, _nicht_ auf _diese_ Seite des Gegensatzes zwischen mir und dem Objekte meine Aufmerksamkeit richte, sondern dem Objekte und seiner Inferioritaet, dieser _anderen_ Seite des Gegensatzes meine Aufmerksamkeit zuwende. Dann kann auch der _Grund_ des Gefuehles der Komik nicht in meiner Ueberlegenheit oder dem Bewusstsein derselben liegen. Sondern er muss in dem Objekte, seiner Verkehrtheit, seiner Inferioritaet, kurz seiner Nichtigkeit gesucht werden. Er muss liegen in dieser Nichtigkeit selbst, nicht etwa in dieser Nichtigkeit sofern sie meine Ueberlegenheit begruendet. Denn dann muesste wiederum das Achten auf mich und meine Ueberlegenheit das Gefuehl der Komik hervortreten lassen. Dies muesste also doch wiederum auf mich bezogen erscheinen. Es entstaende, mit anderen Worten, von neuem der Widerspruch, der darin liegt, dass ein Gefuehl, das ich thatsaechlich nicht auf mich, sondern auf ein von mir verschiedenes Objekt beziehe, mit einem auf mich bezogenen Gefuehle identisch sein soll. Es liegt aber in _Groos'_ Anschauung nicht nur eine einfache, sondern eine doppelte Verwechselung. Das Gefuehl der Komik ist, soviel ich sehe, nicht ein Gefuehl der Ueberlegenheit, sondern eben--ein Gefuehl der Komik. Es ist also fuer _Groos_ nicht nur ein auf mich bezogenes Gefuehl ein aufs Objekt bezogenes, sondern es ist auch das Gefuehl der Ueberlegenheit identisch mit einem Gefuehl der Komik. Das Gefuehl meiner Ueberlegenheit ist eine Art des Gefuehles der Erhabenheit, naemlich meiner Erhabenheit. Das Gefuehl der Komik aber ist das Gegenteil jedes Gefuehles der Erhabenheit. Fuer _Groos_ sind beide identisch. Das ist eine zu starke Zumutung. Achten wir schliesslich auch noch--auch sonst erweist sich dergleichen als nuetzlich--auf die objektiv gegebenen Thatsachen. Fragen wir zunaechst, wer denn das Gefuehl der Ueberlegenheit ueber wirkliche oder vermeintliche Verkehrtheiten zu haben, und wer andererseits dem Gefuehl der Komik hingegeben zu sein und ueber das Komische herzlich zu lachen pflegt. Dann erscheint _Groos'_ Theorie in demselben seltsamen Lichte. Jene "Ueberlegenen", das sind die Suffisanten, die Eitlen, die Gecken. Ihnen ist alles ein Mittel sich ueberlegen zu fuehlen. Ihnen aber fehlt eben damit der Humor dem Komischen gegenueber, d. h. die Faelligkeit die Komik zu geniessen. Die "Ueberlegenen" wissen nichts von herzlichem Lachen. Und es kann dies auch von ihnen nicht gefordert werden. Der Humor, die Anteilnahme an der Komik des Komischen ist nun einmal ein sich Hingeben an das Komische, oder das in ihm liegende Verkehrte. Wer ueber das Verkehrte herzlich lacht, geht in die Verkehrtheit ein, macht sich zum Teilhaber, sozusagen zum Mitschuldigen. Er steigt von dem Piedestal, auf dem er sonst stehen mag, herab; betrachtet die Sache von unten, nicht von oben. Die Komik ist zu Ende in dem Momente, wo wir wiederum auf das Piedestal heraufsteigen, d. h. wo wir beginnen, uns ueberlegen zu fuehlen. Das Gefuehl der Ueberlegenheit erweist sich so als das volle Gegenteil des Gefuehls der Komik, als sein eigentlicher Todfeind. Das Gefuehl der Komik ist moeglich in dem Masse, als das Gefuehl der Ueberlegenheit nicht aufkommt und nicht aufkommen kann. So verhaelt es sich, soweit Objekten der Komik gegenueber ein Gefuehl der Ueberlegenheit ueberhaupt _moeglich_ ist. In vielen Faellen der Komik ist aber gar nicht einzusehen, wie ein solches Gefuehl zu stande kommen sollte. Ich will etwa ein grosses, wohlvorbereitetes Feuerwerk abbrennen. Und der Erfolg ist: ein Zischen, ein Lichtschein, weiter nichts. Dies wirkt auf mich komisch, falls ich den noetigen Humor habe, d. h. meinen etwaigen Aerger unterdruecke und mich ganz der Situation hingebe. Worueber nun fuehle ich mich hier ueberlegen? Die Verkehrtheit, die vorliegt, besteht in der Thatsache, dass das Wohlvorbereitete aus irgendwelchem Grunde, vielleicht weil mir ohne meine Schuld verdorbene Feuerwerkskoerper geliefert wurden, misslingt, meine hochgespannte Erwartung zergeht. Aber wie kann ich mich solcher Thatsache gegenueber ueberlegen fuehlen? Wie wuerde ich wohl meine Ueberlegenheit ueber das misslingende Feuerwerk oder ueber das Pulver, das seine Schuldigkeit nicht that, in praxi dokumentieren? Zum Gefuehl der Ueberlegenheit gehoert, dass ich mich mit dem Verkehrten vergleiche. Mit mechanischen Vorgaengen aber kann ich mich nicht vergleichen. Ich vergleiche mich auch nicht mit leblosen Dingen. Wenn neben einem Palast ein kleines Gebaeude staende, das in seiner Form den Palast getreu nachahmte, so koennte dies ueberaus komisch wirken. Was soll es hier heissen, ich fuehle mich ueber eine Verkehrtheit ueberlegen. Die Verkehrtheit besteht hier darin, dass ein Kleines aussieht, wie ein Grosses, und doch nicht gross ist wie dieses. Habe ich hier etwa das Bewusstsein, mir koenne dergleichen nicht begegnen? Eher schon vergleichen wir uns mit Kindern und Tieren. Aber ein freudiges Bewusstsein der Ueberlegenheit ueber Kinder, oder ueber das possierliche Gebahren junger Katzen und Hunde, waere doch allzu kindisch. Kinder und Tiere sind komisch vor allem, wenn sie sich gebaerden wie wir, und doch wiederum nicht wie wir, zweckvoll und doch wiederum zwecklos oder zweckwidrig, ernsthaft und nichtig und doch wiederum spielend und nichtig. Im Bewusstsein hiervon liegt ein Vergleich. Aber doch eben ganz und gar nicht der Vergleich, wie er in _Groos'_ Theorie vorausgesetzt ist, kein Messen, kein Abwaegen dessen, was das Objekt der Komik ist oder kann, und dem, was wir sind oder koennen, jedenfalls nicht ein Abwaegen mit dem schliesslichen stolzen Bewusstsein, dass wir es in Vergleich mit den Objekten, also den Kindern, oder den jungen Hunden und Katzen so herrlich weit gebracht haben. Auch der Witz soll endlich von _Groos'_ Definition getroffen werden. Dieser Anspruch ist selbstverstaendlich, da ja der Witz eine Gattung des Komischen ist. Man vergegenwaertige sich aber einmal etwa das zweifellos witzige und witzig komische Raetsel _Schleiermachers_ "der Galgenstrick": Fest vom Dritten umschlungen, so schwebt das vollendete Ganze, Wann es die Parze gebeut, an den zwei Ersten empor. Das Verkehrte, das hier sich findet, besteht in der abnormen oder spielenden Form, in welcher der gar nicht verkehrte Gedanke ausgedrueckt ist. Freilich, hier ist der Ausdruck Verkehrtheit etwas--verkehrt. Aber _Groos_ versteht unter der Verkehrtheit so vielerlei, dass wir auch diese Abnormitaet als Verkehrtheit--in seinem Sinne--bezeichnen koennen. Ich frage nun: Worin besteht unser Gefuehl der Ueberlegenheit ueber dies Abnorme, oder ueber diese witzig geistreiche Art des Ausdrucks eines Gedankens? Trifft hier _Groos'_ Satz zu: "Wir haben bei jedem Komischen das behagliche Pharisaeergefuehl, dass wir nicht und wie dieser Verkehrten einer"? In der That sind wir vielleicht nicht wie dieser Verkehrten, d. h. dieser Witzigen einer. Aber es ist zu befuerchten, dass in diesem Falle das Pharisaeergefuehl eher in ein gegenseitiges Gefuehl umschlage. _Groos_ hat Sinn fuer Witz, vielleicht zu viel. Darum vermute ich, das er den "Humor" des _Schleiermacher_'schen Witzes nicht etwa in dem Gefuehl der Ueberlegenheit finden wird, das der logische Pedant der witzigen Wendung gegenueber allerdings haben wird. Diese Ueberlegenheit ist aber die einzige, die der witzigen Komik gegenueber moeglich ist. UEBERLEGENHEIT UND "ERLEUCHTUNG". Doch wir duerfen nicht uebersehen: _Groos_ kennt noch eine andere Art der Ueberlegenheit. Und die koennte hier, wie in dem vorhin erwaehnten Falle _Groos'_ Theorie zu retten scheinen. _Kant_ sagt, und _Groos_ zitiert, es sei eine merkwuerdige Eigenschaft des Komischen, dass es immer etwas in sich enthalten muesse, das auf einen Augenblick taeuschen koenne. Diese vortreffliche Bemerkung _Kants_ wendet _Groos_ in folgender Weise zu seinen Gunsten. Wir fallen auf das komische Objekt herein, "das komische Objekt will uns weismachen, dass seine widersprechenden Glieder in friedlichstem und geordnetstem Zusammenhang seien. Und erst wenn wir diesen scheinbaren Zusammenhang zerrissen haben, kommen wir zu dem vollen Gefuehl der Ueberlegenheit." Offenbar handelt es sich hier um eine andere Art der Ueberlegenheit, als diejenige ist, von der vorhin die Rede war. Es ist eine Ueberlegenheit nicht ueber das Verkehrte, sondern eine Ueberlegenheit oder ein sich Erheben ueber den Schein, als sei das komische das Gegenteil eines Verkehrten, ein sich Erheben ueber die Taeuschung, der man einen Moment unterlag, also eine Art der Ueberlegenheit ueber uns selbst. Man erinnert sich, dass auch diese Ueberlegenheit schon bei _Hobbes_ vorkam. _Groos_ bezeichnet sie auch als "Erleuchtung" nach der "Verblueffung". Mit dieser "Erleuchtung nach der Verblueffung" pfropft offenbar _Groos_ auf seine erste Theorie der Komik eine zweite, die etwas voellig Neues giebt. Dies spricht gegen beide. Es scheint, wenn es wahr ist, dass wir bei aller Komik jenes oben bezeichnete Pharisaeergefuehl haben, dann beduerfen wir nicht mehr dieses beglueckenden Gefuehles, ueber unsere eigene Verblueffung Herr geworden oder daraus siegreich hervorgegangen zu sein. Und wenn wir ueberall dieses letztere Gefuehl haben, dann ist jenes erstere ueberfluessig. Aber bleiben wir bei der neuen Theorie. Soweit sie Theorie der "Verblueffung und Erleuchtung" ist, koennte aus ihr sachlich Richtiges herausgelesen werden. Aber der dominierende Begriff bleibt eben doch auch hier der Begriff der Ueberlegenheit. Insofern bessert diese neue Theorie nichts. Es ist ja gewiss so: Eine Art des "Hereinfallens" gehoert zu jeder Komik. Das Komische muss uns in Anspruch nehmen, als ob es mehr waere, als nur dies komisch Nichtige. Es muss in unseren Augen den Anspruch erheben, mehr zu _sein_. Der Witz insbesondere muss etwas Glaubhaftes an sich tragen. Und auch dies gehoert zur Komik, dass dieser Anspruch zergeht. Aber was dies heisst, muss genauer gesagt werden. Und es muss in jedem Falle anders gesagt werden, als _Groos_ es sagt. Die Einsicht, _dass_ wir hereingefallen sind, diese "Erleuchtung" giebt an sich keinen Grund zum Gefuehl der Komik. Sie giebt nicht einmal ohne weiteres ein beglueckendes Gefuehl der Ueberlegenheit. Solche Erleuchtung kann beschaemend sein. Sie kann uns auch gleichgueltig sein. Ich frage: Wenn sie weder das eine noch das andere ist, sondern ein beglueckendes Gefuehl der Ueberlegenheit schafft, worin liegt dies? Aber die Antwort auf diese Frage wuerde uns ja nichts nuetzen. Das Gefuehl unserer Ueberlegenheit ueber das Verkehrte konnte nicht das Gefuehl der Komik des Verkehrten sein. Ebensowenig, oder noch weniger kann das Gefuehl der Ueberlegenheit ueber uns mit dem auf das Objekt bezogenen Gefuehl der Komik eine und dieselbe Sache sein. _Groos_ scheint schliesslich besonderes Gewicht zu legen auf das Momentane der Verblueffung und das Momentane der Erleuchtung, auf den _Zeising_'schen ploetzlichen "Choc und Gegenchoc". Aber auch damit kommen wir dem Ziel nicht naeher. Erzeugt die Erleuchtung momentane Beschaemung, so erzeugt sie eben momentane Beschaemung, erzeugt sie ein momentanes Gefuehl der Ueberlegenheit, so erzeugt sie eben ein momentanes Gefuehl der Ueberlegenheit. Kein Gefuehl wird lediglich dadurch, dass es ein momentanes ist, zu einem Gefuehle ganz anderer Art, und ausserdem auch noch zu einem Gefuehl, das auf einen ganz anderen Gegenstand bezogen erscheint. DAS WESEN DER "UEBERLEGENHEIT". Fragen wir schliesslich auch noch: Was ist doch eigentlich dies Gefuehl der Ueberlegenheit, das _Groos_ und anderen so sehr das klare Denken verwirrt. Es scheint fast, _Groos_ haette, der er doch einmal mit diesem Begriffe operiert, diese Frage sich vorlegen muessen. Schon oben sagte ich, das Gefuehl der Ueberlegenheit ergebe sich aus einem Messen. Dies bestimmen wir genauer. Ein Mensch begehe Verkehrtes. Darum ist er doch Mensch, wie ich. Mit dem Gedanken an das Menschsein verknuepft sich also der Gedanke des verkehrten Thuns. Verkehrt sich zu gebaren ist also menschlich. Es ist also mehr als menschlich, zum mindesten mehr als allgemein menschlich, wenn man so vernuenftig ist, wie wir es sind oder zu sein uns einbilden. Wir sind "Uebermenschen", mehr als unsere "Juengsten", die sich als Uebermenschen duenken, wenn sie nichts sind als besonders jaemmerliche Menschen. Oder anders gesagt: Ich stehe, wenn ich jenes verkehrte Thun erlebt habe, unter dem unmittelbaren Eindruck: Menschen koennen sich so unvernuenftig gebaerden. Also ist mein vernuenftiges Gebaren keine so selbstverstaendliche Sache. Waere sie etwas durchaus Selbstverstaendliches, so wuerde ich in meinen Gedanken darueber zur Tagesordnung uebergehen, wie ueber alles Selbstverstaendliche. Jetzt ist diese Selbstverstaendlichkeit, ich kann auch sagen: es ist die "Gewohnheit", Menschen als vernuenftig zu betrachten, wenn auch nur fuer einen Augenblick, durchbrochen. Es ist, wenn ich in Ausdruecken meiner "Grundthatsachen des Seelenlebens" sprechen darf, der freie "Vorstellungsabfluss" aufgehoben; also eine psychische "Stauung" eingetreten. Und diese hat die Wirkung, die jede psychische Stauung hat. Das heisst die psychische Bewegung haftet an der Stelle, wo die Stauung geschieht, die psychische Wellenhoehe dessen, was an dieser Stelle sich findet, wird gesteigert. Oder wenn wir diese Ausdruecke wiederum fallen lassen: Das, was nur nicht mehr als ein Selbstverstaendliches oder Gewohntes erscheint, faellt mir in hoeherem Grade auf. Es wirkt wie ein Neues. Damit steigert sich auch die Gefuehlswirkung. Meine Vernuenftigkeit wird also durch den Vergleich mit der Unvernunft anderer fuer mich eindrucksvoller. Damit ist das gesteigerte Selbstgefuehl, der Stolz auf meine Vernuenftigkeit, das Gefuehl der Ueberlegenheit gegeben. Auch aus dieser Betrachtung der Entstehungsweise des Gefuehles der Ueberlegenheit ergiebt sich, wie wenig dasselbe mit der Komik zu thun hat. Es ist einfach erhoehtes Gefuehl des Wertes meiner selbst, hoehere Selbstachtung, Stolz. Und darin liegt nichts komisch Erheiterndes. Das Gefuehl der Komik steht dazu im Gegensatz. Es wird demnach auch vermoege eines entgegengesetzten Prozesses entstehen. _Groos_ zitiert beim Beginn seiner Eroerterung der Komik das bekannte Wort _Jean Pauls_: Das Laecherliche wollte von jeher nicht in die Definition der Philosophen gehen, ausser unfreiwillig. Derselbe _Jean Paul_ sagt auch, die Komik verwandle halbe und Viertelsaehnlichkeiten in Gleichheiten. Auch in _Groos'_ "Definition" fehlen solche halbe und Viertelsaehnlichkeiten nicht. Er meint Richtiges. So meinen, wie im Grunde selbstverstaendlich, alle Theoretiker der Komik Richtiges. Aber sie meinen oder sagen es nicht immer richtig. Worin das Richtige bei _Groos_ besteht, wurde schon angedeutet. Es liegt in dem von ihm uebernommenen _Zeising_'schen "Choc und Gegenchoc", oder der "Verblueffung und Erleuchtung". Schon _Hecker_ hatte einen Kontrast statuiert. Dass dieser Kontrast hier genauer als Kontrast zwischen Verblueffung und Erleuchtung erscheint, bedeutet einen Fortschritt. Und noch mehr kann zugestanden werden. Auch eine "Ueberlegenheit" findet bei der Komik statt, nur in voellig anderem als dem _Groos_'schen Sinne, naemlich eine Ueberlegenheit meiner Auffassungskraft ueber ein Aufzufassendes. Und daran schliesst sich ein entsprechendes Gefuehl, wenn nicht der "Ueberlegenheit", so doch der geloesten Spannung. ZIEGLERS THEORIE. Ich schliesse an die Kritik der _Groos_'schen Theorie unmittelbar noch eine Bemerkung an ueber _Ziegler_, der in seiner Skizze des Gefuehlslebens--"Das Gefuehl" Stuttgart 1898--_Groos'_ Theorie teilweise uebernimmt, und damit die _Hecker_'sche "Schadenfreude" verbindet. Auch bei _Ziegler_ sehe ich nicht, wie weit er sich der Uebereinstimmung mit seinen Vorgaengern bewusst ist. Besteht keine Abhaengigkeit, so ist doch die Identitaet der Gedanken nicht verwunderlich. Es liegt in jenen Begriffen, wenn man gewisse besonders in die Augen springende Faelle der Komik im _Ganzen_ nimmt, etwas Plausibles. Das Gefuehl der Komik schlaegt in der That in gewissen Faellen leicht in das Gefuehl der Ueberlegenheit oder der Schadenfreude um, oder es tritt zu ihm ein solches Gefuehl, allerdings jedesmal die Komik als solche beeintraechtigend oder zerstoerend, hinzu. Genauere Untersuchung ergiebt zwar unschwer die Eigenart der Komik. Aber auch _Ziegler_ verzichtet auf solche genauere Untersuchung. Ich sagte, _Ziegler_ uebernehme teilweise die _Groos_'sche "Ueberlegenheit". Dies thut er nicht von vornherein. _Ziegler_ operiert zunaechst mit dem von _Groos_ in zweiter Linie herbeigezogenen Gegensatz der Duepierung und Erleuchtung. Dass _Ziegler_ dies Moment zum Primaeren macht, darin scheint wiederum ein Fortschritt zu liegen. Aber es fragt sich, wie diese Begriffe verwendet werden. Wir fallen, so erfahren wir auch hier, auf die Verkehrtheit, Zweckwidrigkeit, Unvernunft herein, bemerken sie nicht, werden also duepiert. Dann sehen wir sie ein. Wir lachen dann in gewisser Weise doppelt, ueber die Verkehrtheit, und ueber uns, die wir duepiert worden sind.--Man beachte, wie hier _Groos'_ Gefuehl der Ueberlegenheit ueber uns selbst, oder _Groos'_ stolzes Bewusstsein des Sieges zu einem Verlachen unserer selbst wird, also in gewisser Weise sich in sein Gegenteil verkehrt. Aber wenn bei Ziegler das beglueckende Gefuehl unserer Ueberlegenheit wegfaellt, warum lachen wir dann, ueber das Objekt und ueber uns selbst? _Ziegler_ meint selbst, das Verkehrte oder die Unvernunft koenne als solche nur Unlust erregen, und indem die Unvernunft als solche sich herausstelle, werde die Unlust nur verdoppelt. Wie kommt es dann, dass das Verkehrte, in dem es als solches sich herausstellt, _belustigt_? _Ziegler_ antwortet: Dies liege daran, dass die Unvernunft oder Zweckwidrigkeit keine bedenkliche, der Schaden, der daraus erwachse, kein grosser sei. Die ganze Sache, so sagt er, ist ein "Nichtssagendes; statt Ernst ist alles, was daran resultiert, nur Scherz und Spiel"; es ist "ohne erheblichen Schaden, also nicht ernsthaft, sondern nur spasshaft zu nehmen". Damit ist fuer _Ziegler_ die Komik erklaert. Dass das, was nur spasshaft genommen werden kann, nur spasshaft, d. h. komisch genommen werden kann, ist ja selbstverstaendlich. Aber die Frage ist eben die, wie das Nichtssagende dazu _komme_, spasshaft, d. h. komisch genommen zu werden. Oder verwandelt sich Unlust ueber einen Schaden lediglich dadurch, dass der Schaden ein geringer ist, in "Spass", oder komische Lust? Mir scheint vielmehr, wenn ein Schaden Unlust erzeugt, so erzeugt ein geringer Schaden zunaechst nichts anderes als verminderte Unlust. Ist der Schaden sehr gering, so wird die Unlust schliesslich gleich Null. Aber verminderte oder gar nicht mehr vorhandene Unlust ist doch nicht identisch mit heiterer Lust. Es ist deutlich, _Ziegler_ setzt in seiner Erklaerung genau das voraus, was er erklaeren will. Seine Erklaerung der Komik besteht darin, dass er andere Worte dafuer einsetzt, naemlich die Worte "Scherz" und "Spass". Warum erscheint uns ein Objekt komisch? Weil es uns nicht ernsthaft sondern scherzhaft erscheint. Warum erscheinen wir selbst uns komisch? Weil die Spannung, in die wir durch das komische Objekt versetzt worden sind, nicht ernsthaft sondern spasshaft zu nehmen ist. Erst wo es sich um das Zweckwidrige in oder an einer von uns verschiedenen Person handelt, begegnen wir auch bei _Ziegler_ dem Begriff der Schadenfreude und der Ueberlegenheit. Nicht das _Wort_ "Schadenfreude" kommt vor, aber die Sache: Es geschieht dem Verkehrten "Recht, dass seine verschuldete Unvernunft ihm den kleinen Schaden gebracht hat." Ich habe schon oben zugestanden, dass in der That in allerlei Faellen der Komik die Schadenfreude zu stande kommen und ein Gefuehl der Ueberlegenheit sich einstellen kann. Nur dass dies mit dem Gefuehl der Komik als solchem nichts zu thun hat. Gefuehl der Komik ist Gefuehl der Komik; und Gefuehl der Schadenfreude oder der Ueberlegenheit ist Gefuehl der Schadenfreude oder der Ueberlegenheit.--Im uebrigen wiederhole ich nicht, was ich gegen die Theorie der Ueberlegenheit vorhin gesagt habe. III. KAPITEL. KOMIK UND VORSTELLUNGSKONTRAST. KRAEPELINS "INTELLEKTUELLER KONTRAST". Wie schon gesagt, geht _Kraepelin_ von der Betrachtung der komischen Objekte und Vorgaenge aus. Dies Verfahren schien uns von einem Bedenken frei, dem das _Hecker_'sche von vornherein unterlag. Aber Kraepelins Weise der Betrachtung ist einseitig; darum das schliessliche Ergebnis durchaus ungenuegend. Dies schliessliche Ergebnis lautet: Komisch wirkt der "unerwartete intellektuelle Kontrast, der in uns einen Widerstreit aesthetischer, ethischer oder logischer Gefuehle mit Vorwiegen der Lust erweckt". Ich betone hier zunaechst die Anerkennung der Notwendigkeit eines Kontrastes. Diesem Elemente begegnen wir schon in der Aesthetik von _Kant_ und _Lessing_. Wir sehen dann die Aesthetiker bemueht, schaerfer und schaerfer die Besonderheit zu bestimmen, die den komischen Kontrast vor jedem beliebigen anderen Kontrast auszeichnet. Auch Kraepelin sucht eine solche naehere Bestimmung. Er glaubt sie gefunden zu haben, indem er den komischen Kontrast als intellektuellen bezeichnet. Da an dem "intellektuellen" Kontrast fuer _Kraepelin_ alles haengt, so sollte man eine scharfe und unzweideutige Abgrenzung dieses Begriffes erwarten. Dieser Erwartung wird nicht genuegt. Der intellektuelle Kontrast entsteht nach _Kraepelin_ aus dem notwendig misslingenden Versuch der begrifflichen Vereinigung disparater Vorstellungen. Dabei duerfen zunaechst die "disparaten" Vorstellungen nicht allzu ernst genommen werden. Gemeint sind einfach Vorstellungen, welche die ihnen angesonnene begriffliche Vereinigung nicht zulassen, sie moegen im Uebrigen von der Disparatheit beliebig weit entfernt sein. Was aber will die begriffliche Vereinigung? Sie soll mehr sein als ein blosser Vergleich, demnach der intellektuelle Kontrast kein bloss sinnlicher. Aber ich sehe nicht, worin jenes Mehr bestehen soll. "Der Bauer lacht ueber den Neger, den er zum ersten Male sieht." Auch wir koennen uns bisweilen "eines leisen Gefuehls der Komik nicht erwehren, wenn wir einen Freund mit veraenderter Haarfrisur, abrasiertem Bart, oder zum ersten Male in der feierlichen Kopfbedeckung des Cylinders begegnen." Dies sind Faelle der von _Kraepelin_ sogenannten "Anschauungskomik", der ersten Hauptgattung, die er aufstellt. Bei ihr kontrastieren jedesmal "sinnliche Anschauungen mit Bestandteilen unseres Vorstellungsschatzes unmittelbar und ohne intellektuelle Verarbeitung". Nun leugne ich das Vorhandensein und die Bedeutung dieses Kontrastes nicht, ich sehe nur nicht, was ihn von einem blossen Vergleichskontrast unterscheiden soll. Es scheint mir sogar, _Kraepelin_ bezeichne ihn, indem er ihn "unmittelbar und ohne intellektuelle Verarbeitung" entstehen lasse, ausdruecklich als solchen. In der That koennen wir einen wahrgenommenen Gegenstand mit anderen, die wir frueher wahrgenommen haben, nicht vergleichen, ohne des Kontrastes zwischen ihm und den frueher wahrgenommenen, also jetzt zu Bestandteilen unseres Vorstellungsschatzes gewordenen, inne zu werden. Das Resultat der Vergleichung, die Unterscheidung, besteht eben in diesem Innewerden des Kontrastes. Statt von begrifflicher Vereinigung spricht _Kraepelin_ auch wohl von inniger Verbindung disparater Vorstellungen. Aehnlichkeiten der disparaten Vorstellungen werden benutzt, diese innige Verbindung herzustellen. Aber auch damit ist kein Gegensatz zwischen begrifflicher Vereinigung und blossem Vergleich bezeichnet. Was mich zum Vergleich veranlasst, sind immer Aehnlichkeiten, und der Vergleich selbst besteht jederzeit in dem Versuch der Verschmelzung oder der Identifikation von Vorstellungen, also der denkbar _innigsten_ Verbindung derselben. Eben aus diesem Versuch der Identifikation ergiebt sich beim Vergleiche das Unterschieds- oder Kontrastbewusstsein. Heisst demnach intellektueller Kontrast derjenige, der aus dem Versuch inniger, auf vorhandene Aehnlichkeiten sich gruendender Verbindung von Vorstellungen entsteht, so muss jeder Kontrast, der bei irgendwelcher Vergleichung sich ergiebt, diesen Namen tragen. Oder besteht die begriffliche Vereinigung und damit die specifische Bedingung der Komik in den oben genannten Faellen darin, dass der Bauer den Neger, ebenso wie den Kaukasier, dem Begriff "Mensch", oder dass wir das Bild des anders frisierten und mit ungewohnter Kopfbedeckung versehenen Freundes ebenso wie das gewohnte Bild dem Begriff "unser Freund" unterzuordnen versuchen, und dabei die Erfahrung machen, dass dies nicht ohne Widerspruch gelingt? Dies scheint wirklich _Kraepelins_ Meinung. Weil wir in reicherer Lebenserfahrung solche Begriffe gewonnen haben, die auch Neues und Ungewohntes widerspruchslos in sich aufnehmen, darum ist seiner Erklaerung zufolge fuer uns nicht mehr, wie fuer den Ungebildeten, alles Neue und Ungewohnte komisch. Aber auch darin liegt nichts, was nicht bei beliebigen Vergleichen vorzukommen pflegte. Jeder Vergleich, so sagten wir oben, sei Versuch der Identifikation. Dieser Versuch der Identifikation aber ist ohne weiteres auch Versuch der Unterordnung unter denselben Begriff. So vergleiche ich eine Pflanze, der ich irgendwo begegne, mit den mir bekannten Arten, indem ich versuche, ihre Form mit den Typen der letzteren zu identificieren. Damit ist der Versuch, die Pflanze dem _Begriff_ einer der fraglichen Arten unterzuordnen, sofort verbunden. Daher ich denn auch das Resultat des Vergleichs ohne weiteres in der Weise ausspreche, dass ich von der Pflanze die Zugehoerigkeit oder Nichtzugehoerigkeit zu einem bestimmten Artbegriff praediziere: die Pflanze ist eine Orchidee oder sie ist es nicht. Ebenso kann ich den veraenderten Zustand, in dem sich eine Pflanze heute befindet, mit dem Zustand, in dem sich dieselbe Pflanze gestern befand--sie habe etwa ueber Nacht Blueten getrieben--nicht vergleichen, ohne beide Wahrnehmungsinhalte--die bluehende und die bluetenlose Pflanze--demselben Begriff dieser mir bekannten Pflanze einzuordnen. Wenigstens hat es hier ebensoviel bezw. ebensowenig Sinn, von einer Einordnung in einen gemeinsamen Begriff zu sprechen, wie beim komischen Kontrast zwischen dem neufrisierten Freunde einerseits und dem gewohnten Anblick desselben andererseits. Darnach sind wir wohl berechtigt, in der "begrifflichen Vereinigung" oder "innigen Verbindung" und dem "intellektuellen Kontrast" das ueber den blossen Vergleich und Vergleichskontrast hinausgehende Moment zu vermissen. _Kraepelin_ ist im Rechte, insofern er ein solches Moment ueberhaupt fordert. Er irrt nur, wenn er meint es damit aufgewiesen zu haben, dass er jene Namen einfuehrt. Die Ausdruecke, "begrifflich" und "intellektuell" sind ja freilich so vieldeutig, dass sie alles besagen koennen. Aber eben darum besagen sie in einer wissenschaftlichen Theorie wenig oder gar nichts. Sie gehoeren zu den in der Psychologie so vielfach ueblichen Worten, die wohl "um die Ohren krabbeln", aber statt das Verstaendnis zu foerdern, vielmehr ueber die Notwendigkeit des Verstaendnisses hinwegtaeuschen. Moegen nun aber die begriffliche Vereinigung und der intellektuelle Kontrast sein was sie wollen. Auch fuer _Kraepelin_ begruenden sie ja die Komik nicht unter allen Umstaenden. _Kraepelin_ bezeichnet als Gegenstaende der Anschauungskomik auch die leichter zu ertragenden menschlichen Gebrechen. Der Kontrast mit der gewohnten menschlichen Bildung laesst sie komisch erscheinen. Warum, so fragen wir, muessen gerade Gebrechen die eine Seite des Kontrastes bilden? Warum entsteht der Eindruck der Komik nicht ebenso, wenn ein Mensch durch irgend welchen Vorzug zu dem, was wir zu sehen gewohnt sind, in Gegensatz tritt? Warum lachen wir ueber den ungewoehnlich Kraeftigen und Wohlgebildeten nicht, wie ueber den ungewoehnlich Fetten oder Hageren?--Und warum verschwindet bei uns gebildeten Menschen sogar die Komik der Gebrechen, wenn sie schwer zu ertragende sind? Warum lachen wir ueber den Armen, der beide Beine verloren hat, nicht ebenso, wie ueber die rote Nase, da doch der Kontrast in jenem Falle viel deutlicher in die Augen springt? Auf alle diese Fragen bleibt _Kraepelin_ die Antwort schuldig. Doch nein. Wir irren. _Kraepelin_ giebt auf diese Fragen sogar eine sehr bestimmte Antwort. Wir wissen schon, der intellektuelle Kontrast wirkt komisch nur, wenn er in uns einen Gefuehlswiderstreit "mit _Vorwiegen der Lust_" erweckt. Nun erweckt die ausserordentlich wohlgebildete Gestalt in uns keine Unlust, also keinen Widerstreit der Gefuehle, der Anblick des schwer zu ertragenden Gebrechens laesst nicht die Lust, sondern die Unlust ueberwiegen; es fehlt also in beiden Faellen ein wesentliches Element der Komik. Aber ist dies wirklich eine Antwort auf jene Fragen? Die komische Wirkung _besteht_ ja fuer _Kraepelin_ in gar nichts Anderem, als dem Widerstreit der Lust und Unlust mit Ueberwiegen der Lust. Wenn er uns also sagt, nur der Kontrast wirke komisch, der diesen Widerstreit erwecke, so heisst dies, nur der Kontrast wirke komisch, der komisch wirke. Nun werden wir uns ja freilich dieser Einsicht nicht verschliessen koennen. Wir erfahren nur das nicht, was wir gerne wissen moechten, unter welchen Umstaenden naemlich ein Kontrast komisch wirke, _das heisst_--nach _Kraepelin_--den Widerstreit der Gefuehle erzeuge, in dem die komische Wirkung angeblich besteht. Jener allgemeinen Antwort auf die Frage, warum der "intellektuelle" Kontrast vielfach gar nicht komisch wirke, entspricht die Art, wie _Kraepelin_ sich in speciellen Faellen hilft. Kinder finden leicht alles komisch, weil bei ihnen der intellektuelle Kontrast leichter entsteht. Vorausgesetzt ist, dass dabei nicht die Furcht ueberwiegt. Die Faelle, in denen der intellektuelle Kontrast seine Pflicht versaeumt, erscheinen also als Ausnahmen, die die Regel bestaetigen. Der Kontrast _wuerde_ das Gefuehl der Komik erzeugen, wenn nicht statt desselben ein anders geartetes oder entgegengesetztes Gefuehl eintraete. Aber dies hat ebensoviel Sinn, als wenn ich erst den allgemeinen Satz aufstellen wollte: alle Koerper sinken im Wasser, um dann hinzuzufuegen: wofern sie nicht oben bleiben. Oder will _Kraepelin_ sagen, in jenen Faellen werde das Eintreten der Komik durch andersgeartete Gefuehle aufgehoben? Auch damit ist nichts gebessert. Auch von Koerpern, die sich nicht darauf einlassen im Wasser zu sinken, kann ich zur Not sagen, bei ihnen werde durch das Obenbleiben oder die Tendenz des Obenbleibens der Effekt des Sinkens aufgehoben. Eine Begruendung des Sinkens dieser Koerper und des Nichtsinkens jener waere damit nicht gegeben. Endlich ist es aber auch, wie wir schon wissen, gar nicht richtig, dass Widerstreit von Lust und Unlust mit Ueberwiegen der Lust das Gefuehl der Komik ausmacht. Weder von einem solchen Widerstreit zu reden ist _Kraepelin_ so ohne weiteres berechtigt, noch findet das Ueberwiegen der Lust jederzeit statt. Umgekehrt koennen, wie wir gleichfalls schon wissen, Lust und Unlust thatsaechlich in dem bezeichneten Verhaeltnis stehen und doch kein Gefuehl der Komik ergeben. Es koennen aber auch schliesslich die ganzen _Kraepelin_'schen Bedingungen der Komik erfuellt, also der unerwartete intellektuelle Kontrast samt dem von _Kraepelin_ geforderten Verhaeltnis von Lust und Unlust gegeben sein, ohne dass von Komik im entferntesten die Rede ist. Jedes zugleich praechtige und furchtbare Schauspiel, das ich nie gesehen, das also zu meinem "Vorstellungsschatz" in unerwarteten Gegensatz tritt, der unerwartete Anblick eines maechtigen Heeres, eines maechtig aufsteigenden Wetters und dergleichen erfuellt die Bedingungen, wenn zufaellig der erhebende Eindruck der Pracht das Gefuehl der Furcht ueberwiegt. Darum finden wir ein solches Schauspiel doch niemals komisch. So bleibt schliesslich von der ganzen _Kraepelin_'schen Bestimmung der Komik nur der Vorstellungskontrast uebrig. Wie der beschaffen sein muesse, davon erfahren wir nichts. Das heisst, wir erfahren nichts von der eigentlichen Hauptsache. WUNDTS THEORIE. Wir werden zu _Kraepelin_ nachher noch einmal zurueckkehren muessen. Vorerst schliessen wir an das ueber seine Theorie Gesagte eine Bemerkung ueber verwandte Anschauungen. Zunaechst ueber die _Wundts_. Nur in wenigen Worten charakterisiert _Wundt_ die Komik. Diese Worte finden sich im zweiten Bande der "Grundzuege der physiologischen Psychologie" 4. Aufl. In seiner Charakteristik vereinigt _Wundt_ in gewisser Weise mit der _Kraepelin_'schen Theorie die _Hecker_'sche. _Wundt_ meint: "Beim Komischen stehen die einzelnen Vorstellungen, welche ein Ganzes der Anschauung oder des Gedankens bilden, unter einander oder mit der Art ihrer Zusammenfassung teils im Widerspruch, teils stimmen sie zusammen. So entsteht ein Wechsel der Gefuehle, bei welchem jedoch die positive Seite, das Gefallen, nicht nur vorherrscht, sondern auch in besonders kraeftiger Weise zur Geltung kommt, weil es, wie alle Gefuehle, durch den Kontrast gehoben wird." Was ich dagegen zu sagen habe, ist der Hauptsache nach bereits gesagt: Werden alle Gefuehle durch Kontrast gehoben, so erfaehrt in dem Wechsel der Gefuehle, wie die Lust durch die Unlust, so auch die Unlust durch die Lust eine Steigerung. Es bleibt also das Verhaeltnis dasselbe. Zweitens: Das hier vorausgesetzte Kontrastgesetz existiert nicht. Das _Gefuehls_kontrastgesetz insbesondere ist eine psychologische Unmoeglichkeit. Drittens: Es kann auch nicht gesagt werden, dass bei der Komik das Gefuehl der Lust ueberwiegen muesse. Die Komik des Veraechtlichen, die Komik, die aus dem Lachen der Verzweiflung spricht, zeigt ein Uebergewicht der Unlust, Komik ist ihrem eigentlichen Wesen nach weder Lust noch Unlust, sondern im Vergleich mit beiden etwas Neues. Viertens: Damit ist auch schon gesagt, dass zur Komik der Wechsel der Lust und Unlust nicht gehoert. Mag beim Gefuehl der Komik bald die Lust- bald die Unlustfaerbung staerker heraustreten; das Gefuehl der Komik ist an sich ein von diesem Gegensatze unabhaengiges eigenartiges Gefuehl. Fuenftens, abgesehen von allem dem: Setzen wir den Fall, zwei Thatsachen lassen sich unter einen Gesichtspunkt stellen, und fordern, dass wir dies thun, wenn wir sie von einer bestimmten Seite her betrachten. Sie widerstreiten dagegen dem Versuch, dies zu thun, wenn wir andere Momente an ihnen ins Auge fassen. Hier ist fuer _Wundt_ die Grundbedingung der Komik gegeben. Es kann auch daraus unter Umstaenden ein Wechsel der Gefuehle sich ergeben. Ich achte bald auf das Moment der Uebereinstimmung, bald auf das Moment des Widerstreites. Dann schwankt auch mein Gefuehl zwischen Lust und Unlust. Dabei wird freilich nicht das Gefuehl der Lust, sondern das der Unlust durch den "Kontrast" gesteigert: Je mehr, was beide Thatsachen Uebereinstimmendes haben, zur Zusammenfassung unter den einen wissenschaftlichen Gesichtspunkt einladet, um so unangenehmer beruehrt es uns, wenn wir dann doch wiederum von der Unmoeglichkeit der Zusammenfassung uns ueberzeugen muessen. Dagegen wird das Moment der Uebereinstimmung keineswegs dadurch fuer uns erfreulicher, dass das gegenteilige Moment uns die Freude daran immer wiederum verkuemmert. Verkuemmerte Freude ist nicht, wie es nach dem Gesetz des "Gefuehlskontrastes" sein muesste, doppelte Freude. Indessen nehmen wir an, das Kontrastgesetz bestaende, und wirkte, so wie es nach _Wundt_ wirken muesste; es wuerde also im obigen Falle die Lust "gehoben". Dann waeren alle Bedingungen, die nach _Wundt_ fuer die Komik charakteristisch sind, gegeben. Es muesste also eine den obigen Angaben entsprechende Beziehung zwischen Thatsachen jederzeit komisch sein. Das heisst jede Theorie, jede Zusammenfassung von Thatsachen, die einerseits berechtigt, andererseits doch auch wiederum unzulaessig erscheint, muesste komisch erscheinen. Nun haftet gewiss mancher wissenschaftlichen Theorie von der bezeichneten Art der Charakter der Komik an. Sie braucht nur etwa sehr selbstbewusst aufzutreten und zugleich dieses Selbstbewusstsein moeglichst wenig zu rechtfertigen. Oder sie verbluefft uns momentan durch einen Schein der Wahrheit; dann aber sinkt _eben das_, was ihr den Schein der Wahrheit verlieh, in _nichts_ zusammen. Aber das sind ja Voraussetzungen, die _Wundt_ nicht macht. Es fehlt so bei _Wundt_ die Pointe der Komik, also ihr eigentlicher Sinn. Immerhin liegt auch in _Wundts_ Charakteristik der Komik ein Hinweis auf Richtiges und Wichtiges. Ich denke wiederum vorzugsweise an die Anerkenntnis, dass ein Gegensatz oder ein Kontrast, und zwar, allgemein gesagt, ein Kontrast zwischen einem Positiven und einem Negativen fuer die Komik notwendig sei. Dass und wiefern diese Anschauung berechtigt ist, werden wir nachher genauer sehen. Dass sie ein gewisses Recht haben muesse, koennen wir aber auch schon aus der Thatsache entnehmen, dass uns aehnliche Wendungen, sei es zur Charakterisierung des Witzes, sei es zur Kennzeichnung der Komik ueberhaupt frueher und spaeter immer wieder begegnen. VERWANDTE THEORIEN. Hier kommen fuer uns einstweilen nur diejenigen Definitionen der Komik in Betracht, die auf die Komik ueberhaupt sich beziehen. Erwaehnung verdient vor allem _Schopenhauer_, der in "Die Welt als Wille und Vorstellung" II. Buch I sek. 13 sagt: "Das Lachen entsteht jedesmal aus nichts Anderem, als aus der ploetzlich wahrgenommenen Inkongruenz zwischen einem Begriff und den realen Objekten, die durch ihn in irgend einer Beziehung gedacht worden waren; und es ist selbst eben nur der Ausdruck dieser Inkongruenz." "Je richtiger einerseits die Subsumtion ... unter den Begriff ist, und je groesser und greller andererseits ihre Unangemessenheit zu ihm, desto staerker ist die aus diesem Gegensatz entspringende Wirkung des Laecherlichen. Jedes Lachen also entsteht auf Anlass einer paradoxen und daher unerwarteten Subsumtion, gleichgueltig ob diese durch Worte oder Thaten sich ausspricht. Dies ist in der Kuerze die richtige Erklaerung des Laecherlichen." Hier begegnen uns in sehr ausgesprochener Form die oben als positiv wertvoll anerkannten Momente. Im uebrigen wissen wir, warum diese Erklaerung so unzulaenglich ist, wie sie kurz ist und anspruchsvoll auftritt. _Schopenhauers_ "Laecherliches" ist laecherlich, wenn es nicht aergerlich, oder imponierend, sondern eben laecherlich ist. Es ist _zunaechst_ lediglich _aergerlich_, wenn wir ploetzlich wahrnehmen, ein Objekt sei dem Begriff, unter den wir es subsumiert haben, inkongruent. Und zwar ist zu diesem Gefuehl um so mehr Grund, je richtiger die Subsumtion schien, oder je mehr unser Urteil ueber das Objekt zwingend und einleuchtend war. Es ist zweitens _imponierend_, wenn wir ein Objekt zunaechst, etwa auf Grund einer bloss aeusserlichen Betrachtung, einem Begriff subsumierten, dessen Anwendung eine geringe Bewertung des Objektes in sich schloss, und wenn dann ploetzlich diese Subsumtion und mit ihr diese niedrige Bewertung als fuer das Objekt voellig unangemessen sich ausweist. Es ist endlich _komisch_ dann und nur dann, wenn dem Objekt vermoege der Subsumtion, oder vermoege unserer Beurteilung desselben, irgend welche Wuerde zukam, oder zuzukommen schien, und nun ploetzlich _diese Wuerde verleihende_ Subsumtion als inkongruent oder unangemessen sich darstellt. Man sieht, auch _Schopenhauer_ setzt bei seiner Erklaerung der Komik die Komik voraus. Daneben mag erwaehnt werden _Lillys_ "Theory of the Ludicrous", Fortnightly Review, Mai 1896, wonach das Laecherliche ist: an irrational negation which arouses in the mind a rational affirmation. Sehr nahe mit _Kraepelin_ beruehrt sich dann _Melinauds_ Erklaerung in einem Aufsatz der Revue des deux mondes 1895: Pourquoi rit-on? Etude sur la cause psychologique du rire. Die Antwort auf jene Frage lautet: Quand un objet d'un cote est absurde, et d'autre trouve une place toute marquee dans une categorie familiere. Soll auch dagegen noch eine besondere Bemerkung gemacht werden, so sei auf folgendes hingewiesen: Ein menschliches Verhalten, ein religioeser Gebrauch etwa, sei in sich moeglichst "absurd". Diese Absurditaet wird komisch erscheinen, wenn sie ueberraschend oder verblueffend ist; d. h. wenn wir die betreffenden Personen mit unserem Masse messen, sie also als vernuenftige Menschen betrachten, wenn demgemaess die Unvernunft in unseren Augen den Anspruch erhebt, vernuenftig, ja vielleicht erst recht vernuenftig zu sein, zugleich aber voellig klar in ihrer Unvernunft einleuchtet. Nehmen wir dagegen an, die absurde Handlung sei uns in aller ihrer Absurditaet dennoch aus Erziehung, Gewohnheit, Unkenntnis, geistiger Stumpfheit der Personen voellig verstaendlich, so dass wir uns sagen, die Personen muessen unter diesen Umstaenden so absurd sich gebaerden, wie sie es thun. Dann hoert die Komik auf. Es tritt dann an die Stelle der Komik dies nuechterne Verstaendnis oder diese klar bestimmte Einordnung in eine "categorie familiere". Man erinnert sich des Wortes: Nicht weinen, nicht lachen, _sondern_ verstehen. Hier ist also die "place toute marquee dans une categorie familiere" der Komik feindlich. Andererseits ist doch freilich auch wiederum das Verstaendnis des absurden Gebarens Bedingung einer bestimmten Art der Komik, naemlich der _naiven_ Komik. Nur muss hier die Verstaendlichkeit in besonderem Sinne genommen werden. Nicht im Sinne der einfachen verstandesgemaessen Einsicht, sondern im Sinne der Anerkenntnis: Das absurde Gebaren erscheint als Gebaren dieser Person berechtigt, sinnvoll, "natuerlich"; es giebt sich darin etwas Gutes, Gesundes, eine Einsicht, kurz eine gewisse Groesse der Person kund. Andererseits aber bleibt doch das Gebaren an sich betrachtet absurd. Angenommen _Melinaud_ haette an diese Art der Komik gedacht, dann gehoerte seine Theorie zu den zahlreichen, deren Schiefheit sich aus der aeusserlichen und unzureichenden Betrachtung bestimmter Moeglichkeiten der Komik erklaert. Endlich erwaehne ich die letzte Schrift, die mit der Frage der Komik sich eingehender beschaeftigt, naemlich _Herkenraths_ Problemes d'estetique et de morale, Paris 1898. _Herkenrath_ knuepft an _Melinauds_ Definition unmittelbar an. Er will sie nur verallgemeinern. Zugleich bestimmt er sie genauer. Er meint, komisch sei die "reunion soudaine de deux aspects, qui paraissent incompatibles". Hier ist das "soudaine" gegen _Melinaud_ eine Verbesserung. Aber auch die "ploetzlichste" Vereinigung zweier unvertraeglicher "Aspekte" erzeugt nicht ohne weiteres die Komik. _Herkenrath_ setzt den Fall: Wir hoeren aus einem Wandschrank ein Wimmern, und meinen, die Katze sei darin eingesperrt. Beim Oeffnen finden wir darin unsere Tante oder unseren Schwiegervater. Dies waere gewiss komisch. Und es trifft auch hier thatsaechlich ein "Aspekt", naemlich die Erwartung, dass das Eingeschlossene eine Katze sei, mit einem anderen damit unvertraeglichen "Aspekt", naemlich der Wahrnehmung, dass es meine Tante oder mein Schwiegervater ist, ploetzlich zusammen. Aber die Wahrnehmung, dass ein kleiner Hund in den Schrank eingesperrt worden sei, wuerde jener Erwartung ebenso widersprechen. Worauf es ankommt, das ist: die Tante oder der Schwiegervater, diese wuerdevollen oder auf Wuerde Anspruch machenden Personen; und weiter der Umstand, dass eine solche wuerdevolle Person in den Schrank eingeschlossen ist, und damit ploetzlich in meinen Augen ihrer Wuerde verlustig geht, und in dem speziellen Falle sogar auf das Niveau einer kleinen wimmernden Katze herabsinkt. Die Komik entsteht hier nicht aus der ploetzlichen Vereinigung zweier unvertraeglicher Aspekte, sondern aus diesem Zergehen der Wuerde der Tante oder des Schwiegervaters. _Herkenrath_ meint, hier ein Beispiel gegeben zu haben, in welchem die Komik entstehe, indem an die Stelle eines erwarteten Kleinen ein Grosses oder Wuerdevolles tritt. In Wahrheit findet hier wie in allen Faellen der Komik das Gegenteil statt: Ein Grosses schrumpft zu einem Kleinen zusammen. Waere dies nicht der Fall, so wuerde die Komik unterbleiben. Die Wahrnehmung eines reissenden Stromes, wo nach vorangehenden Erfahrungen ein wasserarmer Bach erwartet wurde, wirkt nicht komisch, sondern imponierend. Und doch haben wir auch hier die ploetzliche Vereinigung zweier unvertraeglicher Aspekte. * * * * * II. ABSCHNITT. DIE GATTUNGEN DES KOMISCHEN. IV. KAPITEL. DIE OBJEKTIVE KOMIK. KONTRAST DES GROSSEN UND KLEINEN. Mit den letzten Bemerkungen des vorigen Abschnittes habe ich dem Folgenden vorgegriffen. Das dort Angedeutete wird in diesem Abschnitt naeher auszufuehren sein. Wir reden zunaechst von der objektiven Komik. Die genauere Abgrenzung derselben von den beiden anderen Gattungen der Komik, der subjektiven und der naiven Komik, wird spaeter, im Kapitel ueber die naive Komik, zu vollziehen sein. Hier genuegt uns einstweilen diejenige Bestimmung des Begriffes der objektiven Komik, die sich aus dem hier Folgenden von selbst ergiebt. Ich sagte oben, _Kraepelin_ unterlasse es, uns zu sagen, welcher Kontrast komisch wirke. Die Antwort auf diese Frage ist teilweise seit lange gegeben. In gewisser Weise schon von der Aesthetik der _Wolff_'schen Schule. Diese bezeichnet den komischen Kontrast als einen Kontrast zwischen Vollkommenheiten und "Unvollkommenheiten". Deutlicher redet Kant. Ihm zufolge entsteht die Komik aus der ploetzlichen Aufloesung einer Erwartung in "Nichts". Nach _Jean Paul_ ist das Laecherliche das unendlich "Kleine", das zu einem Erhabenen in Gegensatz tritt. Und dieselbe Anschauung begegnet uns in der folgenden Geschichte der Aesthetik immer wieder, in den mannigfachsten Modifikationen, in geistvollster Weise durchgefuehrt von _Vischer_. Ich erwaehne speziell noch _Spencer_, fuer den die Komik beruht auf einer "descending incongruity"; einem unvermerkten Uebergang "from _great_ things to _small_". Aehnlich ist fuer _Bain_ der Anlass der Komik "the _degradation_ of some person or interest possessing dignity in circumstances, that excite no other strong emotion". Die Antwort auf die Frage nach dem Grunde der Komik, die ich meine, liegt aber im Grunde auch schon in der gewoehnlichen und jedermann gelaeufigen Gegenueberstellung des _Erhabenen_ und des Komischen oder Laecherlichen. Wie kann man es unterlassen, das Recht solcher Anschauungen und Wendungen wenigstens zu pruefen? Ein Kleines, ein relatives Nichts, dies liegt in allen diesen Wendungen, bildet jederzeit die eine Seite des komischen Kontrastes; ein Kleines, ein Nichts, nicht ueberhaupt, sondern im Vergleich zu demjenigen, mit dem es kontrastiert. Die Komik entsteht eben, indem das Kleine an dem Andern, zu dem es in Beziehung gesetzt wird, sich misst und dabei in seiner Kleinheit zu Tage tritt. Damit ist auch schon gesagt, dass das Kleine in der Vorstellungsbewegung, die dem Eindruck der Komik zu Grunde liegt, jederzeit _das zweite Glied_ sein muss, d. h. dasjenige, zu dem wir in unserer Betrachtung uebergehen, nicht der Ausgangspunkt, sondern der Zielpunkt der Bewegung. Wir moegen immerhin das Kleine schon vorher wahrgenommen oder ins Auge gefasst haben, klein erscheinen im Vergleich zur anderen Seite des Kontrastes kann es doch erst, nachdem wir den Massstab, den die andere Seite liefert, aus der Betrachtung derselben schon gewonnen haben. Dass diese Anschauung im Rechte ist, zeigen beliebige Beispiele. Auch die von _Kraepelin_ angefuehrten. Wir finden uns, um zunaechst ein Beispiel zu erwaehnen, das uns bei _Kraepelin_ nicht begegnet, das aber von uns bereits oben angefuehrt wurde, komisch angemutet, wenn wir neben einem maechtigen Palast ein kleines Haeuschen, wohl gar ein solches, das in seiner Form den Palast nachahmt, stehen sehen. Die komische Wirkung tritt noch sicherer ein, wenn das kleine Haeuschen eine ganze Reihe maechtiger Bauten unterbricht. _Kraepelins_ Fehler besteht darin, dass ihm dieser Kontrast zwischen Gross und Klein ein Kontrast ist wie jeder andere, und dass er die Stellung der Glieder des Kontrastes nicht beachtet. Denken wir uns eine Reihe von maechtigen Palaesten durch einen Bau unterbrochen, dessen Bauart eine ganz andere ist, der ihnen aber an Maechtigkeit nichts nachgiebt, eine grosse Kirche, ein Theater oder dergleichen, dann unterbleibt der Eindruck der Komik. Und angenommen, wir gehen erst zwischen Reihen kleiner Haeuser und erblicken ploetzlich einen riesigen Palast, so schlaegt er gar in den des Erstaunens um; obgleich natuerlich der Kontrast zwischen Klein und Gross nicht kleiner ist, als der zwischen Gross und Klein. Man vergleiche hier auch die Beispiele, die am Ende des vorigen Abschnittes angefuehrt wurden. In dem obigen Beispiele ist das "Kleine" ein Kleines der _Ausdehnung_. Ein solches ist es nicht in allen Faellen. Was ich mit dem Kleinen, dem relativen Nichts oben meinte, das ist ueberhaupt das fuer uns relativ Bedeutungslose, dasjenige, was fuer uns, sei es ueberhaupt, sei es eben jetzt, geringeres Gewicht besitzt, was geringeren Eindruck macht, uns in geringerem Masse in Anspruch nimmt, oder wie sonst wir uns ausdruecken moegen. Dergleichen Praedikate kann aber ein Objekt aus gar mancherlei Gruenden verdienen. Auf Eines muss ich besonders aufmerksam machen. Die Art, in der Objekte auf uns wirken oder uns in Anspruch nehmen, pflegt der Hauptsache nach nicht auf dem zu beruhen, was sie fuer unsere Wahrnehmung sind, sondern auf dem, was sie uns bedeuten, oder anzeigen, woran sie gemahnen oder erinnern. Die Wirkung der Worte liegt vor allen Dingen an dem, was sie sagen, nicht minder die der sichtbaren Formen, sei es einzig, sei es zum wesentlichen Teile, an den Gedanken, die sie in uns erwecken. Schon fuer die Komik der "leicht zu ertragenden menschlichen Gebrechen" kommt dies in Betracht. Inwiefern, dies wird deutlich, wenn man bedenkt, dass von Haus aus, das heisst abgesehen von den Vorstellungen und Gedanken, die wir auf Grund mannigfacher Erfahrungen hinzufuegen, die Bildung des menschlichen Koerpers ueberhaupt kein Gegenstand besonderen Interesses ist. Der menschliche Koerper waere uns sogar, wenn wir alle diese "associativen Faktoren" einen Augenblick zum Schweigen bringen koennten, die gleichgueltigste Sache von der Welt. Er gewinnt Bedeutung, indem mit ihm der Gedanke an ein darin waltendes koerperliches und geistiges Leben aufs Innigste verwaechst. Er wird dadurch zum sinnlichen Traeger der Persoenlichkeit. Nicht nur das Auge ist Spiegel des Innern, sondern der ganze Koerper in allen seinen Teilen, wenn auch nicht ueberall in gleichem Grade. Dies heisst nicht, wir lesen aus jeder Form des menschlichen Koerpers ein bestimmtes, _thatsaechlich_ darin verkoerpertes Leben in zutreffender Weise heraus. Nur dies ist mit jener Behauptung gesagt, es werde durch jede Form auf Grund der Erfahrung die Vorstellung eines bestimmt gearteten Lebens in uns erweckt, gleichgueltig ob die Vorstellung jedesmal der Wirklichkeit entspricht, oder nicht. Ausserdem muss hinzugefuegt werden, dass solche Vorstellungen uns nicht zum Bewusstsein zu kommen brauchen, wenn das Interesse an der Form entstehen, also die Form uns bedeutungsvoll werden soll. Die _normalen_ Formen des menschlichen Koerpers sind es aber, mit denen vor allem der Gedanke an _positives_, in gewisser Fuelle, Kraft, Ungestoertheit vorhandenes koerperliches und geistiges Leben sich verknuepft. Sie heissen eben normal, weil in ihnen ueberall das Mass von "Leben" und Lebensfaehigkeit sich darstellt oder darzustellen scheint, das wir allgemein fordern oder fuer wuenschenswert halten. Sie sind eben damit fuer uns Gegenstand erheblichen _positiven_ Interesses und darum bedeutungs- und eindrucksvoll. Mit diesem Interesse Hand in Hand geht dann das negative Interesse, das solche abnorme Formen fuer uns haben, die die Vorstellung eines erheblichen _Eingriffs_ in jenes koerperliche und geistige Leben oder einer erheblichen _Herabminderung_ desselben erwecken. Auch dies negative Interesse involviert eine entsprechende Eindrucksfaehigkeit. Dagegen erscheinen Abweichungen von der normalen Form, die mit keiner derartigen Vorstellung verbunden sind, notwendig relativ "nichtssagend" und damit psychologisch mehr oder weniger gewichtlos. Sie erscheinen insbesondere dem Sinn und Inhalt der _normalen_ Formen gegenueber entweder als ein Zuwenig oder als ein Zuviel oder als beides zugleich. Der uebermaessig Hagere bleibt schon rein aeusserlich betrachtet hinter der normalen Bildung zurueck. Aber nicht dies aeusserliche Zurueckbleiben, sondern der damit sich verbindende Gedanke einer geringeren Kraft- und Lebensentfaltung laesst die Form relativ nichtig erscheinen. Dasselbe gilt von der zu kleinen Nase. Sie macht den Eindruck der Verkuemmertheit, als habe der Organismus nicht Kraft genug gehabt, eine normale Nase zu bilden; indem sie an die Bildung der kindlichen Nase erinnert, erweckt sie zugleich die Vorstellung einer niedrigeren Stufe geistigen Lebens. Dagegen erscheint die zu grosse Nase, soweit sie ueber das normale Mass hinausgeht, als ein Ueberschuessiges, Zweckwidriges, zum Ganzen des Organismus und des ihn erfuellenden Lebens im Grunde nicht mehr Hinzugehoeriges, und insofern Sinnloses und Nichtiges. Dort ist fuer unsere Vorstellung mit der Form zugleich der Inhalt vermindert; hier reicht der Inhalt nicht zu fuer die Form, so dass diese teilweise inhaltlos erscheint. Endlich vereinigen sich beide Arten relativer Bedeutungslosigkeit beim uebermaessig Fetten. Das Fett erscheint als kraftlose, also bedeutungslose Wucherung, zugleich hemmt es das gewohnte Mass freier Bewegung und Lebensbethaetigung. Unter denselben Gesichtspunkt stellt sich der Typus und die Hautfarbe des Negers, ueber welchen der Ungebildete, und das Neue, worueber das Kind lacht. Der Negertypus erweckt allgemein gesagt die Vorstellung einer niedrigeren Stufe der Entwicklung; die Hautfarbe ist wenigstens dem Ungebildeten als Farbe des menschlichen Koerpers _unverstaendlich_. An sich besitzt ja auch die weisse Hautfarbe keine besondere Wuerde. Aber sie gehoert fuer uns, wie die normalen Formen, zum Ganzen des Menschen, ist Mittraeger des Gedankens an menschliches Leben geworden, auch auf sie hat sich damit etwas von der Wuerde der menschlichen Persoenlichkeit uebertragen. Diese Wuerde fehlt naturgemaess der schwarzen Hautfarbe, so lange wir nicht gelernt haben, auch sie als rechtmaessige menschliche Hautfarbe zu betrachten. Sie ist also so lange ein relatives Nichts. Ebenso ist das Neue fuer das Kind ein relativ Bedeutungsloses, weil das Kind seine Bedeutung, die Zugehoerigkeit zu Anderem, aus dem sich die Bedeutung ergiebt, die Brauchbarkeit zu diesem oder jenem Zweck u. s. w. noch nicht kennen gelernt hat. Als Unverstandenes, noch Sinnloses, und darum Nichtiges, nicht um der Neuheit willen, ist das Neue dem Kinde komisch,--soweit es dies ist. Wie in den bisher besprochenen, so ist es in allen Faellen der Anschauungskomik wesentlich, dass das relativ Nichtige als ein solches erscheine, nicht irgendwo oder irgendwann, sondern in dem Gedanken- oder Vorstellungszusammenhang, in den es hineintritt; oder, wie wir auch sagen koennen, dass es nichtiger erscheine, als der Vorstellungs- oder Gedankenzusammenhang, in den es sich einfuegt, _fordert_ oder _erwarten laesst_. Wir erwarten, wenn wir an einer Reihe grosser Gebaeude voruebergegangen sind, nun auch weiter grosse Gebaeude anzutreffen. Wir fordern oder erwarten von allem dem, was nun einmal zum Menschen gehoert, nicht bloss seinen Reden und Handlungen, sondern auch den Formen und Farben seines Koerpers, dass sie uns den Eindruck einer gewissen Bedeutsamkeit machen, dass in ihnen fuer unser Gefuehl oder Bewusstsein ein gewisser--nicht ueberall identischer, auch nicht ueberall gleich erhabener--Sinn, ein gewisses Mass von Zweckmaessigkeit, koerperlicher oder geistiger Lebenskraft und Leistungsfaehigkeit sich ausspreche, oder auszusprechen scheine. Wir erwarten, wenn wir unserm Freunde begegnen, an ihm alle die Zuege der aeussern Erscheinung wieder wahrzunehmen, die wir gewohnt sind als zu ihm gehoerig zu betrachten und die schon dadurch eine gewisse positive Bedeutung fuer uns gewonnen haben u. s. w. Die Komik entsteht, wenn _an Stelle_ des erwarteten Bedeutungs- oder Eindrucksvollen und unter Voraussetzung eben des Vorstellungszusammenhanges, der es erwarten laesst, ein fuer uns, unser Gefuehl, unsere Auffassung, unser gegenwaertiges Verstaendnis minder Eindrucksvolles sich einstellt. NACHAHMUNG UND KARIKATUR. Die Wichtigkeit dieser Bestimmung erhellt noch besonders deutlich, wenn wir jetzt mit _Kraepelin_ innerhalb der Anschauungskomik die Fuelle der Komik der Nachahmung und der Karikatur speziell ins Auge fassen. Wir sehen nach _Kraepelin_ bei der Komik der Nachahmung "die eine von zwei uns als verschieden bekannten Individualitaeten eine teilweise Uebereinstimmung mit der andern gewinnen und werden dadurch gezwungen, jene beiden Vorstellungen miteinander in nahe Beziehung zu setzen, ohne sie doch natuerlich zu einer vollstaendigen Deckung bringen zu koennen." Darauf beruht hier fuer _Kraepelin_ die Komik. Nach dieser Theorie muesste das Gefuehl der Komik immer entstehen, wenn zwei Personen sich in gewissen Punkten entschieden aehnlich, in andern entschieden unaehnlich sind, wenn beispielsweise von zwei Bruedern der eine ganz die Zuege des Vaters hat, waehrend der andere teilweise dem Vater, teilweise der Mutter gleicht. Auch hier setzen wir ja Personen in nahe Beziehung, ohne sie zur Deckung bringen zu koennen. _Kraepelins_ Theorie vergisst eben auch hier wiederum die Hauptsache. Er uebersieht in der Komik der Nachahmung die _Nachahmung_. Nachahmung ist _Herausloesung_ von Zuegen einer Person, Eigentuemlichkeiten derselben, Arten zu sprechen, zu handeln, sich zu bewegen, aus dem Zusammenhang, dem sie angehoeren und in dem sie ihre Bedeutung haben. Dabei koennen zwei Moeglichkeiten unterschieden werden. Die nachgeahmten Eigentuemlichkeiten seien zunaechst Eigentuemlichkeiten _irgend welcher_ Art. Sofern wir sie an der Person wahrnehmen, der sie zugehoeren, sind sie Eigentuemlichkeiten dieser Person; d. h. diese Person giebt ihr Wesen darin nach gewisser Richtung kund; sie sind nicht bloss diese Eigentuemlichkeiten, sondern Eigentuemlichkeiten, in denen diese Person _steckt_. Nun werden sie von mir nachgeahmt. Damit erscheinen sie von dieser Person losgeloest. Zugleich erscheinen sie doch fuer denjenigen, der weiss, dass ich nachahme, nicht etwa auf mich uebertragen. Sie werden nicht als mir thatsaechliche zukommende Eigentuemlichkeiten aufgefasst. Sie sind also isoliert; schweben sozusagen in der Luft. Andererseits werden sie doch immer noch als Eigentuemlichkeiten der anderen Person _erkannt_. Man weiss, ich ahme jene _Person_ nach. Damit ist der Grund zur Komik gegeben. Die Eigentuemlichkeit, die als Eigentuemlichkeit der Person ihren Sinn hat, buesst vermoege der Losloesung von der Person diesen Sinn ein. Sie ist, als zur Person gehoerig betrachtet, Ausdruck des Wesens derselben; indem ich durch die Nachahmung gezwungen werde, sie _fuer sich_ zu betrachten, geht sie dieses Anspruches verlustig. Sie hat, sofern sie der Person zugehoert, diese zum Inhalt oder Substrat, jetzt kommt ihr dieser Inhalt oder dies Substrat abhanden. Sie wird mit einem Worte zur leeren Form. Immer wieder, wenn ich sie im Zusammenhang der Person betrachte, fuellt sich die Form mit persoenlichem Inhalte; und jedesmal wenn ich sie in ihrer Isolierung betrachte, schrumpft sie zur leeren Form zusammen. Ein Etwas wird zu einem Nichts. Dies aber ist der Grund aller Komik. Aus dem Gesagten ergiebt sich, dass die komische Wirkung der Nachahmung umso groesser sein muss, einmal je mehr das ganze Wesen der Person in der nachgeahmten Eigentuemlichkeit sich kund giebt, je _charakteristischer_ also die Eigentuemlichkeit fuer die Person ist, zum anderen, je weniger die Eigentuemlichkeit zu mir passt, je weniger sie also als meine Eigentuemlichkeit genommen werden kann. Andererseits steigert sich die Wirkung notwendig, wenn wir die zweite der oben gemeinten Moeglichkeiten ins Auge fassen, d. h. wenn wir annehmen die Eigentuemlichkeit sei eine "_Eigenheit_", ich meine: ein solcher Zug der nachgeahmten Person, der im Vergleich zum normalen menschlichen Wesen, ebenso wie die leicht zu ertragenden Gebrechen, als ein Zuviel oder ein Zuwenig erscheint, also in jedem Falle einen Eindruck relativer Nichtigkeit zu machen geeignet ist. Ich sage mit Absicht: geeignet ist; denn dass solche "Eigenheiten" an der Person selbst als Kleinheiten oder Schwaechen erscheinen muessten, soll hier nicht gesagt sein. Sie erscheinen dann um so sicherer als solche in der Nachahmung. Eine Art zu sprechen etwa verraet eine gewisse Weichheit, ein Sichgehenlassen des Gefuehls. Die Gefuehlsweichheit passt aber zur Person, ist mit anderen wertvollen Eigenschaften derselben notwendig verbunden; wir finden sie darum an der Person voellig in Ordnung. So finden wir ja an ganzen Gattungen von Menschen, an den verschiedenen Geschlechtern, Lebensaltern, Staenden, Besonderheiten in der Ordnung und fordern sie sogar, die ohne Ruecksicht auf die besondere Natur der Traeger als Kleinheiten erscheinen wuerden. Oder, gehoert die Eigentuemlichkeit nicht zum Wesen der Person, in dem Sinne, dass wir gar nichts Anderes von ihr erwarten, dann haben wir uns doch vielleicht in die Person und die Eigentuemlichkeit gefunden. Wir haben gelernt die Persoenlichkeit als Ganzes zu fassen; und in ihrer Ganzheit, zu der auch die Schwaeche gehoert, ist sie uns vertraut.--Indem ich nun aber die Eigentuemlichkeit nachahme, reisse ich sie aus jenem Zusammenhang heraus. Sie wird jetzt gewissermassen Gegenstand absoluter Beurteilung, d. h. sie tritt statt in ihrer Beziehung zu ihrem Traeger, in ihrer Beziehung zum Menschen ueberhaupt ins Bewusstsein. Sie wird gemessen an dem, was man vom Menschen ueberhaupt erwartet. Und in diesem Zusammenhang stellt sie sich als Kleinheit dar und wirkt entsprechend. Sie wirkt komisch. Voellig entgegengesetzte Eigenschaften koennen auf diese Weise durch Nachahmung komisch werden. Wie die Sprechweise, die ein Sichgehenlassen des Gefuehls verraet, so auch die besonders energische, trotzig herausfordernde, kommandomaessige. Der Kommandoton bleibt nicht hinter dem zurueck, was wir im allgemeinen zu erwarten pflegen, sondern geht darueber hinaus; er laesst aber seinerseits einen entsprechenden Zweck und Inhalt der Rede erwarten. Auch wo der fehlt, ertragen wir am Ende den Ton, wenn die Person und Stellung dazu passen. Reissen wir ihn, nachahmend, aus diesem Zusammenhang, so erscheint er in seiner Zweck- und Inhaltlosigkeit und damit relativ nichtig. Man sieht leicht, dass zwischen den beiden hier unterschiedenen Faellen hinsichtlich des Grundes der Komik derselbe Gegensatz besteht, wie zwischen der zu kleinen und der zu grossen Nase oder zwischen uebermaessiger Hagerkeit und uebermaessiger Koerperfuelle. Ein Objekt wird komisch das eine Mal, weil es selbst eine Erwartung unerfuellt laesst, das andere Mal, weil es eine Erwartung erregt, die unerfuellt bleibt. Dieser Gegensatz geht durch. Der Mann, der ein Kinderhaeubchen aufsetzt, und der kleine Junge, der sich einen Cylinder aufs Haupt stuelpt, beide sind gleich komisch. Zunaechst ist dort das Haeubchen komisch, weil man an seiner Stelle die wuerdige maennliche Kopfbedeckung erwartet, hier das Kind, weil wir als Traeger des wuerdigen Cylinders einen Mann erwarten. Dann aber heftet sich die Komik auch, in jenem Falle an den Mann, in diesem an den Cylinder, weil der Mann, indem er das Haeubchen aufsetzt, seiner Wuerde als Mann, der Cylinder, indem er sich herablaesst das Haupt des Kindes zu schmuecken, seiner Wuerde als maennliche Kopfbedeckung sich zu begeben scheint. Mit der Komik der Nachahmung ist die der Karikatur verwandt. Auch bei der letzteren werden "Eigenheiten" herausgehoben, nicht durch Herausloesung aus dem gewohnten Zusammenhang, aber durch Steigerung. Ich zeichne einen Menschen im uebrigen korrekt, vergroessere aber die etwas zu grosse, oder verkleinere die etwas zu kleine Nase, verstaerke die Hagerkeit oder die Rundung der Person u. s. w. In jedem Falle handelt es sich um die Hervorhebung eines relativ Nichtigen. Dies macht zunaechst die Karikatur selbst zum Gegenstand der Komik, dann auch das Original, mit dem wir nicht umhin koennen sie zu identifizieren. Dass _Kraepelin_ das Wesentliche dieses Vorgangs uebersieht, verwundert uns nicht mehr. Die Komik beruht ihm hier wie bei der Nachahmung auf Aehnlichkeit und daneben bestehendem Kontrast: Die Karikatur laesst die Aehnlichkeit praegnant hervortreten, sorgt aber zugleich dafuer, dass der Kontrast mit dem Original genuegend gewahrt bleibt. Nach dieser Theorie muesste jedes in einigen Teilen getroffene, in andern vom Original entschieden abweichende Bildnis komisch wirken, selbst dann, wenn die Abweichung vielmehr in einer _Vertuschung_ oder _Weglassung_ solcher Eigentuemlichkeiten bestaende, die im Original abnorm oder komisch sind. SITUATIONSKOMIK. Sollte aus dem Bisherigen das Recht der an _Kraepelin_ geuebten Kritik und der an Stelle der seinigen gesetzten Anschauung noch nicht voellig deutlich geworden sein, dann wird die Betrachtung der zweiten _Kraepelin_'schen Hauptgattung der Komik hoffentlich zu diesem Ziele fuehren. Kraepelin bezeichnet als solche die Situationskomik. "Das gemeinsam wirkende Element der Situationskomik ist stets ein Missverhaeltnis zwischen menschlichen Zwecken und deren Realisierung". Dass diese Angabe, auch wenn wir nur _Kraepelins_ Beispiele ins Auge fassen, zu enge ist, verschlaegt uns hier um so weniger, als _Kraepelin_ selbst sie im darauf folgenden Satze wieder aufhebt und den Begriff der Situation wesentlich erweitert: "Gerade das ist das Charakteristische der Situation, dass sie keinen Ruhezustand zulaesst, sondern einen einzelnen Moment aus einer Reihe von Handlungen oder Begebenheiten herausgreift". Darnach waere die Situationskomik die Komik des Nacheinander von Begebenheiten oder Handlungen. Dagegen ist mir der Umstand wesentlich, dass jene Bestimmung zugleich zu weit ist. Auch bei der Situationskomik kann nicht ein Missverhaeltnis als solches das Gefuehl der Komik erzeugen. Auch hier entsteht dies Gefuehl nur, indem ein Element in dem Gedankenzusammenhang, in den es hineintritt, als ein relativ Kleines erscheint. Wiederum ist dabei notwendig das Kleine der Zielpunkt, nicht der Ausgangspunkt der gedanklichen Bewegung. Es ist nicht komisch, wenn Columbus, statt den Seeweg nach Ostindien zu finden, Amerika entdeckt. Der Kontrast zwischen "Zweck" und "Realisierung" ist hier gross genug, aber er ist nicht zugleich ein Kontrast zwischen Gross und Klein. Dagegen waere Columbus Gegenstand der Komik geworden, wenn er schliesslich auf irgendwelchem Umweg in laengst bekannter Gegend gelandet waere und diese vermeintlich entdeckt haette. Es ist nicht komisch, sondern furchtbar, wenn ein Apotheker sich vergreift, und dem Kranken statt des Heilmittels ein toetliches Gift giebt. Dagegen wuerde der Eindruck der Komik nicht ausbleiben, wenn wir saehen, dass jemand seinem Feinde, in der Meinung ihn zu vergiften, ein unschaedliches Pulver eingegeben habe. _Kraepelin_ freilich glaubt Faellen jener Art ihre Beweiskraft zu nehmen, indem er erklaert, es duerften, wo die Komik zu stande kommen solle, "keine Unlustgefuehle" erregt werden; aber wie es komme, dass in gewissen Faellen statt des Gefuehles der Komik ein Gefuehl der Unlust erzeugt werde, das ist eben die Frage, um die es sich handelt, ganz abgesehen davon, dass ja auch nach _Kraepelins_ eigner Meinung Unlustgefuehle zur Komik hinzugehoeren. Ob der anderen Bedingung, dass das Kleine _Zielpunkt_ der Bewegung sei, in einem gegebenen Falle genuegt sei, dies erfahren wir am einfachsten, wenn wir wiederum, wie schon oben, den Begriff der Erwartung oder Forderung verwenden. "Komisch wirkt die Erfolglosigkeit lebhafter Bemuehungen." In der That ist es komisch, wenn wir den Schulmeister sich vergeblich muehen sehen, eine Schar ungezogener Rangen zur Ruhe zu bringen. Dagegen irrt _Kraepelin_, wenn er dieselbe Wirkung dem "unvermuteten Erfolg geringfuegiger Bestrebungen" zuschreibt. So ist es nicht komisch, sondern imponierend, wenn eine Person durch ihr blosses Auftreten, einen Blick, ein Wort, eine geringfuegige Bewegung, eine grosse Menge beherrscht und leitet. Der Unterschied beider Faelle besteht aber eben darin, dass der Erfolg dort hinter dem zurueckbleibt, was wir nach gewoehnlicher Erfahrung erwarten oder fordern, waehrend er hier darueber hinausgeht. Ebenso entsteht der Eindruck der Komik, wenn viel versprochen und wenig geleistet wird, wenn jemand stolz und selbstbewusst auftritt und ueber kleine Hindernisse stolpert, wenn der Erwachsene redet, handelt, denkt wie ein Kind u. s. w.; er entsteht nicht, wenn umgekehrt wenig versprochen und viel geleistet wird, wenn jemand bescheiden auftritt und leistet, was nach der Art seines Auftretens niemand von ihm erwartete, wenn das Kind, ohne doch unkindlich zu erscheinen, einen Grad des Verstaendnisses verraet, dem wir in seinem Alter sonst nicht zu begegnen gewohnt sind. Nur unter einer Bedingung kann auch bei Faellen dieser letzteren Art das Gefuehl der Komik sich einstellen; dann naemlich, wenn sich in unseren Gedanken der Zusammenhang der Facta in der Weise umkehrt, dass dasjenige, was dem natuerlichen Gang der Dinge zufolge an die Stelle des Erwarteten tritt, zu dem wird, was die Erwartung erregt, und umgekehrt. Angenommen etwa, wir sehen nicht die geringe Bemuehung und auf diese folgend das bedeutsame Ergebnis, sondern hoeren zuerst von dem letzteren, und erwarten nun oder fordern an der Hand gelaeufiger Erfahrung, dass eine bedeutsame Anstrengung vorausgegangen sei, oder wir sehen wohl erst die geringe Bemuehung, und dann den grossen Erfolg, wenden aber nachher unsern Blick von dem Erfolg wiederum zurueck zur geringen Bemuehung und finden diese geringfuegiger als wir eigentlich glauben erwarten zu muessen,--in jedem der beiden Faelle kann die geringfuegige Bemuehung komisch erscheinen. Aber derartige Faelle wiederlegen nicht, sondern bestaetigen unsere Behauptung. Nicht der objektive Zusammenhang, sondern der Zusammenhang in unserem Denken und das Vorher und Nachher innerhalb dieses Zusammenhangs, ist ja fuer uns das Entscheidende. DIE ERWARTUNG. Mit der Anschauungs- und Situationskomik ist fuer _Kraepelin_ der Umkreis der objektiven Komik abgeschlossen. Entsprechend koennten auch wir die Kritik der _Kraepelin_'schen Theorie abschliessen, wenn wir uns nicht bereits in einen neuen Streit mit ihrem Autor verwickelt haetten. Wir thaten dies durch die Art, wie wir den Begriff der Erwartung verwandten. Die Einfuehrung dieses Begriffs geschah gelegentlich; und seine Verwendung schien in den speziell angefuehrten Faellen wohl gerechtfertigt. Es fehlt aber noch--nicht nur die prinzipielle Rechtfertigung, sondern sogar die genauere Bezeichnung desjenigen, was eigentlich mit diesem Begriff gesagt sein solle. Beides wollen wir im Folgenden nachzuholen versuchen. Dabei wird auch erst die volle Tragweite dieses Begriffs deutlich werden. Wie schon erwaehnt, erklaert _Kant_ die Komik aus der ploetzlichen Aufloesung einer Erwartung in Nichts. Auch _Vischer_ laesst die Erwartung als ein wesentliches Moment der Komik erscheinen, wenn er gelegentlich das "Erhabene", zu dem das Nichtige in komischen Gegensatz tritt, mit dem identifiziert, was irgend eine, wenn auch an sich unmerkliche Erwartung und Spannung erregt. (Aesthetik I, sek. 156). Mit solchen Erklaerungen scheint eben unsere Anschauung ausgesprochen. Dagegen spricht _Kraepelin_ der Erwartung jede prinzipielle Bedeutung ab, obgleich er doch wiederum jener _Kant_'schen Bestimmung ein gewisses Recht zugesteht. Zunaechst soll die Erwartung die Wirkung der Komik nur verstaerken. Was die Wirkung eigentlich hervorbringt, ist der Vorstellungskontrast. Darnach sind Kontrast und in Nichts aufgeloeste oder enttaeuschte Erwartung fuer _Kraepelin_ jederzeit nebeneinander stehende Momente. Von einem solchen Nebeneinander nun konnten wir in den oben besprochenen Faellen nichts bemerken. Vielmehr lag eben in der Enttaeuschung der Erwartung, d. h. in dem Kontrast zwischen dem Erwarteten und dem relativen Nichts, das dafuer eintrat, jederzeit der ganze Grund der Komik. Es ist, um viele Faelle in einen Typus zusammenzufassen, komisch, wenn Berge kreissen und ein winziges Maeuschen wird geboren. Man lasse dabei die Erwartung weg, nehme an, das Kreissen der Berge gebe zu keiner Vermutung ueber die Beschaffenheit dessen, was daraus entstehen moege, Anlass, so dass der Gedanke, es werde etwas Grosses geboren werden, nicht naeher liegt als der entgegengesetzte, und die Komik ist dahin. Sie beruht also freilich auf einem Kontrast, aber nicht auf dem Kontrast der Berge und des Maeuschens, sondern auf dem Kontrast des Erwarteten und des dafuer Eintretenden. Dies wird noch deutlicher in anderen Faellen. Vor mir liege ein chemischer Koerper, der bei einem leichten Schlage mit lautem Knall explodieren soll. Indem ich den Schlag ausfuehre, bin ich auf den Knall gefasst. Ich hoere aber thatsaechlich nur das Geraeusch, das der Schlag auch sonst hervorgebracht haette: der Versuch ist missglueckt. Hier ist dasjenige, was die Erwartung erregt, die Wahrnehmung des Schlages, an sich so geringfuegig wie dasjenige, was folgt. Kein Kontrast irgendwelcher Art findet statt zwischen dem leichten Schlage und dem Geraeusch. Der Kontrast besteht einzig zwischen dem Geraeusch und der erwarteten Explosion. Hierin also ist der Grund der Komik zu suchen. Diesen Faellen lassen sich leicht solche entgegenstellen, in denen lediglich darum _keine_ komische Wirkung entsteht, weil die Erwartung und ihre Aufloesung in Nichts _fehlt_. Im Vergleich zu einem hohen Berge erscheint jedes darauf stehende Haus klein. Das Haus ist darum doch nicht notwendig kleiner als man erwartet, Unter dieser Voraussetzung fehlt dann auch die Komik, trotz jenes Kontrastes zwischen Berg und Haus. Darnach muessen wir jetzt sogar _Kraepelins_ Kontrasttheorie in einem neuen wesentlichen Punkte korrigieren. Wir korrigieren damit zugleich uns selbst, sofern wir uns oben die _Kraepelin_'sche Ausdrucksweise einstweilen gefallen liessen. Der Kontrast zwischen menschlichen Zwecken und ihrer Realisierung, zwischen lebhaften Bemuehungen und deren Erfolglosigkeit u. s. w., auf den _Kraepelin_ die Situationskomik gruendete, hat als solcher mit der Komik gar nichts zu thun. An seine Stelle tritt der Kontrast zwischen der erwarteten und der thatsaechlichen Realisierung, zwischen dem Erfolg, den wir den Bemuehungen, sie moegen "lebhaft" sein oder nicht, naturgemaess zuschreiben, und der wirklichen Erfolglosigkeit. Ebenso tritt bei der Anschauungskomik an die Stelle des Kontrastes zwischen "dem angeschauten Gegenstand und Bestandteilen unseres Vorstellungsschatzes" der Kontrast zwischen der Beschaffenheit des Angeschauten, die wir auf Grund unseres Vorstellungsschatzes naturgemaess voraussetzen, und derjenigen, die die Anschauung aufweist. Mit einem Worte, der Vorstellungskontrast loest sich auf in den Kontrast zwischen einem Erwarteten (Geforderten, Vorausgesetzten) und einem an die Stelle tretenden Thatsaechlichen. Dies ist der eigentliche "intellektuelle" Kontrast, den _Kraepelin_ sucht, aber nur mit diesem Namen zu bezeichnen weiss. Zweitens versichert _Kraepelin_, die Erwartung sei "natuerlich" nur beim successiven Kontrast von Bedeutung. Dagegen berufe ich mich zunaechst auf den Sprachgebrauch, der nichts dawider hat, wenn ich sage, man erwarte bei Menschen eine gewisse normale Koerperbildung, oder man erwarte, wenn man einen fuer Erwachsene bestimmten Tisch sehe, dass auch die um ihn herumstehenden Stuehle Stuehle fuer Erwachsene seien, nicht Kinderstuehle u. dgl. Oder ist der Sprachgebrauch hier unwissenschaftlich?--Dann ziehe ich mich aus dem Streit, indem ich sage, was ich hier unter Erwartung verstehe. Diese Pflicht liegt ja ohnehin jedem ob, der die Erwartung zur Erklaerung der Komik verwendet oder sie ausdruecklich davon ausschliesst. Die Erwartung einer Wahrnehmung oder einer Thatsache ist jedenfalls ein Zustand des Bereit- oder Geruestetseins zum Vollzug der Wahrnehmung, bezw. zur Erfassung der Thatsache. Ein solches Bereitsein kann in unendlich vielen Stufen stattfinden. Ich bin nicht bereit eine Wahrnehmung zu vollziehen, wenn Anderes, das mit der Wahrnehmung in keinem Zusammenhang steht, mich gaenzlich in Anspruch nimmt, oder gar Vorstellungen sich mir aufdraengen, deren Inhalt dem Inhalt jener Wahrnehmung widerspricht. So bin ich nicht vorbereitet einen Glockenschlag zu hoeren, wenn Gedanken, die mit dem Glockenschlage in keiner Beziehung stehen, mich ganz und gar beschaeftigen. Ich bin in noch minderem Grade vorbereitet, jemand eine bedeutende Leistung vollbringen zu sehen, wenn seine ganze Persoenlichkeit vielmehr den Eindruck der Unfaehigkeit zu jeder bedeutenden Leistung macht. Dagegen kann ich mich schon in gewisser Weise auf den Schall vorbereitet nennen, wenn mich in dem Augenblicke, wo er eintritt, nichts besonders in Anspruch nimmt, wenn also die Schallwahrnehmung relativ ungehindert in mir zu stande kommen kann. Ich bin ebenso in gewisser Weise vorbereitet, die Leistung sich vollziehen zu sehen, wenn ich hinsichtlich der Leistungsfaehigkeit der Person kein guenstiges, aber auch kein unguenstiges Vorurteil hege. Doch ist in diesen Faellen die Bereitschaft noch eine lediglich negative. Sie kann dann aber in den verschiedensten Graden zur positiven werden. Bleiben wir bei der Leistung. Angenommen die Person, ueber deren Leistungsfaehigkeit ich nichts weiss, habe die glueckliche Vollfuehrung eines nicht ueber gewoehnliche menschliche Kraefte hinausgehenden, auch mit keinen uebergrossen Schwierigkeiten verbundenen Unternehmens angekuendigt. Daraus ergaebe sich schon ein erhebliches Mass positiver Bereitschaft. Ich verstehe die Ankuendigung und bin gewohnt anzunehmen, dass derjenige, der eine solche Ankuendigung ausspricht, nicht nur den guten Willen habe, sie zu erfuellen, sondern auch Mittel und Wege dazu finden werde. Dieser erfahrungsgemaesse Zusammenhang zwischen Ankuendigung und Vollfuehrung des Unternehmens bereitet mich auf die Wahrnehmung des Unternehmens vor, leitet die seelische Bewegung darauf hin; oder wenn man lieber will, der Gedanke an die Ankuendigung thut dies _vermoege_ jenes Gedankenzusammenhanges oder auf dem dadurch bezeichneten _Wege_. Dass die Hinleitung wirklich stattfindet, erfahre ich, sobald ich die Leistung sich wirklich vollziehen sehe. Ich erlebe den Vollzug derselben nicht nur ohne Befremden und Ueberraschung, sondern wie etwas, das so sein muss. Ich finde mich in das Erlebnis nicht nur ohne Widerstreben, sondern ich wuerde mich umgekehrt nur mit einem gewissen Widerstreben in das Nichteintreten desselben finden. Dies Streben, bezw. Widerstreben kann nur in dem Vorhandensein eines auf die Wahrnehmung des Vollzugs der Leistung hinleitenden oder hindraengenden Faktors seinen Grund haben. Damit ist indessen noch nicht der hoechste Grad der Bereitschaft erreicht. Sie steigert sich, wenn ich von der Leistungsfaehigkeit der Person die beste Meinung habe, wenn ich zugleich an ihrer Zuverlaessigkeit nicht zweifle, wenn endlich solche Elemente, die dem, was kommen soll, unmittelbar angehoeren, in der Wahrnehmung oder Erfahrung bereits gegeben sind. Ich weiss etwa, der Moment, fuer den die Leistung angekuendigt war, ist da; ich sehe auch die Person zum Vollzug derselben sich anschicken. Jetzt wird mein Vorstellen gleichzeitig durch alle diese Faktoren auf die Wahrnehmung des wirklichen Vollzugs der Leistung hingeleitet. Die Energie dieser Hinleitung nimmt zu; bis zu dem Momente, wo es sich entscheiden muss, ob die That geschieht oder nicht. Wiederum verraet sich die vorbereitende Kraft jener Faktoren in der unmittelbaren Erfahrung. Immer begieriger und leichter vollziehe ich die Wahrnehmung der Leistung, wenn sie wirklich geschieht, und immer befremdlicher finde ich mich angemutet, wenn sie schliesslich dennoch unterbleibt. Vielleicht freilich giebt man nicht viel auf diese unmittelbare Erfahrung. Dann mag daran erinnert werden, dass die Wirksamkeit solcher Faktoren auch experimentell feststeht. Psychische Messungen ergeben, dass Wahrnehmungsinhalte um so schneller von uns erfasst werden oder zu unserem Bewusstsein gelangen, je mehr derartige Faktoren, je mehr also Vorstellungs- oder Wahrnehmungsinhalte, die mit der neuen Wahrnehmung in engem erfahrungsgemaessem Zusammenhang stehen, bereits gegeben sind. So ist die Zeit, die zwischen der Ausloesung eines Schalles und der Wahrnehmung desselben verfliesst, kuerzer, wenn derjenige, der ihn hoert, vorher weiss, es werde ein Schall von dieser bestimmten Beschaffenheit erfolgen, als wenn er ihn voellig unvorbereitet hoert; sie ist noch kuerzer, wenn dem Schall in bestimmter, dem Hoerer genau bekannter Zeit irgendwelches Signal vorangeht. Diese successive Verkuerzung der Zeit beweist so deutlich als moeglich die den Vollzug der Wahrnehmung vorbereitende und erleichternde Kraft jener Faktoren. Der zuletzt bezeichneten Art der Bereitschaft nun wird jedermann den Namen der Erwartung zugestehen. Wir "erwarten" das in Aussicht gestellte und angefangene Unternehmen sich vollenden zu sehen. Dagegen sagen wir nicht, wir erwarten einen Schall zu hoeren, wenn die Wahrnehmung desselben nur in dem Sinne vorbereitet ist, dass ihr kein besonderes Hindernis entgegensteht. Wir "erwarten" auch nicht den Vollzug der Leistung, wenn die Ankuendigung derselben uns zwar bekannt, aber im Augenblicke nicht in uns wirksam ist, sei es dass der Gedanke ueberhaupt nicht in uns lebendig ist, sei es dass sonstige seelische Vorgaenge ihn verhindern seine Wirksamkeit zu entfalten. Darnach wissen wir, worin das Wesen der Erwartung besteht. Wir sprechen von einer solchen, und sind berechtigt davon zu sprechen, wenn die Bereitschaft zum Vollzug einer Wahrnehmung oder zur Erfassung einer Thatsache eine aktive ist, d. h. wenn in uns _lebendige_ Wahrnehmungen oder Vorstellungen vermoege ihrer Beziehung zu der Wahrnehmung oder Thatsache auf diese hinweisen oder hindraengen; und wir haben ein um so groesseres Recht von Erwartung zu sprechen, je bestimmter und ungehinderter die Wahrnehmungen oder Vorstellungen eben auf diese Wahrnehmung oder Thatsache hindraengen. Damit sehen wir in der Erwartung nicht eine besondere seelische Thaetigkeit, oder ein ueber den associativen "Mechanismus" hinausgehendes seelisches Geschehen. Zwei seelische Vorgaenge sind durch Association verknuepft, dies heisst gar nichts anderes, als, sie sind so aneinander gebunden, dass die Wiederkehr des einen auf die Wiederkehr des aendern hindraengt; und dies Hindraengen giebt sich ueberall darin zu erkennen, dass der zweite seelische Vorgang sich, sei es ueberhaupt vollzieht, sei es leichter vollzieht, weil der erstere sich vollzieht oder sich vollzogen hat; womit dann zugleich gesagt ist, dass ein jenem Vorgang gegensaetzlicher in seinem Entstehen gehemmt werden wird. Oder kurz gesagt, wir sprechen von Association darum und nur darum, weil wir es erleben, dass seelische Vorgaenge sich als wirksame Bedingungen anderer, damit natuerlich zugleich als Hemmung entgegengesetzter erweisen. Die an sich unbekannte Beziehung zwischen Vorgaengen, welche in dieser Wirksamkeit sich aeussert, nennen wir Association. Auch die Erwartung ist nur ein besonderer Fall der Wirksamkeit der Associationen. An gewisse Bewusstseinsinhalte hat sich in den besprochenen Faellen eine Wahrnehmung oder der Gedanke an die Verwirklichung eines Geschehens erfahrungsgemaess geknuepft. Diese Verknuepfung bethaetigt sich, indem die Wahrnehmung oder die Erfassung des Geschehens leichter sich vollzieht, und eben damit zugleich der Vollzug einer entgegengesetzten Wahrnehmung oder eines widersprechenden Gedankens eine Hemmung erleidet, sobald jene Bewusstseinsinhalte wiederum in uns lebendig werden. Ein Punkt nur scheint noch uebersehen: das Gefuehl des Strebens oder der inneren Spannung, das die Erwartung begleitet. Aber dies Gefuehl ist, wie dies schon oben gelegentlich von den Gefuehlen ueberhaupt gesagt wurde, nicht mitwirksamer Faktor. Es ist ein Nebenprodukt, das ueberall sich einstellt, wo der Fluss des seelischen Geschehens auf ein Ziel gerichtet ist, dies Ziel aber nicht, oder einstweilen nicht erreichen kann; oder anders ausgedrueckt, wo aktive, also in thatsaechlich vorhandenen Empfindungen oder Vorstellungen bestehende Bedingungen fuer ein seelisches Geschehen gegeben sind, ohne dass doch dies Geschehen, sei es ueberhaupt, sei es einstweilen sich vollziehen kann. Wir werden in dem Gefuehl des Strebens eben dieses Sachverhaltes, dieser Kausalitaet, die ihres zugehoerigen Erfolges ueberhaupt oder einstweilen entbehren muss, inne; es bildet den Widerschein desselben in unserem Bewusstsein. Von den vorhin besprochenen Beispielen der Erwartung gilt nun thatsaechlich, was _Kraepelin_ als zu aller Erwartung gehoerig anzusehen scheint; es ist dabei das die Erwartung Erregende objektiv frueher als das Erwartete. Besteht aber das Wesen der Erwartung in dem eben Angegebenen, dann ist nicht einzusehen, inwiefern jenes Verhaeltnis objektiver Succession dafuer wesentlich sein sollte. Auch wenn eine Reihe grosser Palaeste die Erwartung in mir erregt, es werden weiter grosse Bauwerke folgen, weist ein seelisches Geschehen, naemlich die Wahrnehmung der Palaeste auf eine Wahrnehmung, naemlich die aehnlich grossartiger Bauwerke, hin und bereitet sie vor. Dass hier das Erwartete, bezw. das dafuer Eintretende kein zeitlich Nachfolgendes ist, macht psychologisch keinen Unterschied. Die Wirkung ist dieselbe; auch das Gefuehl der Spannung braucht nicht zu fehlen. Nebenbei bemerke ich, dass in diesem Beispiel auch das Band, das die "Vorbereitung" vermittelt, ein anderes ist, als in den oben angefuehrten Faellen,--nicht erfahrungsgemaesser Zusammenhang, sondern Aehnlichkeit. Auch dies aber aendert die Wirkung nicht. Wir kennen ja ueberhaupt zwei wirkungsfaehige Arten des Zusammenhanges zwischen seelischen Vorgaengen, oder zwei "Associationen", naemlich die Association, die durch Erfahrung, d. h. durch gleichzeitiges Erleben, _geworden_ ist, und die urspruengliche Association der _Aehnlichkeit_. Immerhin besteht beim letzten Beispiele noch ein Verhaeltnis der _subjektiven_ Succession. Das neue grosse Gebaeude oder das an seine Stelle tretende kleine Haeuschen folgt wenigstens in der Wahrnehmung oder Betrachtung auf die Reihe der Palaeste. Und diese Succession scheint allerdings fuer die Erwartung wesentlich. Aber eine Art dieser lediglich subjektiven Succession ist, wie wir schon wissen, auch fuer die Komik, soweit sie bisher in Betracht kam, wesentlich. Die Wahrnehmung der menschlichen Koerperformen, die der Neger mit uns gemein hat, erzeugt die aktive Bereitschaft, mit dem Negerkoerper ebendenselben Gedanken eines in und hinter den Formen waltenden koerperlichen und seelischen Lebens zu verbinden, wie wir ihn mit unserem Koerper zu verbinden nicht umhin koennen. Die Wahrnehmung des Negerkoerpers weist oder draengt auf den Vollzug dieses Gedankens hin, wie die Ankuendigung der Leistung auf die Wahrnehmung der Leistung, oder die Reihe der Palaeste auf die Wahrnehmung eines gleich imposanten Baues. Das Band, das den Hinweis vermittelt, ist, im Unterschied von dem letzteren Falle, wiederum das der _Erfahrungsassociation_. Diesem Gedanken, dass der Negerkoerper, ebenso wie der unsrige, menschliches Leben in sich schliesse, tritt nun die Wahrnehmung der schwarzen Hautfarbe, die wir der Voraussetzung nach noch nicht als Traeger eines solchen Lebens kennen und anerkennen, sofort negierend entgegen. Ich kann den Neger oder die Koerperformen nicht sehen, ohne zugleich auch diese Farbe zu sehen. Immerhin muss ich doch auch hier erst auf die Formen, die der Neger mit uns gemein hat, geachtet haben und dadurch auf den Vollzug jenes Gedankens hingedraengt worden sein, ehe jene Negation als solche zur Geltung kommen, ehe also die schwarze Hautfarbe die Vorstellung des Mangels oder des relativen Nichts in mir wecken kann. Ich habe darnach zur Anwendung des Begriffes der Erwartung im Grunde hier ebensoviel Recht, wie bei dem kleinen Haeuschen zwischen Palaesten. Ich darf sagen, ich erwarte naturgemaess mit dem Bild des Negerkoerpers jenen Gedanken verbinden zu koennen, diese Erwartung aber zergehe angesichts der mir fremden Farbe in nichts. Die "Erwartung" besteht thatsaechlich, nur dass sie auf ihre Entscheidung nicht zu "warten" braucht, und darum auch ein merkliches Gefuehl der Spannung, wie es sonst die in Erreichung ihres Zieles, der Erfuellung oder Enttaeuschung, _gehemmte_ Erwartung begleitet, nicht entstehen kann. Es ist nun aber gar nicht meine Absicht, hier dem Begriff der Erwartung eine moeglichst weite Anwendbarkeit zu sichern. Mag man die Erwartung da, wo man auf die Erfuellung oder Enttaeuschung nicht zu "warten" braucht, und darum kein merkbares Spannungsgefuehl eintritt, trotzdem als solche bezeichnen oder nicht, uns kommt es einzig an auf das in aller Erwartung Wesentliche und psychologisch Wirksame, die aktive Bereitschaft also zur Erfassung eines Inhaltes. Und diese findet sich bei aller bisher besprochenen Komik. DIE KOMIK ALS GROESSE UND KLEINHEIT DESSELBEN. Es bleibt uns jetzt noch die Frage, worin diese psychologische Wirksamkeit, dem an die Stelle des Erwarteten tretenden relativen Nichts gegenueber, bestehe. Diese Frage versuche ich hier wenigstens vorbereitungsweise und mit dem Vorbehalt spaeterer genauerer Bestimmung zu beantworten. Ein wichtiger Besuch ist mir angekuendigt. In dem Augenblicke, in dem der Besuch kommen soll, hoere ich draussen Schritte; die Thuere oeffnet sich; es tritt jemand ein. Mit jedem dieser Momente steigert sich die Erwartung. Die Erwartung ist aber als solche zugleich eine der thatsaechlichen Verwirklichung vorauseilende _Anticipation_ des Erwarteten. Die Person, die eintritt, _ist_ fuer mich, ehe ich sie sehe, die angekuendigte; insbesondere die Wichtigkeit oder Bedeutung, welche die erwartete Person fuer mich hat, weise ich ihr im voraus zu, und ich thue dies um so sicherer, je bestimmter die Erwartung ist. Nun tritt in Wirklichkeit ein Bettler ein. Dieser besitzt also im Momente seines Eintretens fuer mich jene Bedeutung; er _ist_ die wichtige Person. Thatsaechlich freilich kommt ihm die Bedeutung nicht zu. Aber diesen Gedanken muss ich erst vollziehen; ich muss den Bettler als solchen erkennen und anerkennen; ich muss ihm auf Grund dessen die Bedeutung wieder absprechen. Mit diesem letzteren ist eine psychologische _Leistung_ bezeichnet, eine um so erheblichere, je sesshafter der Gedanke an die Bedeutung der eintretenden Person vorher in mir geworden ist. Ehe ich diese Leistung vollzogen habe, im ersten Momente also, bleibt die vorher vollzogene Vorstellungsverbindung in Kraft. Dann freilich loest sie sich unmittelbar. Der Bettler sinkt unvermittelt in sein Nichts zurueck. Voellig analog verhaelt es sich in zahllosen andern, und der Hauptsache nach gleichartig in allen Faellen der Komik ueberhaupt. Der Bettler, so koennen wir allgemeiner sagen, spielt die "Rolle" des wichtigen Besuches, nicht in Wirklichkeit, sondern fuer mein Vorstellen; er beansprucht die Bedeutung desselben, gebaerdet sich so, fuer mein Bewusstsein naemlich. Dann stellt er sich unvermittelt dar als das, was er ist. Ebenso spielt das Kinderhaeubchen auf dem Kopf des Erwachsenen die "Rolle" der maennlichen Kopfbedeckung, der kleine Knabe unter dem maennlichen Hute die Rolle des Mannes. Das kleine Haeuschen in der Reibe von Palaesten "gebaerdet" sich wie einer der Palaeste; die Hautfarbe des Negers "erhebt den Anspruch", ebenso als Traeger und Verkuendiger eines hinter ihr pulsirenden menschlichen Lebens zu gelten, wie die unsrige. Sie spielen die Rolle und erheben den Anspruch, um dann doch sofort wieder die Rolle fallen zu lassen und des Anspruchs beraubt zu erscheinen. Ob das komische Objekt den Anspruch zu erheben objektiv berechtigt ist oder nicht, thut dabei nichts zur Sache. Hinter der Hautfarbe des Negers pulsiert thatsaechlich dasselbe Leben, wie hinter der unsrigen; sie hat fuer ihn dieselbe Bedeutung wie fuer uns die unsrige. Nur darauf kommt es an, ob das Objekt erst fuer uns den Anspruch erhebt, dann ihn _fuer uns_ wieder fallen lassen muss, oder anders gesagt, ob wir ihm auf Grund irgend welcher Vorstellungsassociation die Bedeutung erst zugestehen, dann sie ihm auf Grund einer thatsaechlich in uns bestehenden, wenn auch ungerechtfertigten Betrachtungsweise wiederum absprechen muessen. Immerhin hat es Wert, diese beiden Moeglichkeiten ausdruecklich zu unterscheiden. Zugleich duerfen wir auch das andere niemals vergessen, dass--wiederum fuer uns oder fuer unsere Betrachtung--der Ausspruch einer "_Groesse_" erst _entstehen_, dann _vergehen_ muss. Ich erwaehne hier noch einmal ein Beispiel der Komik, das _Herkenrath_ anfuehrt und das wir schon oben kennen gelernt haben. In diesem Beispiel meint _Herkenrath_, sei jener Sachverhalt umgekehrt. Es trete in ihm nicht ein Kleines an die Stelle eines Grossen, sondern ein Grosses an die Stelle eines erwarteten Kleinen. Ich meine das Beispiel der in den Schrank eingeschlossenen wuerdevollen Tante. _Herkenrath_ legt Gewicht darauf, dass die Tante an der Stelle der Katze, die man vorzufinden erwartete, dem Blicke sich darbietet. Aber die Komik beruht darauf, dass man von der Tante eine wuerdevolle Situation erwartete, und eine wuerdelose findet. Trotz dieses Einwandes meint _Herkenrath_, ich erklaere die objektive Komik assez ingenieusement. Nur haette ich nachher Muehe, die anderen Arten der Komik in die einmal gewonnene Theorie einzufuegen. Darauf antworte ich schon hier, dass ich solche Muehe unmoeglich haben kann, da fuer mich alle Arten der Komik auf demselben, hier bezeichneten Prinzip beruhen. V. KAPITEL. OBJEKTIVE KOMIK. ERGAENZUNGEN. DAS KOMISCHE "LEIHEN". Unser bisheriges Ergebnis ist dies. Das Gefuehl der Komik entsteht, indem ein--gleichgueltig ob an sich oder nur fuer uns--Bedeutungsvolles oder Eindrucksvolles fuer uns oder in uns seiner Bedeutung oder Eindrucksfaehigkeit verlustig geht. Das zur Feststellung dieses Satzes Vorgebrachte bedarf aber noch der Ergaenzung oder der naeheren Bestimmung. Diese wollen wir in der Weise gewinnen, dass wir zugleich solche andere Theorien, die gleichfalls auf jener Grundanschauung beruhen, oder wenigstens Elemente derselben in sich schliessen, mit in die Diskussion hereinziehen. Schon _Lessing_ war mit dem Kontrast--zwischen Vollkommenheiten und Unvollkommenheiten--wie ihn die _Wolff_'sche Schule der Komik zu Grunde gelegt hatte,--nicht zufrieden, sondern forderte, dass die Kontrastglieder sich verschmelzen lassen muessen. Dies wiederum genuegt _Vischer_ nicht. Der Kontrast, so erklaert er, muss zum Widerspruch werden; der komische Widerspruch aber ist erst vorhanden, wenn dasselbe Subjekt "in demselben Punkte zugleich als weise oder stark und als thoericht oder schwach" erscheint. Dieser Widerspruch ist "in seiner ganzen Tiefe gesetzt" "Widerspruch des Selbstbewusstseins mit sich". Das Subjekt muss "erscheinen als um seine Verirrung wissend und sich in demselben Momente dennoch verirrend, oder als bewusst und unbewusst zugleich". Thatsaechlich freilich weiss das komische Subjekt nicht um seine Verirrung oder braucht nicht darum zu wissen. Dann "leihen" wir ihm nach _Vischer_ dies Wissen oder schieben es ihm unter. Diesen Begriff des Leihens entnimmt _Vischer_ von _Jean Paul_ und er findet darin eine bedeutende Entdeckung desselben. Der Sinn des fraglichen Begriffes wird am einfachsten deutlich aus dem _Jean Paul_'schen Beispiel, dass auch _Vischer_ citiert: "Wenn Sancho eine Nacht hindurch sich ueber einem seichten Graben in der Schwebe erhielt, weil er voraussetzte, ein Abgrund klaffe unter ihm, so ist bei dieser Voraussetzung seine Anstrengung recht verstaendig und er waere gerade erst toll, wenn er die Zerschmetterung wagte. Warum lachen wir gleichwohl? Hier kommt der Hauptpunkt: wir leihen seinem Bestreben unsere Einsicht und Ansicht und erzeugen durch einen solchen Widerspruch die unendliche Ungereimtheit." Dieses Leihen bestreitet _Lotze_, und mit gutem Rechte. Schieben wir dem zweckwidrig Handelnden unsere ihm verborgene Kenntnis der Umstaende unter, so wird seine Handlungsweise fuer uns "in ihrer Dummheit unbegreiflich". Da andrerseits _Jean Paul_ recht hat, wenn er die Handlungsweise _Sancho_'s unter der Voraussetzung, der Abgrund klaffe wirklich unter ihm, recht verstaendig nennt, so folgt, dass wir das Verhaeltnis zwischen Wissen und Handeln ueberhaupt nicht fuer die Komik dieses Falles verantwortlich machen duerfen. In der That geht dies auch nach _Vischers_ Theorie nicht an. _Vischer_ fordert den Widerspruch, aber dass ich meiner Einsicht entgegen handle, ist kein Widerspruch. Ein solcher besteht nur zwischen Wissen und Nichtwissen, Handeln und Nichthandeln, ueberhaupt zwischen Sein und Nichtsein _Desselben_. Wie nun dieser wirkliche Widerspruch zu stande kommen koenne, darauf fuehrt uns _Lotze_'s Erklaerung: "Nicht die Kenntnis dieser bestimmten Lage der Umstaende schreiben wir ihm"--naemlich dem komischen Subjekte--"zu, sondern das gravitaetische Bewusstsein, ein Wesen zu sein, welches _ueberhaupt_ Absichten zu fassen und diese unter beliebigen Umstaenden passend und angemessen zu verwirklichen die allgemeine, bleibende, immer gegenwaertige Befaehigung habe". Ich betone hier mit _Lotze_ das "ueberhaupt". _Sancho_ ist ein Mensch; wir beurteilen ihn darum, zunaechst wenigstens, wie wir Menschen ueberhaupt zu beurteilen pflegen. Menschliche Handlungen nun erheben als solche, _ganz allgemein_ und _abgesehen_ von besonderen stoerenden Bedingungen, den Anspruch auf eine gewisse Zweckmaessigkeit; sie erheben ihn in unserer Vorstellung, wir, unser Vorstellen "leiht" ihnen den Anspruch. Wir leihen ihn insbesondere auch der Handlung _Sancho_'s. Diesem Leihen aber widerspricht der Augenschein; die Handlung ist, objektiv betrachtet, also wiederum _abgesehen_ von der Besonderheit der Person, unzweckmaessig. Daraus entsteht in diesem Falle die Komik. Fassen wir das Leihen mit _Lotze_ in diesem allgemeinen Sinne, bestimmen wir zugleich den komischen Widerspruch in jenem Beispiel in Uebereinstimmung mit unserer obigen Anschauung als Widerspruch zwischen dem geliehenen Anspruch auf Zweckmaessigkeit und der thatsaechlichen Unzweckmaessigkeit, dann erscheint auch uns _Jean Paul_'s "Entdeckung" in hohem Masse wertvoll. Es bleibt an _Vischer_ und _Lotze_ dann nur noch auszusetzen, dass sie das "Leihen" und damit die Komik auf die Persoenlichkeit beschraenken. Wie wir sahen, ist fuer _Vischer_ der komische Widerspruch ein Widerspruch des Selbstbewusstseins mit sich; _Lotze_ weist diesen lediglich intellektuellen Widerspruch zurueck, stimmt aber der Definition St. _Schuetze_'s bei, das Laecherliche sei die Wahrnehmung eines Spieles, das die Natur mit dem Menschen treibe; durch dies Spiel komme seine vermeintliche Erhabenheit zu Fall. Der Kontrast zwischen dem Erhabenen und Kleinen der _Ausdehnung_ wird von _Vischer_ sogar ausdruecklich aus der Reihe der komischen Kontraste gestrichen. Aber auch bei der Erhabenheit der Person kommt es nicht darauf an, dass sie Erhabenheit der _Person_, sondern nur darauf, dass sie erwartete, vorausgesetzte, beanspruchte, kurz geliehene _Erhabenheit_ ist, die angesichts der Wahrnehmung oder in unserem Denken sofort wiederum in Nichts zergeht. Die Komik muss darum entstehen, _wo immer_ wir ein Erhabenes, das heisst zur Erzeugung eines Eindruckes Befaehigtes erwarten oder voraussetzen, und ein relativ Nichtiges an die Stelle tritt und seine Rolle spielt, die Erhabenheit oder Eindrucksfaehigkeit mag bestehen, worin, oder sich gruenden, worauf sie will. Sie muss ueberall entstehen genau aus demselben Grunde, aus dem sie bei der Persoenlichkeit entsteht. Dieselben psychologischen Ursachen muessen ueberall denselben psychologischen Erfolg haben. Freilich ist ja zuzugeben, dass es keine wirkliche oder geliehene Erhabenheit giebt, die hoeher steht als die der Person. Andrerseits ist sicher, dass wir ueberall der Neigung unterliegen, Ausserpersoenliches und Aussermenschliches zu vermenschlichen; und es ist ein grosses Verdienst _Vischer_'s und _Lotze_'s, auf diese Vermenschlichung so eindringlich hingewiesen haben. Auch das kleine Haeuschen in der Reihe der Palaeste oder das unbedeutende Geraeusch, das an die Stelle des erwarteten lauten Getoeses tritt, wird unserer Phantasie nach Analogie eines menschlichen Wesens erscheinen, das zu sein glaubt, oder gerne sein moechte, was es nicht ist. Damit _erhoeht_ sich der Eindruck der erwarteten Erhabenheit, und der gegensaetzliche Eindruck der Nichtigkeit; es verstaerkt sich zugleich das Gefuehl der Komik. Darum _entsteht_ doch die Komik nicht erst aus der Vermenschlichung. Damit ist die oben vorgetragene Anschauung gegen _Lotze_ und _Vischer_ gerechtfertigt. Wir haben sie aber noch weiterhin zu rechtfertigen. Ich denke hierbei speziell an die Bemerkungen, die _Heymans_ in der Zeitschrift fuer Psychologie etc. Bd. XII meiner Theorie der Komik hinzufuegt. Diese Bemerkungen schliessen durchweg Berechtigtes in sich. Sie sind mir darum ein besonders erwuenschter Anlass gewisse Momente der fraglichen Theorie genauer zu bestimmen. "SELBSTGEFUEHL IN STATU NASCENDI". KOMIK UND LACHEN. Zunaechst begegnen wir hier noch einmal der Identifizierung des Gefuehls der Komik mit dem gesteigerten Selbstgefuehl. Doch ist dies "gesteigerte Selbstgefuehl" _Heymans_' besonderer Art. Es ist genauer befreites Selbstgefuehl. Von diesem Begriffe meinte ich schon oben, er koenne in gewissem Sinne auf die Komik angewendet werden. Es fragt sich, ob _Heymans_ ihn in zulaessiger Weise verwendet. Zunaechst habe ich Folgendes gegen _Heymans_ zu bemerken. Idioten, sagt _Heymans_, lachen aus befriedigter Eitelkeit. Nun ist die Erkenntnis dessen, was in Idioten innerlich vorgeht, nicht immer eine sehr einfache Sache. Aber _Heymans_ mag mit seiner Behauptung recht haben. Dann ist doch zu bedenken, dass es uns hier nicht auf das Lachen, sondern auf die Komik ankommt. Die Komik ist ein eigenartiges Gefuehl, oder eine eigenartige Beschaffenheit von psychischen Erlebnissen, die ein solches eigenartiges Gefuehl zu stande kommen lassen. Dies Gefuehl kann im Lachen sich kundgeben. Ich kann aber auch das Lachen unterdruecken. Andererseits kann das Lachen andere Gruende haben; bei "Idioten" vielleicht die befriedigte Eitelkeit. Solange aber damit kein Gefuehl der Komik sich verbindet, gehoert dies Lachen nicht hierher. Nur im Vorbeigehen moechte ich hier die Zweckmaessigkeit der Umfrage bezweifeln, die _Stanley Hall_ und _Allin_ zufolge einer Mitteilung des American Journal of Psychology vol. XI, 1 angestellt haben. In dieser Umfrage werden Beobachtungen ueber Bedingungen und Arten des Lachens gefordert. Dagegen ist nichts einzuwenden. Aber die Urheber der Umfrage scheinen davon unmittelbar einen Aufschluss ueber die Bedingungen der Komik zu erwarten. Vom Lachen, diesem aeusseren Vorgang her, scheint die Komik verbindlich werden zu sollen. Diese psychologische Methode nun kann zu einer vollkommenen Verkennung des Wesens der Komik fuehren. Das Wissen davon, bei welchen Gelegenheiten Menschen lachen, kann einen Aufschluss ueber die Bedingungen der Komik geben, erst wenn feststeht, wieweit dies Lachen einem Gefuehl der Komik entspringt. Die beiden Umfrager scheinen besonders von der Thatsache des kindlichen Lachens ueber die Komik Aufschluss zu erwarten. Dies verstehe ich nicht. Niemand kennt bis jetzt das Geheimnis, wie man, gleichzeitig mit dem Lachen, den begleitenden psychischen Vorgang im Kinde unmittelbar beobachtet. Was ueberhaupt an anderen unmittelbar beobachtet werden kann, sind Lebensaeusserungen. Bei Erwachsenen bestehen die psychologisch wichtigsten Lebensaeusserungen in der glaubhaften Mitteilung dessen, was sie in sich vorfinden. Dies gilt, wie ueberhaupt, so auch hier. Der Erwachsene, der das Gefuehl der Komik kennt, und von anderen Gefuehlen zu unterscheiden weiss, kann mir sagen, ob sein Lachen aus dem Gefuehl der Komik entspringt. Beim Kinde dagegen hin ich auf Vermutungen angewiesen. Ich werde sein Lachen auf ein Gefuehl der Komik deuten duerfen, wenn die Umstaende, unter denen es geschieht, der Art sind, dass daraus, dem allgemeinen Gesetze der Komik zufolge, dies Gefuehl sich ergeben kann, bezw. muss. Das heisst: Das Lachen des Kindes giebt mir genau insoweit Aufschluss ueber das Wesen der Komik, als ich dieses Aufschlusses nicht mehr bedarf. Dass auch das Lachen des Erwachsenen, wenn mir derselbe gleichzeitig _mitteilt_, dass er sich bei seinem Lachen komisch angemutet fuehle, mein Wissen nicht bereichert, braucht nicht gesagt zu werden. Das Lachen als solches ist also fuer das Verstaendnis der Komik voellig bedeutungslos. Wir haben hier einen typischen Fall von Ueberschaetzung des Nutzens der objektiven Methode in der Psychologie. Diese tappt hier wie ueberall _nicht_ im Finstern, genau so weit ihr Weg durch die Ergebnisse der subjektiven Methode erleuchtet ist. Sie ist im uebrigen die subjektivste Methode von der Welt, d. h. sie ist eine Weise in die Objekte, etwa die Kinder oder Tiere, Beliebiges hineinzudichten, ein Mittel lieb gewordene Meinungen durch angebliche Thatsachen sich bestaetigen zu lassen. _Stanley Hall_ und _Allin_ finden die bisher aufgestellten Theorien des Komischen lamentably metaphysical in their tendency. Von solchem metaphysischen Charakter sehe ich wenig. Oder soll damit gesagt sein, jene Theorien verfuehren konstruktiv? Dann ist jene "objektive" Methode, soweit sie nicht sichere Ergebnisse der subjektiven Methode, oder der psychologischen Analyse zur Basis hat, die eigentlich metaphysische. Sie ist eine Weise der Konstruktion, die mit dem Dache beginnt. Leider ist in dem citierten Aufsatze eine irgend eindringende psychologische Analyse nicht angestellt. Es gehen darum die wirklich oder angeblich aus jener Methode gewonnenen Resultate, soweit sie nicht vom Gebiete der feststellbaren psychologischen Thatsachen abschweifen und in physiologische Vermutungen sich verlieren, nicht hinaus ueber die unzureichenden und an der Oberflaeche bleibenden Bestimmungen, die wir bereits kennen gelernt und abgewiesen haben. Dabei rede ich wiederum ausschliesslich von der Komik, nicht vom Lachen, auch nicht von beliebigen ausserkomischen Lustgefuehlen. Das hier Gesagte gilt nun nicht mit Bezug auf _Heymans_. _Heymans_' psychologische Methode ist die psychologische, also diejenige, die zum Ziele fuehrt. _Heymans_ redet, wie wir sahen, gleichfalls vom Lachen. Aber er redet doch der Hauptsache nach von Faellen des Lachens, in denen, im Lachen, zweifellos ein Gefuehl der Komik sich kundgiebt. In gewissen dieser Faelle nun mag das Gefuehl der Komik den Charakter eines gesteigerten oder befreiten Selbstgefuehles haben. Dann ist doch auch hier das Selbstgefuehl ein Gefuehl der Komik, nicht sofern es Selbstgefuehl ist, sondern sofern es das Eigenartige des Gefuehls der Komik besitzt und bei ihm die Bedingungen verwirklicht sind, die ueberall das Gefuehl der Komik begruenden. Kinder etwa lachen, wenn man sich von ihnen besiegen laesst. Der Wilde stimmt ein Hohngelaechter an ueber seinen gefallenen Feind. _Heymans_ meint, mehrere dieser Faelle lassen sich in keiner Weise aus "getaeuschter Erwartung" erklaeren. Mir scheint, diese Erklaerung liege jedesmal auf der Hand, wenn man beachtet, was in unserer Theorie den eigentlichen Sinn der getaeuschten, naemlich komisch getaeuschten "Erwartung" ausmacht. Der Erwachsene erhebt fuer das Kind den Anspruch, oder das Kind "erwartet" von ihm, dass er sich ueberlegen zeige. Dieser Anspruch zergeht, wenn der Erwachsene sich besiegen laesst. Der Ueberlegene zeigt sich nicht ueberlegen. Dass der Erwachsene thatsaechlich ueberlegen bleibt und das Kind davon weiss, thut nichts zur Sache. Worauf es ankommt, das ist einzig der Schein, die im Kinde momentan entstehende Vorstellung, dass die Ueberlegenheit in ihr Gegenteil umgeschlagen sei. Gleichartiges findet statt in dem anderen der beiden von _Heymans_ angefuehrten Faelle. Indem der Gegner des Wilden faellt, faellt zugleich sein Anspruch im Kampfe standzuhalten, sein Anspruch auf Staerke, Gewandtheit, Geschicklichkeit, vielleicht auf Tapferkeit, in nichts zusammen. Solchen Anspruch erhob der Gegner in den Augen des Siegers, indem er zum Kampf sich stellte oder sich wehrte, und in gewisser Weise schon einfach als Mann. _Heymans_ fasst schliesslich zusammen: Ueberall, wo das Selbstgefuehl in das Gefuehl der Komik uebergeht, haben wir es zu thun mit einem Selbstgefuehl in statu nascendi. _Heymans_ meint: mit einem Selbstgefuehl, dem ein herabgedruecktes Selbstgefuehl voranging, also, wie ich oben sagte, mit einem "befreiten" Selbstgefuehl. Dies wird zuzugeben sein, wenn wir voraussetzen, dass die Herabdrueckung des Selbstgefuehles bedingt war durch den Gedanken eines uns gegenueber Uebermaechtigen, und wenn andererseits das Selbstgefuehl in der Wahrnehmung oder dem Schein des Zergehens dieses Uebermaechtigen seinen Grund hat. Im uebrigen aber kann das Selbstgefuehl in statu nascendi auch ebensowohl der Komik voellig entbehren. Wenn ich, innerlich niedergedrueckt durch eine scheinbar gewichtige Thatsache, auf einmal finde, dass diese Thatsache eigentlich belanglos ist, oder gar nicht existiert, wenn eine Furcht ploetzlich als in sich selbst gegenstandslos sich erweist, so ist dies komisch. Wenn aber neben eine bedrueckende Thatsache in meinem Bewusstsein mit einem Male eine andere tritt, die mich jene vergessen laesst und mich troestet und wieder aufrichtet; oder wenn ich aus bedrueckter Lage durch die energische Hilfeleistung eines Freundes unerwartet befreit werde, so werde ich gewiss befriedigt aufatmen. Aber dies Aufatmen kann von jedem Gefuehl der Komik beliebig weit entfernt sein. Es wird in allen den Faellen gar nichts damit zu thun haben, in denen das, was mich bedrueckt, in keiner Weise als _in sich selbst_ bedeutungslos erscheint, sondern seine Bedeutung behaelt, aber durch ein Anderes verhindert wird, seine niederdrueckende Wirkung weiter auszuueben. _Heymans_ meint, es liege in der ploetzlichen Aufhebung eines auf dem Bewusstsein lastenden Druckes der springende Punkt, aus welchem die komische Wirkung hervorgehe. Dies ist dann, aber auch nur dann richtig, wenn wir unter der Aufhebung des Druckes die _besondere_ und in ihrer Wirkung voellig _einzigartige_ Aufhebung verstehen, wie sie, um hier den kuerzesten Ausdruck zu waehlen, mit der "Aufloesung in nichts" gegeben ist. Dass diese Aufhebung wirklich eine besondere ist, kann ja keinem Zweifel unterliegen. Es ist nun einmal psychologisch etwas voellig Anderes, ein durchaus anderer psychischer Vorgang liegt vor, wenn ein mich Bedrueckendes das eine Mal durch etwas Anderes aus meinem Bewusstsein verdraengt wird, das andere Mal gar nicht daraus verdraengt zu werden braucht, weil es in sich selbst zergeht. In beiden Faellen findet die Aufhebung des Druckes statt, und in beiden Faellen kann dieselbe eine ploetzliche sein. Aber nur im letzteren Falle tritt die komische Wirkung ein. KOMIK DES "NEUEN". Wichtiger noch, als der hier eroerterte, ist mir ein zweiter Punkt, den _Heymans_ gegen mich vorbringt. Kinder, so sagte ich selbst oben, lachen ueber allerlei Neues, ueber das wir nicht mehr lachen, weil es uns nicht mehr neu ist. Hier meint _Heymans_: das Neue sei als solches Gegenstand der Aufmerksamkeit, und das Lachen des Kindes entstehe, wenn es in dem Neuen nichts finde, das die Aufmerksamkeit festhalten koenne, wenn also die dem Neuen als solchem zugewendete Aufmerksamkeit zergehe, wenn in solcher Weise eine innere Spannung sich loese. Man versteht den Streitpunkt: An die Stelle des Gegensatzes zwischen dem _inhaltlich Bedeutungsvollen_ oder scheinbar Bedeutungsvollen und dem Nichtigen setzt _Heymans_ den Gegensatz des _Neuen_ und durch _Neuheit_ Spannenden und des inhaltlich Nichtigen. Zunaechst bitte ich auch hier wiederum zu beruecksichtigen, dass unser Problem nicht das Lachen ist, sondern die Komik. Im uebrigen gilt dies: Neuheit ist keine Eigenschaft des Neuen. Sondern "Neuheit" eines Dinges besagt nur, dass das Ding noch kein gewohntes geworden ist. Die Gewohntheit stumpft die Eindrucksfaehigkeit ab. Der "Reiz" der Neuheit ist also nichts, als die noch nicht durch Gewohntheit verminderte Eindrucksfaehigkeit eines Dinges. Er ist die Eindrucksfaehigkeit, oder die "Groesse", welche das Ding von Hause aus oder vermoege seiner Beschaffenheit besitzt. Ich verweise hier auf die einschlaegigen Bemerkungen meiner "Grundthatsachen des Seelenlebens". Verhaelt es sich aber so, dann ist es unmoeglich, dass ein Objekt vermoege seiner Neuheit die Aufmerksamkeit auf sich zieht, und dann unmittelbar oder mit einem Male, vermoege der erkannten _Beschaffenheit_ des Objektes, der Aufmerksamkeit wiederum verlustig geht. Es ist also auch unmoeglich, dass die Neuheit als solche jemals die Komik bedingt. Sondern so muss es sich verhalten, wenn ein Gefuehl der Komik entstehen soll: Das Neue muss zunaechst, abgesehen von seiner Neuheit, als ein Bedeutungsvolles erscheinen, dann die Bedeutung in unseren Augen einbuessen. Dabei ist zu bedenken, dass das Neue, das Kinder erleben, nicht isoliert, sondern in einem Zusammenhang aufzutreten pflegt. Dieser Zusammenhang rueckt es in eine Beleuchtung. Damit wird der Gegensatz des Bedeutsamen und des Nichtigen moeglich: Eines und dasselbe kann bedeutsam erscheinen in einem Zusammenhange, nichtig an sich. Ich begruendete oben den Umstand, dass Kindern so leicht Neues komisch erscheine, damit, dass ich sagte, das Neue sei fuer sie ein noch nicht Verstandenes, also Leeres. Dies hindert doch nicht, dass es jedesmal an der Stelle, wo es auftritt, fuer das Kind eine Bedeutung beansprucht. Und eben weil oder sofern es dies thut, zugleich aber diesen Anspruch nicht scheint aufrecht erhalten zu koennen, wird es komisch. Wie dies zu verstehen sei, zeigt wiederum am einfachsten das Beispiel der schwarzen Hautfarbe des Negers. Sie ist dem Kinde, und dem naiven Menschen ueberhaupt, neu, d. h. sie ist ihnen noch nicht als Farbe, die ebensowohl wie die unsrige das Recht hat, Menschenfarbe zu sein, verstaendlich und gelaeufig geworden. Darum erhebt sie doch auch in den Augen des Kindes und des naiven Menschen den Anspruch auf diese besondere Wuerde. Vielmehr sie hat diese Wuerde nach Aussage der Wahrnehmung thatsaechlich, d. h. sie hat sie fuer den Wahrnehmenden in dem Augenblick, in dem er der Wahrnehmung hingegeben ist. Diese Wuerde zergeht dann aber, sobald der erste Eindruck vorueber ist, und damit die Gewohnheit, als menschliche Hautfarbe die weisse und nur die weisse Farbe zu betrachten, in Wirkung tritt. Jetzt erscheint die schwarze Hautfarbe nicht mehr als zu diesem Anspruch _berechtigt_. Sie erscheint wie ein aeusserlicher Anstrich. Damit ist die Komik ins Dasein getreten. Die komische Wirkung unterbleibt bei uns, weil in unseren Augen jener Anspruch bestehen bleibt. KOMISCHE UNTERBRECHUNG. Noch in einem zweiten Sinne laesst _Heymans_ das Neue als solches die Aufmerksamkeit spannen, und wiederum soll hier aus der Loesung dieser Spannung die Komik hervorgehen. Nicht um das an sich Neue, sondern um das in einem Zusammenhang Neue handelt es sich hier. Genauer gesagt: _Heymans_ redet von Faellen, in denen die Unterbrechung eines Bedeutungsvollen durch ein davon voellig Verschiedenes, aber momentan die Aufmerksamkeit auf sich ziehendes Unbedeutendes den Reiz zum Lachen erzeugt. Durch die Aufzeigung solcher Faelle scheint _Heymans_ meiner Behauptung entgegenzutreten, dass _Dasselbe_ bedeutungsvoll und dann bedeutungslos erscheinen muesse, wenn die Komik zu stande kommen solle. In dieser Bemerkung _Heymans_' liegt wiederum Richtiges. Aber auch hier ist der Gegensatz zu mir nur ein scheinbarer. In den Faellen, die _Heymans_ anfuehrt, ist das "voellig Verschiedene" in Wahrheit kein voellig Verschiedenes. In der That kann dasjenige, wodurch ein Bedeutungsvolles in _komischer_ Weise unterbrochen wird, _niemals_ ein davon voellig Verschiedenes sein. Es muss immer mit dem Bedeutungsvollen, das von ihm unterbrochen wird, einen Punkt gemein haben. Und dieser Punkt muss derart hervortreten, dass durch sein Hervortreten das Unbedeutende auf die Stufe des Bedeutungsvollen gerueckt oder in die Beleuchtung eines solchen gestellt erscheint, dann aber in seiner Bedeutungslosigkeit erkannt wird. _Heymans_ sagt: das Unbedeutende muesse momentan die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Damit deutet er selbst auf diesen Sachverhalt hin. Das Unbedeutende gewinnt die Faehigkeit, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, eben vermoege dieser Beziehung zu dem "wirklich Bedeutungsvollen". Dies ergiebt sich am deutlichsten aus der Betrachtung der von _Heymans_ angefuehrten Beispiele. Das Miauen einer Katze in einer feierlichen Rede ist eine Art der Rede, es ist die Weise, wie die Katze ihre Gefuehle zum Ausdruck bringt. Die Katze scheint damit in ihrer Weise in das Pathos der Rede einzustimmen, oder ihren Eindruck davon kund zu geben. Sie wirkt darum komischer als das Knarren der Thuer, obgleich auch dies fuer einen Moment als zur Rede gehoerig, oder als Ausdruck der Uebereinstimmung, vielleicht auch des Widerspruches, erscheinen kann. Und Gleichartiges gilt, wenn nach dem Schlusse eines schmetternden Finale die Stimme einer Marktfrau hoerbar wird, die mit ihrer Nachbarin ueber den Preis der Butter verhandelt. Die Aufmerksamkeit des Publikums ist gerichtet und mit voller Intensitaet gerichtet auf Toenendes. Um dieses Toenende webt sich die feierliche musikalische Stimmung. Ein solches Toenende ist auch die Stimme der Marktfrau. Sie wird also, mit dem, was sie verkuendigt, in die Hoehe der musikalischen Stimmung mit emporgerissen. Ihre Worte erscheinen wie eine Art lautsprachlicher Interpretation dieser Stimmung. Dann sinken dieselben in die banale Wirklichkeit der Butterpreise herab. Nehmen wir dagegen an, eine solche Beziehung zwischen dem Unbedeutenden und dem, was dadurch "unterbrochen" wird, oder auf welches das Unbedeutende folgt, bestehe nicht, so fehlt auch die Komik. Meine Augen koennen waehrend der feierlichen Rede oder nach dem schmetternden Finale auf allerlei an sich Bedeutungsloses und Alltaegliches treffen. Hier _besteht_ die "voellige Verschiedenheit" zwischen dem Unbedeutenden und dem Bedeutungsvollen. _Heymans_ wird erwidern, hier ziehe das Unbedeutende nicht die Aufmerksamkeit auf sich. In der That wird es so sein. Aber der Grund dafuer liegt dann eben darin, dass das Unbedeutende hier dem, was die Aufmerksamkeit auf sich konzentriert, so voellig _fremd_ ist. Angenommen aber auch das Unbedeutende werde zufaellig Gegenstand der Aufmerksamkeit. Eine architektonische Linie etwa in den Raume, in dem ich mich befinde, weckt mein Interesse, weil sie nicht eben gewoehnlich ist. Dann wiederum lasse ich die Linie fallen. Oder ein Lichtschein, die mit einem Male durch die Fenster hereinfallende Sonne, zieht waehrend der feierlichen Rede momentan meine Aufmerksamkeit auf sich, nicht weil der Lichtschein oder die Sonnenhelle mir an sich besonders interessant waere, sondern einfach wegen ihrer Neuheit oder wegen ihres ploetzlichen Auftretens. Dann wende ich, eben weil die Sache an sich kein besonderes Interesse hat, meine Aufmerksamkeit ebenso rasch wiederum davon ab. Auch hier hat eine Unterbrechung stattgefunden. Der Faden der Rede ist mir zerrissen. Die Spannung, in welche die Rede mich versetzte, ist geloest. Ich bin jetzt fuer eine Zeitlang, naemlich so lange bis ich den Faden der Rede wiedergefunden habe, in keiner Weise gespannt. Und die Loesung war eine ploetzliche. Dennoch braucht darin gar nichts Komisches zu liegen. Es fehlt eben die Bedingung. Es zergeht nicht ein Bedeutungsvolles in sich selbst. Es offenbart sich nicht ein Bedeutungsvolles als ein solches, dem doch auch wiederum das Moment, durch das es bedeutungsvoll schien, nicht zukommt. POSITIVE BEDEUTUNG DER NEUHEIT. Trotz dem, was im Vorstehenden gegen die Bedeutung der Neuheit als solcher fuer die Komik gesagt wurde, ist doch _Heymans_' Betonung dieses Momentes in gewissem Sinne durchaus berechtigt. Nicht nur in den Faellen, an die im Vorstehenden gedacht war, sondern in allen Faellen der Komik ist in gewissem Sinne die Neuheit ein entscheidender Faktor. Und zwar durchaus im _Heymans_'schen Sinne. Das heisst, nicht sofern das Neue ein Inhaltleeres ist, sondern sofern das Neue die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Die Hautfarbe, sagte ich, habe als menschliche Hautfarbe eine besondere Wuerde. Aber diese Wuerde pflegt fuer gewoehnlich wirkungslos zu bleiben. Wir sehen tausendfach Menschen mit der uns _gewohnten_ Hautfarbe, also derjenigen, der die Wuerde menschliche Hautfarbe zu sein in unseren Augen am sichersten zukommt, ohne dass wir doch davon einen besonderen Eindruck erfahren. Die Eindrucksfaehigkeit, oder die "Groesse" im psychologischen Sinne, ist es aber, die allein fuer die Komik in Betracht kommt. Ihr Zergehen bedingt die Komik. Wenn nun der Umstand, dass eine Farbe menschliche Hautfarbe ist, so wenig Eindruck macht, wie kann dann gesagt werden, dieser Umstand verleihe der schwarzen Hautfarbe Eindrucksfaehigkeit oder Groesse, und das Zergehen dieser Groesse bedinge die Komik? Auf diesen Einwand, den ich mir hier selbst mache, habe ich andeutungsweise bereits frueher geantwortet. Ich sagte: Nicht darauf komme es an, ob die Hautfarbe ueberhaupt, sondern darauf, ob sie in dem gegebenen Falle als ein Grosses erscheine oder als solches in uns wirke. Und dies thut die schwarze Hautfarbe, eben weil sie schwarze Hautfarbe, d. h. ungewohnte oder neue Hautfarbe ist. Ich koennte statt dessen auch sagen, weil sie komische Hautfarbe ist. Damit erscheint meine Theorie des Komischen in einem fast komischen Lichte. Die schwarze Hautfarbe, so sagte ich vorhin, erscheine, wenigstens dem Kinde und dem Naiven, bedeutsam als Hautfarbe, nichtig als schwarze Hautfarbe. Jetzt sage ich, sie habe, abgesehen von ihrer Schwaerze, keine Eindrucksfaehigkeit, gewinne dagegen Groesse als schwarze Hautfarbe. Oder gar: Ich erklaerte die Komik der schwarzen Hautfarbe daraus, dass sie als Hautfarbe eine psychische Eindrucksfaehigkeit besitze. Jetzt sage ich, sie habe ihre Eindrucksfaehigkeit eben als komische Hautfarbe. Dort scheint ein Widerspruch, hier ein Zirkel vorzuliegen. Um diesen uebeln Schein von mir abzuwaelzen, muss ich mich etwas tiefer in psychologische Thatsachen einlassen. Schliesslich fuehren psychologische Einzelprobleme immer ziemlich tief in die Psychologie hinein, sodass im Grunde kein psychologisches Problem isoliert sich behandeln laesst. Es bleibt dabei, die menschliche Hautfarbe, oder, sagen wir lieber, die menschliche Koerperoberflaeche, so wie, und soweit wir sie im allgemeinen wahrzunehmen pflegen, ist uns eine recht gleichgueltige Sache geworden. Auf die Frage, wie dies zugehe, wird jeder antworten, das mache die Gewohntheit dieses Anblickes oder die Haeufigkeit der Wahrnehmung. Aber wie kann diese eine solche Wirkung thun? Darauf sind zwei Antworten moeglich. Die eine ist ebenso ueblich, wie psychologisch unmoeglich: Unsere Aufmerksamkeit werde auf das Gewohnte weniger hingelenkt. Diese Behauptung muss in ihr Gegenteil verkehrt werden. Je gewohnter etwas ist, d. h. je haeufiger wir uns ihm innerlich zugewendet haben, um so leichter muessen wir uns ihm innerlich zuwenden. Aber diese Leichtigkeit der Zuwendung hat auch ihre Kehrseite. So oft sich,--ich gebrauche hier geflissentlich einen anderen Ausdruck, als soeben,--die psychische "Bewegung" einem Wahrnehmungsobjekte zugekehrt hat, so oft hat sie sich auch wiederum von ihm abgewendet. Und wie aus jener haeufigen Zuwendung eine Leichtigkeit der Zuwendung, so ergiebt sich aus dieser haeufigen Abwendung oder diesem haeufigen Fortgang zu anderen psychischen Inhalten eine Leichtigkeit der Abwendung oder des Fortganges. Es entsteht das, was ich als psychische "Abflusstendenz" zu bezeichnen pflege. Je zahlreicher und tiefer die associativen Abflusskanaele werden, um so weniger kann die fragliche Wahrnehmung als ein Halt- oder gar Mittelpunkt der psychischen Bewegung sich darstellen, um so mehr sinkt sie zu einem blossen Durchgangspunkt fuer den Strom des psychischen Geschehens herab. Die Wahrnehmung gewinnt keine "psychische Hoehe" mehr. Der Wellenberg, den sie, abgesehen von der Abflusstendenz, respraesentieren wuerde, hat sich geebbt. Oder ohne Bild gesprochen, die Wahrnehmung ist nicht mehr Gegenstand der "Aufmerksamkeit", d. h. es wird in ihr kein erhebliches Mass der allgemeinen psychischen Kraft mehr lebendig oder aktuell. Eben damit buesst die Wahrnehmung auch ihre psychische Wirkungsfaehigkeit ein, vor allem auch ihre Gefuehlswirkung. Mit einem Worte, sie ist relativ gleichgueltig geworden. Fuer das Genauere verweise ich wiederum auf meine "Grundthatsachen des Seelenlebens." Ich bemerke noch, dass diese Theorie der Abflusstendenz, und die Erklaerung der sogenannten abstumpfenden oder ermuedenden Wirkung der Gewohnheit auf Grund derselben, bisher wenig Aufnahme gefunden hat. Um so mehr Aufnahme wird sie finden muessen, wenn nicht mannigfache psychische Thatsachen unverstaendlich bleiben sollen. Aber auch das Gesetz der Abflusstendenz hat wiederum seine Kehrseite. Es giebt ein Gesetz der "psychischen Stauung". Auch hierfuer wiederum verweise ich auf das eben citierte Werk. Ich begnuege mich hier das fragliche Gesetz in folgender Weise zu formulieren: Ist ein Objekt ein gewohntes, d. h. in das Gewebe unserer Vorstellungen so hineinverwebt, dass die psychische Bewegung einerseits zwar zu ihm mit besonderer Leichtigkeit hinfliesst, andererseits aber zugleich auch wiederum ebenso leicht von ihm abfliesst, und wird nun dieser Fluss des Geschehens in seinem gewohnten Ablaufe dadurch gestoert, dass das fragliche Objekt, sei es in seiner Beschaffenheit, sei es hinsichtlich seiner Beziehung zu anderen Objekten eine Aenderung erfaehrt, so entsteht an dem Objekt eine psychische Stauung, d. h. die psychische Bewegung oder die aktuelle psychische Kraft konzentriert sich auf das Objekt. Die Folge ist, dass dies Objekt, das vorher nur Durchgangspunkt der psychischen Bewegung war, jetzt von dieser Bewegung emporgehoben wird, oder in groesserem oder geringerem Grade als Traeger der ganzen aktuellen psychischen Kraft sich darstellt, die es zu gewinnen seiner Natur nach geeignet ist. Damit gewinnt es zugleich die entsprechende psychische Wirkungsfaehigkeit, insbesondere seine natuerliche Gefuehlswirkung wieder. Es hat aufgehoert, gleichgueltig zu sein. Es ist hinsichtlich seiner psychischen Stellung und Bedeutung kein Gewohntes mehr, sondern ist zu einem Neuen geworden. Uebertragen wir dies auf unseren Fall. Dann ist damit dies gesagt: Die menschliche Koerperoberflaeche wird durch den Umstand, dass sie in neuer Farbe erscheint, selbst, ihrer psychischen Wirkung nach, eine neue. Dass heisst, sie uebt wiederum die psychische Wirkung, die ihr an sich zukommt. Sie ist nicht nur objektiv ein "Grosses", sondern sie ist auch wiederum im psychologischen Sinne ein solches geworden. Damit wird zugleich die Farbe dieser Koerperoberflaeche als Farbe dieses Grossen oder Bedeutsamen zu etwas Grossem oder Bedeutsamen. Dass die "Groesse" der Koerperoberflaeche in dem Leben besteht, was in ihr und hinter ihr waltet, und dass die Farbe Groesse gewinnt, indem sie als Farbe der Koerperoberflaeche an dieser Groesse teilnimmt, betone ich nicht noch einmal. Damit loest sich der oben bezeichnete scheinbare Widerspruch: Wir koennten freilich ihn zunaechst noch in gewisser Weise verschaerfen. Die Negerfarbe gewinnt ihre Bedeutung, d. h. ihre psychische Wirkung als ungewohnte oder neue. Und sie verliert ebenso diese Bedeutung als ungewohnte oder neue. Aber dies "als ungewohnte oder neue" hat in beiden Faellen einen verschiedenen Sinn. Nicht die neue oder ungewohnte _schwarze Farbe_ gewinnt die Bedeutung, sondern die in dieser neuen "Beleuchtung" erscheinende _Koerperoberflaeche_ gewinnt dieselbe; und daran nimmt die schwarze Farbe als Farbe dieser Koerperoberflaeche Teil. Dann aber verliert die schwarze Farbe diese Bedeutung wiederum, weil sie eine neue oder ungewohnte ist, d. h. weil wir noch nicht gewohnt sind, sie als Farbe des Koerpers zu betrachten und zu bewerten. Oder kuerzer gesagt, die schwarze Farbe erscheint bedeutsam als Farbe der _Koerperoberflaeche_, die ihrerseits durch diese _neue_ Farbe ihre urspruengliche Bedeutsamkeit wiedergewonnen hat. Sie erscheint dann bedeutungslos oder nichtig als _schwarze_ Farbe, sofern diese als neue Farbe an der Bedeutung der Koerperoberflaeche Anteil zu nehmen kein Recht hat. Aus diesem Gegensatze entspringt die Komik. Analoges nun gilt mehr oder minder in allen Faellen der Komik; bei aller Komik gilt in gewisser Weise unser Paradoxon: Alles Komische gewinnt und verliert zugleich seine psychische Wirkung dadurch, dass es ein Neues, Ungewohntes, Seltsames ist. Das heisst, bei allem Komischen gewinnt ein an sich Bedeutsames die Faehigkeit seiner Bedeutsamkeit entsprechend uns in Anspruch zu nehmen ganz oder teilweise dadurch, dass es in seltsamer Beleuchtung erscheint. Und bei allem Komischen zergeht diese Wirkung in uns, wenn wir auf dasjenige achten, was das Komische in diese seltsame Beleuchtung rueckt. Verspricht jemand viel und leistet wenig, so wird eben durch die geringe Leistung unsere Aufmerksamkeit erst recht auf die grossen Versprechungen hingelenkt. Sie sind jetzt mehr als sonst eine anspruchsvolle, d. h. uns in Anspruch nehmende Sache. Eben damit ist auch die geringfuegige Leistung als scheinbare Erfuellung dieser Versprechungen eine anspruchsvolle Sache geworden. Dieser Anspruch zergeht aber, wenn uns die Leistung als das, was sie an sich ist, zum Bewusstsein kommt. In diesem Sinne ist auch hier die Neuheit, d. h. die Seltsamkeit oder Abnormitaet das die "Aufmerksamkeit" Spannende und zugleich das sie Loesende. "VERBLUEFFUNG" UND "VERSTAENDNIS". Hiermit gelange ich wiederum zu _Heymans_ zurueck. Was ich hier oben andeutete, ist auch _Heymans_ aufgefallen. Er drueckt es nur in etwas anderer Weise aus und kommt so zu einem neuen scheinbaren Einwand gegen meine Theorie der Komik. Nicht in allen, aber in gewissen Fallen der Komik, meint er, verhalte sich die Sache so, dass ein Raetselhaftes, Unbegreifliches ein Gefuehl der Verwunderung oder des Staunens wecke, die Aufmerksamkeit fessle, waehrend ein schnell aufleuchtendes, an sich kein weiteres Interesse bietendes "Verstaendnis" die Entspannung zu wege bringe. Hiermit tritt _Heymans_ scheinbar in unmittelbaren Widerspruch zu meiner Theorie. Ich habe diese Theorie gelegentlich auch so formuliert, dass ich sagte, die Komik entstehe, indem ein Sinnvolles sich fuer uns in ein Sinnloses verwandelt. Das Sinnvolle nimmt uns in Anspruch oder spannt die Aufmerksamkeit, die Sinnlosigkeit bringt die Loesung. Diesen Sachverhalt scheint Heymans umzukehren. Das Unbegreifliche, also fuer uns Sinnlose spannt die Aufmerksamkeit, die Loesung ist da, indem die Sinnlosigkeit verschwindet und das Verstaendnis, also die Einsicht in den Sinn der Sache sich einstellt. In Wahrheit ist, was Heymans sagt, lediglich die besondere Hervorhebung eines Momentes im Prozess der Komik, und zwar eines Momentes, das ich im Obigen ausdruecklich anerkannt habe. Ein Unterschied zwischen _Heymans_ und mir besteht zunaechst nur insofern, als ich, was _Heymans_ fuer bestimmte Faelle der Komik vermeintlich gegen mich einwendet, verallgemeinere, d. h. als fuer alle Komik mehr oder weniger zutreffend anerkenne. Dann freilich laesst sich _Heymans_ durch einseitige Hervorhebung jenes Momentes zu Wendungen verleiten, die eine wirkliche Korrektur meiner Theorie in sich zu schliessen scheinen. Auch hier aber loest sich der scheinbare Gegensatz leicht, wenn wir _Heymans_' Aufstellungen genauer analysieren oder eine darin liegende Zweideutigkeit beseitigen. Das Raetselhafte, sagt _Heymans_, spannt die Aufmerksamkeit oder, mit einem anderen, Andruck, es "verbluefft". Statt dessen sagte ich oben: Die Neuheit, Ungewohntheit, Abnormitaet, das Seltsame des Komischen laesst erst seine Bedeutsamkeit, sei es ueberhaupt, sei es vollstaendig, zur Wirkung kommen. Auch damit ist eine Spannung der Aufmerksamkeit bezeichnet. Aber diese Spannung der Aufmerksamkeit ist mit _Heymans_' "Verblueffung" nicht ohne weiteres identisch. Dies wird verstaendlich, wenn wir in jener Verblueffung zwei Momente unterscheiden. Einmal die einfache Verblueffung, d. h. das erstaunte Haltmachen bei der Seltsamkeit, etwa das erstaunte Haltmachen bei der geringen Leistung des Grosssprechers; die Frage: Was soll das heissen. Diese erste, voellig verstaendnislose Verblueffung ist nicht die Spannung der Aufmerksamkeit, von der ich sage, ihr Zergehen erzeuge die Komik. Und sie kann es nicht sein. Damit komme ich bereits auf den Punkt, in dem ich _Heymans_ entgegentreten muss. _Heymans_ meint, er koenne sich--gegen mich--"einfach auf das Zeugnis der Selbstwahrnehmung berufen", nach welchem in gewissen Faellen der Komik "sich deutlich die beiden Stadien des verbluefften Erstaunens und des aufleuchtenden Verstaendnisses, mit letzterem gleichzeitig aber die komische Gefuehlserregung feststellen laesst." Diese beiden Stadien leugne ich, nach Obigem, nicht, sondern erkenne sie, und zwar fuer alle Faelle der Komik an. Aber ich leugne, dass jede Verblueffung, der ein aufleuchtendes Verstaendnis folgt, ein Gefuehl der Komik ergiebt. Die Komik stellt in Wahrheit nur dann sich ein, wenn jene Verblueffung zugleich ein Moment in sich schliesst, das mehr ist als blosse Verblueffung, naemlich Sammlung, Spannung der Aufmerksamkeit durch ein Bedeutsames oder scheinbar Sinnvolles; und die Komik ergiebt sich nicht aus der Loesung der Verblueffung ueberhaupt, sondern aus der Loesung dieses zweiten Momentes der Verblueffung oder dieser besonders gearteten Spannung. So wie die geringfuegige Leistung des Grosssprechers mich verbluefft, so verbluefft mich auch der Satz, der durch Ausfall eines Wortes sinnlos geworden ist. Nehmen wir an, darauf folge sofort das aufleuchtende Verstaendnis: Ich sehe, welches Wort ausgefallen ist. Ich ergaenze es also, und verstehe den Satz. Ich sage: Das also ist gemeint. Ein solches Erlebnis ist nicht komisch. Dagegen wuerde der Ausfall des Wortes komisch, wenn sich daraus ein neuer Sinn ergaebe. Wir wollen annehmen, der neue Sinn leuchte unmittelbar ein, werde aber auch sofort als unmoeglich gemeint, also als Unsinn erkannt. Hier ist auf das erste Stadium der Verblueffung ein zweites gefolgt, auf die Verblueffung ueber den Unsinn die Verblueffung ueber den scheinbaren Sinn, auf das einfache Stillestehen der psychischen Bewegung, ein sich Konzentrieren derselben auf einen bestimmten Vorstellungszusammenhang, naemlich denjenigen, dessen Vernichtung nachher die Komik ergiebt. So gewiss aus der unmittelbaren Loesung des ersten Stadiums, der in jedem Sinn verstaendnislosen Verblueffung, durch das aufleuchtende Verstaendnis die Komik sich _nicht_ ergiebt, so gewiss folgt sie _hieraus_. Ein solches zweites Stadium der Verblueffung, oder eine solche Sammlung oder Konzentration der Aufmerksamkeit findet nun in aller Komik statt. Wie gesagt: Die geringe Leistung nach grossen Versprechungen "verbluefft"; dann aber folgt die Spannung der Aufmerksamkeit durch die scheinbare Erfuellung der Versprechungen. Auf die verblueffte Frage: Was soll das heissen? folgt die verblueffte Antwort: Das also ist die Erfuellung der grossen Versprechungen. Und daran erst schliesst sich die Einsicht. Ich "verstehe", d. h. ich erkenne den Grosssprecher als leeren Grosssprecher. Bei einem solchen ist die geringe Leistung ganz in der Ordnung. Was ich erlebe ist gar nichts, d. h. nichts, das meiner Aufmerksamkeit wert waere. Ich habe hier in dem Stadium, das _Heymans_ als Stadium der _Verblueffung_ bezeichnet, zwei Stadien unterschieden. Man sieht aber, das zweite Stadium der Verblueffung kann ebensowohl als erstes Stadium des Verstaendnisses bezeichnet werden. Es ist das Stadium des verblueffenden Verstaendnisses, des verblueffenden Sinnes oder scheinbaren Sinnes, allgemeiner gesagt, der verblueffenden Groesse oder Scheingroesse eines Objektes, das dann doch seiner Groesse in unseren Augen wieder verlustig geht. Damit ist der scheinbare Gegensatz zwischen Heymans und mir geloest. Auch er hat mich erst verbluefft, dann sah ich die Scheingroesse, die sich aus der scheinbaren Identitaet der _Heymans_'schen "Verblueffung" mit meiner "Spannung der Aufmerksamkeit durch ein Scheingrosses" ergab, d. h. die Einsicht, dass Verblueffung und Verblueffung zweierlei sei, und demgemaess _Heymans_' Einwand mich nicht treffe. Die Beispiele, die _Heymans_ anfuehrt, um seinem Einwand Kraft zu geben, sind der Hauptsache nach dem Gebiete des Witzes entnommen. Insoweit gehoeren sie nicht hierher. Schliesslich aber weist er auf einen Fall hin, der dem Gebiete der objektiven Komik angehoert. Auch dieser widerspricht doch meiner Theorie keineswegs. "Ein auf einer Zwischenstation ausgestiegener Reisender antwortet auf die dringende Aufforderung des Schaffners einzusteigen immer nur mit der flehentlichen Bitte ihm zu sagen, in welchem Jahre Amerika entdeckt worden sei. Indessen faehrt der Zug ab. Endlich stellt sich heraus, dass das Kompartiment, in welchem der Reisende seine Sachen zurueckgelassen hat, die Nummer 1492 fuehrt, und dass ein Mitreisender ihm gesagt hat, er solle, um diese Nummer nicht zu vergessen, nur an die Jahreszahl der Entdeckung Amerikas denken". Hier meint _Heymans_, ist die Handlungsweise des Reisenden, dem man zu langen Erklaerungen keine Zeit laesst, keineswegs objektiv unzweckmaessig, aber sie scheint es in hoechstem Grade zu sein, und wird darum zuerst als unbegreiflich, dann nachdem die Sache sich aufgeklaert hat, als komisch empfunden. Mir scheint, dass in diesem komplizierten Falle verschiedene Momente der Komik unterschieden werden muessen. Der Reisende wird schon vor der Aufklaerung der Sache komisch, weil er als ausgewachsener Mensch, von dem man ein zweckmaessiges Verhalten "erwartet", den Zug mit seinem Gepaeck wegfahren laesst, und sich statt um seine Reise, um die Entdeckung Amerikas Sorge macht. Dazu tritt dann ein zweites Moment, das allerdings erst nach der Aufklaerung zur Wirkung gelangt. Man sieht jetzt, dass der Reisende Grund hatte nach dem Jahre der Entdeckung Amerikas zu fragen. Oder vielmehr: es scheint fuer einen Augenblick die Frage darnach sinnvoll. Dann aber erscheint das ganze Verhalten des Menschen sinnlos. Sich eine Zahl nach der Jahreszahl eines historischen Ereignisses zu merken hat natuerlich nur Sinn, wenn man diese Jahreszahl kennt. Hiermit meine ich alle Punkte des Gegensatzes zwischen _Heymans_ und mir aufgeklaert zu haben. Ich werde auf _Heymans_ noch einmal, naemlich bei der Betrachtung des Witzes und der genaueren Darlegung der Art, wie bei ihm das Gefuehl der Komik zu stande kommt, zurueckkommen muessen. Einstweilen nehme ich von _Heymans_' wertvollen Winken Abschied. VI. KAPITEL. DIE SUBJEKTIVE KOMIK ODER DER WITZ. ABGRENZUNG DER SUBJEKTIVEN KOMIK. Wir haben im Obigen die ausdrueckliche Abgrenzung der objektiven Komik von den sonstigen Gattungen der Komik unterlassen. Beim Witze koennen wir diese Abgrenzung sofort zu vollziehen versuchen. Dabei muessen wir zunaechst unterscheiden zwischen dem Witz als Eigenschaft und dem Witz als Vorgang oder Leistung, dem Witz, den der Witzige _hat_, und demjenigen, den er _macht_. Wenn _Vischer_ gelegentlich den Witz definiert als die Fertigkeit mit ueberraschender Schnelle mehrere Vorstellungen, die nach ihrem inneren Gehalt und dem Nexus, dem sie angehoeren, einander eigentlich fremd sind, zu einer zu verbinden, so koennen wir uns diese Definition nicht aneignen, weil sie sich auf den Witz bezieht, den der Witzige _hat_. Aber auch der Begriff des Witzes, der gemacht wird, laesst sich verschieden fassen. Wenn jemand stolz auftritt und ueber eine Kleinigkeit stolpert, so wird er Objekt der Komik. Wenn ich ihm das Hindernis _in den Weg werfe_, so mache ich einen, wenn auch vielleicht recht schlechten "Witz". So heisst ueberhaupt Witz jedes bewusste und geschickte Hervorrufen der Komik, sei es der Komik der Anschauung oder der Situation. Natuerlich koennen wir auch diesen Begriff des Witzes hier nicht brauchen. Eines und dasselbe waere ein Fall der Anschauungs- oder Situations-Komik und ein Witz, je nachdem wir den komischen Thatbestand einfach fuer sich ins Auge fassten, oder zugleich auf seine Verursachung achteten. Wir wollen aber ja hier unter dem Namen des Witzes Faelle zusammenfassen, die _neben_ den Faellen den Anschauungs- und Situations-Komik stehen. Ein wesentliches Merkmal fuer den Begriff des Witzes, wie wir ihn brauchen, haben wir indessen damit doch schon gewonnen. Gegenstand der Anschauungskomik _wird_ man, in die Situationskomik _geraet_ man, den Witz _macht_ man. Man macht ihn, d. h. die selbstbewusste Persoenlichkeit macht ihn. Der Witz ist eine Art der Aktivitaet oder Betaetigung dieser Persoenlichkeit. Vereinigen wir damit, dass wir nach oben Gesagtem auch das, sei es noch so selbstbewusste Hervorrufen der Anschauungs- und Situationskomik, bei der doch die Komik nur eben an dem angeschauten Objekt oder der Situation haftet, nicht als Witz bezeichnen wollen, so kann sich eine wenigstens vorlaeufige Abgrenzung dieses Begriffes ergeben. Meine Vorstellungen und Vorstellungsverbindungen, meine Willensakte und Wertschaetzungen, das sind die Arten meiner Persoenlichkeit sich zu bethaetigen. An ihnen also, oder vielmehr, da jene inneren Vorgaenge fuer andere nicht Gegenstaende der Wahrnehmung sind, an den Worten, Handlungen und Gebaerden, in welchen sie zu Tage treten, wird die Komik des Witzes, den ich mache, haften muessen; und sie wird an den Worten, Handlungen und Gebaerden haften muessen, _sofern_ und lediglich sofern sie einer persoenlichen Aktivitaet oder Leistung zum Ausdruck dienen. Aktivitaet oder "Leistung", so sage ich hier mit Bedacht. Auch in der ungeschickten und in ihrer Ungeschicktheit komischen Bemerkung, die ich mir zu Schulden kommen lasse, bin ich aktiv. Aber dies ist nicht die Aktivitaet, die ich hier meine. Ich mache die Bemerkung, aber ich "mache" nicht die ihr anhaftende Komik. Eben insofern die Bemerkung komisch ist, erscheint sie nicht als Ausfluss meines positiven Koennens, sondern meines Unvermoegens, ich bringe damit nichts zuwege, sondern unterliege einer Schranke meines Wesens. Ich erscheine darum trotz aller Thaetigkeit als Gegenstand der Anschauungs- oder Situationskomik, nicht als Urheber eine Witzes. Andererseits muss mit der Forderung Ernst gemacht werden, dass die Komik eben an der Aktivitaet _hafte_. Ich mache Anstrengungen, um ueber ein hochgespanntes Seil zu springen, im letzten Momente aber schluepfe ich unten durch, nicht aus Unvermoegen, sondern um die Zuschauer zu belustigen. Hier bin ich durchaus aktiv und ueberlegen, aber die Komik haftet nicht unmittelbar daran. Meinem Thun liegt thatsaechlich kein Unvermoegen zu Grunde, aber das Gefuehl der Komik entsteht doch nur aus dem Schein des Unvermoegens, den ich mit Absicht erzeuge. Ich werde nicht durch irgendwelche Naturnotwendigkeit, und kein anderer wird durch mich _Gegenstand_ der Komik, aber ich mache mich selbst dazu. Ich werde es freiwillig, aber ich werde es fuer den Augenblick thatsaechlich. Daraus ergiebt sich die vorlaeufige Abgrenzung des Witzes, die wir suchen. Sie ist die Komik, die wir hervorbringen, die an unserm Thun als solchem haftet, zu der wir uns durchweg als darueberstehendes Subjekt, niemals als Objekt, auch nicht als freiwilliges Objekt verhalten. Oder kuerzer gesagt: sie ist die durchaus subjektive Komik. Im Gegensatz dazu duerfen wir die im vorigen Abschnitt gemeinte und besprochene Komik, wie wir schon gethan haben, als objektive bezeichnen. Jene Abgrenzung des Witzes trifft mit derjenigen zusammen, die in der wissenschaftlichen Aesthetik thatsaechlich vorausgesetzt zu werden pflegt. Indem wir den Witz als "subjektive" von der "objektiven" Komik unterscheiden, stimmen wir wenigstens mit _Vischer_ auch im Ausdruck ueberein.--Dagegen sind die vorhandenen Antworten auf die Frage nach dem Wesen des Witzes teilweise voellig ungenuegend. VERSCHIEDENE THEORIEN. Ich erwaehne wiederum in erster Linie denjenigen Psychologen der Komik, der sich von der Wahrheit am weitesten entfernt haelt. Wie wir sahen, geht _Hecker_'s Bestimmung der Komik ueberhaupt aus von der Betrachtung des Gefuehls der Komik, das er als beschleunigten Wettstreit der Gefuehle der Lust und Unlust bezeichnet. Beim Witze nun entsteht fuer ihn "die Unlust wie die Lust aus zwei Vorstellungen, deren Unvereinbarkeit und doch wiederum moegliche Vereinbarkeit miteinander die Quelle der Gefuehle bildet." Diese Erklaerung ist vor allem nicht allzu ernst gemeint. An Stelle der unvereinbaren Vorstellungen treten spaeter solche, die nichts miteinander zu thun haben, d. h. thatsaechlich in keinem Verhaeltnis unmittelbarer Zusammengehoerigkeit stehen. Und zu diesen gesellen sich dann solche, die zugestandenermassen ziemlich viel miteinander zu thun haben. Ueberhaupt wandeln sich die _Hecker_'schen Bedingungen des Witzes von Fall zu Fall, bis schliesslich von der urspruenglichen Formel herzlich wenig mehr uebrig bleibt. Natuerlich verfolge ich diese Wandlungen nicht. Es genuegt die Bemerkung, dass nach _Hecker_ schliesslich jede zweifelhafte Aussage, jede Annahme, die durch Thatsachen gestuetzt wird, waehrend andere Thatsachen widersprechen, jede halbwahre Theorie, ja jede thoerichte Rede, der wir den wahren Sachverhalt "substituieren", witzig heissen muesste. Als ganz besonders witzig muesste seine eigene Theorie des Witzes und der Komik ueberhaupt gelten, in der mit mancherlei Ansaetzen und Elementen zu einer richtigen Anschauung so viel Unzutreffendes so eng verbunden ist. Mit _Hecker_'s Erklaerung ist die _Kraepelin_'s verwandt. Fuer ihn ist der Witz die "willkuerliche Verbindung oder Verknuepfung[1] zweier miteinander in irgend einer Weise kontrastierender Vorstellungen, zumeist durch das Hilfsmittel der sprachlichen Association". Es muss, so sagt er nachher, irgend ein Band zwischen den Vorstellungen, es muessen associative Beziehungen zwischen ihnen existieren, welche diese Verknuepfung gestatten. Andererseits muss aber die Nichtzusammengehoerigkeit derselben klar und scharf genug ins Auge springen, dass eine Kontrastwirkung zur Entwicklung gelangen kann. [1] So, und nicht "Erzeugung" muss es ohne Zweifel an der betreffenden Stelle heissen. Diese Erklaerung leidet an mehreren Fehlern. Sie stimmt nicht mit den nachfolgenden naeheren Bestimmungen; sie ist vieldeutig; man mag sie drehen wie man will, so schliesst sie Dinge ein, die mit dem Witze nichts zu thun haben; sie schliesst andererseits Gattungen von Vorgaengen aus, die thatsaechlich dem Witze zugehoeren. Sie steht endlich in direktem Widerspruch mit einzelnen ausdruecklich angefuehrten Faellen des Witzes. Nur auf zwei Punkte mache ich hier gleich aufmerksam. Der Witz soll eine _willkuerliche_ Verbindung von Vorstellungen sein. Gleich nachher wird von Witzen gesprochen, die nicht der bewusst absichtsvollen Komik angehoeren, sondern unbewusst sind. Ich denke aber, wo das Bewusstsein aufhoert, ist nach gemeinem Sprachgebrauch auch von Willkuer nicht mehr die Rede. Wichtiger ist mir der andere Punkt. "Irgendwie kontrastieren" muessen die Vorstellungen, deren Verbindung den Witz ausmacht. Mit diesem Kontrast geht es einigermassen, wie mit der "Unvereinbarkeit" bei _Hecker_. An seine Stelle tritt spaeter die Nichtzusammengehoerigkeit. Bald darauf heissen die Vorstellungen einander widerstreitend, wiederum an anderer Stelle gaenzlich verschiedenartig. Als ob alle diese Ausdruecke dasselbe sagten. In der That koennen die im Witze verbundenen Vorstellungen sich auf die verschiedenartigste Weise zu einander verhalten. Das bekannte _Lichtenberg_'sche "Messer ohne Klinge, woran der Stiel fehlt" enthaelt eine Verbindung an sich unvereinbarer Vorstellungen. Das Messer einerseits, der Mangel der Klinge und des Stieles andererseits, diese beiden Begriffe heben sich gegenseitig auf.--Wenn ein franzoesischer Dichter auf die Zumutung seines Koenigs, ein Gedicht zu machen, dessen sujet er sei, antwortet: le roi n'est pas sujet, so vollzieht er eine Verbindung von Vorstellungen,--sujet = Unterthan und sujet = Gegenstand eines Gedichtes--die an sich recht wohl vereinbar sind, und nur thatsaechlich und erfahrungsgemaess nichts miteinander zu thun haben.--"Die Abteien sind geworden zu Raubteien", sagt der _Schiller_'sche Kapuziner. Hier sind die in witziger Weise verbundenen Vorstellungen weder unvereinbar noch unzusammengehoerig. Die Abteien waren in der That in der Zeit des dreissigjaehrigen Krieges zu Raubteien geworden. Die Vorstellungen gehoeren also genau soweit zusammen, als es der Witz behauptet.--Gedenken wir endlich gar der witzigen Definition von der Art der _Schleiermacher_'schen: Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft, so ergiebt sich, dass die im Witze miteinander "kontrastierenden" Vorstellungen auch solche sein koennen, die nicht nur in bestimmten Faellen und thatsaechlich, sondern allgemein und begrifflich zusammengehoeren, deren Zusammengehoerigkeit ausserdem jedermann denkbar gelaeufig ist. Dass die Eifersucht eine Leidenschaft ist, die darauf ausgeht Dinge hervorzusuchen und selbst zu ersinnen, die nur dazu dienen koennen dem Eifersuechtigen und dem Gegenstand der Eifersucht Qualen zu bereiten, dies liegt ja im Begriff der Eifersucht und bezeichnet kein verstecktes, sondern ein jedermann bekanntes und selbstverstaendliches Moment dieses Begriffes. Die im Witze verbundenen Vorstellungen find unvereinbare und unzusammengehoerige, anderseits zusammengehoerige und sogar notwendig zu vereinigende Vorstellungen; sie sind Vorstellungen, deren Vereinigung einen Unsinn, eine faktische Unwahrheit, andererseits eine thatsaechliche Wahrheit oder sogar eine Selbstverstaendlichkeit ergiebt. Sie sind mit einem Worte verschiedenartige Vorstellungen, die sich irgendwie zu einander verhalten. Verschiedene und irgendwie sich zu einander verhaltende Vorstellungen werden aber natuerlich in jeder wahren oder falschen Behauptung miteinander verbunden. Sie koennen also nicht das Wesen des Witzes ausmachen. Dann muss wohl die besondere Art der Verbindung den Witz erzeugen. Die Verbindung, so koennte man sagen, ist beim Witz jederzeit eine solche, welche die Unvereinbarkeit, oder auch die blosse Verschiedenheit der Vorstellungen besonders deutlich zu Tage treten laesst. In dieser deutlicher zu Tage tretenden Unvereinbarkeit oder Verschiedenheit bestaende dann der "Kontrast", der zum Witze erforderlich ist. In der That kann _Kraepelin_'s Meinung im Grunde keine andere sein. Zur Komik ueberhaupt gehoert ja fuer ihn nach der allgemeinen Erklaerung, die wir im vorigen Abschnitt kennen gelernt haben, der Versuch der begrifflichen Vereinigung und ein erst _daraus sich ergebender_ "intellektueller" Kontrast. Damit stimmt es, dass _Kraepelin_ fuer den Witz eine associative Beziehung der Vorstellungen fordert, welche die _Verbindung gestattet_. Freilich geht diese Forderung ueber das hinaus, was jener allgemeinen Erklaerung zufolge fuer die Komik gefordert ist und demnach auch fuer die Komik des Witzes gefordert werden duerfte. Ich kann ja recht wohl in einer Aussage Vorstellungen verbinden und andere zum Versuch ihrer begrifflichen Vereinigung noetigen, ohne dass besondere associative Beziehungen vorliegen. Ich sage etwa: Napoleon starb in Sibirien. Napoleon hat mit Sibirien nichts zu thun. Aber ich verbinde in dem Satze die beiden Vorstellungen, und wer ihn hoert, kann nicht umhin den Versuch begrifflicher Vereinigung anzustellen. Er gewinnt auch daraus ein Gefuehl des Kontrastes. Es kommt ihm zum Bewusstsein, dass Napoleon's Tod in der That mit Sibirien _gar nichts_ zu thun hat. Die Behauptung erfuellt also trotz der mangelnden Association die Bedingung, unter der nach _Kraepelin_ das Gefuehl der Komik allgemein entstehen muesste. Andrerseits kann aber auch die Association hinzutreten und dennoch die Komik des Witzes, wie jede Komik ueberhaupt, unterbleiben. Ich brauchte nur Napoleon statt in Sibirien auf Elba sterben zu lassen. Napoleon starb auf einer Insel; Elba ist eine Insel; Napoleon war auf Elba. Wiederum wird zugleich demjenigen, der die Behauptung hoert, eben durch die Behauptung die Nichtzusammengehoerigkeit der verbundenen Vorstellungen zum deutlicheren Bewusstsein gebracht. Oder: jemand zeiht meinen Freund, dessen Charakter ich erprobt habe, einer unredlichen Handlung. Die Gruende, die er anfuehrt, gestatten die Vorstellungsverbindung und zwingen mich sogar immer wieder, sie versuchsweise zu vollziehen. Dabei muss mir der Gegensatz zwischen der behaupteten Unredlichkeit und dem erprobten Charakter in besonderem Masse fuehlbar werden. Er wird mir vielleicht in dem Masse fuehlbar, dass ich die Vorstellungsverbindung in tiefster Empoerung abweise. Hier haben wir ein Kontrastbewusstsein der intensivsten Art; zugleich ein Kontrastbewusstsein, das sich voellig vorschriftsmaessig aus versuchter begrifflicher Vereinigung nicht nur verschiedener, sondern faktisch unvereinbarer Vorstellungen ergiebt. Trotzdem wird niemand verlangen, dass ich die Verleumdung als Witz oder ueberhaupt als komisch empfinde. Indessen so ist die Sache nicht gemeint. Die assoziativen Beziehungen gestatten die Verbindung, an Stelle dieses nichtssagenden Ausdrucks setzt _Kraepelin_ spaeter den andern, sie begruenden eine bedingte oder teilweise Zusammengehoerigkeit der Vorstellungen. Damit ist dann freilich wieder zu viel gesagt. Das Messer einerseits, der gleichzeitige Mangel des Stiels und der Klinge anderseits, diese beiden Dinge gehoeren auch nicht bedingt oder teilweise zusammen. Trotzdem ist in dieser Bestimmung etwas Richtiges. Die associativen Beziehungen muessen jederzeit eine Zusammengehoerigkeit begruenden, wenn keine wirkliche, dann eine scheinbare. Indem sie dies thun, verleihen sie der witzigen Aussage eine wirkliche oder scheinbare Bedeutung und damit zugleich eine gewisse Kraft, Wichtigkeit, Eindrucksfaehigkeit. Damit ist auch schon der Punkt bezeichnet, auf den es bei der Zusammengehoerigkeit einzig und allein ankommt. Nicht die Zusammengehoerigkeit, sondern die Bedeutung, welche den Worten als Traegern derselben erwaechst, bedingt den Eindruck der Komik. Die Zusammengehoerigkeit ist bei dem eben angefuehrten Falle eine lediglich scheinbare. Aber indem die Worte den Schein erwecken, leisten sie etwas. Wir hoeren die Wortverbindung "Messer ohne Klinge und Stiel" und lassen uns dadurch verfuehren, fuer einen Moment an die Moeglichkeit der entsprechenden Vorstellungsverbindung zu glauben, also derselben einen Sinn zuzuschreiben. Der Begriff eines Messers ohne Klinge ist uns gelaeufig, der eines Messers ohne Stiel nicht minder. Hebt der Mangel der Klinge den Begriff des Messers nicht auf, und der Mangel des Stieles ebensowenig, so scheint auch der Mangel der Klinge und des Stieles ihn nicht aufzuheben.--Dann freilich kommt uns die Unvereinbarkeit der Vorstellungen zum Bewusstsein. Wir wissen, das wir uns haben taeuschen lassen, dass wir nach einem gelaeufigen Ausdruck "hereingefallen" sind. Was wir einen Moment fuer sinnvoll nahmen, steht als voellig sinnlos vor uns. Darin besteht in diesem Falle der komische Prozess. Analog verhaelt es sich mit jenem Witze des franzoesischen Dichters. Die Antwort, die der Dichter giebt, ist keine Antwort, oder sie ist, als Antwort auf die Aufforderung des Koenigs betrachtet, sinnlos. Sie besitzt nicht bedingte oder teilweise, sondern gar keine "Geltung". Ebensowenig Geltung besitzt der Schluss, der sich darauf aufbaut: der Koenig ist nicht sujet, man kann also auch nicht fordern, dass er sujet eines Gedichtes sei. Aber wir lassen uns die Geltung, welche die Antwort beansprucht, verfuehrt durch die Gleichheit der Worte sujet und sujet mit einer Art psychologischer Notwendigkeit gefallen, wir vollziehen mit gleicher Notwendigkeit den darauf gebauten Schluss. Indem wir so thun, messen wir den Worten des Dichters eine doppelte Bedeutung bei, die ihnen nicht zukommt; sie werden fuer uns zur zutreffenden und zugleich zur abfertigenden Antwort. Sie werden es--fuer einen Augenblick naemlich. Dann fordert die Logik ihr Recht und zerstoert das ganze Gebaeude. Die sinnvolle und geschickt abfertigende Antwort wird wiederum, was sie immer war, eine sinnlose Aussage. BEGRIFFSBESTIMMUNG UND VERSCHIEDENE FAELLE. Verallgemeinern wir jetzt, was sich in diesen beiden Faellen ergeben hat. Wir muessen dann sagen: witzig erscheint eine Aussage, wenn wir ihr eine Bedeutung mit psychologischer Notwendigkeit zuschreiben, und indem wir sie ihr zuschreiben, sofort auch wiederum absprechen. Dabei kann unter der "Bedeutung" Verschiedenes verstanden sein. Wir leihen einer Aussage einen _Sinn_, und wissen, dass er ihr logischerweise nicht zukommen kann. Wir finden in ihr eine _Wahrheit_, die wir dann doch wiederum den Gesetzen der Erfahrung oder allgemeinen Gewohnheiten unseres Denkens zufolge nicht darin finden koennen. Wir gestehen ihr eine ueber ihren wahren Inhalt hinausgehende logische oder praktische Folge zu, um eben diese Folge zu verneinen, sobald wir die Beschaffenheit der Aussage fuer sich ins Auge fassen. In jedem Falle besteht der psychologische Prozess, den die witzige Aussage in uns hervorruft, und auf dem das Gefuehl der Komik beruht, in dem unvermittelten Uebergang von jenem Leihen, Fuerwahrhalten, Zugestehen zum Bewusstsein oder Eindruck relativer Nichtigkeit. Damit haben wir den Begriff gewonnen, der den Witz und die Anschauungs- und Situationskomik zugleich umfasst. Hier wie dort gewinnt oder besitzt ein Bewusstseinsinhalt fuer uns einen Grad von Bedeutung oder psychologischem Gewicht, den er dann ploetzlich verliert. Zugleich ist auch schon angedeutet, dass hier wie dort die beiden Faelle moeglich sind: wir leihen die Bedeutung dem Bewusstseinsinhalt, waehrend sie ihm von Rechts wegen oder objektiv betrachtet nicht zukommt, oder: sie kommt ihm objektiverweise zu, und wir erkennen sie auch zunaechst an, koennen aber infolge subjektiver Gewohnheiten des Denkens nicht bei dieser Anerkenntnis bleiben. Das letztere gilt schon von dem oben angefuehrten Beispiele aus _Schiller_. "Die Abteien sind geworden zu Raubteien." Diese Behauptung ist, wie schon gesagt, sinnvoll und wahr; und wir glauben an ihre Wahrheit. Man sehe aber, durch welches _Mittel_ uns die Wahrheit _eindringlich_ gemacht wird. "Raubtei" ist kein gueltiges Wort der deutschen Sprache; es kommt ihm also nach strenger Forderung der Logik auch kein gueltiger Sinn zu. In dem speciellen Falle aber hat es fuer uns einen Sinn, wir verstehen vollkommen, was damit gemeint ist. Der Anklang an Abtei einerseits, an Raub andrerseits verhilft uns dazu. Dazu kommt ein zweites Moment. Die Nebeneinanderstellung der Worte Abtei und Raubtei, die Verwandlung des einen ins andere, ist an sich ein blosses Spiel mit Worten, die Klangaehnlichkeit, worauf das Spiel beruht, hat an sich keine logische Kraft. Wiederum aber gewinnt sie eine solche, in diesem speciellen Falle. Die in der Zusammenstellung der Worte liegende Wahrheit wird uns nicht nur verstaendlich, sondern, eben durch den Gleichklang, sogar eindringlicher, sozusagen selbstverstaendlich. So nahe die Worte Abtei und Raubtei lautlich zusammenhaengen, so nahe scheinen die damit bezeichneten Dinge sachlich zusammenzuhaengen. So leicht wir vermoege jenes Zusammenhanges aus dem Worte Abtei das Wort Raubtei machen, so leicht und natuerlich scheint uns der Uebergang von einem zum andern Begriff. Beide Momente bedingen die Eigenart des komischen Prozesses. Achten wir auf das, was die Worte in ihrem Zusammenhange sagen, so ergeben sie den Eindruck einer einleuchtenden Wahrheit, betrachten wir sie nach ihrer Form und beurteilen diese, wie wir nicht anders koennen, nach den gewoehnlichen Gesetzen unseres Denkens und Sprechens, so gewinnen wir den Eindruck des Spiels mit Worten. Das Wort Raubtei erscheint so sinnlos, wie es sonst sein wuerde, der Gleichklang so logisch kraftlos, wie er sonst zu sein pflegt. Die beiden hier unterschiedlichen Momente koennen auch jedes fuer sich die Komik des Witzes begruenden. Wenn _Heine_ von jemand sagt, er sei von einem bekannten Boersenbaron recht "famillionaer" aufgenommen worden, so beruht die Komik dieses Witzes lediglich auf dem ersten jener beiden Momente. Ein Wort wie "famillionaer" giebt es nicht. Wir lassen uns aber den malitioesen Sinn, den es in dem speciellen Falle hat, gefallen; wir verstehen, dass _Heine_ sagen will, die Aufnahme sei eine familiaere gewesen, naemlich von der bekannten Art, die durch den Beigeschmack des Millionaertums an Annehmlichkeit nicht zu gewinnen pflegt. Dann kommt uns doch wiederum die Nichtigkeit und Sinnlosigkeit des Wortes zum deutlichen Bewusstsein. Dagegen beruht der Witz gaenzlich auf dem Verhaeltnis der Worte zu einander bei der oben zuletzt angefuehrten _Schleiermacher_'schen Definition. Die Frage, was fuer eine Leidenschaft die Eifersucht sei, wird beantwortet, indem beide Worte Eifersucht und Leidenschaft auseinandergeschnitten und die Stuecke durch Zwischenfuegung weniger, an sich unerheblicher Worte zu einem Satze verbunden werden. Diese aeusserlich betrachtet voellig mechanische Procedur ergiebt nichtsdestoweniger ein bedeutungsvolles und zutreffendes gedankliches Resultat. Solange wir auf dies Resultat achten, erscheint das Mittel, wodurch es erreicht wurde, gleichfalls bedeutungsvoll. Es sinkt dann doch wiederum unfehlbar in seine, obgleich nur scheinbare Nichtigkeit zurueck. Jetzt ist deutlich ersichtlich, wie wir uns zu _Kraepelin_'s Theorie stellen. Der Kontrast bleibt bestehen, aber er ist nicht so oder so gefasster Kontrast der mit den Worten verbundenen Vorstellungen, sondern Kontrast, oder Widerspruch der Bedeutung und Bedeutungslosigkeit der Worte. Dies Ergebnis entspricht ganz dem bei der objektiven Komik gewonnenen. Wie dort so ist hier der qualitative Vorstellungskontrast nur insoweit von Belang, als er diesen quantitativen oder Bedeutungskontrast vermittelt; er hat im uebrigen, wie mit der Komik ueberhaupt, so auch mit der Komik des Witzes nichts zu thun. Das Recht dieser letzteren Behauptung habe ich schon oben dargelegt. Ich erinnere an die Verleumdung des erprobten Freundes. Diese Verleumdung war trotz des staerksten Kontrastes weder witzig noch ueberhaupt komisch. Umgekehrt entsteht die Komik des Witzes, wie die objektive, sobald ich den von uns geforderten Bedeutungskontrast hinzufuege. So kann die Verleumdung zunaechst durch Hinzutritt des objektiven Bedeutungskontrastes _objektiv_ komisch werden. Der Verleumder giebt sich alle Muehe, uebersieht aber einen Umstand, der ihn sofort widerlegt. Von einem Witze ist hier noch keine Rede, weil die Bedingung des Witzes nicht erfuellt ist, die darin besteht, dass die Komik an der Aussage hafte, _sofern_ sie der Vorstellungsverbindung _zum Ausdruck dient_, und damit zugleich als _That_ desjenigen erscheine, der die Aussage macht. Die Worte des Verleumders sagen oder bedeuten nach ihrer Widerlegung dasselbe wie vorher. Sie kommen in bestimmter Art zu Fall, aber dies zu Fall kommen, das wesentlichste Moment der Komik, ist nicht durch die Worte selbst bedingt, sondern durch jenen dem Verleumder unbekannten oder von ihm verschwiegenen Umstand. Der Verleumder bringt es, indem er die Aussage macht, nicht eben dadurch _zuwege_, dass ich den Eindruck einer Wahrheit habe und dann auch wiederum nicht habe, sondern er will, dass ich den Eindruck habe und _erlebt_ es, dass derselbe in nichts zerrinnt. Dagegen wird die Aussage witzig, sobald die Worte selbst, ohne ein von aussen hinzutretendes Schicksal, die Bedeutung, die sie haben oder zu haben scheinen, doch auch wiederum nicht haben oder nicht zu haben scheinen, sobald also der rein subjektive, von dem "Verleumder" aus eigenen Mitteln hervorgerufene Bedeutungskontrast hinzukommt. Man sagt mir etwa, mein Freund habe einen Eingriff in die Kasse gemacht, um dann hinzuzufuegen: naemlich in seine eigene; er habe endlich seine Schulden bezahlt. Andererseits kann der Vorstellungskontrast fehlen und doch, weil der Bedeutungskontrast fuehlbar zu Tage tritt, der Witz entstehen. Man kennt _Gellert_'s "der Bauer und sein Sohn". Der Sohn luegt, er habe einen Hund gesehen, so gross wie ein Pferd. Diese Luege bringt ihm der Vater zum Bewusstsein durch die Erzaehlung von der Luegenbruecke. Die Erzaehlung an sich ist nichts weniger als witzig. Dass man auf eine Bruecke kommen werde, auf der jeder, der an dem Tage gelogen habe, ein Bein breche, das ist abgesehen von dem, was vorher berichtet ist, eine harmlose Erdichtung. Sie wird erst witzig als Entgegnung auf die Behauptung des Sohnes. Hier also muesste der Vorstellungskontrast sich finden, aber hier gerade fehlt derselbe voellig. Achten wir nicht auf die beabsichtigte und erreichte Wirkung, so ist alles in schoenster Ordnung. Der Vater fuegt einfach zu einer Unwahrheit eine andere von gleichem Charakter. Es ist sogar eine wesentliche Bedingung dieses Witzes, dass der Kontrast zwischen der Luege des Sohnes und der des Vaters moeglichst gering sei. Dagegen besteht ein wesentlicher Kontrast zwischen der logischen und praktischen _Konsequenz_ der Erzaehlung des Vaters und ihrer scheinbaren Nichtigkeit. Freilich kann man, wenn man es darauf anlegt, dem "Vorstellungsgegensatz" einen moeglichst unbestimmten Sinn zu geben, am Ende auch diese und aehnliche Gegensaetze der Bedeutung oder Wirkung als Vorstellungsgegensaetze bezeichnen. Man verwischt dann nur eben den Unterschied, auf den fuer die Begriffsbestimmung des Witzes alles ankommt. Schwarz und weiss, Unterthan eines Koenigs und Gegenstand eines Gedichtes, Abtei und Raeuberhoehle, das sind wirkliche Vorstellungsgegensaetze. Von diesen ist aber der Art nach verschieden der Gegensatz, der entsteht, indem dieselben Vorstellungen und Vorstellungsverbindungen jetzt sinnvoll, wahr, treffend, abfertigend, zurechtweisend, dann auch wiederum sinnlos, unwahr, nichtssagend, als blosses Spiel erscheinen. Oder allgemeiner, von den _qualitativen_ Gegensaetzen, die zwischen den durch Worte bezeichneten Vorstellungen stattfinden, sind durchaus verschieden die Gegensaetze des logischen oder sachlichen _Wertes_ oder _Gewichtes_ der Worte und Wortverbindungen, bzw. der dadurch bezeichneten Vorstellungsverbindungen. Indessen auch damit brauchte man sich noch nicht zufrieden zu geben. Auch der logische oder sachliche Wert der Worte und Vorstellungsverbindungen, so koennte man sagen, ist Gegenstand unseres Vorstellens und insofern ihr Gegensatz ein Vorstellungsgegensatz. Aber dies waere ein schlechter Einwand. In der That entsteht der Eindruck des Witzes eben nicht daraus, dass wir uns _vorstellen_, Vorstellungen und Vorstellungsverbindungen erscheinen irgend jemand sinnvoll, glaubwuerdig u. s. w., waehrend sie zugleich auch als das Gegenteil erscheinen; vielmehr muessen wir selbst sie fuer sinnvoll halten, daran glauben, kurz ihren Wert oder ihr Gewicht _erleben_, und dann zur gegenteiligen Vorstellungsweise uebergehen. Der Gegensatz, um den es sich handelt, und schliesslich einzig und allein handelt, ist ein Gegensatz der thatsaechlichen _Wirkung in uns_, des Eindrucks, den _wir erfahren_, allgemein gesagt der Art, wie Vorstellungen, sie moegen sich inhaltlich zu einander verhalten wie sie wollen, _in uns auftreten_ oder _uns in Anspruch nehmen_. Dies ist auch bei dem obigen Beispiel deutlich genug. Der Eindruck jenes Witzes waere voellig dahin, wenn wir zwar wuessten, dass der Sohn das Gewicht der vaeterlichen Worte empfaende, er selbst aber nicht mitempfaenden und dann doch wiederum von dem Gewicht befreit wuerden. Vielleicht haette der _Gellert_'sche Bauer, dessen witzige Ueberfuehrung seines Sohnes uns hier beschaeftigte, seinen Zweck--witzig oder witzlos--auch auf kuerzerem Wege erreichen koennen. Darum bleibt doch der Satz _Jean Paul_'s, Kuerze sei die Seele des Witzes, ja dieser selbst, zu Recht bestehen. Der Witz sagt, was er sagt, nicht immer in wenig, aber immer in zu wenig Worten, d. h. in Worten, die nach strenger Logik oder gemeiner Denk- und Redeweise dazu nicht genuegen. Er kann es schliesslich geradezu sagen, indem er es verschweigt.. So ein bekannter Witz _Heine_'s. Der Boersenbaron, der so oft das Opfer seines Witzes geworden ist, wundert sich, dass die Seine oberhalb Paris so rein, unterhalb so schmutzig sei. _Heine_ erwidert: O, Ihr Vater ist ja auch ein ganz ehrlicher Mann gewesen. Hier findet sich kein Vorstellungsgegensatz, der, sei es auch indirekt, den Witz begruenden koennte; weder in dem, was _Heine_ sagt, noch zwischen dem, was er sagt, und dem, was er meint. Man braucht, um sich davon zu ueberzeugen, nur, was er meint, zu ergaenzen: dass die Seine oberhalb Paris rein, unterhalb schmutzig ist, ist so wenig zu verwundern als dass Ihr Vater ein ehrlicher Mann war und Sie es nicht mehr sind. Ein Kontrast entsteht erst dadurch, dass _Heine_, was er nicht sagt, doch deutlich zu verstehen giebt, dass also wir seinen Worten eine Bedeutung zugestehen, die wir ihnen dann doch wieder nicht zugestehen koennen. WITZIGE HANDLUNGEN. Nur von der witzigen Aussage war im bisherigen die Rede, waehrend die moeglichen anderen Arten des Witzes, die witzigen Handlungen und Gebaerden ausser Betracht blieben. Ich liess sie ausser Betracht, weil _Kraepelin_ sie vernachlaessigt. Dennoch giebt es dergleichen. _Kraepelin_ selbst ruehrt daran, wo er den bekannten Witz des _Diogenes_ anfuehrt, der am hellen Tage mit einer Laterne Menschen sucht. Dabei entgeht ihm nur eben der Witz der Handlung. Er sucht den Witz lediglich in der Aussage des _Diogenes_, er suche Menschen, speciell in der Doppelbedeutung des Wortes Mensch. _Diogenes_ meine vernuenftige Menschen, waehrend nach der gemeinen Bedeutung des Wortes jedes Exemplar der menschlichen Gattung darunter verstanden werde. Aber der Witz bleibt auch, wenn wir diesen Doppelsinn streichen und _Diogenes_ sagen lassen, er suche vernuenftige Menschen. Die Aussage selbst ist dann nicht mehr witzig; der Witz muss also an der Handlung haften, die durch die Aussage nur interpretiert wird. Er haftet daran, insofern die Handlung eine eindringliche Wahrheit verkuendet, waehrend sie doch an sich unsinnig und darum nach gemeiner Anschauung zum Traeger einer Wahrheit durchaus ungeeignet scheint. Voellig analog verhaelt es sich mit der witzigen Handlung, die _Hecker_ anfuehrt und als solche anerkennt. Ein italienischer Maler hat fuer ein Kloster ein Abendmahl zu malen. Waehrend der Arbeit erfaehrt er allerlei Chikanen von Seiten des Priors. Dafuer raecht er sich, indem er dem Judas die Zuege des Priors leiht. Fuer _Hecker_ beruht die Komik dieses Witzes darauf, dass die Unvereinbarkeit der beiden Vorstellungen--Judas und der Prior--beleidigt, waehrend zugleich die Erkenntnis der zwischen beiden bestehenden Aehnlichkeit eine gewisse Befriedigung gewaehrt. Waere diese Erklaerung richtig, so muesste es auch witzig erscheinen, wenn der Maler seinem Christus einzelne Zuege von einem besonders frommen Klosterbruder geliehen haette, oder wenn _A. Duerer_ thatsaechlich seine Christusgestalten sich aehnlich bildet. Auch _Duerer_ und Christus sind ja unvereinbare Vorstellungsinhalte und auch bei Betrachtung der _Duerer_'schen Christusgestalten gewaehrt die Erkenntnis der Aehnlichkeit eine gewisse Befriedigung. In der That beruht der Witz des italienischen Malers darauf, dass der Maler dem Prior seine Meinung sagt durch ein Mittel, das an sich voellig harmlos erscheint. Was kann ich dafuer, so haette er dem Prior gegenueber sich verantworten koennen, wenn mir deine Zuege gerade fuer meinen Judas passen. Er konnte die Uebereinstimmung sogar fuer ein blosses Spiel des Zufalls erklaeren. Solche Spiele des Zufalls giebt es ja. In jedem Falle beweist es nichts gegen den Charakter eines Menschen, wenn er mit dem Bilde eines Verraeters aeusserliche Aehnlichkeit hat. Aber hier freilich beweist es alles, nicht nach strenger Logik, aber fuer den unmittelbaren Eindruck. Eben diesen zerstoert dann die Logik wiederum. Verallgemeinern wir das Ergebnis, so erscheint die Komik der witzigen Handlung an dieselbe Bedingung gebunden, wie die der witzigen Aussage. Beide sagen etwas und sagen es auch nicht. Die Worte sind "Zeichen" dessen, was sie sagen. Auch die Handlungen--und ebenso natuerlich die Gebaerden--kommen fuer den Witz nur in Betracht, insoweit sie Zeichen sind. VERWANDTE THEORIEN. Schliesslich werfe ich auch hier, wie bei der objektiven Komik, noch einen Blick auf solche fruehere Theorien, die mit uns in der Hauptsache auf gleichem Boden zu stehen scheinen. Schon von _Jean Paul_ koennten die Autoren, deren ungenuegende Anschauungen mir Gelegenheit gaben die meinigen zu entwickeln, einiges lernen. Wenn freilich _Jean Paul_ den Witz allgemein definiert als ein Vergleichen und Auffinden von Gleichheiten bei groesserer Ungleichheit, so bemerkt dagegen _Vischer_ mit Recht, dass es Witze gebe, bei denen von Vergleichung, also auch von Auffindung von Aehnlichkeiten keine Rede sei; so z. B. wenn _Talleyrand_ sage, die Sprache sei erfunden, um die Gedanken zu verbergen. Wir brauchen aber nur _Jean Paul_'s weiteren Ausfuehrungen zu folgen, um zu sehen, wie nahe er dem wahren Sachverhalt kommt. Der Witz entdecke Gleichheiten, so sagt er erst; nachher erfahren wir, im Witz mache die taschen- und wortspielerische Geschwindigkeit der Sprache halbe, Drittels-, Viertelsaehnlichkeiten zu Gleichheiten; es werden durch sie Gattungen fuer Unterarten, Ganze fuer Teile, Ursachen fuer Wirkungen, oder alles dieses umgekehrt, verkauft. Dadurch wird, so faehrt er fort, der aesthetische Lichtschein eines neuen Verhaeltnisses geworfen, indessen unser Wahrheitsgefuehl das alte fortbehauptet. Hiermit wird, wenn wir das "Verhaeltnis", das nichts zur Sache thut, zur Seite lassen, wenigstens eine Gattung des Witzes zutreffend bezeichnet. Der "Lichtschein", der dem Wahrheitsgefuehl entgegentritt, kann nur bestehen in irgend welcher "Geltung", welche die witzige Aussage, beansprucht und in unseren Augen thatsaechlich gewinnt. Diese zerrinnt in Nichts, wenn wir unser "Wahrheitsgefuehl" zu Rat ziehen. Gegen jene allgemeine Begriffsbestimmung _Jean Paul_'s wendet sich _Vischer_, nicht ohne sie zugleich zu korrigieren. Zwischen ungleichen Vorstellungen werden Gleichheiten entdeckt, statt dessen muss es ihm zufolge heissen, einander fremde Vorstellungen werden zu scheinbarer Einheit zusammengefasst. Dass damit viel gebessert sei, koennen wir nicht zugeben, da unserer obigen Darlegung zufolge weder die Vorstellungen einander fremd zu sein brauchen, noch die Zusammenfassung zur Einheit die Leistung des Witzes genuegend bestimmt bezeichnet, noch endlich diese Leistung immer eine bloss scheinbare heissen darf. Dagegen trifft es die Sache, wenn _Vischer_ nachher "Sinn im Unsinn, Unsinn im Sinn" als Inhalt des Witzes bezeichnet. Endlich wuesste ich im Grunde nichts einzuwenden gegen Kuno Fischer's allgemeine Definition des Witzes als eines spielenden Urteils. Urteil ist ihm nicht jede Aussage, sondern diejenige, die etwas sagt. Sofern auch die witzige Handlung etwas sagt, kann auch sie Urteil heissen. Andererseits ist das Mittel, wodurch der Witz sagt, was er sagen will, immer im Widerspruch mit der gewoehnlichen Denk- und Ausdrucksweise, oder wie _Fischer_ treffend sagt, mit der Hausordnung und den Hausgesetzen des Geistes, und muss insofern jederzeit als Spiel bezeichnet werden. Diese unsere Zustimmung scheinen wir freilich zuruecknehmen zu muessen gegenueber _Fischer_'s naeherer Ausfuehrung. Auch _Fischer_, ebenso wie _Vischer_, laesst die Vereinigung einander fremder und widerstreitender Vorstellungen als dem Witze wesentlich erscheinen: "Was noch nie vereinigt war, ist mit einem Male verbunden, und in demselben Augenblick, wo uns dieser Widerspruch noch frappiert, ueberrascht uns schon die sinnvolle Erleuchtung." Es ist ein Punkt, worin jene einander fremden und widerstreitenden Vorstellungen unmittelbar zusammentreffen. Hier hat der Witz seine "Kraft und Wirkung" etc. _Fischer_ widerlegt aber diese Anschauung gleich nachher selbst, indem er Bemerkungen, die eine Allerweltsweisheit enthalten, also sicher keine Vorstellungen vereinigen, die einander fremd sind, widerstreiten, noch nie vereinigt waren, lediglich dadurch zu Witzen werden laesst, dass sie den Charakter des Spieles gewinnen. Dieser Widerspruch nun loest sich nur, wenn wir jene "einander fremden Vorstellungen" so interpretieren, dass wir darunter jedesmal einerseits das, was die Worte meinen, andererseits die Worte selbst verstehen. Denn die Worte allerdings sind beim Witze jederzeit dem, was sie meinen, in gewissem Sinne fremd, in dem eben bezeichneten Sinne naemlich, dass sie nach gemeiner Denk- und Ausdrucksweise das Gemeinte eigentlich nicht scheinen bezeichnen zu koennen. Dies gilt auch von der von _Fischer_ selbst angefuehrten witzigen Allerweltsweisheit, das Leben zerfalle in zwei Haelften, in der ersten wuensche man die zweite herbei, in der zweiten die erste zurueck. Dieser Witz erscheint als ein Spiel mit Worten, und als solches jeder ernsten Wahrheit, auch derjenigen, die es thatsaechlich verkuendigt, fremd. "VERBLUEFFUNG UND ERLEUCHTUNG" BEIM WITZ. Die "Erleuchtung", von der hier _Fischer_ spricht, begegnet uns auch sonst in mannigfachen Wendungen. Ich bleibe dabei noch einen Moment. Gewiss hat diese Erleuchtung ihr Recht. Es fragt sich nur, was wir unter der Erleuchtung verstehen, bzw. was darunter verstanden wird, und in welcher Weise diese Erleuchtung fuer die Komik verantwortlich gemacht wird. Auch fuer _Groos_ ist, wie wir schon sahen, die Erleuchtung oder die Erkenntnis der Verkehrtheit, nachdem sie uns verbluefft hat, fuer die Komik ueberhaupt, also auch fuer die Komik des Witzes wesentlich. Diese Erkenntnis soll aber wirken, indem sie uns das Gefuehl der Ueberlegenheit schafft. Zu dieser "Ueberlegenheit" kehren wir nicht noch einmal zurueck. Sie ist, wie wir gesehen haben, nichts anderes, als der eigentliche Todfeind aller Komik. Ich erinnere noch einmal daran: Das vollste Gefuehl der Ueberlegenheit ueber den Widersinn der witzigen Wendung hat der Pedant. Und diesem fehlt eben deswegen der Sinn fuer den Witz. Dagegen interessiert uns der Gegensatz der Verblueffung und Erleuchtung bei _Heymans_. Was ich dazu zu bemerken habe, ist in gewisser Weise schon gesagt. Aber es liegt mir daran, dies schon Gesagte speciell auf den Witz anzuwenden. _Heymans_ waehlt, um seine Meinung zu illustrieren, unter anderen das Beispiel des _Heine_'schen "famillionaer". Er meint, dasselbe erscheine zunaechst einfach als eine fehlerhafte Wortbildung, als etwas Unverstaendliches, Unbegreifliches, Raetselhaftes. Dadurch verblueffe es. Die Komik ergebe sich aus der Loesung der Verblueffung. Diese bestehe im Verstaendnis. Der Prozess der Komik stelle sich also hier nicht, wie es meiner Theorie zufolge sein muesste, dar als ein Uebergang vom Verstehen zum Nichtmehrverstehen, oder zum Eindruck der Sinnlosigkeit, sondern vollziehe sich auf dem umgekehrten Weg. Hier leuchtet in besonderer Weise die Wichtigkeit der auf S. 75[*] geforderten Unterscheidung ein, naemlich der Unterscheidung zwischen Verblueffung und Verblueffung oder zwischen Verstaendnis und Verstaendnis. Auch hier wiederum hat _Heymans_ recht mit dem, was er sagt. Aber wichtiger ist, was er nicht sagt. [* Im Unterkapitel "VERBLUEFFUNG" UND "VERSTAENDNIS". Transkriptor.] Das in einen sinnvollen Zusammenhang hineintretende sprachwidrige Wort verbluefft als solches. Zugestanden. Aber das Wort "famillionaer" verbluefft ausserdem als dies scheinbar oder in dem Zusammenhang, in dem es auftritt, wirklich sinnvolle, sogar ausserordentlich sinnvolle Wort. Dies zweite Stadium der Verblueffung hebt _Heymans_ nicht heraus. Statt dessen koennen wir ebensowohl sagen, _Heymans_ hebe das _erste_ Stadium des _Verstaendnisses_ oder Erleuchtung nicht heraus. Ich vereinige beides, indem ich sage, bei _Heymans_ bleibe das mittlere Stadium des ganzen Prozesses, das verblueffende Verstaendnis oder die Verblueffung auf Grund eines Verstaendnisses unbeachtet oder werde nicht in seiner Bedeutung gewuerdigt. Dies ist aber eben der fuer die Komik entscheidende Punkt. Das Wort "famillionaer" bezeichnet, und zwar _vermoege_ seiner Fehlerhaftigkeit in besonders eindrucksvoller Weise, die Familiaeritaet des "famillionaeren" Boersenbarons als die eines aufgeblasenen Millionaers. Niemand kann zweifeln, dass _Heine_'s Witz witzig ist, nur darum, weil wir einsehen, oder "verstehen", das Wort solle diese Bedeutung haben, oder genauer, weil es diese Bedeutung in unseren Augen fuer einen Moment thatsaechlich hat. Und ebenso gewiss ist _Heine_'s Witz nur witzig, weil dies Verstaendnis verblueffend ist, d. h. weil das fehlerhafte Wort, vermoege dieser seiner einschneidenden Bedeutung, die Aufmerksamkeit zu spannen vermag. Dann erst folgt die Loesung. Auch sie besteht in einem Verstaendnis. Aber, in einem Verstaendnis zweiter Stufe. Es ist ein Verstaendnis, das ueber dieses verblueffende Verstaendnis kommt, oder ein Verstaendnis, mit dem wir _hinter_ dieses verblueffende Verstaendnis kommen; d. h. das Verstaendnis, wie dies Verstaendnis _zu stande_ gekommen ist. Das erste Verstaendnis ist ein Verstaendnis eines Raetsels, naemlich ein Verstaendnis, worin das Raetsel, d. h. der _Gegenstand_ des ersten Staunens _besteht_. Es ist die Loesung eines raetselhaften Staunens, naemlich des urspruenglichen Staunens ohne jedes Verstaendnis, worum es sich handle, oder ohne Wahrnehmung der Pointe. Ebenso ist dies zweite Verstaendnis das Verstaendnis eines Raetsels, naemlich das Verstaendnis der _Mittel_, wodurch das raetselhafte Verstaendnis oder der raetselhafte oder seltsame, aber von uns verstandene Sinn _entsteht_. Es ist die Loesung eines raetselhaften Staunens, naemlich des Staunens ueber diesen _Sinn_ oder des Staunens infolge dieses ersten _Verstaendnisses_. Wir fragen nicht mehr: was _will_ das? Wir antworten auch nicht mehr: Das ist _gemeint_, sondern wir wissen: So ist es _gemacht_; dies sinnlose Wort hat uns verbluefft und dann den seltsamen Sinn ergeben. Diese _voellige_ Erleuchtung, d. h. diese Erleuchtung, wie es _gemacht_ ist, die Einsicht, dass ein nach gemeinem Sprachgebrauch sinnloses Wort das Ganze verschuldet hat, diese _voellige_ Loesung, d. h. die _Aufloesung_ in _nichts_, erzeugt die Komik. Diese drei Stadien koennen, wie bei aller Komik ueberhaupt, so insbesondere bei jeder witzigen Komik unterschieden werden. Ich habe sie frueher auch schon als die Stadien der voellig verstaendnislosen Verblueffung, der "Sammlung" und der Loesung bezeichnet. Die Sammlung ist nichts Geringeres als das Finden der "Pointe". Man kann im ersten Stadium stecken bleiben. Man _hoert_ den Witz, aber man _merkt_ ihn nicht; d. h. man hoert etwas, das man nicht versteht, und--staunt. Man kann dann weiterhin auch wohl bis zur Pointe gelangen, also den Witz merken und doch die Komik nicht verspueren: Dieser Fall wird immer eintreten, wenn man das Mittel, wodurch die Pointe, oder das erste Verstaendnis bewirkt wird, nicht als nichtig, d. h. als an sich bedeutungslos _anerkennen_ kann. Es ist etwa verletzend, taktlos, geschmacklos. Hier bleibt die Spannung, die das Verstaendnis der Pointe erzeugte, bestehen, nicht als Spannung durch dies Verstaendnis, aber als Spannung durch den Eindruck des Verletzenden, Taktlosen, Geschmacklosen. Nur wenn zur Aufloesung des unverstandenen Raetsels durch das Verstaendnis der Pointe diese voellige Loesung tritt, entsteht die Komik oder wirkt der Witz witzig. Ich erinnere auch noch an andere Beispiele, die _Heymans_ anfuehrt, etwa das Menschensuchen des _Diogenes_ oder den Druckfehlerteufel, der mir vorspiegelt, ein Autor wolle statt der Richtigkeit die Nichtigkeit seiner Behauptung beweisen. Auch _Diogenes_' Verhalten ist zunaechst einfach verblueffend, es ist aber dann vor allein durch seinen _Sinn_ "verblueffend", oder wir sind durch das "Verstaendnis" desselben, "verbluefft". Endlich "verstehen" wir, dass eine logisch widersinnige Handlung diese Verblueffung oder diesen von uns wohl "verstandenen" Sinn hervorgebracht hat. Ebenso sind wir dem Druckfehler gegenueber zunaechst einfach verbluefft, dann sehen wir, welche merkwuerdige Absicht der Autor den schwarz auf weiss vor uns stehenden Worten zufolge hat, schliesslich wissen wir, dass ein einfacher Druckfehler, also die bedeutungsloseste Sache von der Welt, uns diese verblueffende Absicht vorspiegelt. Speciell von einem Witze _Saphirs_ meint _Heyman_ schliesslich, es werde bei ihm keineswegs eine witzige Aeusserung oder Handlung nachher als nichtig erkannt. Damit hat _Heymans_ wiederum in gewisser Weise recht. Aber _Heymans_ uebersieht, das ich deutlich die beiden Faelle unterschieden habe: Dass die witzige Aeusserung oder Handlung bedeutungsvoll _scheine_ und als nichtig _erkannt_ werde, und dass sie als bedeutungsvoll _erkannt_ werde und nichtig _scheine_. Auch im letzteren Falle ist sie fuer uns, d. h. fuer unseren Eindruck oder hinsichtlich ihrer psychologischen Wirkung nichtig. Und auf diese psychologische Nichtigkeit kommt es ja einzig an. "Wenn _Saphir_," so sagt _Heymans_, "einem reichen Glaeubiger, dem er einen Besuch abstattet, auf die Frage: Sie kommen wohl um die 300 Gulden, antwortet: Nein, _Sie_ kommen um die 300 Gulden, so ist eben dasjenige, was er meint, in einer sprachlich vollkommen korrekten und auch keineswegs ungewoehnlichen Form ausgedrueckt." In der That ist es so: Die Antwort _Saphirs_ ist _an sich betrachtet_ in schoenster Ordnung. Wir verstehen auch, was er sagen will, naemlich dass er seine Schuld nicht zu bezahlen beabsichtige. Aber _Saphir_ gebraucht dieselben Worte, die vorher von seinem Glaeubiger gebraucht wurden. Wir koennen also nicht umhin sie auch in dem _Sinne_ zu nehmen, in welchem sie von jenem gebraucht wurden. Und dann hat _Saphirs_ Antwort gar keinen Sinn mehr. Der Glaeubiger "kommt" ja ueberhaupt nicht. Er kann also auch nicht um die 300 Gulden kommen, d. h. er kann nicht kommen, um 300 Gulden zu bringen. Zudem hat er als Glaeubiger nicht zu bringen sondern zu fordern. Indem die Worte _Saphirs_ in solcher Weise zugleich als Sinn und als Unsinn erkannt worden, entsteht die Komik. Ich meine hiermit, auch was den Witz betrifft, die Gegnerschaft _Heymans_' zu mir beseitigt zu haben. VII. KAPITEL. DAS NAIV-KOMISCHE. DIE THEORIEN. Objektive und subjektive Komik haben wir bisher unterschieden. Zwischen beiden steht das Naive als eine Gattung der Komik, die objektiv und subjektiv zugleich und eben darum von beiden verschieden ist. Ueber das Wesen des Naiven ist viel Zutreffendes aber auch mancherlei Unzutreffendes gesagt worden. Ich erwaehne diesmal zunaechst _Kraepelin_. Nach _Kraepelin_ entsteht die Komik des Naiven aus dem Kontrast "zwischen den natuerlichen Regungen und Neigungen einerseits und der Schablone andrerseits in welche jene durch Erziehung und sociale Reibung gepresst werden". Das unverkuemmerte Hervortreten jener natuerlichen Regungen und Neigungen erzeugt Lust, und diese Lust zusammen mit der Unlust, die aus der Verletzung der Schablone erwaechst, ergiebt die Komik. Waere diese Bestimmung genuegend, so muesste gar mancherlei naiv-komisch erscheinen, was es keineswegs ist. So die wohlverdiente und von jedermann als wohlverdient anerkannte Zurechtweisung, die ich in einer Gesellschaft in berechtigtem Zorn, zugleich mit bewusster Verletzung der gesellschaftlichen Form, einem der Anwesenden angedeihen liesse.--Es fehlt eben bei jener Bestimmung wiederum das eigentlich Wesentliche. Wie bei der objektiven und subjektiven, so thut auch bei der naiven Komik der Kontrast nichts zur Sache, es sei denn, dass er sich als Kontrast der Bedeutsamkeit und Nichtigkeit eines und desselben Vorstellungsinhaltes darstellt; und wie dort, so ist auch hier das Gefuehl der Komik nicht das Resultat des Zusammentreffens von Lust und Unlust, sondern ein eigenartiges Gefuehl, das eben in diesem Bedeutungskontrast seinen Grund hat. Naeher als _Kraepelin_ kommt, was das Wesen des Naiven angeht, _Hecker_ dem wahren Sachverhalt. Er unterscheidet das Pseudonaive und das Naive. Bei jenem werden "unsere praktischen Ideen von Klugheit und die logischen Normen beleidigt"; andrerseits ist doch "in der pseudonaiven Aeusserung oder Handlung etwas relativ Wahres, Kluges, Verstaendiges enthalten, namentlich, wenn wir uns auf den Standpunkt der beim Redenden naturgemaess vorhandenen, und daher verzeihlich scheinenden Unkenntnis stellen". Bei dem Naiven dagegen geht das unangenehme Gefuehl "aus der Verletzung irgend einer praktischen, logischen, oder ideellen Norm" hervor oder es leitet sich her "aus einem Verstoss gegen unsere Ideen von konventionellem gesellschaftlichem Anstand". "Immer aber ist es noetig, dass uns in der naiven Aeusserung eine sittliche Unschuld und Reinheit entgegentritt, von der wir wissen, dass sie die kuenstlichen Schranken, welche die Etikette um uns gezogen, nicht kennt, und daher auch nicht zu respektieren braucht, indem sie einer freieren und hoeheren Sittlichkeit folgt." Von diesen beiden Bestimmungen kommt die erstere der Wahrheit sehr nahe, wenn wir das "_namentlich_" streichen. Nicht nur das "Pseudonaive", sondern alle echte naive Komik schliesst dies in sich, dass eine Aeusserung oder Handlung wahr, klug, vernuenftig, kurz irgendwie positiv bedeutsam erscheine vom Standpunkte des naiven Subjektes aus, und dann doch wiederum nicht so erscheine von unserem Standpunkte aus. Die naiv-komische Handlung oder Aeusserung ist also fuer uns klug und unklug, oder allgemein gesagt, bedeutungsvoll und nichtig zugleich je nach dem Standpunkte unserer Betrachtung. Und daraus kann das Gefuehl der Komik sich ergeben. Dagegen muesste es nach dem Wortlaut der _Hecker_'schen Bestimmung auch naiv-komisch erscheinen, wenn ein Kind ein Rechenexempel teilweise richtig rechnete, dann aber aus verzeihlicher Unkenntnis einer Rechenregel einen Fehler beginge. Ebenso sind in der _Hecker_'schen Erklaerung des "_Naiven_" gewisse naive Momente richtig bezeichnet, wenn wir annehmen, dass die "Unschuld und Reinheit", die uns in der naiven Aeusserung entgegentritt, zugleich die unlogische, unzweckmaessige, unschickliche Aeusserung fuer den Standpunkt der naiven Persoenlichkeit _rechtfertigt_, d. h. von diesem Standpunkte aus als eine logische, zweckmaessige, schickliche erscheinen laesst.--Aber freilich diese Annahme bezeichnet, ebenso wie die obige Korrektur der Bestimmung des Pseudonaiven das eigentlich Wesentliche der Sache.--Dass ausserdem die _Hecker_'sche, wie die _Kroepelin_'sche Bestimmung nicht alle Arten des Naiven umfasst, lasse ich hier noch ausser Betracht. Dagegen ist mir schon hier der Umstand von Wichtigkeit, dass keiner der beiden die naive Komik der objektiven und subjektiven Komik als eine neue Art entgegenstellt. Dies darf aber, wie ich schon angedeutet habe, nicht unterlassen werden. Unserer Anschauung zufolge schliesst die naive Komik den Ring der verschiedenen Moeglichkeiten des Komischen. Es fragt sich, welche Moeglichkeit es noch geben koenne. Da wir von vornherein wissen, dass naiv nur menschliche Aeusserungen oder Handlungen genannt zu werden pflegen, so koennen wir die Frage auch gleich bestimmter stellen und sagen: Wie koennen Aeusserungen oder Handlungen dazu kommen, Traeger einer Komik zu werden, die nicht objektive Komik noch auch Komik des Witzes ist. Die Beantwortung dieser Frage wollen wir hier zunaechst versuchen. Dabei muessen wir zuerst das Wesen und den Gegensatz des objektiv Komischen und des Witzes noch in anderer Weise bezeichnen, als dies schon geschehen ist. Das Folgende wird also zugleich die frueheren Eroerterungen ueber objektive Komik und Witz noch einen Schritt weiter fuehren. DIE DREI ARTEN DER KOMIK. Das Gefuehl der Komik, so koennen wir das allgemeinste Ergebnis der bisherigen Untersuchung kurz formulieren, entsteht ueberall, indem der Inhalt einer Wahrnehmung, einer Vorstellung, eines Gedankens den Anspruch auf eine gewisse Erhabenheit macht oder zu machen scheint, und doch zugleich eben diesen Anspruch nicht machen kann, oder nicht scheint machen zu koennen. Die objektiv komische Aussage oder Handlung erhebt aber den Anspruch der Erhabenheit vermoege des objektiven Zusammenhangs, in dem sie steht. Sie erhebt ihn, indem sie als Aussage oder Handlung eines _Menschen_, also eines normalerweise vernuenftigen und gesitteten Wesens, oder indem sie als Erfuellung eines Versprechens, als Resultat grosser Vorbereitungen erscheint u. s. w. Dagegen erscheint die witzige Aussage oder Handlung bedeutungsvoll oder erhaben auf Grund eines _subjektiven_ Zusammenhanges, in den sie eintritt. Der Zusammenhang von Wort und Sinn, Zeichen und Bezeichnetem, der Zusammenhang, wie ihn die Aehnlichkeit von Worten begruendet, der scheinbare logische Zusammenhang von Saetzen, dies alles sind Zusammenhaenge solcher Art. Keiner dieser Zusammenhaenge kommt in der Welt der Wirklichkeit ausser uns vor, keiner betrifft die objektive Natur der Dinge. Sie alle bestehen nur in dem denkenden Subjekt. Aehnlichkeit von Worten ist nicht Aehnlichkeit von Dingen; wir nur leihen den Worten, die selbst nicht Dinge ausser uns sind, ihren Sinn; in _uns_ nur wirkt der Zwang wirklicher oder scheinbarer Logik. Der Art, wie, bei der objektiven und subjektiven Komik der Anspruch oder Schein der Erhabenheit entsteht, entspricht dann auch die Art, wie in beiden Faellen dieser Anspruch oder Schein zergeht. Die Erhabenheit, die das objektiv Komische auf Grund des objektiven Vorstellungszusammenhanges sich anmasst, zergeht auch wieder angesichts eines objektiven Thatbestandes, oder unserer aus objektiver Erfahrung gewonnenen Regeln der Beurteilung objektiver Thatbestaende. Die Erhabenheit, welche das subjektiv Komische auf Grund eines nur im denkenden Subjekt bestehenden Zusammenhanges gewinnt, verschwindet auch wieder angesichts subjektiver Regeln, d. h. angesichts der Regeln, welche--nicht die Dinge und ihren Zusammenhang, sondern die Formen unseres Denkens und Urteilens betreffen, der Regeln des Sprachgebrauchs, des Zusammenhangs zwischen Zeichen und Bezeichnetem, des Schliessens etc. Natuerlich ist damit nicht ausgeschlossen, dass gelegentlich das durch subjektive Regeln zu Fall gebrachte Erhabene auch angesichts der objektiven Wirklichkeit als nichtig erscheine. Mit dem bekannten witzigen Schlusse: Wer einen guten Trunk thut, schlaeft gut; wer gut schlaeft, suendigt nicht; wer nicht suendigt, kommt in den Himmel; also: wer einen guten Trunk thut, kommt in den Himmel--mit diesem Schlusse ist es nichts, einmal sofern er der Logik widerstreitet, zum andern, sofern es sich schwerlich so verhalten wird wie er glauben machen will. Aber der letztere Umstand hat mit dem Witze nichts zu thun. Das Spiel mit Worten, durch das der Schluss zu stande kommt, wuerde darum, weil es blosses, unlogisches Spiel ist, trotzdem aber einen Augenblick unser Denken zu verfuehren vermag, auch dann als witzig erscheinen, wenn ein guter Trank zufaellig wirklich die Kraft haette, die ihm der Schluss zuschreibt. Umgekehrt muesste, wenn die inhaltliche Unrichtigkeit des Schlusses den Witz machte, jeder formal richtige Schluss, von dem sich herausstellte, dass er mit der Wirklichkeit in Widerspruch stehe, witzig sein. Am deutlichsten wird der ganze, hier behauptete Gegensatz zwischen objektiver und subjektiver Komik in den Faellen, wo _Dasselbe_ als Gegenstand der objektiven Komik und als Witz erscheint, je nachdem es in einen objektiven Zusammenhang hineingestellt und an unseren Anschauungen ueber objektive Wirklichkeit gemessen, oder nur nach der Bedeutung, die ihm im denkenden Subjekt zukommt, aufgefasst und beurteilt wird. So wird eine Verwechslung von Fremdwoertern im Munde eines gebildeten Mannes objektiv komisch, wenn wir sie im Zusammenhang mit dieser Person betrachten. Wir erwarten von ihr, auf Grund unserer in der objektiven Wirklichkeit gemachten Erfahrungen, Sicherheit im Gebrauch von Fremdwoertern und finden thatsaechlich Unsicherheit. Dagegen erscheint dieselbe Verwechslung als--freiwilliger oder unfreiwilliger--Witz, wenn wir dem aus der Verwechslung entspringenden Unsinn einen gemeinten oder nicht gemeinten Sinn zuschreiben und auch wiederum absprechen. Dort ist der ganze Gegensatz, auf dem die Komik beruht, der objektive des Koennens und Nichtkoennens, hier der lediglich subjektive von Sinn und Unsinn. So kann jede sinnlose, sprachwidrige, unlogische Aeusserung beurteilt werden einmal als Leistung einer Person, also als ein dem objektiven Zusammenhang der Dinge angehoeriges Faktum, das andre Mal als Traeger eines Sinnes, also mit Ruecksicht auf das, was sie lediglich fuers denkende Subjekt bedeutet. Und immer liegt jene Betrachtungsweise zu Grunde, wenn die Aeusserung objektiv komisch, diese, wenn sie als Witz erscheint. Damit erst hat unsere Bezeichnung der beiden Arten der Komik als "objektiver" und "subjektiver" ihre volle Rechtfertigung gefunden. Zugleich koennen wir daraus erschliessen, wie die Komik des Naiven entstehen muss, wenn sie von beiden Arten unterschieden sein soll. Der Gegensatz, auf dem sie beruht, darf weder ein rein objektiver noch ein ausschliesslich subjektiver--im oben ausgefuehrten Sinne--sein. Dies kann er aber nur sein, wenn er _zugleich_ ein objektiver und ein subjektiver ist. Dieser Art ist der Gegensatz der _Standpunkte_, den ich schon vorhin bei Besprechung der _Hecker_'schen Aufstellungen als fuer die Komik des Naiven wesentlich bezeichnete. Ich stelle jetzt in einem Beispiele alle drei Moeglichkeiten der Komik einander gegenueber. Muenchhausen erzaehle die bekannte Geschichte, wie er sich selbst am Schopfe aus dem Sumpf gezogen habe. Ein Erwachsener glaube die Geschichte. Ein Kind frage, ob die Geschichte denn wahr sei. Hier ist die Glaeubigkeit des Erwachsenen objektiv komisch. Als Erwachsener erhebt er den Anspruch genuegend urteilsfaehig zu sein, um die Luege zu durchschauen. An die Stelle der vorausgesetzten Urteilsfaehigkeit tritt die thatsaechliche Unfaehigkeit. Dagegen ist die Erzaehlung selbst ein Witz. Sie besitzt fuer uns im ersten Momente einen Schein der Wahrheit oder Wahrscheinlichkeit. Man kann zur Not einen Menschen am Schopf aus dem Sumpfe ziehen: da man selbst auch ein Mensch ist, warum sollte man die Prozedur nicht auch bei sich selbst anwenden koennen. Dieser Fehlschluss bezeichnet den subjektiven Gedankenzusammenhang, der den Schein der Wahrheit oder Wahrscheinlichkeit erzeugt. Endlich ist die harmlose Frage des Kindes naiv-komisch. Was heisst dies? Wir erwarten von dem Kinde nicht, dass es die Luege durchschaue. Vielmehr finden wir bei ihm den Mangel an Einsicht voellig in der Ordnung und unserer gewoehnlichen Erfahrung entsprechend. Dies ist eine, aber auch nur eine Seite der Sache. Beruhte auf dem Umstand, dass wir vom Kinde nichts anderes erwarten, fuer sich allein der Eindruck des naiv Komischen, so muesste der gleiche Eindruck entstehen, wenn ein Kind ueber ein leichtes Hindernis stolpert und faellt. Auch dies Stolpern und Fallen widerspricht ja beim Kinde nicht wie beim Erwachsenen unserer erfahrungsgemaessen Erwartung. In der That entsteht in unserem Falle der Eindruck der Komik erst, wenn wir zugleich uns auf den Standpunkt des Kindes stellen, und von seinen Voraussetzungen aus selbst urteilen. Es erscheint dann auch uns die Aeusserung des Kindes logisch berechtigt; sie erscheint ungleich als Zeichen echt kindlichen Sinnes sittlich wertvoll. Damit nun, dass wir die Aeusserung als Aeusserung des Kindes fassen, stellen wir sie zunaechst in einen _objektiven_ Zusammenhang, naemlich den Zusammenhang mit dem kindlichen Wesen und Auffassungsvermoegen. Es handelt sich zunaechst einfach um die objektive Herkunft der Aeusserung. Andererseits stellen wir, indem wir selbst von den Voraussetzungen des Kindes aus urteilen, die Aeusserung zugleich in einen logischen, also _subjektiven_ Zusammenhang, naemlich den Zusammenhang mit den kindlichen Voraussetzungen, die wir uns angeeignet haben. Die Frage lautet nicht mehr, woher diese Aeusserung stamme, sondern wie sie aus jenen Voraussetzungen logisch sich rechtfertige. Wir geben die Antwort, indem wir sie als logisch berechtigt anerkennen. Mit dieser logischen Berechtigung gewinnt dann die Aeusserung zugleich einen--wiederum objektiven Wert, genauer einen Persoenlichkeitswert. Die Aeusserung ist als logisch berechtigte zugleich Anzeichen kindlicher Klugheit, also eine relativ bedeutsame intellektuelle Leistung. Sie ist nicht minder, indem sich darin der ehrliche Sinn des Kindes verraet, der nichts davon weiss, dass man mit ernstem Gesichte so ungeheuer luegen kann, sittlich wertvoll. Es wird also im vorliegenden Falle zunaechst der Eindruck der Bedeutsamkeit _erzeugt_, indem wir die Aeusserung in einen sowohl objektiven als subjektiven Zusammenhang hineinstellen. Wir gehen aus von der objektiven Betrachtungsweise, wenden uns zur subjektiven und kehren zur objektiven wieder zurueck. Diese Betrachtungsweisen verhalten sich aber genauer so zu einander, dass die erste Hineinstellung in den objektiven Zusammenhang die Bedingung und nur die Bedingung ist fuer die folgende Betrachtung im subjektiven und objektiven Zusammenhang. Nur indem wir die Aeusserung als Aeusserung des Kindes fassen, kommen wir dazu, sie vom Standpunkte des Kindes aus zu beurteilen, also in den logischen Zusammenhang mit den kindlichen Praemissen, und den objektiven mit der darin zum Ausdruck kommenden kindlichen Klugheit und ehrlichen Harmlosigkeit zu stellen. Insoweit fuer den Anspruch der Bedeutsamkeit oder Erhabenheit, den die naive Aeusserung erhebt, die objektive Betrachtungsweise wesentlich ist, stimmt das Naive mit dem objektiv Komischen ueberein; soweit der Anspruch nur auf Grund der subjektiven Betrachtungsweise zu stande kommt, trifft das Naive mit dem Witze zusammen. Die Vereinigung beider Momente und die Art ihrer Vereinigung unterscheidet zugleich das Naive von jenen beiden Arten der Komik wesentlich. In aehnlicher Weise umfasst dann die naive Komik objektive Komik und Witz hinsichtlich der Art, wie bei ihr die Erhabenheit zergeht. Von den kindlichen Praemissen aus war die Aeusserung logisch berechtigt. Es giebt aber andere Praemissen, mit denen die Aeusserung ebenfalls in logischen Zusammenhang gebracht werden muss. Thun wir dies, so ist die Aeusserung nicht mehr logisch berechtigt. Indem wir diese Praemissen in Betracht ziehen, zeigen wir uns als kluge Leute. Ohne sie urteilen ist thoericht. Das Kind hat also mit der Aeusserung oder dem Urteil, das die Aeusserung in sich schliesst, eine Thorheit begangen, keine bedeutsame, sondern eine voellig nichtige intellektuelle Leistung vollbracht. Zu diesem doppelten Resultat gelangen wir, indem wir vom Standpunkt des Kindes zu unserem Standpunkte zurueckkehren. Die Rueckkehr schliesst eben dies beides in sich, die _logische_ Beurteilung der Aeusserung innerhalb des Zusammenhanges _unserer Gedanken_ und die _objektive_ Beurteilung nach dem Massstabe, den wir an _unsere Leistungen_ zu legen gewohnt sind. Fassen wir alles zusammen, so ist ueberhaupt der Gegensatz der Standpunkte, aus dem die naive Komik entspringt, ein Gegensatz der zugleich objektiven und subjektiven Betrachtung. Wir haben alles Recht, die naive Komik als die zugleich objektive und subjektive zu bezeichnen. MOEGLICHKEITEN DES NAIV-KOMISCHEN. Der Anspruch der naiven Aeusserung, eine bedeutsame _intellektuelle_ Leistung zu sein, verschwand in unserem Beispiele, wenn wir sie von unserem Standpunkt aus betrachteten. Dagegen blieb die sittliche Erhabenheit der Aeusserung beruhen. Mag das Kind thoericht geredet haben, um den kindlichen Sinn und den kindlichen Glauben an Wahrhaftigkeit ist es eine schoene und erhabene Sache. Damit verliert die Komik der naiven Aeusserung, aber die Naivitaet gewinnt. Es geht eben die Naivitaet, wie wir spaeter deutlicher sehen werden, je mehr inneren Wert sie hat, um so weniger voellig in der naiven Komik auf. Es kann aber in anderen Faellen des naiv Komischen recht wohl auch der Anspruch sittlicher Erhabenheit zergehen. Wiederum in anderen Faellen _besteht_ gar kein solcher Anspruch. Das naiv Komische ist ja keineswegs an die Sphaere des intellektuellen oder des Sittlichen gebunden. Um so mehr werden wir doch ein Recht haben, Arten des naiv Komischen zu unterscheiden, je nachdem dasselbe ganz oder vorzugsweise dieser oder jener Sphaere angehoert. Wenn Fallstaff in seiner beruehmten Rede ueber die Ehre diese herunterzieht und bei gar mancher Gelegenheit nicht eben moralisch gross handelt, so koennen wir doch nicht umhin ihm in gewisser Weise recht zu geben. Er redet und handelt von seinen Voraussetzungen aus--die die Voraussetzungen eines nicht eben mit hohen Ideen erfuellten, doch in seiner Art gesunden Menschenverstandes sind,--im Grunde recht logisch, viel logischer als gar mancher, der diese Voraussetzungen mit ihm teilt. Er verraet in seinen Reden und Handlungen zugleich einen Grad an und fuer sich betrachtet wertvoller _moralischer_ Gesundheit. Trotz aller schlechten Streiche ist er im Grunde gutmuetig, durch alle Liederlichkeit leuchtet eine gewisse Unverdorbenheit, durch alle Verlogenheit eine gewisse Ehrlichkeit. Er trifft denn auch mit seiner Rede gewisse, vom Boden der gesunden Menschenvernunft sich lossagende, hohle, schwaermerische oder doktrinaere Ehrbegriffe mit Fug und Recht. Und was er sonst sagt und thut, hat mehr moralisches Recht als manches, was im Namen hoher sittlicher Ideen gepredigt und gethan worden ist. Aber wie jene logische, so zergeht diese moralische Berechtigung, wenn wir von unserem landlaeufigen Standpunkt aus urteilen. Fallstaffs Rede und sein Handeln ist unlogisch, weil es auch sittlich bedeutsame Voraussetzungen giebt, die den in seiner Rede ausgeprochenen und in seinem Handeln bethaetigten Anschauungen logisch zuwiderlaufen. Beides erscheint, nicht mit Ruecksicht auf den zu Grunde liegenden Gedankenzusammenhaug, sondern als objektive Thatsache betrachtet, sittlich niedrig stehend im Vergleich mit wirklicher Ehre und Sittlichkeit. In dem hier angefuehrten Beispiele ist das Zergehen der sittlichen Erhabenheit beim Eindruck der naiven Komik wesentlich beteiligt. Dagegen fehlt der Anspruch sittlicher Erhabenheit bei einem Falle, den ich gelegentlich selbst erlebte. Die Katze hat aus der Kueche ein Stueck Braten gestohlen. Schwere Anklage wird gegen sie erhoben. Da kommt das juengste Toechterchen des Hauses, das die Katze nachher hat in den Keller gehen sehen, hinzu und meint: Ja, Mama, und dann ist die Katz' in den Keller gegangen und hat Wein gefressen! Wiederum hat das Kind von seinem Standpunkt aus gut geschlossen und zugleich durch die dem Schluss zu Grunde liegende Gedankenkombination ziemliche Klugheit an den Tag gelegt. Es hat gesehen, dass Menschen ihr Mahl durch einen Trunk wuerzten; warum soll die Katze nicht dasselbe Beduerfnis haben und warum soll sich nicht der Umstand, dass sie nachher in den Keller gegangen ist, daraus erklaeren. Jener Sinn der kindlichen Aussage und dieser Anspruch der Klugheit zergeht wiederum von unseren Voraussetzungen aus, und im Vergleich zu dem, was wir sonst Klugheit nennen. Dagegen ist die Aussage sittlich weder berechtigt noch unberechtigt. Wiederum in anderen Faellen gehoert die gleichzeitig erhabene und nichtige Leistung, die in der naiv komischen Aeusserung oder Handlung liegt, weder der rein intellektuellen noch der sittlichen oder, allgemeiner gesagt, praktischen Sphaere an, sondern ist aesthetischer Natur. Es ist naiv komisch, wenn ein Kind an glaenzenden Gegenstaenden Wohlgefallen verraet, die wir aus tiefer liegenden Gruenden geschmacklos finden. Es kennt eben diese tiefer liegenden Gruende nicht und kann sie noch nicht kennen. Sein Schoenheitsurteil ist in sich, als dies subjektive dem Zusammenhang seiner Vorstellungen angehoerige Faktum berechtigt von seinem, unberechtigt von unserem Standpunkte. Es ist zugleich, als Ergebnis eines beschraenkten, aber an und fuer sich gesunden und natuerlichen Gefuehles eine von seinem Standpunkte aus wertvolle, fuer unseren Standpunkt nichtige aesthetische Leistung. Ich sprach oben von Faellen des naiv Komischen, die der sittlichen "_oder allgemeiner gesagt praktischen_" Sphaere angehoeren. Mit diesem Ausdruecke wollte ich zugleich die verschiedenartigen Faelle des naiv Komischen zu ihrem Rechte kommen lassen, die nicht dem Gebiete der Sittlichkeit im engeren Sinne, sondern dem der Sitte und des gesellschaftlichen Anstandes zugehoeren. Gelegentlich hat man Miene gemacht, auf dies Gebiet das naiv Komische ueberhaupt einzuschraenken. Dieser Anschauung muessen wir widersprechen, solange wir dabei bleiben unter dem naiv Komischen eine besondere, durch einen besonders gearteten Vorstellungsprozess fuer uns zu stande kommende Art der Komik zu verstehen. Wir haben diese besondere Geartetheit bezeichnet, indem wir die naive Komik als die Komik des Gegensatzes der Standpunkte charakterisierten. Einen Standpunkt nun giebt es nur fuer die vernuenftig sich bethaetigende oder kurz die urteilende Persoenlichkeit; es giebt ihn aber fuer die ganze urteilende Persoenlichkeit. Wir urteilen theoretisch, praktisch und aesthetisch, d. h. wir haben, ein Bewusstsein, dass etwas ist, sein oder geschehen soll, dass etwas gefaellt oder missfaellt. Bei allen diesen Urteilen kann es vorkommen, dass sie in sich richtig sind vom Standpunkte einer naiven Persoenlichkeit, unrichtig von unserem, dass sie zugleich eine entsprechende intellektuelle, Charaktereigenschaft, Eigenschaft des Geschmacks bekunden, um deren willen sie objektiv bedeutsam erscheinen innerhalb der naiven Persoenlichkeit, und nichtig im Zusammenhang dessen, was wir sonst von Menschen erwarten. Alle jene Urteile koennen also naiv-komisch erscheinen, oder die Aeusserungen und Handlungen, in denen sie zu Tage treten, naiv-komisch erscheinen lassen. Zugleich ist mit diesen drei Gebieten der Umkreis der Gebiete des naiv Komischen abgeschlossen. KOMBINATION DER DREI ARTEN DER KOMIK. Die Bezeichnung des Wesens des naiv Komischen war im Bisherigen immer zugleich ausdrueckliche Entgegensetzung gegen die objektive und subjektive Komik. Diese Entgegensetzung koennen wir noch nach anderer Richtung vollziehen. Der Anspruch auf Erhabenheit, den das objektiv Komische sich anmasst, ist eben nur ein angemasster. Die Erhabenheit verschwindet, sobald das Objekt dem Bewusstsein sich darstellt, oder unsere objektive Regel in ihr Recht tritt. Was sein sollte oder sein muesste, das ist nicht. Dagegen ist der Witz fuer unser Bewusstsein--darauf allein kommt es ja an--einen Augenblick ein Erhabenes, Traeger eines Sinnes oder einer Bedeutung. Bei ihm ist, was doch nicht sein sollte. Das naiv Komische nun naehert sich dem Witz, insofern auch ihm eine Erhabenheit wirklich eignet. Zugleich eignet sie ihm doch auch nicht. Beim naiv Komischen ist, was ungleich nicht ist. Diesem Gegensatz kann ein entsprechender Gegensatz im Verhalten der Persoenlichkeit zur Seite gestellt werden. Die Persoenlichkeit wird, wie ich frueher betonte, objektiv komisch; sie macht den Witz. Sie bethaetigt endlich im Naiven ihr, nur individuelles Wesen. Der Traeger der objektiven Komik, so sagte ich weiter, unterliege einer Schranke seines Wesens oder Koennens und sei insofern leidend; dagegen vollbringe der Urheber des Witzes eine positive Leistung und erweise sich in diesem Sinne aktiv. Entsprechend werden wir von der naiven Persoenlichkeit sagen muessen, sie sei aktiv und passiv zugleich, indem sie etwas von ihrem Standpunkte aus Bedeutungsvolles leiste, zugleich aber eben dieser Standpunkt nur ein beschraenkter sei. Indem wir nun so das naiv Komische von der objektiven Komik und vom Witze abgrenzen, duerfen wir doch auch nicht uebersehen, wie sie sich miteinander verbinden und ineinander uebergehen. Wir sahen schon, dass dieselbe Aeusserung das eine Mal als Witz, das andere Mal als Fall der objektiven Komik erscheinen kann. Es bietet aber jeder Witz eine Seite, nach der er unter den Gesichtspunkt der objektiven Komik gestellt werden kann. Der Witz ist an sich unpersoenlich; dies hindert doch nicht, dass die Person, die ihn macht, mit in Betracht gezogen werde. Die Person erscheint, vermoege der Leistung, die sie vollbringt, relativ erhaben. Zugleich bleibt sie doch, sofern sie mit Worten oder mit der Logik spielt, hinter dem zurueck, was wir im allgemeinen vom gesetzten und ernsthaften Menschen erwarten. Achten wir darauf, stellen wir diese eine Seite des Witzes unter den objektiven, dem Witze selbst fremden Gesichtspunkt der menschlichen _Leistung_, dann sind die Bedingungen fuer die objektive Komik gegeben. Der Eindruck derselben mag zunaechst zuruecktreten. Er braucht sich aber nur zu haeufen und das Interesse am Witz zu erlahmen, und das Gefuehl der objektiven Komik tritt deutlich hervor. Er ist nichts leichter als durch fortgesetztes Witzemachen komisch, laecherlich, ja veraechtlich zu werden. Ebenso bietet auch die naive Komik der objektiven eine Seite dar. Ich citiere ein weiteres Beispiel naiver Komik nach Lazarus.[2] "Der Korporal Trim, der Diener des Onkel Toby--in 'Tristram Shandy'--soll scherzeshalber, weil ihm wenig Bildung zugetraut wird, examiniert werden. Ein Doktor der Theologie fragt ihn, wie das vierte Gebot lautet; er kann es aber nicht anders hersagen, als indem er, wie Kinder und gemeine Leute immer, beim ersten anfaengt. Er hat das schwere Stueck gluecklich vollbracht, und nun fragt sein Herr: Trim, was heisst das, du sollst Vater und Mutter ehren. Das heisst, sagt er mit einer Verbeugung, wenn der Korporal Trim jede Woche 14 Groschen Lohn erhaelt, so soll er seinem alten Vater 7 davon geben."--Die Antwort auf die Frage des Onkel Toby ist es, die uns hier vorzugsweise angeht. Sie ist als Antwort auf die allgemeine katechismusmaessige Frage voellig inkorrekt und Zeichen eines niedrigen Bildungsstandpunktes. Aber schon ehe wir uns dessen bewusst werden, imponiert uns die konkret persoenliche Wendung, die Trim der Sache giebt, und die bei ihm, der nicht gewoehnt ist, Dinge abstrakt und allgemein zu fassen, so berechtigt ist, in der sich zugleich so viel Sicherheit des moralischen Bewusstseins verraet. In der That kommt bei jenem Gebote alles darauf an, dass jeder wisse und davon durchdrungen sei, was es von ihm fordere. Wir koennen aber nachtraeglich die Sache auch noch von einem anderen Gesichtspunkt aus betrachten. Wir erwarten von Trim, so wie er nun einmal ist, nicht, dass er die Katechismusantwort aufsagen koenne. Aber wir koennen auch von seiner individuellen Eigenart absehen und ihn als Menschen betrachten, der wie andere in die Schule gegangen ist, und dort seinen Katechismus gruendlich gelernt hat. Dann erhebt er, wie andere, in unserem Bewusstsein den Anspruch, was er so gruendlich gelernt hat, auch zu wissen; und sein Nichtwissen laesst ihn objektiv komisch erscheinen. [2] Leben der Seele. 2. Aufl. I, 308. Dieser Hinzutritt des Momentes objektiver Komik zum Naiven hat oefter verfuehrt, das Naive einfach dem objektiv Komischen zuzuordnen. Schon _Jean Paul_ verfaellt in diesen Irrtum. Ich denke aber, das obige Beispiel zeigt deutlich die Verschiedenheit, ja Gegensaetzlichkeit der Bedingungen, durch die beide Arten der Komik zu stande kommen. Naiv ist die Komik, solange die beiden Standpunkte, der naive und der unsrige, einander gegenuebertreten, objektiv, sobald wir unsern Standpunkt zum alleinherrschenden machen. Darum tritt von den beiden Arten der Komik, der objektiven und der naiven, immer die eine zurueck, indem die andere hervortritt. Trims Aeusserung ist naiv komisch, solange wir sie von beiden Standpunkten aus beurteilen, also beide anerkennen, objektiv komisch, wenn wir von dem Rechte des naiven Standpunktes, statt ihn anzuerkennen, vielmehr geflissentlich absehen, und von vornherein unseren Massstab an die Aeusserung legen. Wuerdigung des individuell Guten in der Welt, ist die Devise der naiven, Leugnung desselben und Alleinherrschaft der Regel oder Schablone die Devise der objektiven Komik. Dort ist das Individuelle etwas, wenn auch freilich nicht nach der Regel; hier ist es nichts, weil es der Regel nicht genuegt. Ich erwaehnte schon _Jean Pauls_ Beispiel: Wenn Sancho Pansa eine Nacht hindurch sich ueber einem vermeintlichen Abgrund in der Schwebe haelt, so ist--nach _Jean Paul_--"bei dieser Voraussetzung seine Anstrengung recht verstaendig, und er waere gerade erst toll, wenn er die Zerschmetterung wagte. Warum lachen wir gleichwohl? Hier kommt der Hauptpunkt: wir _leihen_ seinem Bestreben unsere Einsicht und Ansicht, und erzeugen durch einen solchen Widerspruch die unendliche Ungereimtheit." In dieser Erklaerung bezeichnet _Jean Paul_ in seiner Weise den Grund der objektiven Komik, als deren Gegenstand Sancho Pansa uns erscheinen kann. Sie beruht auf dem "Leihen". Wir betrachten Sancho Pansa als mit unserer Einsicht begabt und erwarten von ihm, dass er einsichtig handle. Aber schon ehe wir Sancho Pansa "unsere Einsicht liehen", war sein Handeln naiv-komisch. Es war dies genau so lange, als wir ihm _seine_ Einsicht _liessen_ und wussten, dass er die unsrige _nicht_ habe und nicht haben koenne, waehrend wir doch _im Gegensatz_ zu ihm die Einsicht _hatten_, und _fuer uns_ die Handlung darnach beurteilten. Der Eindruck der objektiven Komik kann entstehen, und den der naiven Komik zerstoeren, erst wenn wir das Recht und die Erhabenheit der _Sancho Pansa_'schen Individualitaet aus dein Auge lassen. Nur fuer den, der dafuer kein Verstaendnis hat, mag _Sancho Pansa_'s Gebaren von vornherein und ausschliesslich objektiv komisch sein. So ist ueberhaupt die Empfaenglichkeit fuer das naiv Komische bedingt durch den Sinn fuer persoenliche Eigenart. Es wandelt sich alles Naive in objektive Komik fuer den, dem dieser Sinn abgeht. Zugleich bieten freilich die verschiedenen Faelle der naiven Komik bald mehr bald weniger Veranlassung zu dieser Verwandlung. Bei _Sancho Pansa_ und mehr noch bei _Falstaff_ ist jenes, bei _Trim_ dieses der Fall. Endlich kann sich die naive Komik auch, ohne ihr eigenes Wesen aufzugeben, mit dem Witze verbinden. _Hecker_ erzaehlt folgendes Beispiel eines naiven Witzes: In einer Schule trug der Lehrer die Geschichte des Tobias ganz mit den Worten der heiligen Schrift vor. Bei den Worten: Hannah aber, sein Weib, arbeitete fleissig mit ihrer Hand und ernaehrte ihn mit Spinnen, machte ein Maedchen mit Gesicht und Hand die Gebaerde des Abscheus und Ekels. Agnes, was hast du, ruft der Lehrer. Antwort: Ach, Herr Lehrer, ist das denn wirklich wahr?--Lehrer: Warum zweifelst du daran?--Kind: O, weil die Spinnen doch gar zu schlecht schmecken muessen.--Hier beruht der (unbewusste) Witz darauf, dass wir uns durch den Gleichklang zweier Worte verfuehren lassen, dem _Urteil_ des Kindes einen Sinn und eine logische Berechtigung zuzuschreiben, die es nicht besitzt; der Eindruck der naiven Komik darauf, dass wir dem _Kinde_ und dem kindlichen Urteils_vermoegen_ das Recht zugestehen, sich durch die Verwechselung verfuehren zu lassen, und dass wir dementsprechend in dem kindlichen Verhalten sogar einen Grad von Klugheit finden, waehrend wir sonst jenes Recht nicht zugeben und abgesehen von dieser Betrachtungsweise das Verhalten thoericht finden muessen. Auch hier gilt, was ich oben betonte, dass der Witz als solcher gaenzlich unpersoenlich ist. Er hat nichts zu thun mit der Individualitaet dessen, der ihn macht. Dagegen ist fuer die naive Komik die Individualitaet alles. Darum bliebe der Witz auch, wenn ein Erwachsener bei Anhoerung der Erzaehlung an der betreffenden Stelle die Bemerkung einwuerfe: das muss aber schlecht schmecken. Es bliebe andererseits die naive Komik bestehen, wenn der Witz ganz wegfiele, und nur eine _beliebige_ thoerichte aber kindlich berechtigte Verwechselung stattfaende. In anderen Faellen erscheint das naemliche Vorhalten witzig und naiv komisch je nach der Art der Deutung. Es widerspricht unseren gewoehnlichen Anschauungen von Klugheit und Wuerde, wenn _Sokrates_ bei Auffuehrung der Wolken sich dem Gelaechter der Zuschauer geflissentlich preisgiebt. Aber was bedeutet einem _Sokrates_ das Lachen der unverstaendigen Menge. Seine Erhabenheit ueber dergleichen rechtfertigt sein Verhalten. Es verraet sich darin zugleich eben diese Erhabenheit. Fuer diese Betrachtungsweise faellt _Sokrates_ unter den Begriff des naiv Komischen. Angenommen aber _Sokrates_ wollte durch sein Verhalten zu _verstehen_ geben, wie wenig ihm die Meinung der Menge bedeute, und er wollte dies nicht bloss, sondern es gelang ihm auch durch die besondere Weise seines Verhaltens in ueberzeugender Weise diesen Gedanken hervorzurufen. Dann war sein Verhalten witzig--fuer diejenigen naemlich, die ihn wirklich verstanden und zugleich den Widerspruch empfanden zwischen dieser Art, seine Meinung zu sagen, und gemeiner Logik. "VERBLUEFFUNG" UND "ERLEUCHTUNG" BEIM NAIV-KOMISCHEN. Zum Schlusse dieses Kapitels sei noch eine Bemerkung gestattet, die auf eine oefters erwaehnte Bestimmung des Komischen ueberhaupt zurueckgreift. Bei der Betrachtung sowohl der objektiven als der subjektiven Komik haben wir uns mit den Begriffen der Verblueffung und Erleuchtung auseinandergesetzt. Auch die naive Komik kann unter diese Begriffe gestellt werden. Auch hier aber ist erforderlich, dass wir die beiden Stadien der Verblueffung oder der Erleuchtung unterscheiden. Die Naivitaet verbluefft als etwas in dem Zusammenhang, in dem sie auftritt, Unverstaendliches. Sie "verbluefft" dann, als in einem bestimmten Zusammenhange, naemlich im Zusammenhange der naiven Persoenlichkeit, Sinnvolles oder Bedeutsames, sie verbluefft vermoege dieses unseres Verstaendnisses. Darin liegt eine Loesung jener ersten Verblueffung. Endlich "verstehen" wir auch dieses unser Verstaendnis wieder; d. h. wir sehen, dass das von unserem Standpunkte aus Sinnlose nur durch Betrachtung vom Standpunkte der naiven Persoenlichkeit aus sinnvoll erschien, abgesehen davon aber fuer uns sinnlos bleibt. Die Naivitaet war unverstaendlich; dann wurde sie bedeutsam-verstaendlich; endlich wird sie als an sich nichtig verstanden. Ich sagte oben, die naive Komik sei objektiv und subjektiv zugleich. Sofern sie objektive Komik ist, steht sie doch zugleich zur reinen objektiven Komik in einem bemerkenswerten Gegensatz. Der Anspruch des objektiv Komischen zergeht. Auch der Anspruch des naiv Komischen zergeht, wenn wir es von unserem objektiven oder vermeintlich objektiven Standpunkt aus betrachten. Aber die naive Persoenlichkeit, als deren Aeusserung das naiv Komische berechtigt, sinnvoll, klug, sittlich erscheint, ist doch auch eine wirkliche Persoenlichkeit. Blicken wir, nachdem wir uns auf unseren Standpunkt gestellt haben, zurueck, so finden wir diese Persoenlichkeit wieder. Damit taucht diese Berechtigung, dieser Sinn, diese Klugheit, dies Sittliche wieder vor uns auf und besitzt wiederum fuer uns seine relative Erhabenheit. Und vielleicht geschieht es jetzt, dass unser objektiver Standpunkt im Vergleich mit dem naiven Standpunkte nicht allzu hoch erscheint. Der naive Standpunkt kann sogar als der hoehere erscheinen. Dann wird der Eindruck seiner relativen Erhabenheit zum herrschenden. Vermoege dieser Besonderheit der naiven Komik steht die naive Komik auf dem Uebergang zwischen dem Komischen und dem Humor, dessen Wesen Erhabenheit ist naemlich Erhabenheit in der Komik und durch dieselbe. * * * * * III. ABSCHNITT. PSYCHOLOGIE DER KOMIK. VIII. KAPITEL. DAS GEFUEHL DER KOMIK UND SEINE VORAUSSETZUNGEN. KOMIK ALS "WECHSELNDES" ODER "GEMISCHTES" GEFUEHL. Wir haben gesehen, dass das Gefuehl der Komik nicht an ein bestimmtes quantitatives Verhaeltnis von Lust und Unlust gebunden ist. Dagegen leugneten wir nicht, dass Lust und Unlust in die Komik eingehen. Es fragt sich jetzt, wie sie in dieselbe eingehen, oder was dies "Eingehen" besagen wolle. Ist die Komik, wie man behauptet hat, ein Wechsel von Lust und Unlust? Diese Frage haben wir verneint. Und wir muessen bei dieser Verneinung bleiben. Wechsel von Lust und Unlust ist--Wechsel von Lust und Unlust, und weiter nichts. Das Gefuehl der Komik aber ist ein eigenartiges Gefuehl. Es ist nicht jetzt reine Lust, jetzt reine Unlust, sondern immer dies Besondere, das wir eben um seiner Besonderheit willen mit dem besonderen Namen "Gefuehl der Komik" bezeichnen. Dasselbe mag bald mehr Lustcharakter, bald mehr Unlustcharakter annehmen, oder bald mehr ein belustigendes bald mehr ein unlustgefaerbtes sein. Dann besteht doch, solange das Gefuehl der Komik wirklich Gefuehl der Komik ist, jedesmal das Gemeinsame, das bald mehr diese, bald mehr jene Faerbung _annimmt_. Und dies Gemeinsame ist dann das Specifische der Komik im Unterschiede von Lust und Unlust. Man koennte dies bestreiten und folgende Meinung verfechten: Es sei zuzugeben, dass sich uns das Gefuehl der Komik wie ein besonderes Gefuehl darstelle. Darum koenne es doch ein Wechsel von Lust und Unlust sein. Es muesse nur dieser Wechsel als ein sehr rascher gedacht werden. Diese Raschheit verhindere, dass wir uns in getrennten Momenten jetzt eines Gefuehles reiner Lust, jetzt eines Gefuehles reiner Unlust bewusst seien. Wir gewinnen von den rasch wechselnden Gefuehlen wegen dieser Raschheit nur ein zusammenfassendes Bewusstsein, ein Gesamtbild, einen Totaleindruck, ohne die Moeglichkeit der Unterscheidung der Elemente. Und dies Gesamtbild, diesen Totaleindruck nennen wir Gefuehl der Komik. Es ist aber leicht einzusehen, welche Verwechselung in solcher Anschauung laege. Gewiss koennen wir von den schnell sich folgenden Ereignissen des Tages am Abend ein Totalbild, oder einen Totaleindruck haben, in welchem die einzelnen Ereignisse nicht als diese bestimmten thatsaechlich erlebten und in der bestimmten Weise sich folgenden Ereignisse nebeneinander enthalten sind. Aber hierbei besteht ein Gegensatz zwischen wirklichen Erlebnissen und unserem Bewusstsein von denselben. Wo ein solcher Gegensatz vorliegt, aber auch nur wo dies der Fall ist, hat es einen Sinn zu sagen, wir koennten von etwas, das an sich verschieden ist und in der Zeit wechselt, ein Gesamtbild haben, in welchem diese Verschiedenheit aufgehoben, dieser Wechsel ausgeloescht erscheine. Von einem solchen Gegensatz ist ja aber in unserem Falle keine Rede. Gefuehle, die ich jetzt habe, sind von dem Bewusstsein, das ich von diesen Gefuehlen habe, nicht verschieden. Lust und Unlust "fuehlen" heisst eben von Lust und Unlust ein Bewusstsein haben. Lust und Unlust, von denen ich kein Bewusstsein habe, sind leere Worte. Ist aber das Bewusstsein von einem gegenwaertigen Gefuehl nichts als dies Gefuehl selbst, so ist auch die Beschaffenheit, in der sich Gefuehle, die ich jetzt habe, meinem Bewusstsein darstellen, oder in der sie mir "erscheinen", nichts anderes als die thatsaechliche Beschaffenheit der Gefuehle. Erscheinen mir demnach gegenwaertige Gefuehle nicht als wechselnde oder zeitlich sich folgende Lust- und Unlustgefuehle, sondern als ein dieser Unterschiede bares Einheitliches, so sind sie eben damit dies unterschiedslose Einheitliche. Ebenso wurde frueher schon gelegentlich zurueckgewiesen ein zweiter Gedanke, naemlich derjenige, der in dem Ausdruck "gemischtes Gefuehl" enthalten zu sein scheint. Gemischte Gefuehle koennen, wenn man es mit diesem Ausdruck genau nimmt, nur solche sein, in denen Verschiedenes _nebeneinander_ gefuehlt wird. Ich habe ein aus Lust und Unlust gemischtes Gefuehl, dies kann nur heissen, ich fuehle mich lustgestimmt, und ich fuehle mich daneben zugleich unlustgestimmt. Dies waere mir moeglich, wenn ich mich doppelt, das heisst verdoppelt fuehlen koennte, wenn das Ich des unmittelbaren Selbstgefuehls in zwei auseinandergehen koennte. Dem aber widerspricht die thatsaechliche Einheit meines Selbstgefuehles. Ich fuehle mich nicht als zwei, kann also auch keine zwei nebeneinander bestehenden Gefuehle haben. Gefuehl ist, wie ehemals gesagt, Selbstgefuehl. Aber auch in der Weise, dass Lust und Unlust zwei verschiedene Seiten eines und desselben Gefuehles waeren, die Lust also eine naehere Bestimmung oder eine Faerbung der Unlust, die Unlust eine naehere Bestimmung oder eine Faerbung der Lust, koennen nicht diese beiden Gefuehle miteinander verbunden oder "gemischt" sein. Dieser Vorstellungsweise widerspraeche der Charakter dieser Gefuehle. Ein Klang von bestimmter Hoehe kann unbeschadet dieser Hoehe Trompetenklangfarbe haben. Es kann aber nicht die Trompetenklangfarbe Floetenklangfarbe haben. Diese beiden Klangfarben koennen an einem und demselben Klang nur sich aufheben oder in eine dritte von beiden verschiedene Klangfarbe sich verwandeln. So kann auch ein Gefuehl, das im uebrigen etwa als Gefuehl des Strebens charakterisiert ist, unbeschadet dieses Strebungscharakters lustgefaerbt sein, aber es kann nicht die Lustfaerbung unlustgefaerbt sein. Die unlustgefaerbte Lust ist entweder eine mindere Lust, oder sie ist ein Drittes neben Lust und Unlust, in keinem Falle Lust und Unlust zugleich. Dagegen koennte man einwenden: Wir vermoegen doch, wenn wir einem Gefuehl der Komik unterliegen, einerseits das Lustmoment, andererseits das Unlustmoment "herauszufuehlen". So tritt etwa aus der Komik, die das Miauen der Katze waehrend der feierlichen Predigt in uns weckt, das Lustmoment heraus, wenn wir darauf achten, wie die Katze in die Predigt einzustimmen scheint, das Unlustmoment, wenn wir die Stoerung des Gottesdienstes bedenken. Koennen wir aber aus dem Gefuehl der Komik die Lust und die Unlust herausfuehlen, so muessen doch beide in diesem Gefuehl nebeneinander enthalten sein. Solche Trugschluesse ergeben sich leicht aus unklaren Begriffen. Im vorliegenden Falle liegt die Unklarheit in dem "Herausfuehlen". Dies Herausfuehlen ist analog dem "Heraushoeren" der Teiltoene eines Klanges aus dem Ganzen eines Klanges. Dies letztere ist in Wahrheit ein Aufloesen des Klanges, das heisst eine Verwandlung der einfachen Klangempfindung in eine Mehrheit von Tonempfindungen. So ist auch das Herausfuehlen der Lust und Unlust aus der Komik ein Verwandeln eines einfachen Gefuehles in verschiedene Gefuehle. Indem ich auf die eine Seite jenes komischen Vorganges achte, fuehle ich staerkere Lust, das heisst das Gefuehl der Komik wird, nachdem es vorher ein mittleres war, jetzt ein anderes, naemlich ein wesentlich lustgefaerbtes. Indem ich dann auf die andere Seite des Vorganges achte, veraendert sich das Gefuehl nach der anderen Seite hin: Es wird ein zu hoeherem Grade unlustgefaerbtes. Diese Veraenderung des Gefuehls muss sich vollziehen, weil ich die Bedingungen desselben geaendert habe. Das Achten jetzt auf die eine, dann auf die andere Seite des Gesamtvorganges ist ja eine solche Aenderung der Bedingungen des Gefuehls. Aus entgegengesetzten Elementen "gemischte" Gefuehle sind in Wahrheit einfache Gefuehle. Nur die Bedingungen derselben sind nicht einfach. Und daraus ergiebt sich die Moeglichkeit, dass die "gemischten" Gefuehle in entgegengesetzte sich verwandeln. Man sollte den Begriff der gemischten Gefuehle aus der Psychologie endgueltig streichen. DIE GRUNDFARBE DES GEFUEHLS DER KOMIK. Nach allem dem muessen wir bei der Erklaerung bleiben, die ich schon abgab: Das Gefuehl der Komik ist nicht irgendwie aus anderen Gefuehlen zusammengesetzt, sondern es ist, ein eigenartig neues Gefuehl. Es ist das eigenartig neue Gefuehl, das man niemand beschreiben kann, der es nicht kennt, und das man dem nicht zu beschreiben braucht, der es kennt. Oder vielmehr "_das_" Gefuehl der Komik ist ein zusammenfassender Name fuer viele eigenartige Gefuehle, die aber ein Gemeinsames haben, um dessen willen wir sie als Gefuehle der Komik bezeichnen. So ist schliesslich jedes Gefuehl ein eigenartiges, und die Menge der in uns moeglichen Gefuehle, nicht nur der Intensitaet, sondern auch der _Qualitaet_ nach unendlich gross. Kein Gefuehl oder keine Weise, wie wir uns in einem Moment fuehlen, wird jemals in unserem Leben voellig gleichartig wiederkehren. Aber diese Gefuehle bilden ein Kontinuum, und in diesem Kontinuum sind Grundgefuehle unterscheidbar, wie im Kontinuum der Farben Grundfarben: Rot, Blau, Weiss etc. Eine dieser Grundfarben des Gefuehls ist die Lust, eine andere die Unlust, eine andere die Komik. Man kann nun fragen, wie die Grundfarbe der Gefuehle, die wir Gefuehle der Komik nennen, noch anders sich bezeichnen lasse. Dann erinnere ich daran, dass ich schon einmal meinte, mindestens drei Dimensionen unserer Gefuehle seien unterscheidbar. Gefuehle seien einmal Gefuehle der Lust und Unlust, zum anderen Gefuehle des Ernstes und der Heiterkeit, endlich Gefuehle des Strebens. Dabei ist, wie sich von selbst versteht, unter Heiterkeit ebenso wie unter Ernst etwas von Lust Verschiedenes verstanden; nicht, wie wohl ueblich, heitere Lust oder lustige Heiterkeit, sondern die Faerbung der Lust, durch welche diese zur heiteren, also zum Gegenteil der ernsten Lust wird. Fassen wir die Heiterkeit in diesem gegen Lust und Unlust neutralen Sinne, dann duerfen wir solche Heiterkeit als das gemeinsame Moment aller Gefuehle der Komik bezeichnen. Es giebt dann, wie eine heitere Lust, so auch eine heitere Unlust, ja einen heiteren Schmerz. Es giebt dergleichen, so gewiss es komisch unlustvolle Erlebnisse und komisch anmutende Schmerzen giebt. Damit setzen wir uns freilich mit dem Sprachgebrauch in Gegensatz. Wer diesen Gegensatz nicht mitmachen will, muss entweder dabei bleiben zu sagen, die Grundfaerbung des Komischen sei--die Komik, oder er muss sich mit Namen helfen, die urspruenglich nicht Gefuehle, sondern moegliche Objekte von solchen bezeichnen. Das Gefuehl des Ernstes ist ein Gefuehl der Groesse oder des Grossen; es ist ein Gefuehl des Starken, des Schwerwiegenden, oder Gewichtigen, des Breiten, des Tiefen. Das Gefuehl der Heiterkeit in dem soeben vorausgesetzten neutralen Sinne ist ein Gefuehl der Kleinheit oder des Kleinen; es ist ein Gefuehl des an der Oberflaeche Bleibenden, des Leichten, des Spielenden. Welchen dieser Namen aber wir waehlen moegen, immer sind damit Gefuehlsfaerbungen bezeichnet, deren sowohl Lust als Unlust faehig sind. Oder was dasselbe sagt, immer sind damit Gefuehle bezeichnet, die sowohl mit Lust- als mit Unlustfaerbung auftreten koennen. Auch dies ist denkbar, dass sich in ihnen, sei es auch nur fuer einen unmessbaren Moment, Lust und Unlust zur Indifferenz aufheben. Dann haetten wir das reine Gefuehl der "Groesse", andererseits das reine Gefuehl der Komik. "PSYCHISCHE KRAFT" UND IHRE BEGRENZTHEIT. Und wie nun entsteht dies eigenartige Gefuehl, oder besser diese eigenartige Gefuehlsmodalitaet? Zur Beantwortung dieser Frage muessen wir etwas weiter ausholen. Zu den uns gelaeufigsten Thatsachen des seelischen Lebens gehoert die Thatsache der sogenannten Enge des Bewusstseins. Wenn ich in irgend welche Gedanken vertieft in meinem Zimmer sitze, so ueberhoere ich den Laerm der Strasse; und umgekehrt, verfolge ich die Toene und Geraeusche, aus denen dieser besteht, so ist es mir unmoeglich, zugleich einem, jenem Wahrnehmungsinhalt fremden Gedankengange mich hinzugeben. Wir druecken solche Thatsachen wohl so aus, dass wir sagen, der Gedanke, in den wir uns vertiefen, oder die Wahrnehmung, die wir machen, erfuelle uns dergestalt, dass fuer anderes kein Platz mehr in unserem Bewusstsein sei. Dies ist natuerlich bildlich gesprochen. Aber was das Bild meint, trifft zu. Unsere Faehigkeit, Empfindungen, Vorstellungen, Gedanken zu vollziehen, ist jederzeit in gewisse Grenzen eingeschlossen. Jede Empfindung, jede Vorstellung, jeder Gedanke absorbiert einen Teil dieser Faehigkeit. Je mehr er davon absorbiert, um so weniger Faehigkeit, andere Empfindungen, Vorstellungen, Gedanken gleichzeitig zu vollziehen, bleibt uebrig. Genau genommen ist aber der soeben gebrauchte Ausdruck "Enge des Bewusstseins" nicht der zutreffende Terminus fuer diese Thatsachen. Nicht nur die Empfindungen und Vorstellungen, die zum Bewusstsein kommen, sondern auch diejenigen, denen dies nicht gelingt, absorbieren ihren Teil der Faehigkeit, Empfindungen und Vorstellungen zu vollziehen. Auch darin liegt noch eine Unklarheit. Was heisst dies: Empfindungen und Vorstellungen gelangen zum Bewusstsein, andere nicht? Unmoeglich kann damit gemeint sein, dass ein und derselbe psychische Inhalt oder Vorgang bald unbewusst, bald mit der Eigenschaft der Bewusstheit bekleidet in uns vorkommen koennte. Sondern unter den bewussten und den unbewussten Empfindungen und Vorstellungen muss Verschiedenes verstanden sein. In der That sind die Worte Empfindung und Vorstellung doppelsinnig. Wir bezeichnen mit ihnen bald das Empfundene, bezw. Vorgestellte, ich meine die _Bewusstseinsinhalte_, oder das, was je nachdem die besonderen Namen Empfindungs- oder Vorstellunginhalte traegt, bald die _Vorgaenge des Empfindens oder Vorstellens_, d. h. die Vorgaenge, durch welche es geschieht, dass ein Empfindungs-, bezw. Vorstellungsinhalt da ist, oder die dem Dasein dieser Inhalte zu Grunde liegen. Jene Bewusstseinsinhalte sind selbstverstaendlich im Bewusstsein. Diese Vorgaenge dagegen sind es niemals. Ihre Existenz ist nur erschlossen. Hieraus ergiebt sich, was jene Ausdruecke sagen wollen. Sprechen wir von bewussten Empfindungen, so sagt dies, dass ein Empfindungsvorgang, d. h. ein psychischer Vorgang von der Art, wie er immer vorausgesetzt ist, wenn Empfindungsinhalte fuer uns da sein sollen, nicht nur besteht und auf das Dasein eines Empfindungsinhaltes abzielt, sondern dass er auch dies Ziel erreicht oder erreicht hat. Dagegen nennen wir eine Empfindung eine unbewusste, wenn dies nicht der Fall ist, wenn also nur das Unbewusste an der Empfindung, d. h. nur der Empfindungs_vorgang_ gegeben ist, sein natuerliches Ziel, das Dasein des zugehoerigen Empfindungsinhaltes aber von ihm nicht erreicht wird. Das Gleiche gilt mit Ruecksicht auf die bewussten und unbewussten _Vorstellungen_. Natuerlich muessen fuer die Annahme der an sich unbewussten Vorgaenge, von denen ich sage, dass sie dem Dasein der Empfindungs- und Vorstellungsinhalte jederzeit zu Grunde liegen, zwingende Gruende aufgezeigt werden koennen. Es muss andererseits dargethan werden koennen, dass und wiefern ein Recht besteht, diese Vorgaenge als psychische Vorgaenge zu bezeichnen. Hierfuer nun verweise ich der Hauptsache nach auf meine "Grundthatsachen des Seelenlebens" (Bonn 1883) und den auf dem dritten internationalen Kongress fuer Psychologie gehaltenen Vortrag "Der Begriff des Unbewussten in der Psychologie". Doch brauche ich mich hier mit diesem Hinweis nicht zu begnuegen. Ich werde vielmehr im folgenden eine Thatsache zu bezeichnen haben, deren Anerkenntnis die Anerkenntnis jener psychischen Vorgaenge und ihrer psychologischen Bedeutung ohne weiteres in sich schliesst. Ich kehre zu der "Faehigkeit, Empfindungen und Vorstellungen zu vollziehen" zurueck. Diese Faehigkeit ist zunaechst nichts als die Moeglichkeit, dass in uns Vorgaenge, die auf das Dasein von Empfindungs- und Vorstellungsinhalten abzielen, zu stande kommen. Sie ist erst in zweiter Linie die Moeglichkeit, dass auf Grund dieser Vorgaenge Empfindungs- und Vorstellungs_inhalte_ oder kurz Bewusstseinsinhalte da sind. Es ist also auch, wenn wir die Faehigkeit, Empfindungen und Vorstellungen zu vollziehen, als begrenzt bezeichnen, damit zunaechst die Begrenztheit jener Moeglichkeit des Zustandekommens von _Vorgaengen_, die auf das Dasein von Empfindungen oder Vorstellungsinhalten _abzielen_, gemeint. Daraus ergiebt sich erst sekundaer die Begrenztheit der Faehigkeit, Empfindungs- und Vorstellungsinhalte zu haben. Diese ist die "Enge des Bewusstseins". Die Enge des Bewusstseins hat also die Begrenztheit der Moeglichkeit, dass in einem Momente nebeneinander verschiedene, an sich unbewusste Vorgaenge des Empfindens oder Vorstellens sich vollziehen, zur Voraussetzung. Diese letztere Begrenztheit pflege ich nun kurz als "Begrenztheit der psychischen Kraft" zu bezeichnen. Die Enge des Bewusstseins besteht dann auf der Basis der Begrenztheit der psychischen Kraft. GENAUERES UEBER DIE "PSYCHISCHE KRAFT". Den Begriff der psychischen Kraft und ihrer Begrenztheit muessen wir aber noch genauer bestimmen. Damit wird auch das Verhaeltnis dieser Begrenztheit der psychischen Kraft zur Enge des Bewusstseins deutlicher werden. Folgendes ist hier zunaechst zu bedenken: Psychische Vorgaenge koennen von ihrem Ziel, das im Zustandekommen der Bewusstseinsinhalte besteht, weiter oder weniger weit entfernt bleiben. Bezeichnen wir den Moment im Verlauf psychischer Vorgaenge, wo es ihnen gelingt das Dasein eines Bewusstseinsinhaltes zu bewirken, als "Schwelle des Bewusstseins", so duerfen wir statt dessen auch sagen: Ein psychischer Vorgang kann von der Schwelle des Bewusstseins mehr oder weniger weit entfernt bleiben. Und stellen wir uns diese Entfernung vor wie eine raeumliche, und die Bewusstseinsschwelle wie einen raeumlichen Hoehepunkt des Vorganges, so koennen wir auch sagen: Psychische Vorgaenge gewinnen eine groessere oder geringere psychische Hoehe. Oder wenn wir endlich psychische Vorgaenge mit Wellen vergleichen: Sie gewinnen eine groessere oder geringere Wellenhoelle. Dies Bild bedarf aber der Ergaenzung. Ein psychischer Vorgang hat "die Bewusstseinsschwelle ueberschritten", wenn der zugehoerige Bewusstseinsinhalt da ist. Dieser Bewusstseinsinhalt bleibt aber nicht endlos da, sondern verschwindet wieder. Er verschwindet, wenn der psychische Vorgang, der die Bewusstseinsschwelle ueberschritten hatte, wiederum "unter die Bewusstseinsschwelle herabsinkt". Dies "Herabsinken unter die Bewusstseinsschwelle" besagt nichts anderes als dies, dass der Vorgang nicht mehr auf dem Punkte steht oder in dem Stadium sich befindet, wo er der genuegende Grund fuer das Dasein des begleitenden Bewusstseinsinhaltes ist. Ehe nun der Vorgang unter die Schwelle des Bewusstseins herabsank, konnte er mehr oder weniger weit von diesem Punkte entfernt sein. Er kann ueberhaupt mehr oder weniger weit ueber diesen Punkt, also ueber die Schwelle des Bewusstseins sich _erhoben_ haben. Es giebt mit anderen Worten verschiedene moegliche Hoehen der psychischen Wellen nicht nur unter, sondern auch _ueber_ der Bewusstseinsschwelle. Zu je groesserer Hoehe nun eine _physische_ Welle sich erhebt, ein um so groesseres Mass _physischer_ Bewegung, oder ein um so groesseres Quantum _mechanischen_ Geschehens schliesst sie in sich. Analoges gilt auch von der psychischen Welle, d. h. von jedem psychischen Vorgang. Auch ein _psychischer_ Vorgang schliesst je nach seiner Wellenhoehe ein groesseres oder geringeres Mass der _psychischen_ Bewegung oder ein groesseres oder geringeres Quantum des psychischen Geschehens in sich. Damit wird jedesmal ein entsprechendes Quantum der Faehigkeit oder Moeglichkeit, dass ueberhaupt psychisch etwas geschehe oder psychische Vorgaenge sich vollziehen, verwirklicht oder in Anspruch genommen. Dies koennen wir noch anders ausdruecken: Die materielle Welle, sagte ich, schliesse je nach ihrer Hoehe ein groesseres oder geringeres Quantum mechanischer Bewegung in sich. Was ich hier Quantum der mechanischen Bewegung nenne, ist dasselbe, was man auch als Quantum "lebendiger Kraft" bezeichnet. So kann ich auch von der hoeheren psychischen Welle oder dem psychischen Vorgang, der der Schwelle des Bewusstseins naeher ist, bezw. sich in hoeherem Grade ueber dieselbe erhebt, sagen, er schliesse in sich ein groesseres Quantum lebendiger psychischer Kraft, oder es werde in ihm ein groesseres Quantum der vorhandenen psychischen Kraft lebendig oder aktuell. Man erinnert sich, dass ich diesen Ausdruck schon einmal gelegentlich gebraucht habe. Damit hat die Thatsache der Begrenztheit der psychischen Kraft die gesuchte naehere Bestimmung gewonnen. Die begrenzte psychische Kraft, das ist die Kraft, die in den einzelnen psychischen Vorgaengen, je nach ihrer psychischen Wellenhoehe, aktuell wird. Die Begrenztheit der psychischen Kraft ist die Begrenztheit der Moeglichkeit, dass--nicht ueberhaupt Vorgaenge des Empfindens oder Vorstellungen in uns sich vollziehen, sondern dass solche Vorgaenge sich vollziehen und eine bestimmte psychische _Wellenhoehe_ erreichen oder ein bestimmtes Mass lebendiger psychischer _Kraft_ gewinnen. Oder, wenn wir die Wellenhoehe der einzelnen psychischen Vorgaenge addiert denken und das Ergebnis als Gesamtwellenhoehe bezeichnen: Die Begrenztheit der psychischen Kraft ist die Thatsache, dass die moegliche Gesamtwellenhoehe der psychischen Vorgaenge in jedem Momente in bestimmte Grenzen eingeschlossen ist. "AUFMERKSAMKEIT". "PSYCHISCHE ENERGIE". Mit allem dem habe ich nun schliesslich doch nur, was jedermann gelaeufig ist, in etwas bestimmtere Begriffe gefasst, als dies sonst wohl zu geschehen pflegt. Jedermann vertraut sind Wendungen wie die, dass Empfindungen oder Vorstellungen bald mehr bald minder beachtet, bemerkt, in den Blickpunkt des Bewusstseins gerueckt, appercipiert seien etc. Der ueblichste der Begriffe, die hier Verwendung finden, ist der Begriff der _Aufmerksamkeit_: Empfindungen und Vorstellungen koennen bald mehr bald minder Gegenstand der Aufmerksamkeit sein. Was will man mit allen diesen Ausdruecken? Vielleicht allerlei. In jedem Falle dies Eine: Was in hoeherem Grade beachtet oder Gegenstand der Aufmerksamkeit ist etc., spielt im Zusammenhange des psychischen Lebens eine groessere Rolle, hat auf den Verlauf desselben in jeder Hinsicht mehr Einfluss, uebt staerkere psychische Wirkungen. Statt dessen kann ich auch sagen: Das in hoeherem Grade Beachtete oder meiner Aufmerksamkeit Teilhafte repraesentiert ein groesseres Quantum lebendiger psychischer Kraft. Denn lebendige Kraft ist ueberall nur ein anderer Ausdruck fuer die von einem Vorgang ausgehende Wirkung; ihr Mass ist die Groesse dieser Wirkung. Und auch dies weiss jedermann, dass das Quantum der "Aufmerksamkeit", die ich jetzt oder in irgend einem anderen Momente zur Verfuegung habe, oder meinen Empfindungen oder Vorstellungen zur Verfuegung stellen kann, ein begrenztes ist. Es ist also auch das Quantum der "psychischen Kraft", die in meinen Empfindungen oder Vorstellungen "lebendig" werden kann, ein begrenztes. In dem Masse als die "Aufmerksamkeit" oder die psychische Kraft von irgend welchen Empfindungen und Vorstellungen "in Anspruch genommen" ist, kann sie nicht von anderen in Anspruch genommen werden. Und nun endlich die Frage: Wenn Empfindungen oder Vorstellungen bald groessere bald geringere Kraft haben, was eigentlich hat diese groessere oder geringere Kraft? Oder mit Verwendung eines jener anderen Ausdruecke: Wenn eine Empfindung mehr, die andere weniger "beachtet" ist, wenn also zwei Empfindungen als mehr oder minder beachtete sich von einander _unterscheiden_, was eigentlich ist dann in solcher Weise unterschieden? Wer ist der Traeger jener Praedikate? Sind es die Empfindungs_inhalte_, allgemeiner gesagt die _Bewusstseinsinhalte_? Dies kann niemand meinen. Oder meint man es doch? Ist dann das "Beachtetsein" eine Farbe oder ein Ton, bezw. die Eigenschaft eines Tones, eine raeumliche Groesse oder dergl.? Ist etwa die groessere Kraft, die eine Tonempfindung jetzt im Zusammenhang meines Empfindens und Vorstellens ausuebt, eine groessere Kraft, d. h. eine groessere Lautheit des jetzt von mir empfundenen _Tones_? Dies meint man nicht. Man weiss, ein sehr leiser oder schwacher Ton kann im hoechsten Masse beachtet sein, also im Zusammenhang des psychischen Lebens die groesste Kraft haben, ohne dass er doch aufhoerte eben dieser schwache Ton zu sein. So kann ueberhaupt eine und dieselbe Empfindung, d. h. ein und derselbe Inhalt meines Bewusstseins mehr und minder beachtet sein, oder mehr und minder Kraft in mir entfalten. Damit ist dann zugleich unweigerlich die einzig moegliche Antwort auf jene Frage gegeben. Kann ein und derselbe Bewusstseinsinhalt jetzt eine groessere Kraft haben, als er sie sonst hat, dann ist diese groessere Kraft nicht eine Eigenschaft der Bewusstseinsinhaltes. Eines und dasselbe kann nicht jetzt groessere, jetzt geringere Kraft haben. Also ist der Traeger der groesseren Kraft etwas, das jenseits des Bewusstseinsinhaltes liegt. Man wird vielleicht sagen: In Wahrheit "trete" nur der gleiche Bewusstseinsinhalt jetzt mit groesserer Kraft "auf". Vortrefflich. Nur ist dann doch "notwendig" dies "Auftreten" etwas Wirkliches und von dem Bewusstseinsinhalte Verschiedenes. Nur Wirkliches kann wirklich Kraft entfalten. Das "Auftreten" des Bewusstseinsinhaltes muss also ein wirklicher, obzwar dem Bewusstsein sich entziehender Vorgang sein. Und dies "Auftreten" kann kein anderer Vorgang sein als derjenige, dem der Bewusstseinsinhalt sein Dasein verdankt, der Vorgang also, den wir als Vorgang des Empfindens, oder allgemeiner, als an sich unbewussten psychischen Vorgang bezeichnen. Dabei betone ich das "an sich unbewusst". Unmoeglich kann ja jemand meinen, dass dies "Auftreten" eines Empfindungsinhaltes, diese Weise, wie es "gemacht wird", dass Empfindungsinhalte da sind, in seinem Bewusstsein sich abspiele. Und von da koennen wir noch einen Schritt weiter gehen. Die "Kraft" des "Auftretens" der Bewusstseinsinhalte ist nichts anderes als die psychische Wirkungsfaehigkeit. Ist also diese "Kraft" die Kraft der den Bewusstseinshalten zu Grunde liegenden, an sich _unbewussten Vorgaenge_, so sind diese _Vorgaenge_ das eigentlich phychisch Wirkungsfaehige. Es gilt also der allgemeine Satz: _Die Faktoren des psychischen Lebens sind nicht die Bewusstseinsinhalte, sondern die an sich unbewussten psychischen Vorgaenge_. Die Aufgabe der Psychologie, falls sie nicht bloss Bewusstseinsinhalte beschreiben will, muss dann darin bestehen, aus der Beschaffenheit der Bewusstseinsinhalte und ihres zeitlichen Zusammenhanges die Natur dieser unbewussten Vorgaenge zu erschliessen. Die Psychologie muss sein eine Theorie dieser Vorgaenge. Eine solche Psychologie wird aber sehr bald finden, dass es gar _mancherlei_ Eigenschaften dieser Vorgaenge giebt, die in den entsprechenden Bewusstseinsinhalten _nicht repraesentiert_ sind. Noch zwei Bemerkungen habe ich dem hier Gesagten hinzuzufuegen. Die Aufmerksamkeit ist die psychische Kraft. Nun pflegt man zunaechst oder einzig von einer Aufmerksamkeit zu reden, die den bewussten Empfindungen und Vorstellungen zu teil werde. Dies hat seine guten Gruende. Von Gegenstaenden der Aufmerksamkeit, die sich dem Bewusstsein entziehen, haben wir kein unmittelbares Bewusstsein. Und das die Aufmerksamkeit oder die Inanspruchnahme psychischer Kraft begleitende Aufmerksamkeitsgefuehl oder Gefuehl der inneren Thaetigkeit kann in unserem Bewusstsein nicht auf Unbewusstes, also nicht auf die Vorgaenge, denen kein Bewusstseinsinhalt entspricht, bezogen erscheinen. Sondern es erscheint notwendig jederzeit bezogen auf Bewusstseinsinhalte. Soweit also die Aufmerksamkeit im Bewusstsein sich "spiegelt", ist sie allerdings immer nur Aufmerksamkeit auf Bewusstseinsinhalte. Dies hindert doch nicht, dass auch die Vorgaenge, die keinen Bewusstseinsinhalt ins Dasein zu rufen vermoegen, jederzeit gleichfalls Gegenstand groesserer oder geringerer Aufmerksamkeit sind. Natuerlich verstehe ich dabei unter der Aufmerksamkeit nicht jene "Spiegelung" der Aufmerksamkeit, oder jenes Bewusstseinssymptom derselben, sondern die Aufmerksamkeit selbst. Diese wird nicht nur von bewussten, das heisst Bewusstseinhalte erzeugenden, sondern ebensowohl von unbewussten psychischen Vorgaengen absorbiert. Sie wird immer _nur_ absorbiert von den an sich unbewussten Vorgaengen. Die zweite Bemerkung ist diese: Nehmen wir an, ein Empfindungs- oder Vorstellungsvorgang, sei es ein "bewusster", sei es ein solcher, der ohne seinen zugehoerigen Bewusstseinsinhalt bleibt, absorbiere vor einem anderen, oder auf Kosten eines anderen, psychische Kraft, so muss er dazu die Faehigkeit besitzen. Psychische Vorgaenge besitzen diese Faehigkeit bald in groesserem, bald in geringeren Grade. Hierfuer nun pflege ich wiederum einen kurzen Ausdruck zu gebrauchen: Psychische Vorgaenge besitzen groessere oder geringere "psychische Energie". Ein Donnerschlag zwingt die Aufmerksamkeit unter im uebrigen gleichen Umstaenden in hoeherem Grade auf sich oder eignet sich die psychische Kraft "energischer" an, als ein leichtes Geraeusch. Nichts anderes als dies meine ich, wenn ich sage, der Donnerschlag besitze groessere psychische Energie als das leise Geraeusch. Oder: Ein Gedanke, der mir wichtig ist, braucht nur von fern in mir angeregt zu werden, es genuegt, dass eine Bemerkung faellt, die mit seinem Inhalte in loser Beziehung stellt, und ich vollziehe ihn mit Bewusstsein, und erscheine einen Moment von ihm erfuellt und beherrscht, so dass ich sonst fuer nichts Sinn und Auge habe; waehrend ein ebenso naheliegender, aber gleichgueltiger Gedanke, bei gleicher Art der Anregung, mir nicht zum Bewusstsein gekommen waere. Nichts anderes als diese Thatsache meine ich, wenn ich sage, jener Gedanke besitze, vermoege seines wichtigen Inhaltes, groessere "seelische Energie". Hiermit sind die allgemeinsten Voraussetzungen fuer das Verstaendnis der Komik bezeichnet. Es fehlt nach ihre Specialisierung. DIE BESONDEREN BEDINGUNGEN DER KOMIK. Wenden wir uns zurueck zu dem, was wir als das Wesen der Komik bisher erkannt haben. Ueberall in der Komik fanden wir einen Gegensatz des Bedeutungsvollen oder Bedeutsamen und des Bedeutungslosen, oder, wie wir spaeter oefter sagten, des Erhabenen und des Kleinen oder Nichtigen. Ein Erhabenes oder erhaben sich Gebaerdendes schrumpfte fuer uns zu einem Nichtigen zusammen. Dabei war die Erhabenheit verschiedener Art. Immer aber war mit dem Erhabenen ein solches gemeint, in dessen Natur es liegt, uns oder die seelische Kraft in gewissem Grade in Anspruch zu nehmen, zu absorbieren, festzuhalten. Auch daran erinnere ich noch einmal, dass dies "Bedeutsame" nicht unter allen Umstaenden uns als ein solches zu erscheinen braucht. Worauf es ankommt, ist, dass es als ein solches sich darstellt in dem _Zusammenhang_, in dem es _auftritt_. Wenn wir nun von jemand eine ausserordentliche Leistung erwarten und er leistet nur Geringfuegiges, so ist zunaechst die erwartete Leistung ein Bedeutsames. Die thatsaechliche geringfuegige Leistung spielt aber, wie wir sagten, die Rolle der bedeutsamen, oder erhebt--in unserem Bewusstsein naemlich--den Anspruch eine bedeutsame zu sein, bauscht sich zu einer solchen auf u. s. w. Von dem Bettler, der an Stelle des erwarteten vornehmen Besuches zur Thuere hereintritt, meinte ich, wir hielten oder naehmen ihn im Momente seines Eintretens fuer den vornehmen Besuch. Es fragt sich jetzt, was mit der Vorstellung des Bedeutungslosen jedesmal in uns geschieht, wenn sie die Rolle des Bedeutsamen spielt, sich aufbauscht u. s. w. Dieser Vorgang kann nach dem Obigen nur darin bestehen, dass das Bedeutungslose trotz seiner Bedeutungslosigkeit ein Mass seelischer Kraft gewinnt, wie sie sonst nur dem Bedeutungsvollen zuzustroemen pflegt. Es kann sie aber nicht, wie das Bedeutungsvolle, gewinnen vermoege seiner eigenen Energie oder Anziehungskraft; es kann sie also nur gewinnen durch die Gunst der Umstaende. Dass das Bedeutungslose, das den Eindruck der Komik macht, thatsaechlich ein relativ hohes Mass psychischer Kraft gewinnt, zeigt die Erfahrung leicht. Die geringfuegige Leistung waere vielleicht ganz und gar unbeachtet geblieben, wir waeren jedenfalls leicht darueber hinweggegangen, wenn wir in ihr nicht die klaegliche Erfuellung hochgespannter Erwartungen saehen; und ebenso in den anderen Faellen. Alles Kleine, das komisch erscheint, nimmt unsere Aufmerksamkeit in Anspruch und fesselt sie in groesserem oder geringerem Grade. Dagegen wuerde es uns geringer oder gar keiner Aufmerksamkeit wert scheinen ausserhalb des komischen Zusammenhanges. Wir wissen aber auch schon, worin jene "Gunst der Umstaende" besteht, oder wie dieser komische Zusammenhang die bezeichnete Wirkung zu ueben vermag. Wir "erwarten" die ausserordentliche Leistung. Diese Erwartung ist, wie wir schon im ersten Abschnitt sahen, eine Bereitschaft zur Wahrnehmung oder Erfassung der Leistung. Diese Bereitschaft bekundet sich darin, dass wir die Leistung, wenn sie wirklich wird, mit groesserer _Leichtigkeit_ erfassen. Nun ist der thatsaechliche Vollzug einer Wahrnehmung "Absorbierung" seelischer Kraft: Die Wahrnehnumg eignet die zu ihrem Vollzug erforderliche seelische Kraft an und entzieht sie damit zugleich anderen seelischen Inhalten. Die Bereitschaft, von der wir hier reden, besteht also, was sie auch sonst sein mag, jedenfalls in einem Grad der Verfuegbarkeit seelischer Kraft. Weil diese verfuegbar ist, und in dem Masse, als sie es ist, vermag die vorbereitete Wahrnehmung sich dieselbe leichter anzueignen, als sie es sonst vermoechte. Damit sagen wir nichts, als was jeder, der die Bereitschaft zugiebt, selbstverstaendlich finden wird. Ich kann nicht bereit sein, eine Wahrnehmung oder einen Gedanken zu vollziehen, wenn ich nicht bereit bin mit meiner Faehigkeit Wahrnehmungen und Gedanken zu vollziehen, mich von dem, was mich sonst beschaeftigt, hinweg und der Wahrnehmung oder dem Gedanken zuzuwenden oder ihm entgegenzukommen. Ich kleide nur diesen Thatbestand in einen moeglichst bequemen und handlichen Ausdruck. Diese zur Verfuegung stehende Kraft kommt nun, wenn an die Stelle der erwarteten bedeutsamen Leistung die geringfuegige tritt, dieser zu gute und wird von ihr leichter angeeignet, als dies ohne diese besondere Verfuegbarkeit moeglich waere. Dies muss so sein, in dem Masse, als die thatsaechliche Leistung mit der erwarteten uebereinstimmt, also qualitativ betrachtet eben diese Leistung _ist_. Die Natur der Bereitschaft und die Art ihrer Wirksamkeit laesst sich noch deutlicher machen, wenn wir auf die verschiedenen Arten von Faellen achten. Ich erinnere noch einmal an den oefter citierten, weil besonders einfachen Fall, das kleine Haeuschen zwischen den grossen Palaesten. Wenn wir die grossen Palaeste gesehen haben, so bleibt das Bild derselben--als Erinnerungsbild--noch eine Zeitlang in uns lebendig und draengt, je lebendiger es ist, um so mehr nach Wiederherstellung seines Inhaltes in der Wahrnehmung. Dies geschieht nach einem allgemeinen psychologischen Gesetz, das nichts ist als das genuegend vollstaendig aufgefasste Gesetz der Association und Reproduktion auf Grund der Aehnlichkeit. Von Haus aus draengt jede (reproduktive) Vorstellung auf solche Wiederherstellung in der Wahrnehmung hin. Dies Draengen ist nur unter besonderen Umstaenden besonders energisch, beispielsweise eben dann, wenn das Wahrnehmungsbild unmittelbar vorher einmal oder gar mehrere Male gegeben war. Dies Draengen wird zu einem "Entgegenkommen", wenn das Wahrnehmungsbild wirklich von neuem auftritt. Es bethaetigt sich einstweilen als Zurueckdraengen dessen, was sonst sich herandraengt. Kommt an Stelle des Wahrnehmungsbildes ein aehnliches, so gilt diesem das Entgegenkommen nach Massgabe der Aehnlichkeit. Der Vollstaendigkeit halber muss hinzugefuegt werden, dass die grossen Palaeste auf uns wirken nicht nur vermoege ihrer Groesse, sondern zugleich vermoege dessen, was sie uns "sagen", das heisst vermoege des hinzukommenden Gedankens an die materiellen Kraefte, die in ihnen lebendig sind, an die Menschen, die darin auf besondere Art sich fuehlen und bethaetigen koennen und dergleichen. Auch dieser Gedanke wirkt in uns nach, er erhaelt, indem er nachwirkt, das mit ihm verbundene Erinnerungsbild der Palaeste in uns lebendiger, und steigert damit zugleich die Tendenz desselben, in das entsprechende Wahrnehmungsbild ueberzugeben. Dies geschieht in Uebereinstimmung mit der jedermann gelaeufigen Erfahrung, dass jeder Nebengedanke, der einem vorgestellten Gegenstand Interesse verleiht, die Begierde erhoeht den Gegenstand zu sehen, ueberhaupt wahrzunehmen. Wiederum zeigt dieser Gedanke, ehe die erwartete Wahrnehmung sich einstellt, seine Wirksamkeit darin, dass er fremde Vorstellungsinhalte zurueckdraengt. Indem dann die Wahrnehmung des _kleinen Haeuschens_ sich verwirklicht, schwindet das Erinnerungsbild des grossen Palastes samt dem damit verknuepften Gedanken. Aber ihre vorbereitende Wirkung ist dann schon geschehen. Die seelische Kraft ist einmal fuer die Wahrnehmung verfuegbar gemacht, und anderes, was sonst sich herzugedraengt haette, ist zurueckgedraengt und in seiner Faehigkeit, den Vollzug der Wahrnehmung zu hemmen, vermindert. Zudem verschwindet auch jenes Erinnerungsbild und der hinzukommende Gedanke nicht momentan. Dasjenige, was das Haeuschen mit den Palaesten gemein hat, dass es naemlich doch auch menschliche Wohnung ist, und in _einer Reihe_ mit den Palaesten auftritt, _haelt_ jene vorbereitenden Momente, und _erhaelt_ damit ihre unterstuetzende Wirkung. Dies Gemeinsame muss aber ebendarum, weil es das _eigentlich_ Vorbereitete ist, zunaechst "ins Auge fallen" und psychologisch wirksam werden. Im ersten Augenblicke des Entstehens der Wahrnehmung des Haeuschens also wird das Erinnerungsbild noch unterstuetzend wirken und jener Gedanke noch an die Wahrnehmung geheftet sein und auf ihren Vollzug hindraengen, dagegen Andersgeartetes verdraengen.--Darin verwirklicht sich der genauere Sinn der oben wiederholten Behauptung, wir naehmen oder hielten im ersten Augenblick das an die Stelle des erwarteten Bedeutsamen tretende Nichtige fuer das Bedeutsame, oder hefteten ihm die Bedeutung desselben an. Erst wenn das kleine Haeuschen in seiner Bedeutungslosigkeit von uns aufgefasst und erkannt ist, hat die Erwartung des Palastes und der Gedanke an das, was er "sagt", gar keinen Platz mehr. Das Wahrnehmungsbild erfreut sich dann in _seiner Nichtigkeit_ des Masses der seelischen Kraft oder Aufmerksamkeit, oder bildlich gesagt, des Raumes in meiner Seele, der durch die Wirkung des Erinnerungsbildes und der daran sich heftenden Gedanken fuer dasselbe bereit gehalten wurde und jetzt, nachdem jene verschwunden sind, frei von ihm in Anspruch genommen werden kann. Die Wahrnehmung grosser Palaeste ist in diesem Falle dasjenige, was die Tendenz zum weiteren Vollzug derselben Wahrnehmung in mir entstehen laesst. Wir haben es dabei, wie schon gesagt, zu thun mit einer Wirkung des in seinem vollen Umfange gefassten Gesetzes der Association der _Aehnlichkeit_. Dagegen beruht es auf dem zweiten Associationsgesetze, dem Gesetze der Erfahrungsassociation, wenn die Ankuendigung einer grossen Leistung hindraengt oder die Bereitschaft erzeugt zum Vollzug der Wahrnehmung einer grossen Leistung beziehungsweise zum Vollzug des Urteils, dass eine grosse Leistung thatsaechlich vollbracht werde. Wir haben in unserer Erfahrung auf Ankuendigung grosser Thaten grosse Thaten folgen sehen, oder wenigstens uns Ueberzeugt, dass sie geschahen. Daraus ist ein Zusammenhang der seelischen Erlebnisse entstanden, demzufolge die Wiederkehr des ersten Erlebnisses, naemlich der Ankuendigung, immer wieder die Tendenz zur Wiederkehr des zweiten, der Wahrnehmung der That oder der Gewissheit ihrer Ausfuehrung, in sich schliesst. Die Art, wie diese Tendenz oder Bereitschaft der thatsaechlich wahrgenommenen oder konstatierten _geringfuegigen_ Leistung zu Gute kommt, stimmt dabei mit der Art des Hergangs im vorigen Falle ueberein. Dies Letztere gilt nicht durchaus in andern Faellen; naemlich in allen denjenigen, bei denen ein nach _gewoehnlicher Anschauung_ Nichtiges in dem Zusammenhang, in dem es auftritt, _wirklich_ als ein Bedeutungsvolles erscheint, um dann die Bedeutung, eben angesichts der gewoehnhlichen Betrachtungsweise, wieder zu verlieren. Der Unterschied besteht darin, dass in diesen Faellen das fuer die Bereithaltung und Freimachung seelischer Kraft vorhin erst in zweiter Linie in Betracht gezogene Moment das eigentlich Bedingende wird. Die schwarze Hautfarbe des Negers erscheint, weil sie doch auch, so gut wie die weisse des Kaukasiers, Farbe menschlicher Koerperformen ist, mit diesen Formen _zugleich_, als Traeger menschlichen Lebens. Achten wir dann auf die Farbe als solche, so gewinnt die Erfahrung Macht, derzufolge nur die weisse Hautfarbe Traeger dieses Lebens sein kann. Die Farbe erscheint jetzt als nur thatsaechlich vorhandene, also nichtsbedeutende Farbe. Sie ist aber nun einmal durch die Wirksamkeit jenes Gedankens, dass sie Traeger menschlichen Lebens sei, in uns "emporgehoben" und in die "Mitte des Bewusstseins" gestellt, oder sachlicher gesprochen, sie hat nun einmal durch Hilfe jenes Gedankens ihr volles Mass von seelischer Kraft aneignen koennen; und sie vermag dasselbe jetzt, wo jener Gedanke verschwunden ist und damit auch die von ihm bisher in Anspruch genommene und fremden Vorstellungsinhalten abgenoetigte Kraft freigelassen hat,--trotz ihrer Nichtigkeit und natuerlichen Anspruchslosigkeit--frei zu behaupten und weiter in Anspruch zu nehmen. Sie vermag dies nicht fuer immer, wohl aber solange, bis wir uns "gesammelt" haben, das heisst bis die zurueckgedraengten fremden Vorstellungen wieder mit erneuter Energie sich herzudraengen und ihr natuerliches Anrecht auf die seelische Kraft geltend machen. Ganz derselbe Hergang findet auch statt bei aller _subjektiven_ und _naiven_ Komik. Dort bildet der Sinn, den eine Aeusserung oder Handlung gewinnt, den Inhalt des Gedankens, der die Aeusserung oder Handlung "emporhebt"; hier bildet die Bedeutung, die einer Aeusserung oder Handlung vom Standpunkt der naiven Persoenlichkeit aus erwaechst, den Inhalt dieses Gedankens. Immer schafft dieser Gedanke, indem er mit der Aeusserung oder Handlung sich verbindet, dieser die Moeglichkeit leichterer Aneignung seelischer Kraft, und immer ueberlaesst er, indem er verschwindet, die Kraft, die er in Verbindung mit der Aeusserung oder Handlung angeeignet hat, der nunmehr nichtig gewordenen Aeusserung oder Handlung zu weiterer freier Inanspruchnahme. Es ist bildlich gesprochen, aber es trifft die Sache, wenn wir mit Ruecksicht auf alle Komik den Hergang so beschreiben, dass wir sagen, ein Nichtiges, das heisst zur Aneignung seelischer Kraft aus eigener Energie relativ Unfaehiges, gewinne erst in Verbindung und durch Verbindung mit einem Bedeutsamen, das heisst zu dieser Aneignung seiner Natur nach Faehigen, Raum oder Luft in dem Gedraenge der seelischen Vorgaenge, und erfreue sich dann fuer eine Zeitlang der Moeglichkeit freier Entfaltung und Selbstbehauptung in dem Raume, der nach Verschwinden des Bedeutsamen ihm allein zur Verfuegung bleibt. IX. KAPITEL. DAS GEFUEHL DER KOMIK. GESETZ DES LUSTGEFUEHLS. Aus dem Vorstehenden ergiebt sich das Gefuehl der Komik nach allgemeinen psychologischen Gesetzen. Wie wir sehen werden, ist dies Gefuehl zunaechst Gefuehl der komischen Lust, es hat zunaechst Lustfaerbung oder, was dasselbe sagt, es ist zunaechst eine Faerbung des Lustgefuehls. Wir fragen demnach zweckmaessigerweise zuerst: Welches sind die allgemeinen Bedingungen des Lustgefuehls? Darauf lautet die Antwort: Lust entsteht, wenn ein psychisches Geschehen in uns guenstige, also unterstuetzende, foerdernde, erleichternde Bedingungen seines Vollzuges vorfindet. Dieser Satz bedarf einer Erlaeuterung. Jedes Geschehen, also auch jedes psychische Geschehen vollzieht sich, wenn und soweit die Bedingungen seines _Eintrittes_ gegeben sind. Jedes Geschehen, also auch jedes psychische Geschehen unterliegt den natuerlichen Bedingungen seines Daseins. Indessen, wenn ich hier von Bedingungen des _Vollzuges_ eines psychischen Geschehens rede, so meine ich nicht die Bedingungen seines "Eintrittes", sondern eben die Bedingungen seines "Vollzuges". Der "Eintritt" eines psychischen Geschehens ist die Ausloesung desselben. Diese Ausloesung geschieht bei Empfindungen--oder Komplexen von solchen--durch den physiologischen Reiz; bei Vorstellungen durch den psychischen oder reproduktiven Reiz. Will man, so kann man diesen Eintritt eines psychischen Geschehens oder diese Ausloesung eines Empfindungs- oder Vorstellungsvorganges auch als Akt der "Perception" bezeichnen. Mit dieser "Perception" ist nun aber, wie wir wissen, ueber das Schicksal des psychischen Geschehens noch nicht entschieden. Sondern es fragt sich noch, wie weit dies psychische Geschehen, im Zusammenhang des psychischen Geschehens ueberhaupt, zur "Geltung" kommt, sich entfaltet, welche psychische Hoehe es erreicht, oder welches Mass von psychischer Kraft es sich anzueignen oder zu gewinnen vermag. Darin besteht, oder darnach bestimmt sich der "Vollzug" des psychischen Geschehens. Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn man diesen Vollzug des psychischen Geschehens mit dem oben schon einmal gebrauchten Namen "Apperception" belegen will. Dann sind die Bedingungen des psychischen Geschehens, von denen ich rede, Bedingungen der Apperception. Sie sind mit dem _von uns_ meistgebrauchten Ausdruck Bedingungen der psychischen Kraftaneignung. Aber nicht alle Bedingungen der Apperception oder Kraftaneignung kommen hier in Frage; sondern nur diejenigen, welche das psychische Geschehen "vorfindet". Den von dem psychischen Geschehen _vorgefundenen_ Bedingungen der Apperception stehen die in ihm selbst enthaltenen, oder mit seiner Ausloesung oder dem Akte der Perception bereits gegebenen entgegen. Diese also sind hier ausgeschlossen. Was ich hiermit meine, verdeutliche ich, indem ich wiederum den Begriff der psychischen Energie herbeiziehe. Jedes psychische Geschehen hat, wenn es einmal "ausgeloest" ist, seine bestimmte Energie, d. h. seinen bestimmten Grad von Faehigkeit, die psychische Kraft zu _beanspruchen_. Es hat diese Faehigkeit, weil es eben dieses bestimmte Geschehen ist. Um Zweideutigkeiten vorzubeugen, will ich diese Energie, oder diesen Grad der Inanspruchnahme psychischer Kraft, der einem psychischen Geschehen an sich zukommt,--also unabhaengig von dem psychischen Zusammenhang, in welches das psychische Geschehen eintritt--als _eigene Energie_ des psychischen Geschehens bezeichnen. Als Beispiel diene die eigene Energie, welche dem Donnerschlag vermoege seiner Lautheit zukommt. Das Mass von psychischer Kraft, das ein psychisches Geschehen thatsaechlich gewinnt, oder der Grad seiner Apperception, ist nun, wie bereits betont, zunaechst abhaengig von dieser eigenen Energie. Er ist aber andererseits abhaengig von den sonst in der Psyche gegebenen Bedingungen, etwa von der in der "Erwartung" liegenden "Bereitschaft". Die Bedingungen der letzteren Art koennen wir allgemein bezeichnen, und haben wir soeben bereits bezeichnet als solche, die dem "_Zusammenhang_" angehoeren, in welchen der einzelne psychische Vorgang sich einfuegt. Sie sind, kurz gesagt, Bedingungen des psychischen Zusammenhanges. Wir muessen also sagen: Lust entsteht in dem Masse, als fuer ein psychisches Geschehen solche guenstige Bedingungen seiner Kraftaneignung bestehen, die nicht in dem einzelnen psychischen Vorgange als solchem, sondern irgendwie im Zusammenhang der Momente oder Faktoren des psychischen Lebens begruendet liegen. Je mehr solche Bedingungen bestehen, desto mehr wird ein psychisches Geschehen von uns, d. h. vom Zusammenhang des psychischen Lebens frei "angeeignet". Wir koennen also auch diese freie Aneignung als Grund der Lust bezeichnen. Je mehr von uns psychisch angeeignet wird, oder je mehr psychisch geschieht, und je guenstiger zugleich die im Zusammenhang des Ganzen gegebenen Bedingungen fuer die Aneignung oder fuer den Vollzug des psychischen Geschehens sind, oder mit einem anderen Ausdruck, je reicher und intensiver die psychische "Thaetigkeit" ist, und je mehr in ihr zugleich alle Faktoren _frei zusammenwirken_, desto groesser ist die Lust. "QUALITATIVE UEBEREINSTIMMUNG" ALS GRUND DER LUST. Jetzt fragt es sich aber: Wann sind Bedingungen dem Vollzug eines psychischen Geschehens guenstig. Darauf lautet die Antwort zunaechst: Sie sind es, wenn oder soweit zwischen ihnen und diesem Geschehen _qualitative Uebereinstimmung_ besteht. Diese qualitative Uebereinstimmung ist verschiedener Art. Hier muss ich mich begnuegen, sie durch einige Beispiele zu verdeutlichen: Es entsteht Lust aus der Folge zweier zu einander harmonischer Toene, weil jeder den Vollzug des anderen vorbereitet oder unterstuetzt. Diese Vorbereitung oder Unterstuetzung beruht auf der Verwandtschaft--nicht zwischen den Toenen, diesen _Bewusstseinsinhalten_, sondern auf der Verwandtschaft oder eigenartigen Aehnlichkeit, die zwischen den, diesen Toenen zu Grunde liegenden psychischen _Vorgaengen_ besteht. Es entsteht ebenso Lust aus der Wahrnehmung einer regelmaessigen geometrischen Figur, weil die uebereinstimmenden Teile derselben aufeinander hinweisen. Hier ist im Gegensatz zum vorigen Falle die Uebereinstimmung oder "Aehnlichkeit" eine solche, die zugleich in den Bewusstseinsinhalten repraesentiert ist. Es entsteht, um noch ein drittes Beispiel anzufuehren, Lust aus der Wahrnehmung eines edlen Entschlusses, weil in meiner eigenen sittlichen Natur, wenn auch vielleicht in meinem sonstigen Leben praktisch unwirksam, Triebfedern zu gleich edlen Entschluessen liegen, die durch jene Wahrnehmung wachgerufen, dem wahrgenommenen Entschlusse "entgegenkommen". Dies Vorbereiten, Unterstuetzen, Hinweisen, Entgegenkommen sagt jedesmal dasselbe: Erleichterung der Aneignung psychischer Kraft, Mitteilung derselben, Wirken als guenstige Bedingung fuer die Entfaltung oder das Zur-Geltung-Kommen eines psychischen Geschehens. Jedesmal beruht die Erleichterung der Aneignung psychischer Kraft auf einer qualitativen Uebereinstimmung zwischen einem psychischen Vorgang und von ihm vorgefundenen Bedingungen seiner Kraftaneignung. "QUANTITATIVE VERHAELTNISSE". GEFUEHL DER "GROESSE". Diese qualitative Uebereinstimmung ist, allgemein gesagt, eine Art des qualitativen _Verhaeltnisses_. Diesem qualitativen Verhaeltnis steht entgegen das quantitative Verhaeltnis, naemlich das quantitative Verhaeltnis zwischen einem psychischen Geschehen und den von ihm vorgefundenen oder den im psychischen Zusammenhang gegebenen Bedingungen seiner Kraftaneignung. Auch dies quantitative Verhaeltnis hat fuer das Lustgefuehl Bedeutung. Zugleich fuehrt uns die Betrachtung desselben weiter: In diesem quantitativen Verhaeltnis liegt der Grund der Gefuehlsfaerbungen, die wir mit den Namen: Gefuehl des Grossen, des Gewichtigen etc., andererseits mit den Namen: Gefuehl des Kleinen oder des Heiteren etc. bezeichnet haben. Jeder psychische Vorgang, so sagte ich oben, hat, nachdem er einmal ausgeloest ist, eine bestimmte mit seiner Beschaffenheit gegebene "eigene Energie". Er beansprucht oder fordert, als dieser bestimmte Vorgang, die psychische Kraft energischer oder weniger energisch, oder er beansprucht mehr oder weniger psychische Kraft. Sei nun irgend ein Vorgang von bestimmter Energie gegeben, so fragt es sich--nicht nur, ob der gesamte psychische Zusammenhang oder irgend ein anderweitiger Vorgang sich qualitativ so zu ihm verhaelt, dass er faehig ist, jenem Vorgang die psychische Kraft zu ueberlassen oder zuzuweisen, sondern es fragt sich auch, wie viel Kraft in jenem Zusammenhang ueberhaupt vorhanden, oder in einem solchen anderweitigen Vorgang repraesentiert ist, und demgemaess jenem Vorgang auf dem eben bezeichneten Wege zugewiesen werden kann, bezw. wie leicht diese Kraft _verfuegbar_ gemacht, d. h. dem, was dieselbe sonst beansprucht, entzogen werden kann. Dabei nun bestehen drei Moeglichkeiten. Entweder dies Mass der verfuegbaren Kraft oder dies Mass der Verfuegbarkeit der Kraft steht mit jenem Anspruch oder jener Energie der Inanspruchnahme in einem bestimmten nicht naeher definierbaren Verhaeltnis des Gleichgewichtes. Oder es ueberwiegt jene Energie. Oder endlich es ueberwiegt diese Verfuegbarkeit. Achten wir zunaechst auf die erste der beiden letzten Moeglichkeiten. Um nicht allzu allgemein zu reden, fassen wir gleich spezieller geartete Faelle ins Auge. Ein Objekt schliesse eine Vielheit in sich. Der psychische Vollzug der einzelnen Elemente dieser Vielheit finde in mir Bedingungen vor, mit denen er in qualitativer Uebereinstimmung steht. Zugleich bilden die Elemente eine qualitative Einheit. D. h. sie unterstuetzen sich vermoege zwischen ihnen bestehender qualitativer Uebereinstimmung wechselseitig in der Aneignung der psychischen Kraft. Daraus ergiebt sich eine starke Lust. Zugleich aber besitzt der Gesamtvorgang eine erhebliche Energie der Inanspruchnahme psychischer Kraft: Das Objekt als Ganzes draengt sich mit grosser Energie auf. Diese Energie nun kann _beliebig_ gross gedacht werden. Dagegen ist die Moeglichkeit, dass dem Objekt psychische Kraft von mir zugewandt werde, beschraenkt. Meine gesamte psychische Kraft ist ja in bestimmte Grenzen eingeschlossen. Hier kann demnach ein Uebergewicht jener Energie ueber diese Verfuegbarkeit stattfinden. In dem Masse als dies geschieht, gewinnt die Lust an dem Objekte den Charakter der Groesse, des Gewichtigen, des Maechtigen, des Tiefen, des Ernstes. Dieser Charakter wechselt und verdient bald mehr den einen bald mehr den anderen der soeben gebrauchten Namen, je nach dem Grade jenes Uebergewichtes, andererseits je nach der Kraft, welche die Bedingungen des Lustgefuehles besitzen. Steigt jenes Uebergewicht, so wird das Gefuehl mehr und mehr zu einem Gefuehl des Strengen, Uebermaechtigen, Ueberwaeltigenden. Beispiele fuer jenes Gefuehl der Groesse sind die Gefuehle, die wir haben angesichts des Meeres, eines gewaltigen Gebirges, einer von einem Willen bewegten und auf ein Ziel gerichteten Menge, auch gegenueber der einzelnen Persoenlichkeit, die alle ihre Kraft in einem grossen Gedanken zusammenfasst. In diesen Faellen bezeichnen wir das Gefuehl auch als Gefuehl der Erhabenheit. Fuer den besonderen Sinn der Erhabenheit verweise ich auf S. 19[*] und auf den Anfang des vierten Abschnittes. [* Im Unterkapitel ALLERLEI AESTHETISCHE THEORIEN. Transkriptor.] "GROESSE" UND UNLUST. Jenes Gefuehl des Strengen, Ueberwaeltigenden, Uebermaechtigen ist unserer Voraussetzung nach noch Gefuehl der Lust, nur mit diesem besonderen Charakter. Es kann aber in ihm die Lustfaerbung mehr und mehr sich mindern und schliesslich in eine Unlustfaerbung sich verwandeln. Dies muss geschehen, wenn wir uns die Wirkung der qualitativen Uebereinstimmung mehr und mehr hinter der Wirkung des Uebergewichtes der Inanspruchnahme der psychischen Kraft ueber die Verfuegbarkeit derselben zuruecktretend denken. Hiermit ist schon gesagt, dass dies Uebergewicht an sich Grund der Unlust ist. So muss es sein gemaess dem allgemeinen Gesetz der Unlust. Dies gewinnen wir aus dem allgemeinen Gesetz der Lust, wenn wir an die Stelle der Uebereinstimmung den Gegensatz oder Widerstreit treten lassen: Unlust entsteht, wenn ein psychischer Vorgang Bedingungen vorfindet, die seinen Vollzug oder seine Aneignung psychischer Kraft hemmen. Auch dieser Widerstreit ist zunaechst ein qualitativer. Ein einfaches Beispiel eines solchen qualitativen Widerstreits bieten etwa die disharmonischen Toene. Nicht die Toene, d. h. die Inhalte unserer Tonempfindung, wohl aber die dem Dasein derselben zu Grunde liegenden psychischen Vorgaenge, muessen als zu einander qualitativ gegensaetzlich, und demgemaess ihren Vollzug wechselseitig hemmend oder stoerend gedacht werden. Diesem qualitativen Gegensatz sieht aber gegenueber der quantitative. Dieser faellt mit dem Uebergewicht der Inanspruchnahme psychischer Kraft ueber die Verfuegbarkeit derselben zusammen. In dem Masse als dies Uebergewicht besteht, vollzieht sich die Aneignung der Kraft zwangsweise, unter Hemmungen. Der Vollzug des Vorgangs ist eine an uns gestellte Zumutung, und wird schliesslich zur unlustvollen Vergewaltigung. Darnach kann von dem Gefuehl der lustvollen Groesse, oder des lustvoll Gewaltigen, des Erhabenen etc. in gewissem Sinn gesagt werden, dass in dasselbe Lust und Unlust als Faktoren eingehen. Nicht in dem Sinne, dass in diesem Gefuehl die _Gefuehle_ der Lust und Unlust sich verbinden, wohl aber in dem Sinne, dass _Bedingungen_ der Lust und Bedingungen der Unlust zur Erzeugung eines neuen Gefuehles, naemlich eben des eigenartigen Gefuehles der lustvollen Groesse _zusammenwirken_. So koennen ueberhaupt in mannigfacher Weise Bedingungen der Lust und der Unlust zur Erzeugung eines neuen Gefuehles sich vereinigen. Insbesondere haben Bedingungen der Unlust, die mit Bedingungen der Lust sich vereinigen, nicht etwa ohne weiteres die Bedeutung einer Verringerung der Lust. Vielmehr besteht ihre Bedeutung unter bestimmten Voraussetzungen immer darin, der Lust einen anderen Charakter, vor allem mehr Eindringlichkeit, groessere Tiefe, mehr Gehalt zu verleihen. Diese Voraussetzungen koennen hier nicht allgemein untersucht werden. Die Psychologie hat natuerlich die Aufgabe, sie zu untersuchen. Diese Aufgabe gehoert aber leider zu den vielen wichtigsten Aufgaben, die die Psychologie jetzt zu ihrem Schaden vernachlaessigt. Nur dies ist uns in dem gegenwaertigen Zusammenhange wichtig, dass die Bedingungen der Unlust, soweit sie in jenem quantitativen Gegensatz oder jenem Uebergewicht der Inanspruchnahme psychischer Kraft ueber die Verfuegbarkeit derselben bestehen, zusammen mit den in der qualitativen Uebereinstimmung gegebenen Bedingungen der Lust jenes Gefuehl der bald mehr lustvollen, bald mehr unlustvollen _Groesse_ bedingen. Und wenn nun zum qualitativen _Gegensatz_ dieser quantitative Gegensatz tritt? Dann steigert sich nach dem allgemeinen Gesetz der Unlust die Unlust. Zugleich gewinnt auch diese Unlust eine Art der Groesse, nur eben der unlustvollen Groesse; auch die Unlust gewinnt Schwere, Eindringlichkeit, Tiefe. Es ist etwas _qualitativ_ Anderes um das Gefuehl der Unlust, wenn ich von allerlei Kleinigkeiten geaergert, von fortgesetzten "Nadelstichen" gepeinigt, von einer aus dem Wechsel einander entgegengesetzter Antriebe fliessenden inneren Unruhe gefoltert bin, als wenn ein grosses Unglueck, ein einziges bitteres Leid, ein tiefer Schmerz mich in Anspruch nimmt. Dabei ist freilich zu bedenken, dass nichts mich innerlich ganz in Anspruch nehmen kann, ohne mein Wesen in Eines zusammenzufassen, und dass solche innere Vereinheitlichung an sich betrachtet wiederum ein lusterzeugendes Moment ist. Steigert sich dies, so naehert sich das fragliche Gefuehl dem lustgefaerbten Gefuehl der Groesse. Es geht, wenn weitere lusterzeugende Momente hinzutreten, stetig in dies Gefuehl ueber, ebenso wie wir vorhin dies Gefuehl in jenes stetig uebergehen sahen. Doch kann auch hierauf in diesem Zusammenhang nicht im Einzelnen eingegangen werden. Es waere dazu eine vollkommen sichere Analyse der einzelnen Faelle erforderlich. GEFUEHL DES "HEITEREN". Setzen wir jetzt den umgekehrten Fall, d. h. nehmen wir an, es ueberwiege das Mass der verfuegbaren psychischen Kraft, oder es ueberwiege das Mass ihrer Verfuegbarkeit, ueber die Energie, mit der Objekte diese Kraft in Anspruch nehmen. Dann gewinnen wir das entgegengesetzte Bild. Was uns in einem Augenblick beschaeftigt, sei an sich, weil es mit den Bedingungen seines psychischen Vollzuges in qualitativer Uebereinstimmung steht, Gegenstand der Lust, aber es vermoege seiner Natur nach uns nur wenig in Anspruch zu nehmen. Zugleich seien wir innerlich frei genug, um uns ihm mit unserer ganzen Kraft zuzuwenden. Dann geschieht jener psychische Vollzug spielend. Daraus ergiebt sich ein Zuwachs von Lust. Auch dieser Ueberschuss von verfuegbarer Kraft ist ja eine guenstige Bedingung fuer den psychischen Vollzug oder die Kraftaneignung der Objekte. Auch damit ist eine Art der Uebereinstimmung psychischer Vorgaenge mit den Bedingungen ihrer Kraftaneignung gegeben; nicht eine qualitative, sondern eine quantitative Uebereinstimmung. Zugleich aber gewinnt das Gefuehl der Lust einen neuen Charakter, naemlich den Charakter des Leichten, des Heiteren, des "Spielenden". Das Spiel der Kinder ist eine solche Art der psychischen Bethaetigung. Wiederum gewinnt auch das an sich Unlustvolle einen _gleichartigen_ Charakter, wenn die gleichen Bedingungen gegeben sind. Auch mit kleinen Widerwaertigkeiten koennen wir innerlich spielen. Voraussetzung ist, dass sie--nicht nur an sich, sondern fuer uns _kleine_ Widerwaertigkeiten sind, d. h. als solche sich uns darstellen und auf uns wirken, dass sie also nicht heftig sich aufdraengen; andererseits dass wir in der Verfassung sind, sie frei aufzufassen und in ihrer Kleinheit hell zu beleuchten, dass wir ihnen gegenueber moeglichst wenig passiv und in moeglichst hohem Grade aktiv, moeglichst wenig von ihnen affiziert und in moeglichst hohem Grade ihnen gegenueber ueberlegen oder souveraen sind, oder mit einem Worte, dass wir ihnen mit "Humor" gegenueberstehen. Mit allen diesen Ausdruecken ist immer dasselbe bezeichnet, naemlich das Uebergewicht der verfuegbaren psychischen Kraft oder der Verfuegbarkeit dieser Kraft ueber die Energie, mit der das Objekt von sich aus diese Kraft beansprucht. Die "Souveraenitaet", von der ich hier rede, oder die "geistige Freiheit", von der ich vorhin sprach, das ist eben diese relativ hohe Verfuegbarkeit der psychischen Kraft. Je groesser sie ist, desto anspruchsvoller oder aufdringlicher kann die Widerwaertigkeit ihrer Natur nach sein, und trotzdem die Betrachtung der Unannehmlichkeit fuer uns zum Spiel werden, oder was dasselbe sagt, Gegenstand einer Unlust sein, die einen Charakter des "Heiteren" an sich traegt. Was diesem Charakter des Heiteren oder diesem unserem "Leichtnehmen" zu Grunde liegt, ist nach vorhin Gesagtem an sich Grund der Lust. So wirken also auch hier wiederum, wie beim Gefuehl der lustvollen Groesse, nur in umgekehrter Weise, Bedingungen der Lust und der Unlust zusammen. Und wiederum ergiebt sich daraus ein Neues, naemlich eben dies Gefuehl, das wir soeben als Gefuehl des Heiteren oder des Leichtnehmens bezeichnet haben.--Auch Schmerzen koennen in solcher leichten Weise uns anmuten, wenn wir die noetige "geistige Freiheit" haben. DAS UEBERRASCHEND GROSSE. Lassen wir in Gedanken diese geistige Freiheit sich steigern und die Energie, mit der die Unannehmlichkeit uns affiziert, sich mindern, so geht dies Gefuehl der heiteren oder leichtgenommenen Unlust in ein lustbetontes Gefuehl der Heiterkeit ueber: Die kleine Widerwaertigkeit oder der geringe Schmerz "belustigt" uns oder wird Gegenstand eines Gefuehles der "Heiterkeit" in dem gewoehnlichen Sinne des Wortes. Eine besondere Steigerung jener geistigen Freiheit nun, andererseits ebensowohl eine Minderung derselben, also eine Mehrung des Uebergewichtes der Energie der Inanspruchnahme psychischer Kraft ueber die Verfuegbarkeit derselben, ergiebt sich uns, wenn wir wiederum den Begriff der Erwartung, oder das, was in diesem Begriff fuer uns eingeschlossen war, hinzunehmen. Ich machte vorhin, als vom Gefuehl der Groesse die Rede war, und ebenso jetzt eben, beim Gefuehl des Heiteren oder des Spieles, nicht die Voraussetzung, dass das "Grosse" oder das heiter Anmutende einer Erwartung widerspreche. Ich redete von dem Grossen, das ein Gefuehl der Groesse erweckt, auch wenn eben dies Grosse erwartet wird. Man erinnere sich wiederum an das Meer, oder an das gewaltige Gebirge. Ebenso war mit dem minder Aufdringlichen oder mit minderer psychischer Energie Begabten, das leicht oder heiter genommen wird, ein solches gemeint, das diesen Charakter besitzt, auch wenn nichts Anderes, vor allem nichts Grosses an seiner Stelle erwartet wird. Nehmen wir jetzt die Erwartung hinzu, so haben wir eine neue und wesentliche Bedingung fuer jede der beiden Gefuehlswirkungen. Der Einfachheit halber fassen wir hier die Erwartung im positiven Sinne, also als Erwartung eines Bedeutungs- oder Eindrucksvollen. Dann mindert die Erwartung das Gefuehl der Groesse. Umgekehrt laesst der Mangel einer solchen Erwartung auch dem minder Grossen gegenueber einen gesteigerten Eindruck der Groesse entstehen: Wir sind ueberrascht, wir erstaunen; es wird dasjenige zum Ueberwaeltigenden, was dann, wenn es erwartet worden waere, vielleicht zwar auch noch als gross erschienen waere, aber keine ueberwaeltigende Wirkung geuebt haette. Erwartung ist eben, wie wir schon sahen, eine besondere Weise psychische Kraft fuer das Erwartete zur _Verfuegung_ zu stellen. Damit wird das Uebergewicht der Energie des Erwarteten ueber die Verfuegbarkeit der psychischen Kraft vermindert. Und darauf beruht ja, wie wir wissen, das Gefuehl der Groesse. Je groesser aber, abgesehen von der Erwartung, jenes Uebergewicht ist, d. h. je mehr das Erwartete ein Grosses ist, desto staerker muss die in der Erwartung liegende Vorbereitung sein, wenn dem Gefuehl der Lust, bezw. der Unlust sein Charakter des Grossen, Ueberwaeltigenden, Erstaunlichen genommen werden soll. Das Grosse sei etwa wiederum ein maechtig vor mir aufsteigendes Gebirge. Dann bedarf es eines entschiedeneren Vorbereitetseins, wenn das Gefuehl des Staunens unterbleiben soll, als wenn es sich um einen Gegenstand von minderer Maechtigkeit handelte. Gleiches gilt von dem _unerfreulichen_, aber maechtig auf mich eindringenden Getoese. Bin ich auf dies durch entsprechende Erwartung entschieden vorbereitet, so bleibt es zwar fuer mich unlustvoll. Aber es verliert sein Gepraege des momentan Ueberwaeltigenden. Wir erfreuen uns aber des Grades der Bereitschaft, wie er zur Aufhebung dieses Gefuehlscharakters erforderlich ist, um so sicherer, je mehr wir gleichartige Objekte von eben solcher oder groesserer Aufdringlichkeit oder Energie der Inanspruchnahme psychischer Kraft erwarten. Die Bereitschaft zur Auffassung oder zum psychischen "Vollzug" eines Bedeutungsvollen oder Grossen ist zugleich eine Bereitschaft in entsprechendem _Grade_. Dies muss so sein nach dem, was wir als das Wesen der Erwartung kennen gelernt haben. Diese besteht in der seelische Kraft aneignenden und fuer das Erwartete verfuegbar machenden Wirksamkeit der Vorstellung des Erwarteten, einschliesslich der Gedanken, die mit dem Erwarteten sich verknuepfen, und ihm fuer uns Bedeutung und Interesse verleihen. Je bedeutungsvoller aber das Erwartete an sich ist, und je bedeutungsvolleren Inhalt diese Gedanken haben, um so staerker muss nach unserem Begriff des "Bedeutungsvollen" jene Kraft aneignende und Kraft zur Verfuegung stellende Wirksamkeit sich erweisen. Wir koennen also, was uns die Betrachtung der Gefuehlswirkung des erwarteten und des nicht erwarteten gewaltigen Gebirges, bezw. ueberwaeltigenden Getoeses lehrt, auch so ausdruecken, dass wir sagen: Je Groesseres erwartet wird, um so mehr mindert sich das Gefuehl der Groesse, das wir angesichts des durch die Erwartung vorbereiteten Objektes haben. DAS UEBERRASCHEND KLEINE. DIE KOMIK. Nehmen wir jetzt an, das durch die Erwartung vorbereitete Objekt sei ein Kleines oder relativ Nichtiges, dann muss dies Kleine, in dem Masse als es durch die Erwartung eines Grossen vorbereitet ist, nicht nur ein minderes Gefuehl der Groesse, sondern ein staerkeres Gefuehl der Kleinheit erzeugen. Oder: Ist ein groesseres Objekt um so mehr Gegenstand des Gefuehls der Groesse, je weniger wir auf die Erfassung eines Grossen vorbereitet sind, so muss das Kleine um so mehr Gegenstand des Gefuehles des Heiteren sein, je mehr eine solche Vorbereitung stattgefunden hat. Die Erwartung eines Grossen schliesst hier ein um so groesseres _Uebergewicht_ der verfuegbaren psychischen _Kraft_ ueber die Energie der _Inanspruchnahme_ derselben in sich, je groesser das Grosse, zugleich je kleiner oder nichtiger das Kleine ist. Auf diesem Uebergewicht aber beruhte uns das Gefuehl des Heiteren. Das _besondere_ Uebergewicht aber, das unter der hier bezeichneten Voraussetzung stattfindet, laesst das Gefuehl des Heiteren, das wir vorhin auch schon dann eintreten sahen, wenn diese besondere Voraussetzung nicht gegeben war, zu dem ausgesprochenen Gefuehl des Heiteren werden, das wir als Gefuehl der Komik bezeichnen. Das Gleiche, was durch die Erwartung des Grossen bedingt wird, wird auch zuwege gebracht, wenn _Dasselbe_ erst bedeutungsvoll, dann nichtig erscheint. Es besitzt, als Bedeutungsvolles, sein erhebliches Mass psychischer Kraft; und diese verbleibt ihm, wenn es ein Nichtiges geworden ist. Wir sahen freilich, dass diese beiden Faelle nicht grundsaetzlich verschieden sind. Auch in jenem Falle kann gesagt werden, es erscheine Dasselbe erst bedeutungsvoll dann nichtig. Und auch in diesem Falle kann von einer "Erwartung" eines Bedeutungsvollen gesprochen werden. Hiermit ist das Gefuehl der Komik verstaendlich geworden. Nicht jedes beliebige Gefuehl der Komik, sondern das Gefuehl der Komik im allgemeinen. Zugleich leuchtet ein, warum dasselbe zunaechst als Gefuehl komischer Lust sich darstellen muss. Wir sahen ja: Das Uebergewicht der Verfuegbarkeit der psychischen Kraft ueber die Inanspruchnahme derselben ist Grund der Lust und laesst _zugleich_ dies Gefuehl den Charakter des Heiteren, Leichten, Spielenden gewinnen. Ist es erlaubt, fuer den Grund der Entstehung dieses Gefuehles schliesslich noch ein verdeutlichendes Bild zu gebrauchen, so denke man sich, jemand erwarte und sei geruestet auf den Besuch einer aus mehreren Koepfen bestehenden Familie, habe also den Raum, und was sonst erforderlich ist, verfuegbar gemacht. Kommt nun statt der erwarteten eine groessere Anzahl von Gaesten, so werden diese die Insassen des Hauses beengen und sich selbst beengt fuehlen. Kommt dagegen nur ein einziger, so wird dieser freier sich entfalten und bequemer sich ausbreiten koennen, als wenn auf ihn allein gerechnet worden waere. Oder nehmen wir an, es sei ueberhaupt niemand angekuendigt, die ans mehreren Koepfen bestehende Familie sei aber gekommen und habe den Hausherrn genoetigt, wohl oder uebel, den fuer sie erforderlichen Platz zu schaffen; dann seien alle bis auf einen wieder abgereist; so wird wiederum der Zurueckbleibende, so lange bis die alte Ordnung wieder hergestellt ist, sich freier ausbreiten koennen, als wenn er von vornherein der einzige Gast gewesen waere. Aehnlich nun, wie jenem, an Stelle der angekuendigten Familie eingetroffenen Gaste, ergeht es in uns der Wahrnehmung des kleinen Haeuschens, das an Stelle des Palastes tritt. Der Wahrnehmungsvorgang breitet sich in der Seele leicht und ungehemmt aus, und ist darum Gegenstand einer, zugleich lustbetonten Komik. Und aehnlich, wie diesem allein uebrig gebliebenen Gaste, ergeht es der schwarzen Hautfarbe des Negers, dem Spiel mit Worten, der naiven Aeusserung oder Handlung, nachdem der Gedanke an ihre Bedeutung zurueckgetreten ist. Auch diese Inhalte vermoegen leicht und muehelos, "spielend", sich in uns zur Geltung zu bringen. Diese spielende Entfaltung des relativen Nichts unterbricht und loest die Spannung, welche die Erwartung oder der Schein des Bedeutungsvollen erzeugte. Insofern hat _Kant_ Recht, wenn er die Komik als die "Aufloesung einer Spannung" in Nichts bezeichnet. Das relative Nichts erlangt, indem es sich entfaltet, in unserem Bewusstsein momentan die Herrschaft. In diesem Sinne kann das "vive la bagatelle" _Jean Paul_'s zur Devise, nicht nur des Humors, sondern aller Komik gemacht werden. X. KAPITEL. DAS GANZE DES KOMISCHEN AFFEKTES. UMFANG UND ERNEUERUNG DER KOMISCHEN VORSTELLUNGSBEWEGUNG. Ich habe im Vorstehenden das Gefuehl der Komik bezeichnet, und den Prozess, durch welchen dasselbe entsteht, dargelegt. Damit ist doch noch kein vollstaendiges Bild gegeben vom psychologischen Thatbestande der Komik. Zunaechst ist die komische Vorstellungsbewegung umfassender, als bisher ausdruecklich gesagt wurde. Wir nannten komisch die geringfuegige Leistung nach grossen Versprechungen. Aber nicht nur die geringfuegige Leistung schrumpft in nichts zusammen, wenn sie als das, was sie ist, betrachtet wird. Auch die Versprechungen, nicht minder die Person dessen, der sie gab, wird in diese Vernichtung hineingezogen. Die Leistung erhob den Anspruch grosse Versprechungen zu erfuellen. Jetzt ist sie dieses Anspruches verlustig. Gleicherweise erhoben die Versprechungen den Anspruch Ankuendigung oder Buergschaft grosser Leistungen zu sein, die Person erhob den Anspruch der Zuverlaessigkeit und der Faehigkeit zur Verwirklichung der versprochenen Leistungen. Jetzt sind die Versprechungen leer, der Versprechende ist ein eitler Grosssprecher. Schliesslich werden auch solche komisch, die auf die Versprechungen etwas gaben, darunter wir selbst. Indessen wichtiger ist mir hier ein zweiter Punkt. Zunaechst dieser: Je hoeher die Erwartung gespannt ist, oder je mehr das Nichtige zuerst als ein Bedeutungsvolles erschien, um so mehr war im Anfang der komischen Vorstellungsbewegung unsere Aufmerksamkeit von der Erwartung oder der scheinbaren Groesse des Nichtigen in Anspruch genommen, um so staerker ist dann die Entladung. Ich achtete nur auf das zu Erwartende oder auf das scheinbar Grosse; jetzt hat in mir neben dem Nichtigen wiederum allerlei Platz, das vorher verdraengt war. Die komische Enttaeuschung bringt mich "zu mir"; meine Aufmerksamkeit geht wiederum ueber den Vorstellungszusammenhang, dem das komische Erlebnis angehoert, hinaus zu solchem, das zu ihm keine Beziehung hat. Doch das eigentlich Wichtige, das ich hier meine, besteht nicht sowohl darin, dass dies geschieht, als vielmehr darin, dass solches Hinausgehen ueber den komischen Vorstellungszusammenhang nicht in dem Masse und nicht so unmittelbar stattfindet, wie man erwarten koennte. Dem komischen Objekt ist mehr psychische Kraft zu teil geworden, als es beansprucht, also auch mehr als es festzuhalten vermag. Die Energie der Festhaltung ist ja dieselbe wie die Energie der Beanspruchung. Es scheint also die psychische Kraft leicht von dem komischen Objekt sich wieder loesen zu muessen. Beliebiges Andere scheint dieselbe leicht aneignen zu muessen. Die Komik scheint nur ein momentanes Dasein haben zu koennen. Dies ist in der That nicht der Fall. Wir bleiben eine Zeitlang in der komischen Vorstellungsbewegung. Wir bleiben darin, um sie zu wiederholen. Dies verstehen wir, wenn wir uns wiederum der psychischen Stauung erinnern, die bedingt ist durch den Charakter des Unerwarteten, Neuen, Seltsamen, Raetselhaften, das dem Komischen anhaftet. Dadurch ist die Bruecke zwischen dem Komischen, und dem, was jenseits desselben liegt, abgebrochen. Der "Abfluss" der Vorstellungsbewegung ist gehemmt, der komische Vorstellungszusammenhang ist psychisch relativ isoliert. Darum hat doch der Umstand, dass das komisch gewordene Nichtige geringe eigene Energie der Aneignung psychischer Kraft, also auch geringe Faehigkeit der Festhaltung derselben besitzt, seine Wirkung. Nur bleibt diese Wirkung zunaechst innerhalb des komischen Vorstellungszusammenhanges. Die psychische Kraft "fliesst" in der That von dem Nichtigen "ab"--wenn es erlaubt ist auch hier diesen bildlichen Ausdruck zu gebrauchen, dessen erfahrungsgemaesser Sinn zur Genuege deutlich gemacht worden ist--, aber sie fliesst ab auf das Grosse und zur Aneignung psychischer Kraft Faehige, das unmittelbar mit dem Nichtigen zusammenhaengt, das heisst, sie fliesst zurueck zu dem Erwarteten, an dessen Stelle das Nichtige getreten ist, beziehungsweise zu dem, was das Nichtige zuerst als ein Grosses erscheinen liess. RUECKLAEUFIGE WIRKUNG DER PSYCHISCHEN "STAUUNG". Damit sind wir einer psychischen Thatsache begegnet, die bei jeder psychischen "Stauung" in groesserem oder geringerem Masse stattfindet, und eine ebenso grosse und umfassende psychologische Bedeutung besitzt, wie die Stauung selbst. Es ist die Thatsache, auf der all unser zweckmaessiges Thun beruht, das heisst im letzten Grunde, all unser Thun im Gegensatz zum blossen Geschehen in uns, jedes Nachdenken, jede praktische oder theoretische Ueberlegung, jede Wahl von Mitteln zu einem Zweck u. s. w. Wir koennen auch sagen: Es ist die Thatsache, in welcher alles solche Thun _besteht_. Alles "Sich nicht Erinnern", jeder Zweifel, jede Ungewissheit, alles Nichthaben dessen, worauf wir innerlich gerichtet sind, oder worauf eine psychische Bewegung ihrer Natur nach abzielt, ist eine Unterbrechung eines naturgemaessen Ablaufs oder Verlaufs eines psychischen Geschehens. Eines naturgemaessen, das heisst eines solchen, wie er sich ergaebe, wenn die in dem Geschehen wirksamen Bedingungen frei sich verwirklichen koennten. Jeder der bezeichneten Thatbestaende schliesst also die Bedingungen einer "Stauung" in sich. Wir koennten statt dessen mit dem oben gebrauchten Ausdruck auch sagen: Jeder solche psychische Thatbestand involviert eine "Verblueffung". Alles sich Besinnen, alles Fragen "Wie" oder "Was ist dies", alles Ueberlegen, alles nicht, oder nicht sofort sich verwirklichende Wollen ist zunaechst ein Stehenbleiben der psychischen Bewegung an der Stelle, wo diese Bewegung nicht in ihrer natuerlichen Bahn weiter kann. Es ist dann weiterhin ein sich Ausbreiten und sich Rueckwaertswenden der psychischen Bewegung oder des "Stromes" des psychischen Geschehens. Wir besinnen uns auf einen Namen, das heisst: wir bleiben innerlich vor dem Namen stehen, wir wenden uns dann zurueck zu der Person, die den Namen traegt, zur Gelegenheit, wo wir den Namen hoerten u. s. w. Alle diese Momente gewinnen erneute Kraft, und damit erneute und gesteigerte Faehigkeit der Reproduktion. Sie gewinnen diese Kraft, einfach darum, weil die Kraft vorhanden und vermoege der Stauung an diesen bestimmten Punkt, die Vorstellung "Name dieser bestimmten Person", gebannt ist, und weil ihnen, an sich und vermoege ihres unmittelbaren Zusammenhanges mit dieser Vorstellung, die Faehigkeit eignet, sich diese zwangsweise zur Verfuegung gestellte Kraft anzueignen, beziehungsweise sie festzuhalten. Vielleicht gelingt auf Grund dieser Kraftaneignung und der damit gewonnenen erhoehten Faehigkeit des Reproduzierens die Reproduktion des Namens. Dann ist, durch die Stauung und ihre natuerlichen Folgen, das Hindernis hinweggeraeumt, und die psychische Bewegung geht ueber den Namen oder durch denselben hindurch, weiter. Oder: Wir erleben es, dass auf ein A, dem in frueherer Erfahrung ein B folgte, jetzt ein, das B ausschliessendes B1[*] folgt, und "suchen" die "Erklaerung". Waere auf das A niemals das B, sondern auch sonst jedesmal das B1, gefolgt, so gingen wir von A ueber B1 beruhigt weiter. Diesen Fortgang hindert das B, oder der Widerspruch zwischen ihm und dem B1. Darum bleiben wir vor dem B1. Wir unterliegen einer Stauung; wir erleben eine "Verblueffung", oder erleben die "Verwunderung", die der Anfang aller Weisheit ist. [* Ordnungszahl hier und ff. im Original tiefgestellt. Transkriptor.] Dann gehen wir von B1 zurueck zu A. Das A, von dem wir ausgegangen waren, tritt in den Blickpunkt des Bewusstseins. Ohne die Stauung waere es Durchgangspunkt der psychischen Bewegung. Jetzt ist es Haltpunkt derselben. Es wird von der gestauten psychischen Bewegung emporgehoben. Das A ist merkwuerdig, interessant, nicht an sich, sondern sofern es jetzt, gegen fruehere Erfahrung, nicht ein B, sondern ein B1 nach sich zieht. Dies ist der Ausgangspunkt des "Suchens" nach der Erklaerung. Aber dies emporgehobene A hat nun--ebenso wie vorhin die Vorstellung des Traegers des gesuchten Namens und die Vorstellung der Gelegenheit, bei welcher der Name gehoert wurde--, eine seiner "psychischen Hoehe" entsprechende Faehigkeit des Reproduzierens. Es hat in gleichem Grade die Faehigkeit, die "Aufmerksamkeit" auf solche Momente zu lenken, die dem A, so wie es in der Wahrnehmung sich darstellt, anhaften, vorher aber uebersehen wurden. In der Wirksamkeit jener oder dieser Faehigkeit nun _besteht_ jenes Suchen. Vielleicht tritt vermoege derselben an dem A jetzt ein Moment hervor, das es zu einem A1 macht. Dann ist der Widerspruch geloest. Nicht das A1, sondern das A war es ja, das mir auf Grund vorangegangener Erfahrungen das B aufnoetigte. An die Stelle des A ist jetzt A1 getreten. Von diesem kann ich also, ohne durch vergangene Erfahrungen daran gehindert zu sein, zu B1, und durch B1 hindurch zu irgend welchen sonstigen Gedankeninhalten weitergehen. Die Verbindung A1 B1 ist keine verwunderliche Thatsache mehr, sondern einfach eine Thatsache, wie tausend andere. Wir haben die "Erklaerung". Zugleich geben wir--nebenbei bemerkt--dem Erklaerenden oder den Widerspruch Loesenden einen besonderen Namen. Wir bezeichnen A1, oder den Umstand, dass A1 nicht A, sondern A1 ist, als Ursache des B1 oder als Ursache des Umstandes, dass B, nicht B, sondern B1 ist. Oder weiter: Wir wollen, dass ein B sei, das heisst: es liegen in der Natur unseres Vorstellungsverlaufes die Bedingungen fuer das Zustandekommen des Urteils, dass B sei oder sein werde. Aber wir sehen, B ist nicht. Wiederum bleiben wir vor dieser Thatsache stehen; wir bleiben stehen vor dem vorgestellten aber nicht wirklichen B. Und wiederum ergiebt sich daraus die Rueckwaertswendung der psychischen Bewegung. Und diese kann auch hier die Hemmung beseitigen. Die rueckwaerts gewendete Bewegung gelangt zu einem A, das erfahrungsgemaesse Bedingung der Wirklichkeit des B ist. Sie erfasst die Vorstellung des A, und rueckt sie in den Mittelpunkt des Bewusstseins. Das heisst: die Vorstellung des "Zweckes" zwingt mich zurueck zur Vorstellung des "Mittels"; das Streben nach dem Zweck wird zum Streben nach dem Mittel. Vielleicht fuehrt dies zur Verwirklichung des Mittels. Dann verwirklicht sich auch der Zweck, und die gehemmte Vorstellungsbewegung geht ihren Weg weiter. Wir koennten dies alles in ein Gesetz zusammenfassen, das in einem Gesetz der "teleologischen Mechanik" des koerperlichen Lebens sein Gegenstueck haette: Hemmungen des psychischen Lebensablaufes ergeben aus sich eine psychische Bewegung, in deren Natur es liegt, auf die Beseitigung der Hemmung hinzuwirken. Wir koennten dies Gesetz bezeichnen als das Gesetz der Selbstkorrektur psychischer Hemmungen. In der Verwirklichung desselben besteht unsere Zweckthaetigkeit. Ich rede hiervon in diesem Zusammenhang nicht genauer, sondern verweise fuer eine etwas naehere--obgleich keineswegs genuegende--Ausfuehrung auf mein mehrfach citiertes psychologisches Werk. Es ist zu bedauern, dass auch das hier angedeutete Problem von der heutigen Psychologie uebersehen zu werden pflegt. Freilich, vor Baeumen den Wald nicht zu sehen, dies ist vielfach die eigentliche Signatur der Psychologie unserer Tage. HIN- UND HERGEHEN DER KOMISCHEN VORSTELLUNGSBEWEGUNG. Hier liegt uns nur an der komischen Vorstellungsbewegung. Bei dieser aber gilt dasselbe Gesetz. Auch das komische Erlebnis schliesst eine psychische Hemmung, also eine Stauung in sich. Auch hier ergiebt sich daraus eine Rueckwaertsbeweguug. Wie schon gesagt, ist das naechste Ziel derselben das "Grosse", oder das, was das Nichtige als gross erscheinen liess. Jemehr es im Vergleich mit dem Nichtigen ein Grosses, also zur Aneignung der psychischen Kraft Befaehigtes, und je enger der Zusammenhang zwischen ihm und dem Nichtigen ist oder jemehr zwischen beiden Identitaet besteht, umso sicherer muss die Rueckwaertsbewegung erfolgen. Das heisst, sie muss umso sicherer erfolgen, je ausgesprochener die Komik ist. So fuehrt uns die nichtige Leistung, die auf die grossen Versprechungen gefolgt ist, wiederum zurueck zu den grossen Versprechungen. Der gewichtige Sinn der Worte, der hohe Anspruch der darin liegt, tritt uns jetzt erst recht deutlich vor Augen. Dann fordern wir auch von neuem die grosse Leistung. Es besteht ja noch immer der erfahrungsgemaesse Weg, der vom Versprechen zur Leistung fuehrt. Die vorgestellte Leistung zergeht wiederum in nichts. Kurz, es wiederholt sich die ganze Vorstellungsbewegung. Und sie kann sich aus dem gleichen Grunde mehrmals wiederholen, wenn auch in bestaendig abnehmendem Grade. Das Ergebnis ist ein Hin- und Hergehen und sich Erneuern der Vorstellungsbewegung, das dauert, bis die Bewegung in sich selbst ihr natuerliches Ende findet, oder durch neu eintretende ernstere Wahrnehmungs- oder Gedankeninhalte gewaltsam aufgehoben wird. Der ganze Vorgang ist naturgemaess begleitet von einem entsprechenden, jetzt nachlassenden, jetzt sich wieder erneuernden Gefuehl der komischen Lust. Wie weit dies Bild der Wirklichkeit entspricht, haengt nun freilich, abgesehen von stoerenden _fremden_ Vorstellungsinhalten, von mancherlei Umstaenden ab. Vor allem von der Intensitaet, die der ganzen Bewegung von vornherein eignet, von der Menge dessen, was vom Schicksal, in nichts zu zerrinnen, erreicht werden kann, von der Ungestoertheit durch ernstere Gedankeninhalte, die in dem komischen Vorstellungszusammenhange selbst sich ergeben moegen. Doch wird man das Bild in der Erfahrung leicht wiedererkennen. Ich sitze im Theater, und sehe auf der Buehne gewaltige Leidenschaften in gewaltigen Worten und Thaten sich Luft machen. Ploetzlich faellt eine Kulisse den Schauspielern ueber den Kopf. Die Kulisse stellte einen Palast vor, jetzt ist sie in ihr kulissenhaftes Nichts zurueckgesunken. Zugleich ist alle sonstige Illusion zerstoert. Die Worte, die Personen sind oder bedeuten nicht mehr, was sie waren oder bedeuteten. Ich lebe nicht mehr in der idealen Welt des Dargestellten, sondern bin in die wirkliche Welt zurueckgeschleudert. Ich "komme zu mir", sehe meine Umgebung, sehe und fuehle mich wiederum auf meinem Platze sitzen u. s. w. Und alles dies ist getaucht in die Stimmung der komischen Lust. Ein leichter und ungehemmter Wellenschlag seelischer Bewegung, bald dies bald jenes leicht emporhebend und ins helle Licht des Bewusstseins setzend, so stellt sich mir mein inneres Geschehen dar, waehrend vorher ernste Gedanken, gravitaetisch einherschreitend und sich draengend, mein Inneres erfuellt hatten. Jene Leichtigkeit und Ungehemmtheit verraet sich im Gefuehl komischer Lust oder lustbetonter Komik, wie das Draengen der ernsten Gedanken in dem Gefuehl des Ernstes und der Spannung sich kundgegeben hatte. Doch auch hier ist, uebereinstimmend mit dem oben Gesagten, dies Zurueckgeschleudertwerden in die wirkliche Welt nicht das Charakteristische des Vorgangs der Komik. Ich bin nicht sofort oder ich bin nur halb in der wirklichen Welt. Zunaechst bin ich in der Welt des komischen Geschehens festgehalten. Der "Wellenschlag" erneuert sich. Das den Ernst so jaeh vernichtende Missgeschick weist mich auf den Ernst zurueck. Es ersteht wiederum vor mir das Pathos der Situation. Dies zergeht von neuem etc.; bis endlich das Interesse am komischen Vorgang in sich selbst erlahmt, oder der Fortgang des Stueckes mich wiederum in ernste Gedanken hineinzieht. Dies Beispiel gehoert, ebenso wie das vorige, der objektiven Komik an. In anderen Faellen, vor allem solchen der witzigen oder naiven Komik kann das Bild der komischen Vorstellungsbewegung ein weniger umfassendes sein. Es ist darum doch prinzipiell dasselbe. Beim einfachen, niemand abfertigenden Wortspiel, das ich nur lese, das mir also in voller Unpersoenlichkeit entgegentritt, ist der Vorstellungszusammenhang ein engerer und abgeschlossenerer. Umso sicherer geht mein Blick nach rueckwaerts: Er kehrt zurueck zu den Momenten, die den Worten ihre logische Kraft verliehen. Diese Momente kommen also wiederum zur Wirkung, und der komische Prozess beginnt hier, ebenso wie bei der objektiven Komik, von neuem. Auch beim Witz gewinnt der psychische Vorgang einen _umfassenderen_ Boden, wenn die Person, die den Witz macht, in den Kreis der Betrachtung tritt. Sie schien erst eine gewichtige Wahrheit zu verkuenden, dann erscheint sie als lediglich mit Worten spielend. Sie wird also in gewisser Weise Gegenstand einer, allerdings _objektiven_ Komik. Sie steigt durch den Witz jederzeit etwas von ihrer Hoehe herab, rueckt mit dem Witzwort zugleich in eine Art komischer Beleuchtung. Der Prozess der Komik erweitert sich nach anderer Richtung, wenn der Witz abfertigt, und andere zum Gegenstand objektiver Komik macht. Alle diese Momente der Komik nehmen, wie an der komischen Bewegung ueberhaupt, so auch an ihrer Wiedererneuerung teil. DAS ENDE DER KOMISCHEN VORSTELLUNGSBEWEGUNG. Es fragt sich aber jetzt noch: Was heisst dies, die komische Vorstellungsbewegung erlahme in sich selbst, oder finde in sich selbst ihr natuerliches Ende. Ein Doppeltes ist damit gesagt. Einmal dies: Wir sagten, der komische Vorstellungszusammenhang sei psychisch isoliert. Dies ist er doch nur relativ. Ich lebe doch, waehrend der komische Vorgang sich in mir abspielt, in einer Welt, die noch allerlei anderes in sich schliesst. Und wir sahen auch schon, wie die komische Vorstellungsbewegung, indem sie das Nichtige loslaesst oder zuruecktreten laesst, ueber die Grenzen des komischen Zusammenhanges hinausgehen kann. Daraus ergeben sich ueber diesen Zusammenhang hinausfuehrende Associationen. In keinem Falle kann dieser Zusammenhang umhin, mit dem, was sonst fuer mich besteht, durch solche Associationen sich zu verweben. Und diese Associationen knuepfen sich enger und enger. Sie begruenden also eine staerkere und staerkere Tendenz des Abflusses oder des Ausgleichs der psychischen Bewegung. Nichts kann in uns dauernd isoliert bleiben. Alles, also auch der komische Vorstellungszusammenhang wird schliesslich fuer uns zu einem "Gewohnten", das heisst eben: der Tendenz des Abflusses oder Ausgleiches Verfallenen. Und dazu kommt ein anderer, in der Natur dieses Zusammenhanges selbst begruendeter Umstand. Eine erste Bedingung der Komik besteht, unserer Darstellung zufolge, in der Sicherheit der Erwartung, beziehungsweise in der Sicherheit, mit der wir dem Nichtigen einen bedeutsamen Sinn oder Inhalt zuerkennen, andererseits ihm denselben absprechen. Jene und diese Sicherheit nun muss sich mindern. Ist die Erwartung einmal enttaeuscht, so hat sie, wenn mein Blick zurueckkehrt, an Sicherheit eingebuesst. Die Worte, die mir grosse Leistungen ankuendigten, wecken die Vorstellung derselben in minderem Grade, wenn sie einmal als leere Worte sich ausgewiesen haben. Daraus ergiebt sich eine Herabsetzung der komischen Vorstellungsbewegung. Ebenso mindert sich die Sicherheit, mit der ich dem scheinbar logischen Spiel mit Worten einen bedeutsamen Sinn zuschreibe, nachdem ich es einmal in seiner logischen Nichtigkeit erkannt habe. Oder im umgekehrten Falle: Habe ich einmal die, der gewohnten, logisch korrekten Ausdrucksweise widersprechende, und insofern fuer die gewoehnliche Betrachtungsweise nichtige Aussage, trotzdem als berechtigten Traeger ihres Sinnes anerkennen muessen, so hat nunmehr diese gewoehnliche Betrachtungsweise einen Teil ihrer Macht verloren. In jenem ersteren Falle ist mir die Anerkenntnis der scheinbar sinnvollen Worte als sinnloser, in diesem letzteren die Anerkenntnis der scheinbar sinnlosen Worte als sinnvoller in gewissem Grade natuerlich geworden. Es hat sich sozusagen, wenn auch nur fuer einen Augenblick, eine neue "Regel" der logischen Beurteilung von Worten herausgebildet. Damit muss, im einen wie im anderen Falle, die Komik des Witzes eine Abschwaechung erfahren. Endlich kann auch die naive Rede oder Handlung, nachdem ich sie einmal als "erhaben" und nichtig zugleich erkannt habe, sich mir nicht mehr mit gleicher Sicherheit _zuerst_ als erhaben, _dann_ als nichtig darstellen. Beide Betrachtungsweisen, die vom Standpunkte des Individuums, und die "objektive", das heisst die Betrachtung von _unserem_ Standpunkte aus, haben sich einmal zur Beurteilung der Rede oder Handlung miteinander verbunden, und verhindern sich nun wechselseitig, in ihrer Reinheit, die eine _nach_ der anderen, zur Geltung zu kommen. Darauf beruht ja aber die naive Komik. Will man in allen diesen Faellen den Grund der Erlahmung der komischen Vorstellungsbewegung so ausdruecken, dass man sagt, das einmalige oder mehrmalige Zergehen eines Bedeutsamen in nichts "gewoehne" uns an dies Zergehen, und darum wirke dasselbe in geringerem Grade, so mag man dies thun. Die Gewohnheit ist in psychologischen Fragen so oft, und bei so verschiedenartigen Gelegenheiten das Wort, das zur rechten Zeit sich einstellt, dass es auch hier ohne Schaden sich einstellen mag. EINZIGARTIGKEIT DES KOMISCHEN PROZESSES. Die komische Vorstellungsbewegung, wie sie im Vorstehenden genauer und vollstaendiger beschrieben wurde, ist einzigartig. Dennoch hat sie mit anderen Arten der Vorstellungsbewegung Hauptzuege bald mehr bald minder gemein. Es dient dem oben Gesagten, vor allem unserer Begruendung des Gefuehls der Komik zur wertvollen Bestaetigung, wenn wir sehen, wie in dem Masse, als in einem ausserkomischen Vorgang die Faktoren der komischen Vorstellungsbewegung wiederkehren, auch das begleitende Gefuehl sich dem der Komik naehert. Man erinnert sich, dass wir bereits das Spiel der Kinder mit der Komik in Beziehung brachten. Verwandt ist das Spiel, speciell das Spiel mit Gedanken, oder das Spiel geselliger Unterhaltung, dem wir uns nach abgeschlossener Arbeit ueberlassen. Die Arbeit, die auf ernste Zwecke abzielt, mit der wir Pflichten genuegen, die beherrscht ist von mehr oder weniger tiefgreifenden Interessen, wird uns, je mehr sie ihren Namen verdient, um so mehr mit gewisser Strenge in Anspruch nehmen und erfuellen. Und diese Strenge wird sich jederzeit auch in der Art der Befriedigung spiegeln, die uns die Arbeit gewaehrt, die Befriedigung mag im uebrigen eine noch so hohe sein. Dagegen ist es dem Spiele eigen, von dem Gewicht der Zwecke, der Pflichten, der tiefgreifenden Interessen nicht beschwert zu sein. Was wir im Spiele thun und erleben, hat also an sich nicht die gleiche Macht, uns in Anspruch zu nehmen, wie die ernste Arbeit. Nichtsdestoweniger kommen wir ihm, wenn die Ermuedung uns nicht auch zum Spiele unfaehig macht, mit demselben Masse von seelischer Kraft entgegen, das wir der Arbeit entgegenbringen. Daraus ergiebt sich auch hier ein relativ leichter und ungehemmter Wellenschlag seelischen Lebens, aehnlich dem, in welchem der Vorgang der Komik psychologisch betrachtet besteht. Und daraus wiederum ergiebt sich ein gleichartiger, "heiterer" Grundzug des Gefuehls. Doch duerfen wir ueber allem dem den wesentlichen Unterschied nicht vergessen. Der Komik ist der Kontrast des Bedeutsamen und Nichtigen und die ploetzliche Loesung der Spannung eigen. Diese Momente gehoeren nicht zu jenem Spiel. Es fehlt darum bei ihm sowohl die eigenartige Lebhaftigkeit der Vorstellungsbewegung, ihre Weise, ploetzlich und an einem Punkte auszubrechen, ihre explosive Art, als auch jene eigenartige Ausbreitung und Erneuerung. Und es fehlt zugleich dem _Gefuehl_ der "Heiterkeit" das Losgelassene, schliesslich "Unbaendige", wodurch das Gefuehl der Komik umsomehr charakterisiert ist, je mehr jene besonderen Momente in ihm zur Wirkung kommen. Wir haben auch die Komik gelegentlich als Spiel bezeichnet. Wir nennen gewisse Witze Wortspiele. Aber dies Spiel bleibt doch immer ein Spiel von ganz besonderer Art. XI. KAPITEL. LUST- UND UNLUSTFAERBUNGEN DER KOMIK. PRIMAERE MOMENTE DER LUST UND UNLUST. Indem ich den komischen Vorstellungsprozess als ein Hin- und Hergehen und sich Erneuern der seelischen Bewegung bezeichnete, habe ich mich im Ausdruck der _Hecker_'schen Erklaerung des Gefuehls der Komik, die im ersten Kapitel abgewiesen wurde, wiederum in gewisser Weise genaehert. Doch nur im Ausdruck. Denn nicht um ein Hin- und Hergehen zwischen Lust und Unlust, sondern um ein Hin- und Hergehen der Vorstellungsbewegung und damit zugleich um ein Hin- und Hergehen zwischen Spannung und Loesung und demgemaess zwischen Ernst und Komik handelt es sich uns. Die Komik ist hierbei nicht die hin- und hergehende _Bewegung_, sondern sie ist eines der Elemente, _zwischen_ denen die Hin- und Herbewegung stattfindet. Dies Hin- und Hergehen mag dann freilich auch im einzelnen Falle mehr oder minder als ein Hin- und Hergehen zwischen relativer Lustfaerbung und relativer Unlustfaerbung der Komik sich darstellen. Inwiefern dies moeglich ist, dies ergiebt sich, wenn wir jetzt auch die Betrachtung des Gefuehls der Komik vervollstaendigen. Komik, so wiederholen wir zunaechst, ist an sich nicht Lust noch Unlust, sondern ein eigenartiges Gefuehl. Wir sahen aber, dass und warum die Komik zur Lustfaerbung hinneigt, oder zunaechst Lustfaerbung besitzt. Der Prozess, dem das Spezifische des Gefuehls der Komik sein Dasein verdankt, ist, so sahen wir, in sich selbst zugleich Grund der Lust. Doch ist er zugleich auch in sich selbst in hoeherem oder geringerem Grade ein Grund der Unlust. Die Erwartung ist ein Hindraengen auf das Erwartete. Diesem Hindraengen tritt das Nichtige, sofern es anders beschaffen ist, als das Erwartete, feindlich entgegen. Die Erwartung wird enttaeuscht. Enttaeuschung bringt ein Gefuehl der Unbefriedigung. Bezeichnen wir den Unterschied zwischen dem Erwarteten und dem dafuer Eintretenden als "qualitativen Kontrast", so ist dieser _qualitative Kontrast_ der Grund der Unbefriedigung. Man sieht, wie hier der Grund der komischen Lust und der Grund der Unlust dicht bei einander stehen. Das nicht Erwartete, sofern es doch auch wiederum das Erwartete, zugleich aber ein Nichtiges ist, wird spielend aufgefasst; sofern es nicht das Erwartete ist, unterliegt es einer Hemmung. Wir fallen auf das Komische herein, oder fallen darueber her. Dies Fallen ist so anstrengungslos, wie das Fallen zu sein pflegt. Aber es ist durch ein vorangehendes Stolpern bedingt. Das Gleiche findet statt, da wo das Wort "Erwartung" weniger am Platze ist. Meine Gewohnheit, menschliche Formen mit der weissen Hautfarbe verbunden zu sehen, wird durchbrochen durch die Hautfarbe des Negers. Ebenso die Gewohnheit logischer Rede durch das Spiel mit Worten, die Gewohnheit einer bestimmten Art des Handelns unter bestimmten Voraussetzungen durch die naive Handlungsweise. Auch diese Durchbrechung unserer Vorstellungsgewohnheit durch die andere Beschaffenheit des Gegenstandes der Komik koennen wir als qualitativen Kontrakt bezeichnen. Der qualitative Kontrast ist dann ueberall der Grund der komischen Unlust. Man wird freilich finden, dass eine solche Enttaeuschung oder Durchbrechung unserer Vorstellungsgewohnheit nicht immer von einem merkbaren Unlustgefuehl begleitet sei. Dies beweist dann nur, dass das daraus fliessende Unlustgefuehl schwach sein und durch ein staerkeres Lustgefuehl leicht ausgeglichen oder ueberboten werden kann. In der That werden wir bei der Komik jenes Unlustgefuehl unter gewoehnlichen Umstaenden so schwach zu denken haben, dass es gegenueber der komischen Lust nicht aufkommen kann. Wir bezeichnen jenes Gefuehl allgemein als Gefuehl der Ueberraschung oder des Befremdens. Aber die Ueberraschung oder Befremdung, die nur darauf beruht, dass etwas anders ist, als wir erwarteten oder gewohnt sind, gleichgueltig, welchen Wert das Erwartete oder Gewohnte, und ebenso, welchen Wert das an die Stelle tretende Unerwartete oder Ungewohnte fuer uns hat,--und dies neutrale Gefuehl der Ueberraschung oder des Befremdens meinen wir hier--hat wenig Kraft. Nichtsdestoweniger muessen wir dies Gefuehl von Haus aus als--in seinen _Bedingungen_--vorhanden annehmen. Und es kann auch unter Umstaenden, vor allem bei solchen, die Sklaven ihrer Vorstellungsgewohnheiten geworden sind, empfindlich zu Tage treten. QUALITATIVE UEBEREINSTIMMUNG UND QUANTITATIVER KONTRAST. Dagegen ist jede Erfuellung der Erwartung, jede Uebereinstimmung mit unseren Vorstellungsgewonheiten Grund der Lust. Es waechst darum auch die komische Lust mit dieser "qualitativen Uebereinstimmung". Die Lust waechst aber mit der qualitativen Uebereinstimmung auch noch aus dem weiteren Grunde, weil mit derselben die Vorstellungsbewegung, aus der wir eben die komische Lust hervorgehen sahen, eine Steigerung erfaehrt. Das Nichtige, das an die Stelle des erwarteten Bedeutungsvollen tritt, vermag sich ja, wie wir sahen, die diesem verfuegbar gemachte seelische Kraft anzueignen _in dem Masse_, als es damit _uebereinstimmt_. Und eben auf dieser Aneignung beruht ja der Lust erzeugende komische Prozess. So muss das kleine Haeuschen neben den grossen Palaesten uns in hoeherem Grade belustigen, wenn es nicht nur auch als menschliche Wohnung, sondern als Miniaturpalast mit denselben Formen, die die Palaeste auszeichnen, sich darstellt. Wir werden hier nicht nur durch die Uebereinstimmung befriedigt, wie durch jede Uebereinstimmung, sondern das Haeuschen erhebt auch fuer unsere Vorstellung in hoeherem Masse den Anspruch, selbst einer der grossen Palaeste zu sein. Es muss also in hoeherem Masse die spezifisch komische Lust erwecken. Ebenso erscheint das Spiel mit Worten um so leichter als Traeger eines bedeutungsvollen Sinnes, je mehr es, bei aller logischen Nichtigkeit, aeusserlich der logischen Form sich naehert, oder mit der gewoehnlichen Hausordnung unseres Denkens und Redens uebereinstimmt. Und schliesslich ist nicht minder die naive Handlungsweise in um so hoeherem Grade geeignet, den Eindruck des vom naiven Standpunkte aus Wohlberechtigten zu machen, je mehr die Handlungsweise trotz aller Naivetaet der gewoehnlichen Handlungsweise sich naehert. So werden wir herzlicher lachen, wenn ein Kind in seiner kindlichen Unschuld Hoeflichkeitsformen, die es bei Erwachsenen beobachtet hat, am falschen Platze anwendet, als wenn es, in voller Unkenntnis derselben, einfach, obgleich echt kindlich, gegen alle Hoeflichkeit verstoesst. Nach dem Gesagten sind wir im stande allgemein die Bedingungen anzugeben, denen das Verhaeltnis der Lust und Unlust im Gefuehl der Komik unterliegt. Der Gegensatz der Bedeutsamkeit und Bedeutungslosigkeit, der Erhabenheit und Nichtigkeit, oder, wie wir in Anlehnung an den "qualitativen Kontrast" kuerzer sagen wollen, der "quantitative Kontrast" bedingt in erster Linie die komische Lust. Die Lust waechst mit der Groesse dieses quantitativen Kontrastes. Sie waechst zugleich in doppelter Weise mit der qualitativen Uebereinstimmung. Dagegen waechst die Unlust mit der Groesse des qualitativen Kontrastes. Dazu tritt dann noch ein Moment, das die Komik nach ihrer Lust- wie nach ihrer Unlustseite steigert. Die Reihe von Palaesten ergiebt, wie schon oben gesagt, eine _bestimmtere_ Erwartung, dass wieder ein Palast folgen werde, als der einzelne Palast. Je bestimmter nun die Erwartung, um so fuehlbarer wird das Stoerende der Enttaeuschung. Zugleich aber _wirkt_ die bestimmtere Erwartung, auch soweit sie dem Nichtigen seelische Kraft verfuegbar macht, energischer. Das ganze Gefuehl der Komik also wird durch die groessere Bestimmtheit der Erwartung lebhafter. Nehmen wir an, die Erwartung haette dadurch, dass schon vorher zwischen die Palaeste kleine Haeuschen traten, an Bestimmtheit verloren, so wuerde das Gefuehl der Komik wesentlich herabgedrueckt erscheinen. Das ganze Gefuehl der Komik, sage ich, wird lebhafter. Dies hindert doch nicht, dass fuer gewoehnlich aus der bestimmteren Erwartung die komische Lust _groesseren_ Vorteil ziehen wird, als die von Hause aus geringfuegige komische Unlust. Nur fuer den Pedanten und Eigensinnigen, der, was er einmal erwartet, so gleichgueltigen Inhaltes es anch sein mag, in Gedanken nicht mehr los werden kann, mag es sich umgekehrt verhalten. In der Erwartung besteht in dem besprochenen Falle die bei der Komik wirksame Vorstellungsbeziehung. Bei der witzigen Rede tritt an ihre Stelle die Beziehung zwischen Wort und Sinn, logischer Form und logischem Inhalt. Auch die Festigkeit und Sicherheit dieser Beziehung erhoeht die Lust wie die Unlust. Je fester und sicherer in mir logische Form und logischer Inhalt verbunden sind, je bestimmter immer eines auf das andere hinweist, um so mehr kann mich die unlogische Form, in der ein Inhalt vorgebracht wird, stoeren. Um so mehr wird aber zugleich das wirklich oder scheinbar Logische an der unlogischen Form mich auf den bedeutungsvollen Inhalt, als dessen Traeger sie, eben vermoege ihres logischen oder pseudologischen Charakters erscheint, hinweisen, also den Eindruck eines bedeutungsvollen Sinnes erzeugen. Gebildete, logisch geschulte Menschen zeichnen sich durch Sicherheit jener Beziehung aus. Sie werden darum die Durchbrechung der logischen Gewohnheit leichter stoerend empfinden und zugleich den Witz leichter herausfinden. Hat sie die logische Schulung zu logischen Pedanten, Fanatikern der logischen Form gemacht, so mag jenes Gefuehl der Stoerung sogar ueberwiegen. Besitzen sie "Humor", so wird sie die Freude am Witz ueber die Stoerung leicht hinwegheben. Endlich erhoeht ebenso die Festigkeit derjenigen Vorstellungsbeziehung, die aller _naiven_ Komik zu Grunde liegt, die Komik in beiderlei Hinsicht. Je sicherer ich bin in der Beurteilung der Zweckmaessigkeit oder Wohlanstaendigkeit einer Handlung, um so leichter erkenne ich die unzweckmaessige oder gegen den Anstand verstossende Handlung als solche und empfinde die darin liegende Stoerung meiner Vorstellungsgewohnheit, um so leichter erkenne ich andererseits die relative Zweckmaessigkeit oder sittliche Berechtigung, die der Handlung vom naiven Standpunkte aus zugeschrieben werden muss. Wiederum sind aus diesem Grunde gebildete Leute dem naiv Komischen gegenueber sowohl "empfindlicher" als empfaenglicher. Und wiederum sind sie mehr das Eine oder mehr das Andere, je nachdem sie Pedanten, Fanatiker der gewohnten Weise zu handeln oder zu reden geworden sind, oder die geistige Freiheit des Humors besitzen. AUSSERKOMISCHE GEFUEHLSMOMENTE. Damit sind, soviel ich sehe, die Bedingungen der komischen Lust und Unlust, soweit sie in dem komischen Vorstellungszusammenhange selbst enthalten sind, erschoepft. Es treten aber dazu schliesslich noch Bedingungen der Lust und Unlust, die schon, abgesehen von diesem Vorstellungszusammenhang, bestehen und wirken. Obgleich darnach die Lust und Unlust, die aus ihnen sich ergiebt, mit dem Gefuehl der Komik eigentlich nichts zu thun hat, kann doch dies Gefuehl durch ihr Hinzukommen wesentlich beeinflusst werden. Ich erwarte ein furchtbares Ereignis mit aengstlicher Spannung. Dabei haftet die Furcht oder Angst an dem Ereignis, gleichgueltig was nachtraeglich aus der Erwartung wird. Das peinliche Furcht- oder Angstgefuehl weicht, und ich fuehle mich angenehm beruehrt, wenn die Erwartung schwindet. Wiederum habe ich die angenehme Empfindung ebensowohl, wenn genauere Ueberlegung des Sachverhaltes sie zum Verschwinden bringt, als wenn sie in komischer Weise in nichts zergeht. Immerhin kommt im letzteren Falle die angenehme Empfindung zur komischen Lust verstaerkend, zugleich ihren Charakter aendernd hinzu. Vielleicht ist das Nichts, trotz seiner Nichtigkeit, an und fuer sich angenehm. Dann verstaerkt sich die Lust von neuem. Im gegenteiligen Falle erleidet sie eine Einbusse. Oder ich erwarte auf Grund irgendwelcher Ankuendigung ein Ereignis, das fuer mich positiven Wert haette, also Gegenstand meiner Freude waere. Dann bedaure ich die komische, ebenso wie jede andere Art der Enttaeuschung. Vielleicht troestet mich bei der komischen Enttaeuschung das Nichtige, das an die Stelle tritt, in gewissem Grade. Auch dasjenige, was nicht dazu angethan ist, mich mit grosser Gewalt in Anspruch zu nehmen, kann ja einen Grad der Befriedigung gewaehren. Dann vermindert sich jenes Bedauern. Dagegen kommt ein neues Unlustmoment hinzu, wenn das Nichtsbedeutende an sich ein Missfaelliges ist. In jedem Falle sind auch hier die positiven und negativen Werte, die den Elementen des komischen Vorstellungszusammenhanges an sich eignen, wesentliche Faktoren im schliesslichen Gesamteffekt des komischen Vorgangs. Ebensolche Faktoren spielen auch bei allen anderen Faellen der Komik starker oder schwaecher mit. Die schwarze Hautfarbe ist nicht nur komisch, sondern auch haesslich, weil der Gedanke, den sie mir auf Grund gewoehnlicher Erfahrung zu vollziehen verbietet, obgleich ihn zugleich die _Formen_ des Negerkoerpers gebieterisch fordern--der Gedanke naemlich eines dahinter waltenden menschlichen Lebens--ein an sich wertvoller ist. Das Urteil, das der Witz spielend fuellt, beleidigt an sich, wenn es eine Bosheit ist, oder in allzu niedriger Sphaere sich bewegt; es erfreut, wenn es eine berechtigte Abfertigung in sich schliesst, oder die Wahrheit, die es verkuendigt, eine an sich erfreuliche ist. Die witzige Form, das Spiel selbst, kann beleidigen, wenn es Spiel mit Worten ist, die man nicht "vergeblich fuehren" soll; es kann erfreuen, wenn es an sich anmutiges, kunstvolles Spiel ist u. s. w. Am engsten sind schliesslich solche ausserkomische Lust- und Unlustmomente verbunden mit dem _naiv Komischen_. Sie haften ihm nicht nur gelegentlich an, sondern gehoeren zu seiner eigensten Natur. Ebendamit ragt das naiv Komische, wie ich schon frueher sagte, ueber die Komik hinaus. Die objektive Komik umfasst alle Gebiete der Wirklichkeit. Das sittlich Wertvollste wird in ihr zu Schanden; zugleich findet sie auf dem Gebiete des blinden, geist- und herzlosen Zufalls ein reiches Feld ihrer Verwirklichung. Der Witz, an und fuer sich aller objektiven Wirklichkeit voellig entrueckt und allein der kuehlen Sphaere der Logik angehoerig, ein Spiel des Denkens mit sich selbst, ist mehr oder weniger geistreich, aber herzlos. Nur das Naive hat jederzeit Herz. Entsprechend seinem persoenlichen Charakter beleidigt und befriedigt es Forderungen, die wir an die Persoenlichkeit stellen, die den Takt, die Klugheit, den Geschmack, die sittliche Tuechtigkeit, kurz den Wert der Person betreffen. Dieser Wert ist aber nicht nur der hoechste, sondern der einzig absolute. Was sonst wertvoll ist, ist es doch nur in seiner Beziehung und Wirkung auf die Person. Die Person allein ist der letzte und endgueltige Traeger aller Werte. Indem diese ausserkomischen Lust- und Unlustmomente zum eigentlichen Gefuehl der Komik hinzutreten, modifizieren sie natuerlich den Gesamteffekt der Komik in groesserem oder geringerem Grade. Dies muessten sie thun, auch wenn ihre Bedingungen mit den Bedingungen der eigentlich komischen Lust und Unlust in keiner Beziehung stuenden. Thatsaechlich aber besteht ein Verhaeltnis der Abhaengigkeit dieser Bedingungen von jenen, und zwar ein solches, das enge genug ist, um unter Umstaenden das ganze Gefuehl der Komik zu erdruecken. Ein Nichts, das an die Stelle eines erwarteten Bedeutungsvollen tritt, wird, wie wir sahen, komisch, indem es die seelische Kraft aneignet, die der Gedanke an das Erwartete bereithaelt oder verfuegbar macht. Je wertvoller aber das Erwartete ist, oder je mehr uns jetzt gerade aus allgemeinen oder persoenlichen Gruenden an ihm gelegen ist, um so energischer halten wir den Gedanken des Erwarteten, und speciell das, was seinen Wert ausmacht, fest, um so staerker draengt die seelische Bewegung auf die Verwirklichung seines Inhaltes, soweit er ein wertvoller ist, hin. Dass es so ist, dass der Gedanke im Zusammenhang des psychischen Lebens eine Stellung einnimmt, oder zu diesem Zusammenhang in einer Beziehung steht, aus der dies Festhalten desselben und dies Hindraengen auf Verwirklichung seines Inhaltes notwendig sich ergiebt, das ist es eben, was den Gedanken zu einem fuer mich wertvollen macht, oder worin, psychologisch betrachtet, sein "Wert" fuer mich besteht. Kommt nun das Nichtige, das dieses Wertes entbehrt, und setzt sich der Gewalt jenes Hindraengens und Festhaltens zum Trotz, also gewaltsam an die Stelle des erwarteten Wertvollen, so entsteht zunaechst, eben wegen dieser Gewaltsamkeit, das schon in Rechnung gezogene ausserkomische Gefuehl der Unlust. Und dies verstaerkt zunaechst das, wie wir annahmen, in der Regel geringfuegige Unlustmoment, das aus der Enttaeuschung der Erwartung in jedem Falle, abgesehen von dem Werte des Erwarteten entspringt. Zugleich aber ist die Leichtigkeit, mit der das Nichtige die fuer die Erfassung des erwarteten Wertvollen bestimmte seelische Kraft sich aneignen kann, vermindert. Diese Leichtigkeit ist ja das Gegenteil jener "Gewaltsamkeit". Draengt der Gedanke an das erwartete Wertvolle auf die Erfassung eben dieses Wertvollen, so hemmt er notwendig die Erfassung des Nichtigen, in welchem, und soweit in ihm jener wertvolle Inhalt _negiert_ erscheint. Macht er die seelische Kraft fuer das erwartete Wertvolle als _solches_ verfuegbar, so verweigert er sie ebendamit dem an die Stelle tretenden Nichtigen, das mir _verbietet_ den Gedanken an jenen wertvollen Inhalt zu vollziehen. Daraus ergiebt sich eine Herabdrueckung der leichten Vorstellungsbewegung, aus der wir die komische Lust haben hervorgehen sehen, eine Herabdrueckung, die bis zur vollstaendigen Laehmung sich steigern kann. Eine ebensolche Herabdrueckung oder Laehmung kann, aus analogen Gruenden, bei der subjektiven Komik stattfinden. Am heiligen Orte, bei der ernsten religioesen Feier, erwarten wir nicht nur, sondern wir fordern aus sittlichen Gruenden die Aussprache ernster Gedanken, wie sie uns da von selbst sich aufdraengen. Ein Witz an solcher Stelle, ein Witz, vollends, der mit Worten spielt, die selbst solche ernste Gedanken in uns wecken, geht seiner Komik verlustig. Die ernsten Gedanken bleiben dabei, sich uns aufzudraengen; sie haengen sich wie Gewichte an das nichtige Spiel, so dass der leichte seelische Wellenschlag, der das Wesen der Komik macht, unterbleiben muss. Was uebrig bleibt, ist das Gefuehl der Unlust, das aus der Nichterfuellung und Verneinung unserer Forderung in jedem Falle sich ergeben muss. Die _sittlichen_ Forderungen sind es, die wir, von persoenlichen Interessen abgesehen, am strengsten festhalten und am wenigsten leicht fuer einen Augenblick dahingestellt lassen. Wo solche Forderungen verneint werden, schwindet darum am leichtesten das Gefuehl der Komik. Das Komische wird laecherlich, veraechtlich, schliesslich empoerend. Vielleicht entsteht das Gefuehl der Komik im ersten Moment. Die Groesse des quantitativen Kontrastes und der qualitativen Uebereinstimmung, insbesondere die Sicherheit, mit der wir gerade in dem Augenblick, wo das Nichtige sich einstellt, das Bedeutungsvolle erwarten, bezw.--beim Witze--die Sicherheit, mit der die scheinbare Logik des nichtigen Wortspiels auf den bedeutungsvollen Inhalt hinweist,--dies zusammen thut vielleicht im ersten Momente trotz der Strenge der sittlichen Forderung seine komische Wirkung. Die seelische Kraft wird durch die bezeichneten Kanaele zum Nichtigen heruebergeleitet und jene Forderung muss wohl oder uebel zuruecktreten. In diesem Falle wird aber doch die komische Wirkung nicht nur von vornherein eine weniger freie sein, sondern sie wird auch schneller sich verzehren muessen, als sie es sonst thaete. Die komische Wirkung, so sahen wir oben, erhaelt und erneuert sich, indem wir zu dem, was die Erwartung eines Bedeutsamen erregte, oder zu dem scheinbar Logischen, das uns den bedeutungsvollen Gedanken aufnoetigte, unseren Blick zurueckwenden. Die Wirkung ist aber bei jeder neuen Rueckwaertswendung den Blickes eine geringere, weil die Erwartung, nachdem sie ein oder mehrere Male ihre Enttaeuschung erfahren hat, immer weniger sicher geworden ist, weil ebenso die Bestimmtheit, mit der die scheinbare Logik des nichtigen Wortspiels auf den bedeutungsvollen Inhalt hinweist, durch die ein- oder mehrmalige Bewusstwerdung seiner thatsaechlichen Bedeutungs- und Inhaltslosigkeit eine immer groessere Einbusse erlitten hat. Ebendamit nun gewinnt zugleich die sittliche Forderung, die an ihrer Strenge _nichts_ eingebuesst hat, groessere hemmende Gewalt. Indem das Nichtige weniger leicht seelische Kraft gewinnt, vermag der Gedanke an das geforderte Wertvolle, der erst zurueckgetreten war, entsprechend staerker hervorzutreten, und nun auch mit entsprechender Energie auf die weitere Verminderung der Komik hinzuarbeiten. Jene Verminderung der Faehigkeit des Nichtigen, seelische Kraft zu gewinnen, und dieses Hervortreten der sittlichen Forderung, diese beiden Momente steigern sich in ihren Wirkungen wechselseitig. So geschieht es, dass der Eindruck der Komik groesserem und groesserem Widerstreben begegnet, bis schliesslich nichts mehr uebrig bleibt, als das Gefuehl des Widerstrebens oder der Empoerung. Es kann aber nicht nur durch unerfuellte, sondern auch durch erfuellte Forderungen, nicht nur durch negierte, sondern auch durch realisierte Werte der Komik der Boden entzogen werden. Wir sehen den Uebermuetigen zu Fall kommen, sich in seinen eigenen Schlingen fangen, seine gerechte Strafe finden. Wir sehen ihn beschaemt. Diese Beschaemung hat positiven Wert. Hier tritt wiederum zur Komik ein ihr gegensaetzliches Element hinzu. Das Nichts, in das der Anspruch des Uebermutes zergeht, kann nur als nichtig sich darstellen und in seiner Nichtigkeit spielend aufgefasst werden, wie dies zur Komik erforderlich ist, so lange es als dies Nichtige erscheint. Scheint es nicht mehr nichtig, sondern mit dem Gedanken der Bestrafung oder Beschaemung beschwert, so mindert sich das Gefuehl der Komik. Freilich bleibt auch hier das Naechste das Zergehen des Anspruchs. Dann aber tritt jener ernste Gedanke, die Freiheit und Leichtigkeit der psychischen Bewegung aufhebend hinzu. Je naeher und in die Augen springender der Fall des Uebermuetigen ist, desto sicherer kann im ersten Momente die Komik sich einstellen. Dann aber schaemen wir uns vielleicht unseres Gefuehls der Komik. BESONDERHEIT DER NAIVEN KOMIK. So sehen wir die Komik in doppelter Weise in ihr Gegenteil umschlagen, das eine Mal in ernste Unlust, das andere Mal in ernste Befriedigung. Dieser Umschlag kann bei der objektiven und nicht minder bei der subjektiven Komik geschehen. Doch immer nur unter bestimmten Umstaenden. An sich liegt dazu in diesen beiden Gattungen des Komischen kein Anlass. Dagegen besteht ein solcher Anlass jederzeit in gewissem Grade in der naiven Komik. Hier werden, wie oben gesagt, jederzeit Forderungen von unbedingtem Wert verneint und erfuellt. Daraus kann sich von vornherein eine wesentliche Herabstimmung der Komik ergeben. Das Gefuehl kann von vornherein an der Grenze stehen, wo die Komik in ernste Lust oder Unlust uebergeht. Oder es kann erst ausgesprochenes Gefuehl der Komik sein, dann ein Gefuehl des Ernstes an die Stelle treten. Wer von dem Wert der Ehre, wie wir sie gemeinhin zu fassen pflegen, auch derjenigen, von der wir meinten, dass sie _Falstaff_ mit Recht herunterziehe, in hohem Masse durchdrungen ist, wird fuer die Komik der _Falstaff_'schen Rede ueber die Ehre wenig Verstaendnis haben. Andererseits koennte uns die Bewunderung, die wir der Sicherheit des sittlichen Bewusstseins beim Korporal Trim entgegenbringen, derart gefangen nehmen, dass wir seine Antwort auf die Frage des Doktors der Theologie nicht komisch, sondern von vornherein nur erhaben faenden. Angenommen aber, wir haben Sinn fuer die Komik der _Trim_'schen Rede; dann wird doch das Ende der Komik hier nicht die Komik, sondern der Ernst sein, naemlich eine Art ernster Befriedigung. Hier zeigt sich deutlich die besondere Eigenart der naiven Komik. Sie liegt im Unterscheidenden dieser Gattung, wie wir es kennen gelernt haben, notwendig begruendet. Die angemasste Erhabenheit des Nichtigen zergeht in der objektiven Komik thatsaechlich. Ebenso die scheinbare Wahrheit des nichtigen Spieles mit Worten in der subjektiven Komik. Dagegen zergeht die Erhabenheit der naiv komischen Aeusserung oder Handlung, die ihren Grund hat in der Klugheit, Gesundheit, dem natuerlichen sittlichen Gefuehl, kurz dem Wertvollen der Persoenlichkeit, das darin sich zu erkennen giebt, immer nur fuer die allgemeine und ebendarum einseitige Betrachtungsweise, sie bleibt bestehen fuer die persoenliche Beurteilung, also fuer die tiefere, weil dem Individuum gerecht werdende Einsicht. Indem der Blick zurueckkehrt, findet er das wertvolle Erhabene in seinem Wert und seiner Erhabenheit wieder; nicht als Inhalt einer unerfuellten und darum peinlichen Forderung, sondern als erkannte Thatsache. Oder vielmehr, dies Wertvolle kommt jetzt erst recht in seinem Werte zum Bewusstsein und wirkt als das Erhabene, das es ist. Es thut dies immer ausschliesslicher, indem die Komik in sich und im Kampfe mit ihm erlahmt. Der Gedanke an das Wertvolle wird zum herrschenden, und die erhebende Freude an seinem Inhalte zum herrschenden Gefuehl. Andererseits wird die unerfuellte Forderung, welche die allgemeine und einseitige Betrachtungsweise stellt, in ihrer Einseitigkeit erkannt. Die Strenge dieser Forderung schwindet oder mildert sich gegenueber dem naiven Individuum, auf das sie nicht oder nicht in ihrer Strenge anwendbar erscheint. So kann sich auch ihr gegenueber das Bewusstsein des Wertvollen im Individuum behaupten. Ja es kann dies Letztere schliesslich so erhaben erscheinen, dass nun im Vergleich mit ihm das Erhabene der gemeinen Betrachtungsweise in nichts zergeht und so seinerseits komisch wird. Damit ist die naive Komik in ihr vollkommenes Gegenteil umgeschlagen. * * * * * Blicken wir jetzt zurueck, so erscheint die Komik arm und reich, leer und inhaltsvoll zugleich. An sich ist sie nichts als inhaltlich gleichgueltiges, leichtes und leicht verklingendes Spiel der Vorstellungen, das als solches begleitet erscheint von einem Gefuehl heiterer, durch die notwendig stattfindende Enttaeuschung der Erwartung oder Durchbrechung des gewohnten Vorstellungszusammenhanges kaum getruebter, aber vergaenglicher Lust. Die Komik erhaelt hoehere Bedeutung erst, wenn Werte, die auch ausserhalb der Komik bestehen, in sie eingehen. Solche Werte koennen in den komischen Vorstellungszusammenhang eintreten und von dem Strudel der komischen Vorstellungsbewegung hinabgezogen werden, dann aber auftauchen und sieghaft sich behaupten. Indem sie dies thun, erscheinen sie erst recht in ihrem Werte, und wirken auf das Gemuet, wie sie es nicht vermocht haetten in dem gewoehnlichen Vorstellungszusammenhang, wo sie in Gefahr waren, zu Momenten in dem gleichmaessig fortgehenden Strome des seelischen Geschehens herabgesetzt und keiner besonderen Beachtung gewuerdigt zu werden. Damit hebt dann freilich die Komik sich selbst in ihr Gegenteil auf. Will man von einer hoeheren Aufgabe der Komik reden,--und sie hat eine solche im Leben und in der Kunst,--so besteht sie eben in diesem Dienste, den sie dem Wertvollen in der Welt leistet, indem sie selbst, als reine Komik, zu bestehen aufhoert. Die Komik, so duerfen wir dies steigern, ist dazu da, Wertvolles und zuletzt sittlich Wertvolles in seiner Erhabenheit darzustellen. Mit einem Worte: Sie ist dazu da, zum Humor sich aufzuheben. Darin besteht ihre sittliche und zugleich aesthetische Bedeutung. Der Humor tritt neben die Tragik, der eine gleichartige Aufgabe zufaellt. Nur dass dort das Nichtige, hier das Leiden den Durchgangspunkt bildet und die Vermittlung vollzieht. Humor und Tragik, das sind die beiden Weisen, im Leben und in der Kunst durch Dissonanzen der Konsonanz, d. h. dem Guten erst die rechte Kraft zu geben. * * * * * IV. ABSCHNITT. DIE UNTERARTEN DES KOMISCHEN. XII. KAPITEL. DIE UNTERARTEN DER OBJEKTIVEN UND NAIVEN KOMIK. STUFEN DER OBJEKTIVEN KOMIK. Doch ehe wir dazu uebergehen, betrachten wir die Unterarten der im Bisherigen unterschiedenen Alten der Komik. Zunaechst die der objektiven Komik. Unsere Betrachtungsweise ist, wie bisher immer, zunaechst die allgemein psychologische, die aber weiterhin in die aesthetische Betrachtungsweise muenden soll. Hinsichtlich der objektiven Komik besteht in erster Linie diejenige psychologische Einteilung zu Recht, die schon frueher von uns vorausgesetzt wurde. Aehnlichkeit oder erfahrungsgemaesser Zusammenhang zwischen einem Gegebenen und einem erwarteten oder vorausgesetzten Erhabenen bildet den Grund fuer unsere Erwartung oder Voraussetzung dieses Erhabenen, die dann in nichts zergeht. Es giebt eine objektive Komik auf Grund dieser beiden, das ganze seelische Leben beherrschenden Arten der Association. Das kleine Haeuschen zwischen maechtigen Palaesten mag noch einmal als Beispiel der einen, die nichtige Leistung des Grosssprechers noch einmal als Beispiel der andern Art erwaehnt werden. Neben dieser formalen ist eine doppelte inhaltliche Einteilung moeglich, mit der wir uns schon der aesthetischen Betrachtungsweise naehern. Die in nichts zergehende Erhabenheit ist zunaechst _sinnliche_ Erhabenheit, d. h. Erhabenheit, die lediglich in der Energie und Dauer der Wirkung besteht, die ein wahrgenommener Gegenstand, nur als wahrgenommener, auf uns uebt. Diese Wirkung bleibt aber nie fuer sich. Welches Objekt auch auf uns wirken mag, immer verbindet sich mit seiner Wahrnehmung die Vorstellung eines so oder so gearteten, in ihm waltenden oder sich verkoerpenden Lebens. Der Baumriese hat nicht nur eine gewisse Groesse und Form, sondern er scheint sie zu haben, indem er sich reckt, dehnt, Widerstand leistet, kurz frei oder im Kampfe gegen Hindernisse seine Kraft entfaltet. Und der Gedanke daran laesst ihn erst eigentlich als erhaben erscheinen. Von solcher "Kraft" _sehen_ wir nichts. Wir kennen ueberhaupt, was den eigentlichen und urspruenglichen Sinn dieses Wortes ausmacht, nicht anders, denn als Inhalt unseres Kraftgefuehls, des Gefuehls freierer oder gehemmterer Anstrengung. Aber eben diesen Gefuehlsinhalt projizieren wir durch einen Akt der allergelaeufigsten Vermenschlichung ueberall in die Objekte hinein. Man erinnere sich hier wiederum des auf S. 19 f.[*] Gesagten. Ausserdem bitte ich hierueber meine "Raumaesthetik und geometrisch-optische Taeuschungen" (Leipzig 1898) zu vergleichen. [* Im Unterkapitel ALLERLEI AESTHETISCHE THEORIEN. Transkriptor.] Diese dynamische, wir koennten auch sagen animalische Erhabenheit bestimmt sich dann in dieser oder jener Weise naeher. Sie bekommt einen konkreteren und konkreteren Inhalt. Das "Leben", das von vornherein ein Analogon menschlichen Lebens ist, naehert sich dem Leben, wie wir es im Einzelnen in uns erleben oder erleben koennen. Es gewinnt bewussten _geistigen_ Inhalt. Seine Erhabenheit stellt sich dar als _geistige_ Erhabenheit. Schon der Baumriese hat nicht nur Kraft, sondern seine Kraft ist auf Bestimmtes gerichtet. Er will etwas, er hat Ziele oder Zwecke. Er "_sucht_" Luft und Licht. Er "erfreut" sich ihrer, wenn er davon umspielt wird. Er fluestert schliesslich und traeumt, wie eine Art selbstbewussten Individuums. Sowenig darnach Objekte als sinnlich, dynamisch, geistig erhaben einander gegenuebergestellt werden koennen, so wertvoll ist die Unterscheidung dieser Arten und Stufen der Erhabenheit fuer den aesthetischen Gesichtspunkt. Je hoeherer Stufe die Erhabenheit angehoert, um so schaerfer wird ihr Zergehen in nichts empfunden. Der Mensch, der das hoechste Erhabene ist, ist ebendarum das einzige urspruengliche Objekt der Laecherlichkeit. Alles andere kann laecherlich erscheinen nur in dem Masse, als es von uns vermenschlicht wird. Wiederum ist jene hoechste, geistige Erhabenheit intellektuelle Erhabenheit; oder Erhabenheit des auf Zwecke, vor allem sittliche Zwecke, gerichteten Wollens; oder endlich Erhabenheit, die in der Kraft, dem Reichtum, der Feinheit des Gefuehls besteht. Auch darnach lassen sich Stufen der objektiven Komik unterscheiden. SITUATIONS- UND CHARAKTERKOMIK. Neben solchen Einteilungen steht eine andere moegliche Einteilung der objektiven Komik, fuer welche gleichfalls der Inhalt der Komik den Einteilungsgrund bildet. Wir scheiden das Uebel oder das Nichtseinsollende, das uns widerfaehrt, von dem Boesen, dem Mangel, dem Fehler, der an uns ist und in unserem Thun oder Gebaren zu Tage tritt. Das Nichtseinsollende ist Begegnis oder Eigenschaft, Schicksal oder Charakter. So ist auch jede Komik fuer die Person, oder auch die Sache, die darin verflochten ist, Schicksal oder Charakter. Wir unterscheiden also Schicksals- oder Charakterkomik. Statt Schicksalskomik koennen wir auch sagen: Situationskomik. Dies erinnert uns an unser drittes Kapitel. Dort stellten wir einstweilen--mit _Kraepelin_--der Situationskomik nicht die Charakterkomik, sondern die Anschauungskomik gegenueber. Aber die hier gewaehlte Bezeichnung des Gegensatzes ist klarer. Wir bleiben darum bei ihr. Missfaellt der Ausdruck Charakterkomik, dann sage man: Komik des Wesens, oder: an der Beschaffenheit des komischen Objektes haftende Komik. Auch dies ist klar, dass beide Arten der Komik Hand in Hand gehen koennen, dass eine Komik beides zugleich sein kann, Situations- und Charakterkomik. Doch davon spaeter, wenn es sich um die aesthetische Bedeutung dieses Gegensatzes handeln wird. Dass derselbe eine solche aesthetische Bedeutung haben muss, braucht ja nicht gesagt zu werden. NATUERLICHE UND GEWOLLTE KOMIK. Hiermit verbinde ich weiterhin solche Unterschiede der objektiven Komik, die sich aus der Betrachtung der Arten oder der Gruende des Auftretens der Komik ergeben. Objektive Komik kann einmal durch den natuerlichen Zusammenhang der Dinge gegeben sein, oder im natuerlichen Verlauf des Geschehens sich einstellen. Sie ist ein andermal kuenstlich oder geflissentlich hervorgerufen. Fuer Letzteres bestehen wiederum verschiedene Moeglichkeiten. Ich haenge jemanden etwas an, das ihn komisch macht, oder bringe ihn in eine komische Situation, spiele ihm einen "Possen", mache mit ihm einen "Witz". Von solcher Hervorrufung der Komik, bei welcher das Komische oder der eigentliche Gegenstand der Komik erst von mir ins Dasein gerufen wird, unterscheide ich die komische Darstellung, die nicht das Komische, wohl aber die Komik erst erzeugt. Auch diese "komische Darstellung" kann wiederum einen verschiedenen Sinn haben. Sie besteht einmal lediglich darin, dass ich dasjenige an einer Person oder Sache, das an sich komisch zu wirken geeignet ist, beschreibe, zur Kenntnis bringe, ans Licht setze. Indem ich dies thue, mache ich erst die Komik moeglich. Dabei ist es gleichgueltig, ob das dargestellte Komische ein wirkliches oder ein fingiertes ist. Ich rechne also hierher auch die Darstellung erfundener oder durch kuenstlerische Phantasie gefundener komischer Gestalten und Situationen. Hiervon deutlich unterschieden ist die Darstellung, die erst durch die Weise der Darstellung die Komik hervorruft. Ein Objekt traegt an sich nichts, das mir bei gewoehnlicher Betrachtung komisch erschiene. Nun manipuliere ich aber in der Darstellung mit dem Objekte so, dass ein komisches Licht darauf faellt. Ich beleuchte es komisch. Diese komische Beleuchtung wird immer zugleich im eigentlichen Sinne des Wortes "witzig" sein, d. h. einen Fall der subjektiven Komik darstellen. Die Manipulation, von der ich rede, erzeugt ja der Voraussetzung nach eine Komik, die nicht im Objekte liegt. Sie ist also ein Spiel, das etwas sagt, das ein Urteil ueber ein Objekt entstehen laesst, angesichts des Objektes aber doch wiederum als nichtssagendes Spiel erscheint. Es ist die sachlich unberechtigte Einfuegung in einen Vorstellungszusammenhang, die das Objekt hinsichtlich seines Eindruckes auf uns in ein anderes verwandelt, und doch das Objekt selbst laesst wie es ist. Hierhin gehoert die Komik der Nachahmung, von der oben die Rede war. Die komische Nachahmung loest, wie wir sagten, das Nachgeahmte aus dem Zusammenhang der Person, in der es in der Ordnung, also nicht komisch erscheint, und stellt es isoliert hin. Damit nimmt sie dem Nachgeahmten seinen Sinn oder seine individuelle Berechtigung. Neben diese komische Nachahmung tritt die durch die Mittel der Sprache bewirkte komische Gruppierung von Zuegen eines wirklichen oder fingierten Menschen oder Dinges, die Zusammenstellung des relativ Erhabenen und des Nichtigen, der Art, dass daraus eine komische Beleuchtung sich ergiebt. Die komische Darstellung geht von hier noch einen Schritt weiter, wenn sie zur karikierenden, uebertreibenden, verzerrenden Darstellung wird. Sofern solche Darstellung glaublich erscheint, das Dargestellte als damit "getroffen" anerkannt wird, und andererseits doch wiederum die Karikatur, Uebertreibung, Verzerrung als solche, d. h. als von der Wirklichkeit abweichendes, willkuerliches und demnach nichtsbedeutendes Spiel erscheint, ist sie zugleich eine besondere Art des Witzes. Als solche gehoert sie nicht hierhin. Hierzu fuege ich als weitere und eigenartige Weisen der "komischen Darstellung", in unserem Sinne, die Travestie und die Parodie. Auch sie sind Arten der komischen Gruppierung oder der unmittelbaren Aneinanderrueckung des Erhabenen und des Nichtigen. Aber nicht Zuege des Objektes sind es, die hier unmittelbar aneinandergerueckt und zur Einheit verbunden scheinen, sondern: In der Travestie wird das Erhabene in Worten und Wendungen, die einer niedrigeren Sphaere angehoeren, dargestellt, in der Parodie umgekehrt das Niedrige oder Triviale durch Einkleidung in eine dem Erhabenen zugehoerige sprachliche Form zu einem Scheinerhabenen gestempelt. Dort zergeht die Erhabenheit des Inhaltes durch die Form, und zugleich die Form, die vermoege des Inhaltes Erhabenheit sich anmasste, in sich selbst. Hier zergeht die erhabene Form durch den Inhalt, und zugleich der durch die Form zum Scheinerhabenen aufgebauschte Inhalt in sich selbst. POSSENHAFTE, BURLESKE, GROTESKE KOMIK. Die hier gemachten Unterscheidungen bringen wir endlich wiederum in Zusammenhang mit gewissen herkoemmlichen Begriffen, in denen Arten des Komischen bezeichnet scheinen. Nennen wir ein Komisches "_possenhaft_", so wollen wir es wohl zunaechst als ein Derbkomisches charakterisieren. Possenhafte Komik ist eine Komik, bei der wir nicht laecheln, sondern ueber etwas, vor allem ueber Personen herzlich lachen, sie, wenn auch gutmuetig, belachen, verlachen, auslachen. Aber wir nennen andererseits mit diesem Namen nicht dasjenige Derbkomische, das jemandem natuerlicherweise anhaftet oder geschieht. Sondern, wie jeder fuehlt: Das Possenhafte ist jederzeit ein beabsichtigtes, gemachtes. Es ist eine gewollte Weise, jemanden komisch erscheinen zu lassen. Eine solche Weise liegt nun zunaechst vor, wenn ich jemandem "einen Possen spiele". Dabei spekuliere ich auf seine Dummheit, sein Ungeschick, seine Feigheit, sein koerperliches Unvermoegen u. dgl. Die possenhafte Komik ist die Komik der "Streiche", die dem Dummen, Ungeschickten, Feigen, vielleicht aber sehr klug, geschickt, tapfer sich Duenkenden oder Gebaerdenden, auch dem mit einem Gebrechen Behafteten, gespielt werden und diese Eigenschaften hervortreten lassen und dem Lachen preisgeben. Es ist aber zum Possenhaften nicht erforderlich, dass der "Possenreisser" anderen einen Possen spiele. Es ist auch possenhaft, wenn jemand sich selbst in komischer Weise als Narren, Ungeschickten, Feigen oder dergleichen darstellt, sein koerperliches Gebrechen dem Lachen preisgiebt, oder ein solches fingiert; wenn er den Narren, Toelpel, Feigling, den mit einem Gebrechen Behafteten "spielt", um damit zu belustigen. Bisher verstand ich unter der possenhaften Komik eine Komik des Verhaltens, Thuns, Gebarens. Possenhafte Komik ist aber weiter auch die Komik der Darstellung in Wort und Bild, die Verlachenswertes zum Inhalte hat, sei es, dass sie lediglich ein der Wirklichkeit Angehoeriges oder fingiertes Verlachenswertes beschreibt, es erzaehlt, davon berichtet, sei es, dass sie dasselbe erst durch die Weise der Darstellung als ein Verlachenswertes erscheinen laesst oder dazu macht. Auch hier wird die Dummheit, das Ungeschick, die Feigheit, das Gebrechen und dergleichen den Inhalt der Komik ausmachen. Indem ich das Possenhafte in diesem Sinne nehme, weiss ich mich einigermassen in Uebereinstimmung mit _Schneegans_, der in seiner "Geschichte der grotesken Satire" das Possenhafte als die Komik, die aus der angeschauten Dummheit sich ergiebt, bezeichnet. Diese Bestimmung ist freilich zunaechst enger als die unsrige, und zweifellos zu eng. Andererseits unterlaesst es _Schneegans_, ausdruecklich zu betonen, dass nicht komische Dummheit, der wir irgendwo im Leben begegnen, possenhaft ist, sondern nur die geflissentlich hervorgelockte oder komisch beleuchtete; nicht die "angeschaute", sondern die zur Anschauung gebrachte. Oder bestimmter und zugleich allgemeiner gesagt, dass "Possenhaft" nicht ein Praedikat der _Komik_, oder des Komischen als solchen ist, sondern vielmehr ein Praedikat, durch welches wir das auf Hervorbringung des komischen Effektes abzielende und zur Erreichung dieses Zieles bestimmte Mittel anwendende, bewusste menschliche _Thun_ bezeichnen. Possenhaft ist nicht das Opfer eines Streiches, sondern der Streich; nicht die Dummheit, die der Clown fingiert, sondern dies sein Spiel; nicht das in Wort oder Bild dargestellte Verlachenswerte, sondern diese Darstellung; zugleich doch wiederum diese Darstellung nicht als solche, sondern sofern sie diesen bestimmten Inhalt hat, oder mit diesem Mittel diesen bestimmten komischen Effekt hervorbringt. Dieser possenhaften Komik tritt dann zur Seite die "_burleske_". Auch "Burlesk" ist nicht eine Bezeichnung fuer eine bestimmte Art des Komischen, sondern fuer eine Weise etwas komisch erscheinen zu lassen oder eine Weise der Darstellung mit komischem Inhalt oder Effekt. Und zwar erscheint es historisch und durch den Sprachgebrauch genuegend gerechtfertigt, wenn wir mit _Schneegans_ als burlesk die parodierende und travestierende komische Darstellung bezeichnen. Endlich werden wir berechtigt sein, wiederum im Einklang mit _Schneegans_, als "_grotesk_" die komische Darstellung zu bezeichnen, fuer welche die Karikatur, die Uebertreibung, die Verzerrung, das Unglaubliche, das Ungeheuerliche, das Phantastische das Mittel zur Erzeugung der komischen Wirkung ist. Hiermit haben nicht alle Arten der geflissentlich ins Dasein gerufenen objektiven Komik ihre besonderen Namen bekommen. Es bleiben daneben viele Moeglichkeiten der Hervorrufung oder Darstellung einer Komik, die vom Possenhaften, Burlesken, Grotesken mehr oder weniger weit entfernt sind. Es bleiben insbesondere vielerlei Arten, durch den Witz eine Person oder einen Vorgang in komische Beleuchtung zu ruecken. Soweit dabei eine besondere Eigenart des Witzes vorausgesetzt ist, werden diese Moeglichkeiten nachher zu unterscheiden sein. Im uebrigen haette es nicht viel Wert, wenn wir hier weitere Einteilungen und Unterscheidungen versuchen wollten. Alle die bezeichneten Moeglichkeiten der objektiven Komik bleiben aesthetisch wertlos, solange sie nichts sind als Moeglichkeiten der Komik. Es ist aber teilweise im Obigen schon angedeutet, wie sie aesthetischen Wert gewinnen koennen. Die possenhafte Komik braucht als solche nicht, aber sie kann gutmuetig sein. Noch mehr, sie kann herzerfreuend sein. Dies ist nur moeglich, wenn etwas Gesundes, urspruenglich Menschliches, Wahres, Ehrliches, Gutes in ihr ist, vielleicht gar eine besondere Staerke und menschliche Groesse. Dergleichen kann in der possenhaften Komik nicht nur nebenbei enthalten sein, sondern es kann eben durch dieselbe erst recht zum Bewusstsein gebracht werden. Dann wird die possenhafte Komik zum Humor; es entsteht das Kunstwerk der Posse, etwa der Volksposse, ein Kunstwerk, das trotz der "niedrigeren" Sphaere und der drastischen Mittel aesthetisch hoeher stehen, also im hoeherem Grade ein "Kunstwerk" sein kann, als Dutzende von "feineren" Lustspielen, die vielleicht nur darum feiner heissen, weil ihnen alle Kraft und Tiefe fehlt, weil sie unterhalten, "interessieren", eine "Belustigung des Verstandes und Witzes" hervorbringen, aber alles innerlich Erhebenden und Erwaermenden baar sind, ebenso geistreich wie herzlos. Noch weniger kann mir daran gelegen sein, in eingehenderer Weise, als ich es oben schon that, Arten der naiven Komik zu unterscheiden. Dagegen verlohnt es die Muehe, die unendliche Menge der Moeglichkeiten einer subjektiven Komik nach Gesichtspunkten, die in der Natur der Sache liegen, zu ordnen. Dies soll im Folgenden versucht werden. XIII. KAPITEL. DIE UNTERARTEN DER SUBJEKTIVEN KOMIK. ALLGEMEINES. Auch die subjektive Komik oder der Witz kommt durch Wirkung jener beiden Arten der Vorstellungsassociation, der Association des Aehnlichen und der Association auf Grund der Erfahrung, zu stande. Wir verbinden aber diesen Gesichtspunkt hier von vornherein mit dem aus der spezifischen Eigenart des Witzes sich ergebenden logischen Gesichtspunkt. Der in Zeichen, vor allem in sprachlichen Zeichen formulierte Gedanke, das ist, wie wir wissen, das besondere Gebiet des Witzes. Entsprechend muss bei der Einteilung der Witzarten der logische Gesichtspunkt, ich meine den Gesichtspunkt derjenigen "Logik", die eben mit dem _formulierten_ Gedanken zu thun hat, der eigentlich sachgemaesse sein. Die Logik redet von Begriffen, das heisst Worten, die etwas bezeichnen, von Beziehungen zwischen Begriffen, von Urteilen, von Beziehungen zwischen Urteilen, endlich von Schluessen. Darnach werden wir unterscheiden den Begriffs- oder Wortwitz, die witzige Begriffsbeziehung, das witzige Urteil, die witzige Beziehung zwischen Urteilen, endlich den witzigen Schluss. Die Untereinteilung ergiebt sich dann einerseits aus dem Gegensatz jener beiden Arten des Vorstellungszusammenhanges, andererseits aus dem Unterschied solcher Arten des Witzes, bei denen der Witz auf lediglich aeusseren, sprachlichen Momenten beruht, und solcher, bei denen er irgendwie sachlich begruendet ist. Wir gewinnen auf diesem Wege eine Unterscheidung von vier Arten von Begriffswitzen, witzigen Begriffsbeziehungen, witzigen Urteilen etc., naemlich (A. 1) solchen, die zu stande kommen durch Aehnlichkeit, beziehungsweise Gleichheit von Worten oder Saetzen, (A. 2) solchen, deren Moeglichkeit darauf beruht, dass wir irgendwelchen Sprachformen die Bedeutung, die sie in unserer Erfahrung gewonnen haben, auf Grund davon, also gewohnheitsmaessig, auch da zugestehen, wo sie ihnen nicht zukommt, oder nicht zuzukommen scheint, (B. 1) solchen, bei denen eine sachliche Uebereinstimmung, und endlich (B. 2) solchen, bei denen ein erfahrungsgemaesser sachlicher Zusammenhang die logische oder pseudologische Grundlage bildet. DER WORT- ODER BEGRIFFSWITZ. I. Der "_Wort- oder Begriffswitz_" erzeugt illegitime Begriffe, die wir uns dennoch, wenigstens fuer den Augenblick, gefallen lassen; er macht und gebraucht Worte, die etwas bezeichnen oder zu bezeichnen scheinen und doch wiederum nichts bezeichnen oder nichts scheinen bezeichnen zu koennen. A. Gleich bei dieser ersten und niedrigsten Witzart ist jene Untereinteilung am Platze. Die Witzart beruht zunaechst auf lediglich _aeusseren_ Momenten, Momenten der reinen _sprachlichen Form_, und zwar 1. auf _Wortaehnlichkeit_. Man kennt die jugendliche Mode, Worte so zu veraendern, oder umzudrehen, dass sie aufgehoert haben, sinnvolle Sprachzeichen zu sein, und doch wegen der Aehnlichkeit mit dem Original noch verstanden werden. Der Witz dieser "_witzigen Wortverdrehung_" beruht, wie ueberhaupt der Wortwitz, nur eben auf diesem Gegensatz von Sinnlosigkeit und verstaendlichem Sinne.--Als eine besondere Art der witzigen Wortverdrehung kann die Verdrehung von Fremdwoertern--ohne Anklang an andere, wovon spaeter--bezeichnet werden, wie sie "Unkel Braesig" so oft wider Willen begegnet. 2. Auf der gewohnheitsmaessigen Festhaltung der erfahrungsgemaessen Geltung sprachlicher Formen koennen Wortwitze in doppelter Weise beruhen. Auf der Gewohnheit mit Worten ueberhaupt einen Sinn zu verbinden, beruht die Moeglichkeit der "_witzigen Scheinbegriffe_". Ich antworte etwa auf die Frage, was dies oder jenes sei, mit einem Worte, das es nirgends giebt, und das fuer niemand einen Sinn hat; lediglich vertrauend auf den Glauben des Hoerers, es muesse sich, wenn er nur Worte hoert, dabei doch etwas denken lassen. Der Witz besteht fuer den, der sich verblueffen laesst und einen Augenblick darauf "hereinfaellt", dann aber sofort weiss, dass er duepiert ist. Hoeher steht die "_witzige Wortbildung_" nach aeusserer Analogie, das heisst nach einer erfahrungsgemaess feststehenden, im gegebenen Falle aber unanwendbaren Regel der Wortbildung. Alle Wortbildungsmittel, moegen sie Endsilben, Vorsilben oder sonstwie heissen, beliebige grammatikalische Formen, die ungeheuerlichsten Wortzusammensetzungen, koennen in den Dienst dieser Witzart treten. Vorausgesetzt ist nur, dass sie aus der sonstigen sprachlichen Erfahrung verstaendlich sind, und darum in ihrer Sinnlosigkeit doch sinnvoll erscheinen. Ihr Wert erhoeht sich, wenn sie nicht blosse Spielerei sind, sondern eine Sache kurz und schlagend bezeichnen. B. Dem aeusseren Zusammenhange haben wir den _inhaltlichen_ oder _sachlichen_ entgegengestellt. Verstehen wir darunter, wie nachher, den objektiven Zusammenhang der Dinge, so kann es einen Wortwitz auf Grund irgendwelchen sachlichen Zusammenhanges nicht geben. _Urteile_ gewinnen wirkliche oder scheinbare Geltung aus dem Zusammenhange der Thatsachen. Einem _Worte_ aber einen Sinn zuzuschreiben, dazu kann kein solcher Zusammenhang veranlassen. Der einzige sachliche Zusammenhang, der hier in Frage kommt, ist eben der zwischen dem Wort und seinem Sinn. Der ist es denn auch, der hier an die Stelle des Zusammenhangs der Dinge treten muss. 1. Dieser Zusammenhang ist Zusammenhang der Aehnlichkeit bei ueberraschenden, und sprachlich unerlaubten, aber doch bezeichnenden onomatopoetischen Bildungen, wie wir sie auch im gewoehnlichen Leben oft in witziger oder witzelnder Weise vollziehen. 2. Er beruht auf Erfahrung bei allen den witzigen Wortbildungen, die wir uns nur darum gefallen lassen, weil sie thatsaechlich bestehen. Ueberall, bei Kindern, bei den verschiedenen Staenden Gesellschafts- und Berufsklassen, in Provinzen und Staedten, begegnen wir neben der allgemeingueltigen einer eigenen Sprache. Die Worte sind witzig, nicht fuer denjenigen, dem sie voellig gelaeufig und naturgemaess sind, wohl aber fuer den, dem sie verstaendlich und doch, weil dem anerkannten Sprachgebrauche fremd, eigentlich sinnlos erscheinen. Auch fremdsprachliche Worte, die ganz anders klingen, als wir es gewohnt sind, und die darum ueberhaupt nicht als moegliche Sprachzeichen erscheinen, koennen aus gleichem Grunde den Eindruck des Witzigen machen. Der Wert des Witzes erhoeht sich wiederum, wenn die Worte die Sache kurz bezeichnen.--Wie dort, bei der "_witzigen Onomatopoesie_", in der Aehnlichkeit des Wortes mit der bezeichneten Sache, so liegt hier, bei den "_witzigen Idiotismen_", in der erfahrungsgemaessen Thatsache, dass das Wort die Sache bezeichnet, die "sachliche" Begruendung des Witzes. DIE WITZIGE BEGRIFFSBEZIEHUNG. II. Die "_witzige Begriffsbeziehung_" stellt Beziehungen zwischen Begriffen unrechtmaessig oder scheinbar unrechtmaessig her, Beziehungen der Gleichheit oder Verschiedenheit, der Identitaet oder des Gegensatzes. Beziehungen endlich der Zusammengehoerigkeit dieser oder jener Art. A. Betrachten wir auch hier zuerst die Faelle, in denen _aeussere Momente_ den Witz begruenden. 1. Wir haben dann, soweit das aeussere Moment in Wortaehnlichkeit besteht, in erster Linie zu nennen die "_witzige Wortverwechselung_". Ein Wort tritt an Stelle eines anderen, ihm aehnlichen Wortes, das seinen eigenen und wohlbekannten Sinn hat. Der Witz entsteht, indem wir die Verwechselung verstehen, d. h. sie, durch die Aehnlichkeit der Worte verfuehrt, in Gedanken mitmachen, und damit die entsprechenden Begriffe und Gegenstaende fuer einen Augenblick identifizieren. Jemand "insultiert" etwa den Arzt statt ihn zu konsultieren und erweckt damit die Vorstellung, als ob in der That das Konsultieren ein Insultieren waere, und nicht bloss ein Wort fuer ein anderes taschenspielerisch eintraete. Wie hier, so ist ueberhaupt bei der witzigen Begriffsbeziehung auf Grund von Wortaehnlichkeit, die hergestellte Beziehung die der Identitaet oder wenigstens der Vergleichbarkeit. Eine weitere Art bezeichnen wir als "_witzige Wortkarikatur_". Wenn ich den Perueckentraeger einen "Perueckles" nenne, so ersetze ich nicht ein Wort durch ein anderes, ebenso sprachgebraeuchliches, sondern ich veraendere oder verdrehe ein Wort, ohne es doch voellig unkenntlich werden zu lassen, kuenstlich in der Weise, dass es an ein anderes bekanntes anklingt, oder in ein (illegitimes) neues, mit selbstaendigem Sinn, sich verwandelt. Insofern das Wort trotz seiner Veraenderung verstaendlich bleibt, liegt zunaechst eine einfache "witzige Wortverdrehung" oder "Wortbildung", also ein blosser Wortwitz vor. Indem wir aber zugleich den durch die Veraenderung erschlichenen neuen Sinn mit dem festgehaltenen alten identifizieren, entsteht die genannte neue, in diesen Zusammenhang gehoerige Witzart. Der "Perueckles" erscheint als eine Art Perikles, ebenso die als "Dichteritis" bezeichnete Dichterei im Lichte einer der Diphtheritis vergleichbaren Krankheit u. s. w. Wir koennen Dinge bezeichnen direkt und bildlich. Auch das Bild kann derart verschoben werden, dass es kein legitimes Bild mehr ist, aber doch noch erkannt wird und zugleich in der Verschiebung einen scherzhaften Nebensinn ergiebt. Eine sehr gelaeufige derartige Bildkarikatur lasse ich mir beispielsweise zu Schulden kommen, wenn ich sage, jemandem sei--nicht ein Licht, sondern ein Nachtlicht, eine Thranlampe oder etwas dergleichen aufgegangen. So wenig Witz in solchen Witzen stecken mag, so habe ich sie doch hier mit zu erwaehnen. Alle moeglichen Wortverdrehungen und Wortbildungen koennen in den Dienst jener witzigen Wortkarikatur treten. Wir koennen aber aus der Menge der moeglichen Faelle diejenigen noch besonders hervorheben, in denen der mit dem kuenstlichen Wortgebilde urspruenglich gemeinte Gegenstand nicht nur in spielende, sachlich bedeutungslose Beziehung zu dem durch die Umbildung neu entstehenden Begriffe gesetzt, sondern durch den Inhalt dieses Begriffes charakterisiert, erklaert, illustriert werden soll. Derart sind die _Fischart_'schen "_charakterisierenden Wortbildungen_"--"Jesuwider" statt Jesuit oder Jesuiter, "Maulhenkolisch" statt Melancholisch und unzaehlige andere. Der besondere Wert dieser Art leuchtet ein. Jene Neubildung ist zugleich ein vernichtendes Urteil, diese wenigstens eine drastische Veranschaulichung. In allen diesen Faellen wird der mit dem gebrauchten Worte eigentlich gemeinte Begriff oder Gegenstand erraten oder kann erraten werden. Es genuegt, dass ich sage, jemand habe die Dichteritis und man weiss, dass seine Dichterei damit witzig charakterisiert werden soll. Dagegen werden bei anderen Arten der witzigen Begriffsbeziehung beide Begriffe ausdruecklich bezeichnet und auch aeusserlich in Beziehung gesetzt.--Ein analoger Gegensatz wird uns noch oefter begegnen. Auch hierbei sind die beiden Moeglichkeiten: die Traeger der beiden Begriffe sind gebraeuchliche Worte, oder es findet eine Wortneubildnng statt. Das Erstere ist der Fall bei den "_einfachen Klangwitzen_" der _Schiller_'schen Kapuzinerrede: Krug--Krieg, Sabel--Schnabel, Ochse--Oxenstirn; das Letztere bei den demselben Zusammenhange angehoerigen "karikierenden Klangwitzen": Abteien--Raubteien, Bistuemer--Wuesttuemer. In beiden Faellen liegt eine Beziehung der Begriffe bereits ausdruecklich vor. Wir verwandeln aber diese--bloss aeusserlich thatsaechliche Beziehung, verfuehrt durch den Gleichklang der Worte, in eine Art innerer Wesensbeziehung. Jene thatsaechliche Beziehung wird fuer uns zu einer sozusagen selbstverstaendlichen, in der Natur der Begriffsinhalte selbst liegenden. Eben darauf beruht bei beiden der Witz. Als eine besondere Art des Klangwitzes kann noch der "_antithetische Klangwitz_" bezeichnet werden, von der Art des recht bezeichnenden, der mit Bezug auf eine Berliner Kunstausstellung gemacht wurde: es seien dort viele eingerahmte Bilder, aber noch mehr eingebildete Rahmen zu sehen gewesen. Entsprechend der Umkehrung der Worte scheinen auch die Begriffe inhaltlich einer als blosse Umkehrung oder ergaenzende Kehrseite des anderen.--Zugleich gehoert freilich die unlogische Begriffsverbindung "eingebildete Rahmen" fuer sich allein noch einer andern und zwar einer gleich zu besprechenden Witzart zu. 2. Auf der Grenze zwischen der witzigen Begriffsbeziehung auf Grund der Wortaehnlichkeit und derjenigen, bei der die gewohnheitsmaessige Festhaltung der logischen Bedeutung von aeusseren Sprachformen den Witz macht, steht die "_witzige Wortverschmelzung_". Zu jenen hier in Betracht kommenden "aeusseren Sprachformen" gehoeren alle erfahrungsgemaessen Formen der Wortverbindung. Eine derselben ist die Wortzusammensetzung. Als eine karikierende Abart derselben kann die sprachlich unmoegliche Wortverschmelzung--Famillionaer, Unterleibnizianer, Revolutionaerrisch etc.--betrachtet werden. Insofern gehoert die witzige Wortverschmelzung in _diesen_ Zusammenhang. Zugleich ist sie doch auch "witzige Wortkarikatur". Entsprechend dieser Doppelnatur besteht der in ihr entstehende "Nebensinn" je nach der Art der Verschmelzung bald im Gedanken einer Identitaet, bald in der Vorstellung einer gewissen Zusammengehoerigkeit der Begriffsinhalte, naemlich der Inhalte der Begriffe, die in der Wortverschmelzung vereinigt sind. Der "Unterleibnizianer", d. h. der mit seiner Verdauung nicht recht zuwege Kommende, erscheint ohne weiteres als eine Art Schueler oder "Unterschueler" des grossen Philosophen, das "revolutionaerrische" Gebaren ist ein als naerrisch charakterisiertes revolutionaeres Gebaren, das "famillionaere" ein familiaeres mit dem Beigeschmack des Millionaertums. Als Gegenbild der witzigen Wortverschmelzung nennen wir gleich die "_witzige Wort_- oder _Begriffsteilung_", durch die der Schein einer Teilung eines Begriffs in zwei selbstaendige erzeugt wird. So, wenn ich von Demo-, Bureau- und anderen Kraten spreche. Der Schein, dass die Wortteile, in unserem Falle insbesondere das "Kraten" selbstaendige Begriffe darstellen, kann entstehen, weil wir es oft genug erfahren haben, dass selbstaendige Worte mit anderen zu einem vereinigt sind. Der Witz gehoert zugleich zur Gattung der "einfachen Klangwitze", wenn die Klangaehnlichkeit oder -gleichheit des abgetrennten Wortteils mit einem selbstaendigen Worte, das mit jenem Wortteil inhaltlich nichts zu thun hat, benutzt wird, um den Schein der Inhaltsgleichheit beider zu erzeugen. "Welcher Ring ist nicht rund?--Der Hering"; "Photo-, Litho- und andere Grafen".--Die witzige Begriffsteilung ist zugleich "karikierender Klangwitz", wenn der abgetrennte Begriffsteil erst karikiert werden muss, ehe er mit dem ihm fremden Worte zu inhaltlicher Identitaet gebracht werden kann. "Auch bei den Alten schon gab es allerlei Kloesse; z. B. Sophokloesse, Perikloesse" u. s. w. Von der witzigen Wortverschmelzung verschieden ist die "_witzige Wortzusammensetzung_":--"Sprechruhr" u. dgl. Wieder anderer Art ist die "witzige Aufzaehlung" nach der Art des _Heine_'schen "Studenten, Vieh, Philister" etc.; mit dieser naechstverwandt die "_witzige Koordination_", die ihrem Sinne nach bald Unterordnung unter denselben Begriff, bald Unterscheidung, bald Entgegensetzung sein kann: "Mit einer Gabel und mit Mueh' zog ihn die Mutter aus der Brueh'"; "Der Loewe ist gelb aber grossmuetig"--als ob die Muehe ein Instrument waere, wie die Gabel, die Grossmut eine sichtbare Eigenschaft, die mit der Farbe verglichen werden koennte;--"Nicht nur Gelehrte, sondern auch einige vernuenftig denkende Menschen"--als ob es unter den Gelehrten nicht auch mitunter vernuenftig denkende Menschen gaebe;--"Klein aber niedlich"--als ob dies nicht vielmehr sehr nahe verwandte Begriffe waeren. Die attributive Verbindung wird witzig missbraucht im "_witzigen Widersinn_" von der Art des hoelzernen Schuereisens oder des Lichtenberg'schen Messers ohne Klinge, an dem der Stiel fehlt. Widersprechendes scheint vertraeglich, weil wir, von der aeusseren Verbindung der Worte ueberrascht, den Widerspruch nicht oder nicht sogleich empfinden. Andere Beispiele, wie das "messingne Schluesselloch", der "lederne Handschuhmacher", der "doppelte Kinderloeffel fuer Zwillinge" gehoeren, sofern bei ihnen dem Glauben an die Gueltigkeit des Begriffes zugleich ein erfahrungsgemaesser sachlicher Zusammenhang zu Grunde liegt, zugleich zu einer spaeter zu besprechenden Gattung.--Dagegen verfuehrt uns die aeussere Verschiedenheit von Gegenstand und Attribut zur Annahme einer sachlichen Verschiedenheit in der "_witzigen Tautologie_". Eine solche waere die "reitende Artillerie zu Pferde", die man der bekannten "reitenden Artillerie zu Fuss" konsequenterweise entgegenstellen muesste. B. Von der witzigen Begriffsbeziehung, soweit sie auf inneren Momenten und zwar 1. auf teilweiser sachlicher _Uebereinstimmung_ beruht, gilt speciell, was _Jean Paul_ vom Witze ueberhaupt sagt, naemlich, dass sie halbe, Viertelsaehnlichkeiten zu Gleichheiten mache und so den aesthetischen Lichtschein eines neuen Verhaeltnisses erzeuge, indes unser Wahrheitsbewusstsein das alte festhalte. Zur Bezeichnung von Personen, Dingen, Eigenschaften werden Begriffe verwandt, die mit dem, was sie bezeichnen, sich teilweise decken, zugleich aber ihm irgendwie inkongruent, also zur Bezeichnung eigentlich nicht geeignet erscheinen. Der Eindruck des Witzigen entsteht, indem wir uns die Bezeichnung gefallen lassen, also die teilweise Uebereinstimmung fuer eine ganze nehmen, dann aber sogleich wiederum der Inkongruenz uns bewusst werden. Insofern die witzige Bezeichnung jedesmal an die Stelle der unmittelbar geeigneten tritt, lassen sich alle hierher gehoerigen Faelle unter den Begriff der "_witzigen Begriffssubstitution_" fassen. Dieselbe ist a) "logische" Begriffssubstitution. Personen, Dinge, Eigenschaften, Thaetigkeiten werden bezeichnet statt durch den sachlich eigentlich geforderten und nach einfach logischem Sprachgebrauch naechstliegenden Begriff, durch einen ihm uebergeordneten oder nebengeordneten oder untergeordneten: die Begriffssubstitution ist verallgemeinernde oder vergleichende oder individualisierende Bezeichnung. Dabei bleibt der stellvertretende Begriff undeterminert oder er erhaelt eine naehere Bestimmung, die die Bezeichnung erst verstaendlich macht. Verallgemeinernde Bezeichnungen der ersteren Art waehlen wir besonders, um verbluemt zu reden, oder zum Bewusstsein zu bringen, dass uns der Gegenstand des specielleren Namens nicht wert scheine. Der im Gefaengnis Sitzende hat frei Quartier oder frei Kost und Logis, wird auf oeffentliche Kosten gespeist, hat sich der Einsamkeit ergeben, sich fuer eine Zeitlang von der Oeffentlichkeit zurueckgezogen etc.; der Redner hat "es nicht halten koennen", hat die Lnft erschuettert, sich in Bewegung seiner Lungenmuskeln ergangen, sein Stimmband in toenende Schwingungen versetzt u. dgl. Witzig vergleichende Bezeichnungen sind in vielen Faellen die sprichwoertlichen Redensarten: Er hat geraeuchertes Fleisch (Ausschlag) im Gesicht; Den Teufel barfuss laufen hoeren; Etwas auf der unrechten Bank finden (= stehlen). Die meisten dergleichen Wendungen sind zugleich individualisierend: Die Laus um den Balg schinden; Aus einem .... einen Donnerschlag machen; Den .... (naemlich die untere Fortsetzung des Rueckens) hinten tragen, d. h. sich betragen, wie man sich natuerlicher Weise betraegt u. dgl. Eine reine Individualisierung ist es, wenn ich statt von den Malern einer Stadt von den dort lebenden Rafaels und Tizians rede. Tritt zum substituierten Begriff die naehere Bestimmung hinzu, so wird die Substitution zur vollstaendigeren oder weniger vollstaendigen "_witzigen_"--wenn naemlich witzigen--"_Umschreibung_", und zwar wiederum zur--zunaechst wenigstens--verallgemeinernden oder vergleichenden oder individualisierenden, bezw. auch hier zur individualisierend vergleichenden. Auch die "verallgemeinernde" _Umschreibung_ wird speciell der verbluemenden Bezeichnung dienen; die vergleichende und individualisierende ihrerseits wird oft vergleichen, was im Grunde nicht zu vergleichen ist und erst durch die einschraenkende naehere Bestimmung vergleichbar erscheint. So wenn ich, nach Heine, eine alte haessliche Frau als eine zweite Venus von Milo bezeichne, naemlich was das Alter, die Zahnlosigkeit und die gelben Flecken angehe. Witze dieser Art sind billig, solange sie nur Dinge mehr oder weniger kuenstlich bezeichnen. Ihr Interesse waechst, wenn sie "_karikierende Bezeichnungen_" oder "_witzige Hyperbeln_" sind, und doch, was sie eigentlich sagen wollen, deutlich zu verstehen geben. Im Grunde ist freilich, da jeder Vergleich hinkt und jede Individualisierung neue Momente hinzufuegt, naemlich eben die individualisierenden, jede darauf beruhende Bezeichnung irgendwie karikierend, das heisst die Sache verschiebend. Und diese Verschiebung wird leicht, obgleich durchaus nicht immer, zugleich eine Steigerung sein. Dass umgekehrt die Steigerung--Kilometernase, Quadratmeilengesicht etc.--jederzeit eine Verschiebung ist, braucht nicht gesagt zu werden.--Aber nicht jede witzige Karikatur oder Hyperbel ist so drastisch, wie etwa die hyperbolisch karikierenden Bezeichnungen, die Falstaff auf Bardolphs Nase haeuft. Abgesehen davon besteht noch ein weiterer Unterschied. Die witzigen Bezeichnungen sind entweder nur spielende Bezeichnungen, denen es nicht darauf ankommt, ob das Wesen der Sache, so wie es wirklich ist, getroffen wird, oder sie heben eine wesentliche Eigenschaft treffend hervor, sind also charakterisierend, oder endlich sie sind ironisch gemeint. Dem letzteren Zwecke dient insbesondere eine Art, die darum speciell den Namen der "_ironischen Bezeichnung_" fuehren muss. Es liegt Ironie darin, wenn ich meine bescheidene Wohnung als meinen Palast oder meine Residenz bezeichne; insofern ich naemlich erwarte, der Hoerer werde aus dem stolzen Namen das ungefaehre Gegenteil, die gar nicht stolze Wohnung, heraushoeren. Zunaechst aber will ich, wenn ich solche Ausdruecke gebrauche, einen Gegenstand, durch den Namen fuer einen aehnlichen, spielend bezeichnen. Wenn ich dagegen eine tadelnswerte Handlung, ohne weiteres, recht lobenswert, ein abstossendes Benehmen recht liebenswuerdig nenne, so setze ich einen Begriff an die Stelle des direkt gegenteiligen und zwar in der einzigen Absicht dies direkte Gegenteil des Gesagten recht eindringlich zu machen. Die in sich nichtige Bezeichnung soll, indem sie wie eine geltende sich gebaerdet, ihre nicht bloss teilweise, sondern voellige Nichtgeltung offenbaren und ihrem eigenen Gegenteil Geltung verschaffen; und sie soll nur eben dies. In solcher Vernichtung des Nichtigen und seinem Umschlag ins Gegenteil besteht aber, wie wir schon frueher meinten, das eigentliche Wesen der Ironie. Die Ironie ist subjektiv komische oder witzige, sofern das mit _logischem_ Anspruch auftretende nichtige Wort oder Zeichen das Umschlagende ist.--So besonders geartet die ironische Bezeichnung ist, so laesst sie sich doch unter die vergleichenden Begriffssubstitutionen unterordnen. Auch tadelnswert und lobenswert, abstossend und liebenswuendig sind ja einander nebengeordnete Begriffe. Eine dritte Bemerkung betrifft die aeussere Form der witzigen Substitution. Wie bei der witzigen Begriffsbeziehung auf Grund aeusserer Aehnlichkeit das eine Mal der eine der beiden Begriffe, naemlich der im Witze eigentlich gemeinte, aus dem anderen erraten werden musste, das andere Mal beide, Begriffe ausdruecklich sich gegenueberstanden, so muss auch hier der eine der beiden in die Beziehung eingehenden Begriffe oder Gegenstaende, naemlich der mit der Bezeichnung gemeinte, das eine Mal aus der Bezeichnung erraten werden, waehrend er das andere Mal ausdruecklich genannt wird. Das Letztere wird speciell dann der Fall sein, wenn die Bezeichnung nicht gelegentlich auftritt, als Teil eines Satzes, der _irgend etwas_ aussagt, sondern als der eigentliche Gegenstand der Aussage. Natuerlich wird sie in diesem Falle im allgemeinen hoeheren Anspruch erheben. Sie wird witzige Charakteristik oder etwas dergleichen sein. Jenen Namen wollen wir ihr den auch a parte potiori allgemein beilegen. Darum ist doch diese geflissentliche "_witzige Charakteristik_" in ihrem Wesen nichts anderes als die gelegentliche witzige Bezeichnung. Die ganze oben gemachte Unterscheidung hat hier weit weniger zu bedeuten, als in dem angefuehrten frueheren Falle. Insbesondere ist die witzige Charakteristik nicht, weil sie in Form eines vollstaendigen Urteils auftritt, "witziges Urteil". Denn nicht darum handelt es sich dabei, eine wirkliche oder scheinbare Wahrheit zum Bewusstsein zu bringen oder eine Thatsache glaublich zu machen, durch Mittel, die dann doch wiederum die ganze Aussage als nichtig erscheinen lassen, vielmehr will auch sie nur, was als thatsaechlich bestehend _vorausgesetzt_ ist, in treffender und zugleich unzutreffender Form _bezeichnen_. So will die witzige Charakteristik der Beine Braesigs,--sie haben ausgesehen, als ob sie verkehrt eingeschroben waeren, oder die _Fallstaff_'sche Charakteristik _Schaals_,--er war wie ein Maennchen, nach Tisch aus einer Kaeserinde verfertigt--nicht glaublich machen, _Braesigs_ Beine oder _Schaals_ ganzes Aeussere sei wirklich der Art gewesen, um dann das Bewusstsein wachzurufen, dass die Worte gar nicht als Traeger irgend einer Wahrheit, also in keiner Weise ernsthaft gemeint sein koennen, sondern die eine will eine bestimmte Beschaffenheit der Beine _Braesigs_, ebenso die andere eine bestimmte Beschaffenheit des _Schaal_'schen Aeusseren, an die sie glaubt und an die wir glauben, in einer bestimmten Weise kenntlich machen und charakterisieren. Nur unter jener Bedingung aber waeren die Saetze, wie wir sehen werden, "witzige Urteile"; sie koennten es, genauer gesagt, nur sein, wenn sie als "witzige Uebertreibungen" gemeint waeren. Dagegen gehoeren sie, so wie sie gemeint sind, trotz ihrer Form durchaus zu unserer Gattung. Endlich erweitert sich die witzige Charakteristik zur "_witzigen Charakterzeichnung_", in der von einer Person oder Sache durch wenige Zuege, die von rechtswegen kein moegliches Bild geben koennen, dennoch eines gegeben wird. So wenn _Heyse_ sagt: er sah gesund, satt und guetig aus. Das Wesentliche der Witzart ist, dass mehrere Bezeichnungen in ihrer Zusammenordnung das Bild gegen alle strenge Logik ploetzlich hervorspringen lassen, moegen im uebrigen die Bezeichnungen, wie in dem angefuehrten Beispiel, allgemein, oder vergleichend oder individualisierend sein. Ein Musterbeispiel der vergleichenden Art ist Falstaffs bekannte Beschreibung der von ihm angeworbenen Soldaten. Hier ist auch der Ort, wo wir der "_witzig zeichnenden Darstellung_" zu gedenken haben. Sie steht mit jener witzigen Charakterzeichnung auf einer Linie. Einige Striche, scheinbar planlos hingeworfen, ergeben ploetzlich ein Gesicht und erscheinen doch wiederum dazu voellig ungenuegend. Dabei kann die Karikatur fehlen. Es giebt aber daneben eine "_witzige Karikaturzeichnung_". Sie ist witzig nicht als Karikatur, sondern sofern sie das Urteil erzeugt, die Zeichnung sei diese oder jene Person oder bezeichne diesen oder jenen Charakter, waehrend doch zugleich das Bezeichnungsmittel gaenzlich unzutreffend erscheint. Auch wieweit die Karikatur objektiv komisch ist, kommt fuer den Witz nur soweit in Frage, als die komischen Zuege zugleich bezeichnend und nicht bezeichnend erscheinen; an sich hat diese Komik mit dem Witze nichts zu thun. Genauer steht die witzige Karikaturzeichnung mit der witzig karikierenden Bezeichnung und, wenn sie ihr Objekt anderen Gegenstaenden, etwa Menschen einem Tier oder einer geometrischen Figur aehnlich macht, mit dem karikierenden Vergleich auf einer Stufe.--Jede solche Zeichnung kann mehr oder weniger charakterisieren; sie kann auch in den Dienst der Ironie treten. b) Mit Vorstehendem sind wir bereits ueber die logische Begriffssubstitution hinausgegangen. Zu ihr gesellt sich, wenn wir in das Gebiet des sprachlichen Witzes zurueckkehren, die bildliche Substitution oder die "_witzig bildliche Bezeichnung_". Jedes Bild ist seiner Natur nach Substitution; zur witzigen Bezeichnung wird es, wenn es ueberraschend, unzutreffend, allzuweit hergeholt scheint und doch verstanden wird. Wie weit dafuer die obigen Bestimmungen gelten, habe ich nicht noetig naeher auszufuehren. Nur daran erinnere ich, wie auch hier gelegentliche Bezeichnung und ausdrueckliche Charakteristik sich entgegenstehen. In einem trefflichen Beispiel dieser "_witzig bildlichen Charakteristik_" bezeichnet Jeau Paul den Witz selbst als den Priester, der jedes Paar kopuliert. Der Witz und ein Priester, das scheinen denkbar unvergleichbare Dinge und doch trifft die Definition. c) Die dritte Art der witzigen Substitution ist die "_parodische Bezeichnung_". Eine doppelte Art derselben laesst sich unterscheiden. Die eine beruht auf dem Vorhandensein verschiedener Sprachen innerhalb einer und derselben Sprache. Das Volk, der Dichter, der Gelehrte, der Handwerker, der Kuenstler in seinem Beruf, jeder spricht seine eigene Sprache. Von solchen eigenen Sprachen war schon frueher die Rede. Aber nicht um den witzigen Eindruck, den die Worte der Sprache auf den Fremden machen, der sie versteht, und doch zugleich nicht als sinnvolle Sprachzeichen anerkennen kann, handelt es sich hier, sondern in gewisser Art um das volle Gegenteil davon. Nicht fremd muessen dem Hoerer die Worte, die Redewendungen und Redeformen sein, die ich _parodierend_ gebrauche, sondern wohlbekannt, aber bekannt als einer Gedankenwelt angehoerig, die derjenigen fremd ist, in die ich sie verpflanze. Indem ich sie verpflanze, nehme ich jene Gedankenwelt mit; die damit bezeichneten Dinge erscheinen in der Beleuchtung derselben selbst fremdartig, verschoben, verwandelt; zugleich sind sie doch dieselben geblieben; der fremdartige Schein verschwindet; die parodierende Bezeichnung erscheint als Spiel, das zur Sache nichts hinzugethan hat. Die andere Art, die Parodie im engeren Sinn, verpflanzt nicht nur aus einer Gedankenwelt, sondern aus einem speciellen Wort- und Gedankenzusammenhang in einen anderen und fremdartigen. Vor allem sind es dichterische Zusammenhaenge, aus denen wir parodierend Worte entnehmen koennen. Auch diesen speciellen Wort- und Gedankenzusammenhang nehmen wir bei der Verpflanzung mit. Indem er bei der bezeichneten Sache als sachwidrig sich in nichts aufloest, entsteht der Witz.--Wie Worte und Redewendungen, so koennen schliesslich ganze Citate--Spaet kommt ihr, doch ihr kommt etc.--als parodische Bezeichnungen fungieren. Ich will ja, wenn ich jemanden mit dem angefuehrten Citate begruesse, trotz der Satzform nur eben ein Faktum mit _Schiller_'schen Worten _bezeichnen_. Hierbei dachte ich vorzugsweise an diejenige Parodie, die aus _aussergewoehnlichem_ Zusammenhange Worte und Wendungen in den Zusammenhang des _gewoehnlichen Lebens_ verpflanzt. Ihr steht aber mit dem gleichen Anspruche auf jenen Namen diejenige entgegen, die umgekehrt Alltaegliches und Gelaeufiges aus seinem alltaeglichen Gedankenzusammenhang hineinversetzt in den ausserordentlichen. Der Unterschied der beiden Arten ist derselbe, den wir immer wieder zu machen Veranlassung hatten und haben werden. Waehrend dort das aussergewoehnliche Wort das ihm von Rechtswegen zukommende besondere Pathos verliert angesichts des von ihm bezeichneten gewoehnlichen Gegenstandes, fuer welches das Pathos nun einmal nicht passt, scheint _hier_ das _gewoehnliche_ Wort, indem es in dem aussergewoehnlichen Zusammenhange verwandt wird, ein Pathos zu _gewinnen_, zu dessen Traeger es dann doch wiederum nach gewoehnlicher Anschauung nicht dienen kann.--So sehr beide Arten sich gegenueberstehen, so ist doch der psychologische Vorgang, soweit er fuer den Witz in Betracht kommt, im wesentlichen derselbe. Wiederum erwaehne ich die karikierende und hyperbolische, die charakterisierende und ironische Parodie nicht besonders, obgleich alle diese Moeglichkeiten bestehen. Dagegen ist mir die Beziehung der Parodie zur objektiven Komik wichtig. Nichts hindert natuerlich, das Wort Parodie zugleich in einem allgemeineren Sinne zu nehmen und jede Einfuegung in einen neuen und fremdartigen Zusammenhang, wodurch das Eingefuegte Traeger der Komik wird, so zu nennen. Dann giebt es neben der witzigen auch eine objektiv komische oder kuerzer objektive Parodie, beide sich entsprechend und doch so unterschieden wie Witz und objektive Komik ueberhaupt unterschieden sind. Insbesondere gehoert zur objektiven Parodie die oben besprochene _Darstellung_ des objektiv Komischen--einschliesslich der mimischen "Nachahmung"--sofern sie das Komische aus dem Zusammenhange, in dem es sich versteckt, heraushebt und in den Zusammenhang der Darstellung und damit in das helle Tageslicht setzt, in dem es erst in seiner Komik offenbar wird; dann freilich auch jene Afterparodie, die auch das Erhabenste so mit dem Niedrigen zu verbinden weiss, dass es von seiner Hoehe herabstuerzt und dem Lachen preisgegeben wird. Jene charakterisierende Art dient, wie wir sahen, dem Humor, ich meine dem echten Humor, von dem die Aesthetik redet. Diese, die schon _Goethe_ mit Recht "gewissenlos" fand, ist ebendarum auch jedes aesthetischen Wertes bar. Es kann aber auch, abgesehen von dieser Korrespondenz, die objektiv komische Parodie, vor allem die der Nachahmung--ebenso wie die objektiv komische Karikatur--zur witzigen Parodie werden. Die parodierende Nachahmung ist es immer, wenn ich durch sie nicht nur das Nachgeahmte laecherlich erscheinen lasse, sondern zugleich etwas, das ich sagen will, in spielender Weise ausdruecke. Hierher gehoert die witzige Rache des italienischen Malers, von der schon im zweiten Abschnitt die Rede war. Der Maler stellt den Prior, indem er dem Judas seine Zuege leiht, in den Gedankenzusammenhang, der durch den Namen Judas bezeichnet ist. Dass der Prior zum Judas wird, ist objektiv komisch. Dass aber der Maler ihn so erscheinen laesst, also sein Urteil ueber den Prior zu erkennen giebt durch dieses Quidproquo, diese unlogische Einfuegung der Gestalt in den voellig fremdartigen Zusammenhang, dies ist witzig. Es ist Bezeichnung durch ein zur Bezeichnung von Rechtswegen untaugliches Mittel und insofern Witz von der hier in Rede stehenden Art. Etwas anders geartet, aber ebenso hierhergehoerig ist die bekannte witzige Selbstparodie aus den fliegenden Blaettern: Ein X. pflegt sich in seiner regelmaessigen Gesellschaft nur dadurch bemerkbar zu machen, dass er in allem, was vorkommt, einen "famosen Witz" findet. Einmal verabredet sich die Gesellschaft ihm durch Schweigen die Gelegenheit dazu zu nehmen. X. tritt ein, sieht sich um, und meint: "famoser Witz". Damit parodiert er sich selbst, bezeichnet aber zugleich die Situation. Er thut es witzig, eben weil er damit nur sich selbst zu parodieren scheint. 2. Mit der vorstehend eroerterten Witzart haengt diejenige, bei der ein erfahrungsgemaesser sachlicher Zusammenhang von Begriffen der witzigen Begriffsbeziehung zu Grunde liegt, eng zusammen. Dies gilt insbesondere, insoweit auch diese Begriffsbeziehung als Beziehung zwischen einem Gegenstande und seiner Bezeichnung sich darstellt. Ich kann bezeichnen nicht nur, indem ich sage, was etwas ist, sondern auch durch die Angabe sekundaerer Momente, durch Kennzeichnung der Gruende oder Folgen einer Sache, der Arten einer Person zu handeln sich zu gebaren etc., kurz durch Momente, die mit dem zu Bezeichnenden erfahrungsgemaess zusammenhaengen. Diese Bezeichnung muss nur wieder, um witzig zu sein, ueberraschend, fremdartig, ganz ungehoerig, die angegebenen Umstaende muessen weithergeholt oder gaenzlich unmoeglich, trotzdem aber bezeichnend erscheinen. So ist es weithergeholt, wenn der Italiener einen, wenn nicht nach italienischen, so doch nach unseren Begriffen unentbehrlichen Teil der menschlichen Wohnung als denjenigen bezeichnet, dove anche la regina va a piedi; dagegen wird Unmoegliches vorausgesetzt, wenn ich von einem Menschen sage, er sei so fett, dass sein Anblick Sodbrennen errege, oder wenn ich eine lange Nase--nach Haug--damit bezeichne, dass ich erzaehle, sie sei fuer einen Schlagbaum gehalten worden, oder--nach Jean Paul--damit, dass ich angebe, ihr Eigentuemer habe nicht sterben koennen, weil sein Geist, wenn er ihn habe aufgeben wollen, immer wieder in die Nase zurueckgefahren sei.--Die letzteren Faelle koennten auch einer anderen Witzgattung zugehoerig scheinen. In der That ist es ein witziges Urteil, und speciell eine Art "Muenchhausiade", wenn ich jemand glauben machen will, der blosse Anblick des Fetten koenne die angegebene Wirkung auf den Magen haben. Aber nicht um die Erzeugung dieses Glaubens handelt es sich hier, sondern um seine Verwertung zu einem anderen Zweck, naemlich eben zum Zweck der witzigen Bezeichnung. Dass eine Wirkung einen Augenblick fuer moeglich gehalten werden koenne, dies ist die _Voraussetzung_ fuer die Moeglichkeit, die uebermaessige Fettigkeit in der angegebenen Weise zu bezeichnen. Indem jener Gedanke in nichts zergeht, erscheint auch die Bezeichnung wiederum nichtig. So verhalten sich also Moeglichkeit und Unmoeglichkeit der behaupteten Wirkung, die das witzige _Urteil_ machen, zur zutreffenden und zugleich nicht zutreffenden, kurz zur witzigen _Bezeichnung_, wie Voraussetzung und Folge; jene witzige Bezeichnung ist so wenig ein witziges Urteil, als die Voraussetzung die Folge ist. Diese "_witzige Bezeichnung durch abgeleitete Momente_" kann wiederum, wie die Beispiele zeigen, zugleich karikierend und speciell hyperbolisch sein. Sie ist andererseits bald rein spielend bald charakterisierend oder ironisierend. Auch sie wird zur witzigen Charakteristik und erweitert sich zur witzigen Charakterzeichnung. Man denke etwa an die Art, wie _Heinz Percy_'s Charakter aus seinen Worten und der Art sich zu gebaren mit wenig Strichen zeichnet. Neben dieser Art steht als zweite die eigentliche "_witzige Begriffsverbindung_". Bei ihr sind dieselben beiden Moeglichkeiten; die Begriffsverbindung ist sachlich in Ordnung und scheint nur nichtig, weil sie ueberraschend, fremdartig oder mit scheinbarem Widerspruch behaftet ist, oder sie ist unmoeglich, scheint aber moeglich, weil ein sachlicher Zusammenhang zu Grunde liegt, der nur gesteigert, ergaenzt, verschoben, kurz witzig ausgebeutet wird. Die erstere Moeglichkeit verwirklicht sich in der "_witzigen Scheintautologie_" und dem "_Oxymoron_" oder witzigen Scheinwiderspruch:--Beides ist vereinigt, wenn ich von Waschweibern oder alten Jungfern weiblichen und maennlichen Geschlechtes rede--; sie verwirklicht sich andererseits in allen moeglichen dem gewoehnlichen Sprachgebrauch zuwiderlaufenden, knappen, Mittelglieder auslassenden oder nach sachlicher Analogie gebildeten Begriffsverbindungen, so wenn _Falstaff_ sagt: ich kann "keinen Schritt weiter rauben" u. s. w. Der zweiten Art sind zunaechst die schon an anderer Stelle angefuehrten Faelle des "_witzigen Widersinns_": Messingnes Schluesselloch und dergleichen. Der Zusammenhang zwischen Messing und Schluesselloch leuchtet ein, nur dass das Schluesselloch nicht selbst aus Messing sein kann. Ebendahin gehoert der doppelte Kinderloeffel fuer Zwillinge, der lederne Handschuhmacher und dergleichen. Sofern hier die sachlich zu Recht bestehende Begriffsverbindung witzig verschoben ist, kann der Witz als "_karikierende Begriffsverbindung_" bezeichnet werden. Eine Abart wiederum ist das "_witzige Fallen aus dem Bilde_" und die "_witzige Bilderverwechselung_"--Mitten im tiefsten Morpheus--Beim ersten Kraehen der rosenfingrigen Eos--; auch hier wird ja der Witz durch einen sachlichen Zusammenhang ermoeglicht. DAS WITZIGE URTEIL. III. Das _witzige Urteil_ bildet, wie schon gesagt, die dritte Hauptgattung. Bei ihr wird eine Wahrheit verkuendigt in einer Form, die die ganze Aussage wiederum als nichtig, als blosses Spiel erscheinen laesst; oder eine Scheinwahrheit, die logisch in nichts zergeht. Wiederum beruht die witzige Aussage auf den genannten vier Arten des Vorstellungszusammenhanges. A. 1. Ein witziges Urteil ist zunaechst die "_witzige Satzverdrehung_", die der witzigen Wortverdrehung entspricht. Ein Satz sagt genau genommen gar nichts, aber der Hoerer erkennt ihn als geflissentliche Verdrehung eines anderen und findet die gemeinte Wahrheit heraus. Oder ein Satz enthaelt einen voelligen Widersinn, der Hoerer erraet aber, was gesagt sein soll, aus der blossen Aehnlichkeit des Gesagten mit einem moeglichen sinnvollen Satz. Im letzteren Falle ist die Verdrehung zum "_witzigen Gallimathias_" geworden. Jedes Durcheinanderwerfen von Worten, allerlei falsche Konstruktionen koennen diesen Witzarten dienen. Das Gegenstueck bildet der "_witzige Unsinn_", der an anerkannte Wahrheiten aeusserlich anklingt und darum selbst fuer den Augenblick als Ausdruck einer Wahrheit genommen wird. Der wesentliche Unterschied ist, dass dort eine Wahrheit im Gewande des Unsinns, hier ein Unsinn im Gewaende der Wahrheit auftritt. 2. Derselbe Erfolg kann erreicht werden durch allerlei aeussere Sprachformen, die nun einmal erfahrungsgemaess der Verkuendigung oder Eindringlichmachung der Wahrheit zu dienen pflegen. Es giebt allerlei Ueberzeugungsmittel, z. B. Gruende. Aber die stehen nicht jederzeit zur Verfuegung. Da muessen dann andere Mittel eintreten. Man betont, druckt gesperrt oder fett. Manche Schriftsteller lieben es, in dieser Weise dem Drucker das Ueberzeugen zu ueberlassen. Man kann sich darauf verlassen, dass sie um so betonter reden, je weniger Gruende sie haben. Dieses Mittels kann sich auch der Witz bedienen, so wie jedes unlogischen Mittels. Man betont den Widersinn, spricht ihn mit Emphase aus. Je groesser der Applomb und die Unverfrorenheit, desto eher wird das Vertrauen sich rechtfertigen, dass man wenigstens fuer den Augenblick den Eindruck der Wahrheit mache. Aehnliche Wirkung haben andere Mittel. Man bringt eine Behauptung immer wieder vor, man bringt sie nebenbei, im Tone der Selbstverstaendlichkeit, man leitet sie ein mit einem "bekanntlich", citiert angeblich: wie schon der oder der grosse Gelehrte oder Dichter mit Recht gesagt hat; man kleidet sie in moeglichst wissenschaftliche Form, spart auch langatmige Fremdwoerter nicht; beruehmte allermodernste Philosophen koennen dabei als Muster dienen. Endlich ist die poetische Form nicht zu verachten. Immer beruht bei diesem "_witzigen Erschleichen_" der Eindruck des Witzes auf der Gewohnheit, Wahrheit zu suchen hinter dem aeusseren Gewande der Wahrheit. Es stehen aber neben jenen Faellen andere, in denen nicht eine voellig neue Wahrheit verkuendigt, sondern nur eine nichtsbedeutende in eine gewichtige verwandelt wird. Dazu dienen speciellere formale Mittel. Ein Beispiel ist die bekannte witzige Definition des Kopfes: "Der Kopf ist ein Auswuchs zwischen den beiden Schulterknochen, welcher erstens das Herausrutschen des Krawatt'ls verhindert, und zweitens das Tragen des Helmes bedeutend erleichtert". Dass der Kopf dies ist, bezweifelt niemand. Die Form der Definition aber macht daraus eine Wesensbestimmung. Sofern der Witz unmoeglich waere ohne die in der Definition thatsaechlich liegende Wahrheit, die der Witz nur steigert oder ergaenzt, scheint er freilich einer anderen sogleich zu besprechenden Art anzugehoeren. Indessen ist es eben doch diese aeussere Form der Definition, durch die die Steigerung oder Ergaenzung bewerkstelligt wird. B. Worin diese andere Art bestehe, ist auch schon gesagt. Mit Veraenderung eines schon citierten _Jean Paul_'schen Ausdrucks koennen wir sie als diejenige bezeichnen, die halbe, Viertelswahrheiten zu ganzen Wahrheiten macht. 1. Dies kann in doppelter Weise geschehen. Wir lassen uns verfuehren, den Inhalt einer Behauptung zu glauben, oder momentan fuer moeglich zu halten, weil Aehnliches allerdings vorkommen kann. Ich erzaehle etwa allerlei eigene oder fremde Erlebnisse, wie sie im Einzelnen wohl erlebt sein koennten, die aber im Ganzen so ausserordentlich sind, und ein so merkwuerdiges Zusammentreffen von Umstaenden voraussetzen wuerden, dass der Hoerer, ohne mit Gruenden widersprechen zu koennen, doch Grund hat die "_witzige Aufschneiderei_" fuer eine solche zu halten. Oder ich steigere moegliche Vorkommnisse bis zur Unglaublichkeit oder Unmoeglichkeit, doch so, dass ein gewisser Schein der Moeglichkeit bleibt. Diese "_witzige Uebertreibung_" haben wir schon unterschieden von der hyperbolischen Bezeichnung, die nicht etwas Ungeheuerliches glauben machen, sondern ein als wirklich Vorausgesetztes in ungeheuerlicher Weise _bezeichnen_ will. 2. Mit diesen beiden Witzarten nahe verwandt und doch davon verschieden ist diejenige, durch die wir verfuehrt werden die erfahrungsgemaesse Beziehung zwischen einem Thatbestand und einem anderen gewohnheitsmaessig festzuhalten, unter Umstaenden, unter denen dieselbe aus einleuchtenden Gruenden nicht mehr stattfinden kann. Wir vollziehen, indem wir sie festhalten, einen falschen Analogieschluss, den wir doch sofort als falsch erkennen. Solche "_Witze aus falschem Analogieschluss_" sind die "_Muenchhausiaden_" nach Art der schon einmal angefuehrten Erzaehlung Muenchhausens, dass er sich selbst am Schopf aus dem Sumpf gezogen habe. Nicht minder die "_witzigen Probleme_": "Wie kann man mit einer Kanone um die Ecke schiessen?--Bekanntlich beschreibt das Geschoss eine Kurve; man braucht also nur das Rohr auf die Seite zu legen". Speciell als "_Vexierwitze_" koennte man die Witze bezeichnen, die auf Grund der falschen Analogie einen bestehenden Sachverhalt voellig auf den Kopf stellen, wie die Anklage gegen _Schiller_, dass er in seinem Wallenstein eine so abgedroschene Phrase vorbringe, wie "Spaet kommt ihr, doch ihr kommt". Wie bei diesen Witzen "Unsinn im Gewande der Wahrheit", so tritt auch hier in einer zweiten Art "Wahrheit im Gewande des Unsinns" auf. Ich denke an die "_spielenden Urteile_" im engeren Sinne, bei denen sachlich alles in Ordnung und nur die Form unfaehig erscheint, ueberhaupt als Traeger einer Wahrheit zu dienen. Hier findet _Schleiermacher_'s Definition der Eifersucht ihre Stelle, und mit ihr alle moeglichen wichtigen und banalen Wahrheiten, deren Form durch gleichartig wiederkehrende Worte oder auch nur Konsonanten oder Vokale, durch Haeufung sehr kurzer oder sehr langer Worte--man denke etwa an das Wortgefecht zwischen _Aeschylos_ und _Euripides_ in _Droysen_'s herrlicher Uebersetzung der "Froesche"--durch scherzhafte Reimerei oder dgl. den Charakter des Spielenden und damit logisch Kraftlosen gewonnen haben. Als besondere Art hinzugefuegt werden kann noch die "_witzige Kuerze_", die mit einem Wort, einer Handbewegung eine Antwort giebt, oder ein Urteil faellt, und endlich so kurz werden kann, dass nur das beredte "_witzige Schweigen_" uebrig bleibt. DIE WITZIGE URTEILSBEZIEHUNG. IV. Die _witzige Urteilsbeziehung_ setzt zwei--oder mehrere--Urteile in Beziehung. Dabei ist--sogut wie bei der witzigen Begriffsbeziehung--die Beziehung der eigentliche Traeger des Witzes. Sie wird hergestellt durch Mittel, die doch logisch nichtig sind oder scheinen. Ebenso nichtig erscheint dann die Beziehung zwischen den Urteilen oder die Geltung, die einem Urteil aus dieser Beziehung erwachsen ist. A. 1. Das erste logisch nichtige und trotzdem wirksame Mittel eine solche Beziehung herzustellen, die aeussere Aehnlichkeit oder Gleichheit, begruendet Witzarten von ziemlich verschiedenem Charakter. Vor allem sind wieder die beiden Faelle moeglich, dass das eine Urteil ausgesprochen wird und das andere aus ihm erschlossen oder in ihm wiedererkannt werden muss, und dass die ausdrueckliche Beziehung beider Urteile zu einander den Witz begruendet. Dann aber verwirklicht sich wiederum jene Moeglichkeit, die der "_Doppelsinn-Witze_", in verschiedener Art. Das ausgesprochene Urteil laesst ein anderes _ohne weiteres_ erraten in der "_witzigen Zweideutigkeit_" von der Art des bekannten "C'est le premier vol de l'aigle". Niemand konnte etwas dagegen einwenden, wenn der franzoesische Hofmann die erste That des _Louis Philipp_, die Konfiskation der Gueter der Orleans, als ersten Flug des Adlers, also als le premier "vol" de l'aigle bezeichnet. War sie aber le premier vol du l'aigle, dann war sie auch der erste Raub des Adlers, da in dem Satze beides liegt. Es folgt also aus der Annahme des einen Gedankens, durch das Mittel des Satzes, in dem er sich verkoerpert, die Annahme des anderen Gedankens, nicht mit logischer, aber mit einer gewissen psychologischen Notwendigkeit. Genauer ist hier das Bindemittel das zweideutige Wort "vol". Nicht so ohne weiteres ergiebt sich das Urteil, das erraten oder erschlossen werden soll, bei anderen Arten. Indem der franzoesische Dichter auf die Aufforderung des Koenigs ein Gedicht zu machen, dessen sujet er sei, antwortet, le roi n'est pas sujet, erwartet er wiederum, dass man aus der Selbstverstaendlichkeit, die er sagt, dass naemlich der Koenig nicht Unterthan sei, durch das Mittel des Wortes sujet das andere Urteil ableite, der Koenig koenne nicht sujet eines Gedichtes sein. Aber er erwartet es, weil das Wort sujet soeben von dem Koenig in diesem anderen Sinne gebraucht worden ist. Der Dichter hat in seiner Antwort diesen Sinn mit demjenigen, den die Antwort voraussetzt, vertauscht. Wir koennen diese Witzart darum als "_witzige Begriffsvertauschung_" bezeichnen. Dieselbe gewinnt anderen und anderen Charakter je nach dem Verhaeltnis, in dem die beiden Bedeutungen des einen Wortes zu einander stehen. Verhalten sie sich zu einander als engere und weitere Bedeutung, so mag man den Witz "limitierende" Begriffsvertauschung nennen. "Kann er Geister citieren?--Ja, aber sie kommen nicht" waere ein Beispiel. Der Gefragte kann Geister citieren wie jedermann. Nehmen wir das Wort zugleich in dem engeren Sinne der Frage, so hat der Frager seine vollgueltige Antwort. Eine andere Abart der witzigen Vertauschung ist die "_witzige Deutung_". "Wenn ein Soldat in einem Wirtshaus mit einem Offizier zusammentrifft, so trinkt er sein Bier aus und geht nach Hause.--Was thust du also, wenn du in einem Wirtshause mit einem Offizier zusammentriffst?--Ich trinke sein Bier aus und gehe nach Hause". Hier ist das doppeldeutige auf den Soldaten und den Offizier beziehbare "sein" das Bindemittel. Nicht immer ist es ein einzelnes Wort, dessen Doppelsinn beide Urteile entstehen laesst. Auch ein Satz als Ganzes, eine Frage oder Behauptung, endlich eine Handlung kann in doppeltem Sinn genommen werden und so den Witz begruenden. Eine Handlung etwa ist Gegenstand der witzigen Sinnvertauschung, wenn der Bediente, dessen Herr im Zorn ein Gericht zum Fenster hinauswirft, Miene macht das ganze uebrige Essen sammt Tischtuch etc. folgen zu lassen: der Herr wuenschte ja wohl auf dem Hofe zu speisen. Ueberall haftet hier der Doppelsinn an denselben unveraenderten Zeichen. Muss mit diesen erst eine Veraenderung vorgenommen werden, so entsteht die "_witzige Urteilskarikatur_", der witzigen Wortkarikatur entsprechend. Sie ist jenachdem Veraenderung der Interpunktion, der Betonung, oder einzelner Worte. Ich verwandle das _Schiller_'sche: "Mein Freund kannst du nicht laenger sein" in die Frage: Mein Freund, kannst du nicht _laenger_ sein? als haette Schiller jemanden diese Frage stellen lassen. Oder ich lasse _Schiller_ sagen: Die schoenen Tage von Oranienburg sind jetzt vorueber u. dgl. Ihrer Stellung nach damit verwandt sind die "_witzigen Uebersetzungen_", soweit sie eine in Gedanken vollzogene Karikatur der uebersetzten Worte voraussetzen. "Vides, ut alta stet nive candidus Soracte--Siehst du, wie da der alte Kandidat Sokrates im Schnee steht". Zugleich rechnen sie auf Gleichklang von fremden Worten und solchen der eigenen Sprache, und vor allem auf den Umstand, dass die fremde Sprache eben eine fremde ist, bei der wir uns auf den ersten Blick allerlei unglaubliche Konstruktionen und Verdrehungen gefallen lassen. Auch bei dieser Witzart soll noch aus dem einen Urteil, in dem der Witz enthalten ist, das andere _wiedererkannt_ werden. Sehr viel weniger mannigfaltig als diese Gattung ist die andere, in der die ausdrueckliche Beziehung der Urteile zu einander den Witz begruendet. Wir wollen sie als "_witzige Urteilsantithese_" bezeichnen. "Es giebt viele Dinge zwischen Himmel und Erde, von denen sich unsere Schulweisheit nichts traeumen laesst; aber noch viel mehr Dinge laesst sich unsere Schulweisheit traeumen, die es weder im Himmel noch auf Erden giebt". Das zweite Urteil hat im Grunde mit dem ersteren inhaltlich wenig zu thun. Vermoege der aeusseren Aehnlichkeit aber scheint es nur eine Modifikation desselben. Diese Art ist dem "Klangwitz" voellig analog. 2. Ebenso steht mit der witzigen Begriffsverbindung in Analogie die "_witzige Urteilsverbindung_", in der der Schein der logischen Zusammengehoerigkeit von Urteilsinhalten erzeugt wird durch aeussere Sprachmittel, die sonst erfahrungsgemaess die Zusammengehoerigkeit bezeichnen. Auf der Grenze zwischen dem witzigen Urteil und dieser neuen Witzart steht die "_witzige Urteilsverschmelzung_". Wenn ich "Galilei auf dem Scheiterhaufen zu Worms" in die Worte ausbrechen lasse: "Solon, Solon, gieb mir meine Legionen wieder" so verschmelze ich nicht weniger als fuenf Urteile oder Thatsachen miteinander. Freilich stehen die Thatsachen auch an sich in einem gewissen Zusammenhang. Aber ihre Vereinigung in eine einzige ist doch nur durch die aeussere Form, die in diesem Falle keine andere ist als die Form des einheitlichen Urteils, zuwege gebracht. So pflegt auch bei den beliebten Vereinigungen unzusammengehoeriger _Schiller_'scher und sonstiger Verse, die bald Verschmelzung bald Verbindung ist, eine gewisse sachliche Beziehung zu Grunde zu liegen. "Wie ein Gebild aus Himmelshoehen sieht er die Jungfrau vor sich stehen, die mit grimmigen Gebaerden urploetzlich anfaengt scheu zu werden". Ausserdem traegt die aeussere Form, das gemeinsame Pathos dazu bei, die aeussere Verbindung als Traeger einer sachlichen Zusammengehoerigkeit und damit den ganzen Unsinn als wirkliches dichterisches Erzeugnis erscheinen zu lassen. Es bedarf aber weder dieser sekundaeren aeusseren Hilfsmittel noch irgendwelches einleuchtenden sachlichen Zusammenhangs, um die witzige Urteilsverbindung herzustellen. Ich lese in einer Zeitung Anzeigen aller Art ohne Pause hintereinander ab, verbinde was mir gerade einfaellt, durch satzverbindende Worte, begruende eine Aussage durch ein Beispiel, das keines ist, eine Analogie, die nicht zutrifft, eine allgemeine Regel, die nicht hierhergehoert--lediglich darauf vertrauend, dass der Hoerer, durch die aeussere Verbindung verfuehrt, eine sachliche wenigstens suchen, oder durch die begruendende Form, das "denn", "also", "wie z. B." getaeuscht, einen Augenblick an eine wirkliche Begruendung glauben, also dem nichts bedeutenden Satze die entsprechende Geltung zugestehen werde. Immerhin wird auch hierbei der Witz gewinnen, wenn zur aeusseren Form eine gewisse, nur logisch ungenuegende, sachliche Beziehung hinzutritt. Dies gilt auch von einigen Faellen der witzigen Urteilsverbindung, die noch besondere Hervorhebung verdienen. Ich meine zunaechst den "_verdeckten Hieb_" oder die "_gelegentliche Abfertigung_", die eine wichtige Bemerkung, durch die jemand getroffen werden soll, in eben ihr fremdartigen Zusammenhang zugestandener Thatsachen nebenbei einflicht, so dass sie als dazu gehoerig und mit ihm gleich unangreifbar erscheint, oder die umgekehrt eine richtige Behauptung in einen Zusammenhang offenbar unsinniger Behauptungen gelegentlich verwebt und dadurch als gleichfalls unsinnig charakterisiert. Die Moeglichkeit dieser Witzart beruht darauf, dass wir auch in unserem Glauben und Nichtglauben einem Gesetze der Traegheit unterliegen. Sind wir einmal im Zuge fuer wahr oder fuer nichtig zu halten, Beifall zu spenden oder zu verurteilen, so lassen wir uns nicht so leicht irre machen. Wir beduerfen sozusagen eines neuen Anlaufes, damit wir wieder kritikfaehig werden. Aber eben dazu laesst uns die gelegentliche Bemerkung keine Zeit. Diesem Falle steht zur Seite und doch in gewisser Art entgegen das "_witzige Ceterum censeo_", das eine Behauptung dadurch beweist, dass es sie mit moeglichst verschiedenartigen Thatsachen verbindet, und durch die Art der Verbindung als den Punkt erscheinen laesst, in dem alle die Thatsachen muenden, oder von dem sie alle ausgehen. Schliesslich muss noch ein Fall ganz besonders hervorgehoben werden, naemlich der Fall der nicht nur nebenbei ironisierenden, sondern eigentlich "ironischen Urteilsverbindung". Sie ist wiederum "_witzige Einschraenkung_" oder "_ironische Widerlegung_". Jene verkuendigt eine angebliche Thatsache, z. B. volle Pressfreiheit, um dann Ausnahmen oder Einschraenkungen hinzuzufuegen, die von der Thatsache nichts mehr uebrig lassen. Diese widerlegt ein scheinbar angenommenes Urteil--"Brutus ist ein ehrenwerter Mann; so sind sie alle ehrenwerte Maenner"--durch Thatsachen, die dasselbe scheinbar bestaetigen. In beiden sind die Bedingungen der Ironie verwirklicht, insofern beide ein nichtiges Urteil, das erst wie ein gueltiges auftritt, vernichten und in sein Gegenteil umschlagen lassen. Nur dass bei der ironischen Widerlegung auch der Schein der Bestaetigung umschlaegt. Das Mittel der Vernichtung sind beide Male Thatsachen. Damit ist eine zweite Art der Ironie gewonnen neben jener, die in der ironischen Bezeichnung uns entgegentrat. B. Eine innere sachliche Beziehung und zwar zunaechst eine innere Verwandtschaft oder teilweise Inhaltsgleichheit liegt der witzigen Urteilsbeziehung zu Grunde vor allem in den der witzigen Begriffssubstitution analogen Faellen, in denen eine Wahrheit in--logisch betrachtet--zu allgemeiner Form oder in Form einer Analogie, oder zu speciell ausgesprochen wird, doch so, dass aus dem vorhandenen Urteile das gemeinte, also jene Wahrheit, unmittelbar abgeleitet werden kann. Ich beantworte eine Frage, spreche ein Urteil, einen Tadel aus, nicht direkt, sondern in Form einer allgemeinen Wahrheit, eines Urteils, das sich auf aehnliche Dinge oder vergleichbare Verhaeltnisse bezieht, durch eine Geschichte, ein Beispiel, das ich erzaehle oder an das ich erinnere. Diese Witzart kann als "_witzige Urteilssubstitution_", sie koennte, wenn es erlaubt waere, das Wort Allegorie in seinem weitesten Sinn zu nehmen, auch als "_witzige Allegorie_" bezeichnet werden. Wie bei der witzigen Begriffssubsitution, so sind hier die drei Moeglichkeiten: die Substitution ist einfach logische, bildliche, parodische. Die beiden letzteren begruenden das "_witzig bildliche Urteil_" und das "_parodische Urteil_". Wiederum sind innerhalb der ersteren, nicht bildlichen oder parodischen Art diejenigen Unterarten die wichtigsten, die das gemeinte Urteil durch eines von verwandtem oder von speciellerem Inhalt ersetzen. Das Eine wie das Andere kann geschehen in einem Satze oder in laengerer Rede: in Epigrammen, Sprichwoertern, wie sie der Volkswitz schafft, oder in ausgefuehrten Gleichnissen, Schwaenken, Fabeln. "Aus ungelegten Eiern schluepfen keine Huehner"; "Wer auf dem Markt singt, dem bellt jeder Hund ins Lied"; "Die Laus, die in den Grind kommt, ist stolzer als die schon drin sitzt", so sagt der Volkswitz, und drueckt damit drastisch allgemeine Wahrheiten aus. Dagegen erzaehlt _Hans Sachs_ in "St Peter mit der Gais" eine _Geschichte_, um zu zeigen, wie thoericht es ist, Gott ins Weltregiment zu reden.--Nebenbei muss bemerkt werden, dass das volkstuemliche Sprichwort aller moeglichen Mittel des Witzes sich bedient, die in diesem Zusammenhange erwaehnt wurden, deren eigentuemliche Verwendung innerhalb des Volkssprichwortes aber nicht jedesmal bezeichnet werden konnte. Auch das witzig bildliche Urteil ist vorzugsweise im Volkssprichwort zu Hause. Von der bildlichen Bezeichnung ist es dadurch unterschieden, dass es ganz in die Sphaere des Bildes sich begiebt und da urteilt. Es muss zunaechst in der bildlichen Sphaere einleuchten, und es muss ebendarum auch einleuchten, wenn das Bild in die Sache uebersetzt wird. "Die Nase hoch tragen" ist bildliche Bezeichnung. "Wer die Nase hoch traegt, dem regnet's hinein" ist ein bildliches Urteil. Solche Urteile werden witzig in dem Masse als sie zugleich fremdartig, ueberraschend, im Grunde zum Ausdruck ihrer Meinung logisch ungeeignet erscheinen.--In ausgefuehrterer Weise und kunstmaessiger tritt das bildliche Urteil auf in der "_Allegorie_" im engeren Sinne. Man denke etwa an _Schiller_'s "Pegasus im Joche." Ebenso wie zur bildlichen Bezeichnung das bildliche Urteil, verhaelt sich zur parodischen Bezeichnung das parodierende Urteil. Es kann sich steigern bis zur ausgefuehrten Parodie, die Gewoehnliches in der Sprache und Form der hohen Epik oder umgekehrt Erhabenes in der Sprache des Alltagslebens darstellt. Die letztere Art der Parodie pflegt man auch wohl als Travestie zu bezeichnen. Kleidet das parodierende Urteil, was es sagen will, nicht nur im allgemeinen in die Sprache und Form, die nun einmal einer fremden Gedankenwelt eigentuemlich ist, sondern in Worte, die einem bestimmten fremdartigen Gedankenzusammenhange angehoeren, so wird es zum "parodierenden Citat". Jedes Citat, das sich an Stelle einer direkten Aussage setzt, gehoert hierher, wenn es genuegend fremdartig klingt. Bei Betrachtung der witzigen Begriffssubstitution hob ich besonders hervor die karikierende und speciell hyperbolische, andererseits die charakterisierende und ironische. Diese Unterschiede gelten auch hier. Aber nur auf die hierhergehoerigen ironischen Urteile mache ich besonders aufmerksam. Wir begegneten dort einer ironischen Bezeichnung im engeren und eigentlichen Sinne. Dieser entspricht das einfache "_ironische Urteil_". Es waere ein parodierendes Urteil mit ironischem Charakter, wenn ich dem Wunsch eines anderen, eine Kleinigkeit, die er bei mir sieht, in die Hand oder an sich zu nehmen, mit den Worten begegnete: Die Sterne, die begehrt man nicht, man freut sich ihrer Pracht. Ich redete von Sternen und meinte etwas einem Sterne moeglichst wenig Aehnliches. Ein ironisches Urteil aber haette ich damit nicht gefaellt. Dazu gehoert, nach unserem Begriff der Ironie, dass das ganze Urteil als solches, indem es gefuellt wird, zergeht und in sein Gegenteil umschlaegt. Und ein einfaches ironisches Urteil kann nur dasjenige heissen, das ohne weiteres oder in sich selbst zergeht und umschlaegt, indem es ins Dasein tritt. Ein solches ironisches Urteil faelle ich, wenn ich jemand lobe, dass er seine Pflicht gethan, so oder so sich verhalten habe, in keiner anderen Absicht, als um ihm zum Bewusstsein zu bringen, dass er alles das nicht gethan hat. Nur die Art des Urteils und die Gelegenheit, bei der es auftritt, machen hier, dass das Urteil ins Gegenteil umschlaegt. In allen vorstehend eroerterten Faellen laesst der Witz aus einem Urteil ein anderes ableiten. Ihnen stehen diejenigen gegenueber, in denen er es selbst ableitet. Die Ableitung kann blosses Spiel sein, und sie kann wiederum eine neue Art der witzigen Ironie repraesentieren. In jenem Falle, dem der einfachen "_witzigen Folgerung_", muss vor allem die Unerlaubtheit der Ableitung, in diesem, dem der "_ironischen Folgerung_", vor allem die Nichtigkeit des Abgeleiteten einleuchten. Ich abstrahiere aus einem Begegnis, das mir erzaehlt wird, oder das ich selbst erlebt habe, und an dem nicht eben viel Besonderes ist, scherzend eine Regel, die auf das Erzaehlte passt, aber darum doch durchaus nicht aus ihm folgt, zum Beispiel aus einem kleinen Unfall, der jemand bei einem Spaziergang traf, die Regel, dass Spazierengehen eine hoechst schaedliche und naturwidrige Beschaeftigung sei. Damit vollziehe ich eine, wenn auch in dem angegebenen Beispiele nicht gerade erschuetternde, witzige Folgerung. Dagegen leitet die ironische Folgerung aus einem in sich nichtigen oder als nichtig angenommenen Urteile, dessen Recht sie scheinbar anerkennt, ein anderes ebenso nichtiges, bezw. das Recht zu einem solchen ab, um mit der Nichtigkeit dieses zugleich die Nichtigkeit jenes Urteils eindringlich zu machen. Bei dieser ironischen Folgerung ist die Ironie auf ihrer vollen Hoehe. Durch ein selbst Nichtiges, in dessen Gewand sich die Wahrheit kleidet, also auf gleichem Boden oder mit gleichen Waffen, werden die Ansprueche des Nichtigen in ihr Gegenteil verkehrt. Es kann dies aber in mannigfacher Weise geschehen. Ich illustriere eine thoerichte allgemeine Behauptung durch "_ironische Exemplifikation_", d. h. durch ein Beispiel, dessen Sonderbarkeit einleuchtet, oder bringe umgekehrt ein specielleres Urteil zu Fall durch "_ironische Verallgemeinerung_"; ich widerlege eine Luege durch "_ironische Analogie_", d. h. indem ich ihr nach Art des _Gellert_'schen Bauern eine andere gleichartige an die Seite setze. In der Regel wird diese ironische Analogie zugleich "_ironische Steigerung_" sein. Kein besseres Mittel Aufschneidereien zu widerlegen, als indem man sie ueberbietet, und so die Aufschneiderei offenkundig macht. Auch in Handlungen kann sich diese Witzart verwirklichen. Sie wird dann zum "_witzigen Bezahlen mit gleicher Muenze_". Ich behandle jemand, der an mir oder einem Dritten eine Ungeschicklichkeit oder ein Unrecht gethan hat, bei gleicher Gelegenheit in genau derselben Weise, nicht so, dass ich mich zu raechen, sondern vielmehr so, dass ich ihm Recht zu geben und daraus das gleiche Recht fuer meine Handlungsweise abzuleiten scheine. Indem ihm mein Unrecht einleuchtet, folgt dann daraus fuer ihn sein Unrecht und seine Beschaemung. 2. Kaum habe ich nun noetig, die witzigen Urteilsbeziehungen, die auf erfahrungsgemaessem Zusammenhang beruhen, noch besonders zu bezeichnen. Der Unterschied zwischen ihnen und der vorigen Art besteht nur eben darin, dass der erfahrungsgemaesse Zusammenhang an die Stelle der teilweisen sachlichen Uebereinstimmung tritt. Auf Grund dieses Zusammenhanges laesst ein Urteil ein anderes erschliessen in den Faellen des "_witzigen Erratenlassens_" im engeren Sinne. Ich lobe etwa, um mein Urteil ueber einen Gegenstand befragt, Nebensaechlichkeiten, die nicht gemeint waren, und gebe damit zu erkennen, dass ich den Gegenstand selbst nicht eben loben kann. Oder:--Ihr Herr Vater war ja auch ein ehrlicher Mann, sagt _Heine_ zu einem Boersenbaron, der sich wundert, dass die Seine oberhalb Paris so rein und unterhalb so schmutzig sei, und fordert damit auf, diesen erfahrungsgemaessen Zusammenhang auf den Herrn Baron zu uebertragen und daraus sich ueber letzteren ein Urteil zu bilden. Dagegen wird im Witze selbst aus einem Urteil, bezw. einer Thatsache ein Urteil von anderem Inhalt erschlossen, wenn Phokion das Klatschen der Menge mit der Frage beantwortet: Was habe ich Dummes gesagt?--Die "_witzige Konsequenz_", wie wir solche Faelle im Unterschied zur witzigen Folgerung nennen wollen, wendet sich hier zurueck und laesst zugleich ein Urteil ueber die Thatsache, auf der sie beruht, erraten. Insofern ist sie besonderer Art, "Abfertigung durch witzige Konsequenz", und von der "einfachen witzigen Konsequenz", die nur scherzweise unerlaubte Konsequenzen zieht, verschieden. Dagegen naehert sie sich der "_ironischen Konsequenz_", die, der ironischen Folgerung analog, aus einem nichtigen Urteil nach Gesetzen erfahrungsgemaesser Zusammenhaenge nichtige Urteile ableitet und so wiederum Thorheit durch Thorheit vernichtet. DER WITZIGE SCHLUSS. V. Unter dem "_witzigen Schluss_" kann nach dem Bisherigen nur der Witz verstanden werden, der ausdruecklich in Schlussform auftritt. Denn ein Schluss _vorausgesetzt_ wird im Grunde bei jedem Witze. Es ist aber bei ihm in der That die Schlussform das einzig Auszeichnende, waehrend die Mittel dieselben sind, die in den anderen Hauptarten, vor allem den witzigen Urteilsbeziehungen, bereits vorliegen. So ist der witzige Schluss, der im zweiten Abschnitt angefuehrt wurde: "Wer einen guten Trunk thut etc., der kommt in den Himmel", der Art nach nur eine Reihe von witzigen Begriffsvertauschungen, bei denen Begriffe abwechselnd im engeren und im weiteren Sinne genommen werden. Eine Einteilung nach den Mitteln, durch die der Witz zu stande kommt, ist die in Obigem versuchte Einteilung. Sie ist ebendamit nicht eine Einteilung nach dem aesthetischen Gesichtspunkt. Dieser Gesichtspunkt wird spaeter zu seinem Rechte kommen. * * * * * V. ABSCHNITT. DER HUMOR. XIV. KAPITEL. KOMIK UND AESTHETISCHER WERT. ALLGEMEINES UEBER "AESTHETISCHEN WERT". Das aesthetisch Wertvolle ist in unseren Tagen gelegentlich vom Schoenen unterschieden worden. Der Streit hierueber waere jedoch ein blosser Wortstreit. Ich entziehe mich demselben, indem ich erklaere, dass ich unter dem Schoenen, wie freilich im Grunde jeder, nichts anderes verstehe, als eben das aesthetisch Wertvolle. Das Verhaeltnis des Komischen zum aesthetisch Wertvollen ist also das Verhaeltnis des Komischen zum Schoenen, und umgekehrt. Wertvoll ist dasjenige, das Wert hat, d. h. das so beschaffen ist, dass es fuer uns erfreulich sein kann. Aesthetisch wertvoll ist dasjenige, das um seiner Beschaffenheit willen Gegenstand der aesthetischen Freude oder des aesthetischen Genusses sein kann. Dies muessen wir nach einer bestimmten Richtung hin genauer bestimmen. Etwas kann Wert haben, weil es ein an sich Wertvolles, d. h. vermoege seines blossen Daseins Erfreuliches schafft, hervorbringt, ermoeglicht, etwa eine wertvolle Erkenntnis, oder eine wertvolle Erinnerung, oder das Dasein eines von ihm unterschiedenen wertvollen Objektes. Solcher Wert ist Nuetzlichkeitswert. Dabei nehme ich dies Wort, wie man sieht, nicht im engsten, sondern in einem weiteren, ueber die blosse _praktische_ Nuetzlichkeit hinausgehenden Sinne. Davon nun unterscheidet sich der aesthetische Wert, sofern er Wert des wertvollen Objektes selbst ist, also ein Wert, dessen wir inne werden, indem wir nur dies Objekt, so wie es ist oder sich uns darstellt, uns vergegenwaertigen und auf uns wirken lassen. Mit einem Worte, der aesthetische Wert ist Eigenwert; der aesthetische Genuss Genuss dieses Eigenwertes. Hiermit ist nicht etwa eine Definition des "aesthetischen Wertes" gegeben, sondern nur gesagt, welcher umfassenderen Gattung von Werten der aesthetische Wert angehoere. Auch das sinnlich Angenehme und das sittlich Gute sind ja an sich wertvoll. Ich habe also hier lediglich das aesthetisch Wertvolle mit diesen anderen Arten des Wertvollen zusammengeordnet. Aber vielleicht gesteht man mir das Recht dieser Zusammenordnung nicht zu. Oder man findet, damit sei ein Standpunkt bezeichnet, dem gegenueber andere Standpunkte moeglich seien. Dann bemerke ich, dass ich hier allerdings nicht einen Standpunkt vertreten, sondern eine Thatsache feststellen will. Die Thatsache aber, um die es hier sich handelt, ist im wesentlichen eine Thatsache des Sprachgebrauches. Es handelt sich um den "aesthetischen Wert". Nicht jeder aesthetische Wert ist Wert eines _Kunstwerkes_. Auch Naturobjekte haben aesthetischen Wert. Wohl aber gilt das Umgekehrte: Jedes Kunstwerk hat, sofern es diesen Namen verdient, aesthetischen Wert. Daraus folgt, dass das Spezifische des aesthetischen Wertes nur in Etwas liegen kann, dem wir auch beim Kunstwerke, und zwar bei jedem Kunstwerke begegnen. Andererseits koennte ein Kunstwerk, nicht ueberhaupt, sondern als solches, auch noch einen anderen als den aesthetischen Wert haben. Und es koennte speciell sein "_Kunstwert_" in einem solchen von "aesthetischen" Werten prinzipiell verschiedenen Werte bestehen. Dann ist unsere Frage eine doppelte. Sie lautet einmal: Was macht den Wert des Kunstwerkes? und zum anderen: Was macht seinen aesthetischen Wert? Zunaechst fragen wir: Worin besteht der Sinn des Wortes "Kunst"? Darauf sind verschiedene Antworten moeglich. Etwa: "Kunst" kommt von "Koennen". Kunst ist also jedes Koennen u. s. w. Indessen der Sprachgebrauch unterscheidet auch deutlich zwischen "Kunst" und "Kunst". Es giebt eine "Kunst", von der die Kunstgeschichte berichtet, die denjenigen, der sie treibt, zum Kuenstler, nicht zum blossen Handwerker oder "Artisten" stempelt. Diese Kunst ist es, deren Erzeugnisse aesthetischen Wert und "Kunstwert" besitzen. Um nun den Sinn dieser "Kunst" festzustellen, giebt es soviel ich sehe, nur einen Weg. Wir muessen fragen, welche Arten derselben vorliegen; was fuer Erzeugnisse der menschlichen Thaetigkeit nach jedermanns Meinung, in jenem eben angedeuteten engeren oder hoeheren Sinne des Wortes, _Kunstwerke_ sind. Diese Frage aber beantworten wir, indem wir uns erinnern, dass beispielsweise die Poesie, die Malerei, die Plastik, die Architektur, die Musik allgemein als solche Kuenste bezeichnet werden. Die Frage lautet also: Was haben diese Kuenste Gemeinsames? Dies Gemeinsame muss den allgemeinen Sinn des Wortes "Kunst" ausmachen. ERKENNTNISWERT UND AESTHETISCHER WERT. Ich habe oben vom aesthetischen Wert die Nuetzlichkeitswerte, im weiteren Sinne dieses Wortes, unterschieden. In verschiedenen solchen Nuetzlichkeitswerten koennte der Sinn der Kunst gefunden werden. Ich schliesse hier gleich diejenigen aus, die niemand mit dem Werte, den das Kunstwerk, eben als Kunstwerk hat, oder kurz: mit dem _kuenstlerischen_ Werte des Kunstwerkes verwechselt: etwa den Kaufwert eines Gemaeldes, oder den zufaelligen Affektionswert, oder den Wert als kunsthistorisches Dokument, oder endlich den praktischen Wert, wie ihn etwa die Musik, als kriegerische Musik, besitzt. Dann bleiben noch uebrig allerlei Erkenntniswerte oder durch Erkenntnis vermittelte Werte. Hiermit habe ich schon einen Unterschied angedeutet, den wir festhalten wollen. Es bestehen offenbar die beiden Moeglichkeiten: Das Kunstwerk kann seinen Wert haben, weil es Erkenntnis vermittelt; oder dieser Wert beruht darauf, dass uns das Kunstwerk das Dasein eines _Wertvollen_ ausser ihm selbst erkennen laesst. Im ersteren Falle waere der Wert des Kunstwerkes der Wert einer Erkenntnis, die Wertschaetzung des Kunstwerkes Freude an einem Erkennen als solchem, an einem Wissen, an einer Einsicht. Im letzteren Falle dagegen waere der Wert des Kunstwerkes der Wert dessen, was wir aus der Betrachtung desselben erkennen, die Wertschaetzung des Kunstwerkes waere die Freude--nicht an einem Erkennen, sondern an einem, durch Hilfe des Kunstwerkes _erkannten_ Objekte oder Thatbestande. Achten wir zunaechst auf die erstere Moeglichkeit. Man sagt etwa, das dramatische Kunstwerk "zeige" uns, wie es in der Welt zugehe, was es um Menschen, Menschenleben und Menschenschicksal fuer eine Sache sei. Hier erhebt sich sofort ein Bedenken. Ueber die Wirklichkeit Aufschluss geben koennen uns doch nur Thatsachen, die der Wirklichkeit angehoeren, oder von denen wir wissen, dass sie mit der Wirklichkeit uebereinstimmen. Die erdichteten Charaktere und Schicksale des dramatischen Kunstwerkes insbesondere muessen von uns als der Wirklichkeit gemaess erkannt sein, wenn sie als ueber die Wirklichkeit belehrend von uns anerkannt werden, wenn wir also aus ihnen Belehrung schoepfen sollen. Ist dies nicht der Fall, fehlt uns der Eindruck der Wirklichkeitsgemaessheit, so sehen wir in ihnen eben willkuerliche Erzeugnisse der dichterischen Phantasie, die mit der Wirklichkeit nichts zu thun haben. Diesen Eindruck der Wirklichkeitsgemaessheit koennen wir aber nur gewinnen, wenn wir bereits wissen, wie es um die Wirklichkeit bestellt ist. Indessen so meint man die Sache nicht. Wir sollen nicht ueber das, von dem wir vorher keine Kenntnis haben, im Kunstwerk belehrt werden; sondern es soll uns, was wir schon wissen, "gezeigt", vor Augen gestellt, zur Anschauung gebracht werden. Unser wissenschaftliches Wissen ist ein allgemeines, abstraktes, in allgemeine Begriffe und Regeln gefasstes. Im Kunstwerk dagegen tritt uns an Stelle der Regel der bestimmte einzelne Fall entgegen, nicht ein beliebiger, sondern ein typischer oder charakteristischer, bei dem zugleich allerlei weggelassen ist, was nicht zur Sache gehoert. Das Kunstwerk zeigt uns unser Wissen, in dem einen Falle in eigentuemlicher Weise _verdichtet_, so das wir daraus unmittelbar und zugleich in besonderer Reinheit, Klarheit, Einfachheit das Wesentliche bestimmter Thatsachen und Verhaeltnisse der Wirklichkeit wiedererkennen. Solches Wiedererkennen hat zweifellos Wert. Es freut uns, wenn wir an einem Exemplar einer Gattung, etwa an einer Pflanze, die Eigentuemlichkeit der Gattung besonders leicht und unmittelbar wiedererkennen. Es freut uns das Experiment, das uns ein physikalisches Gesetz in besonders unmittelbar anschaulicher Weise vergegenwaertigt. Gleichartig waere die Freude an jenem Wiedererkennen der Gesetze oder der allgemeinen Weisen des Geschehens in der Menschenwelt, wenn uns in einem dramatischen Kunstwerk ein besonders klarer und einleuchtender Fall desselben vorgefuehrt wird. Aber wenn uns nun auch die _Dramatik_ die Freude solchen Wiedererkennens oder solcher anschaulichen Auffassung der bekannten Wirklichkeit verschaffen kann, wie ist es in diesem Punkte mit der Musik bestellt? Es ist klar: Was die Musik giebt, ist voellig anderer Art. Die Musik schliesst unmittelbar in sich Weisen der Bewegung, ein Jubeln, ein Klagen, ein sehnsuchtsvolles Verlangen, rasches Stuermen, sanftes Gleiten. Alles dies erleben wir in uns, wenn wir die Musik hoerend uns zu eigen machen. Dies Erleben ist beglueckend. Was wir so unmittelbar erleben, macht den Wert des musikalischen Kunstwerkes. Hierauf kann man erwidern: Musik sei eben nicht Dramatik. Kein Wunder, wenn beide Verschiedenes leisten. Aber man vergesse nicht, was hier in Frage steht. Es ist der Sinn der "Kunst". Was will die menschliche Thaetigkeit, die man mit diesem Namen bezeichnet? Zweifellos sind die Kuenste von einander verschieden. Und demgemaess ist von vornherein klar, dass sie Verschiedenes wollen muessen. Die Dramatik will dies, die Bildnerei jenes, die Musik ein Drittes. Aber ich frage hier nicht: Was will die Dramatik als Dramatik, die Bildnerei als Bildnerei, die Musik als Musik; sondern: Was wollen sie alle, als Beispiele des einen Begriffes der "_Kunst_". Welches Eigenartige an allen diesen Kuensten macht sie dazu? Was charakterisiert sie als Arten der Kunst? Was berechtigt sie alle diesen selben Namen zu tragen? Wie die Kuenste, so wollen auch die Wissenschaften Verschiedenes. Dennoch erkennt jedermann das Recht der Frage an: Was Wissenschaft ueberhaupt wolle. Das gleiche Recht muss die Frage haben, was die Kunst ueberhaupt wolle. Auf diese Frage haben wir nun einstweilen die negative Antwort gewonnen: Es ist unmoeglich, dass der spezifische Sinn der "Kunst" darin bestehe, ein "Wiedererkennen" der bezeichneten Art zu ermoeglichen oder die Freude eines solchen Wiedererkennens zu gewaehren. Es ist unmoeglich, dass die Kunst als solche die Aufgabe habe uns eine einfachere, leichtere, klarere Auffassung von Dingen oder Vorgaengen der Wirklichkeit zu verschaffen. Oder duerfen wir nicht Wissenschaft und Kunst, so wie wir soeben thaten, in Parallele stellen? Ist zwar die Wissenschaft einheitlich, und auf das gleiche Ziel gerichtet, Kunst aber ein Sammelname fuer Heterogenes? Dann beachte man, wie heterogen unter solcher Voraussetzung die Kuenste im Vergleich miteinander sein muessten. Jenes Wiedererkennen, jene einfache, klare, leichte Auffassung ist ein intellektueller Vorgang, ein Akt des Verstandes, die Freude daran intellektuelle Freude. Solche Freude zu gewaehren soll der eigentliche Sinn und Zweck gewisser Kuenste sein, waehrend andere ihrer Natur nach bestimmt sind, eine voellig andere Seite unseres Wesens in Thaetigkeit zu setzen. Fassen wir diesen Gegensatz in seiner vollen Schaerfe. Es giebt _einen fundamentalsten_ Gegensatz des psychischen Geschehens oder des "Vorstellungsablaufes". Dieser Gegensatz ist kein anderer als der Gegensatz des logischen Verhaltens, des Intellektes, der Verstandesthaetigkeit einerseits, und jeder sonstigen Weise der psychischen Thaetigkeit andererseits. In unserem logischen Verhalten, unserem Denken und Erkennen, ist der Vorstellungsverlauf objektiv bedingt, das heisst: er ist bedingt und einzig bedingt durch die Weise der Objekte unseres Bewusstseins, ohne unser Zuthun, als diese bestimmten Objekte in uns aufzutreten und in dieser bestimmten Weise miteinander verbunden zu sein. Er ist objektiv bedingt, das heisst: wir, unser ganzes Wesen, verhaelt sich zur Beschaffenheit der Bewusstseinsobjekte und der Weise ihrer Verbindung passiv oder gleichgueltig. Unsere Neigungen und Wuensche, dass etwas so oder so sei, sind in solchem Vorstellungsverlauf ausser Wirkung gesetzt. Es giebt innerhalb desselben nur ein Interesse, naemlich das Interesse, ohne alles Interesse an der _Beschaffenheit_ des Vorgestellten und der Weise seiner Verbindung lediglich den Forderungen zu genuegen, die die Objekte des Bewusstseins an uns stellen, oder lediglich der "objektiven Noetigung" zu gehorchen, der wir unterliegen, wenn wir jede Reaktion unseres Wesens dem Inhalte der Objekte und der Weise ihrer Verbindung gegenueber unterlassen. Diesem objektiv bedingten Vorstellungsverlauf oder inneren Verhalten steht gegenueber das subjektiv bedingte, von dem das voellige Gegenteil gilt. Der Vorstellungsverlauf ist subjektiv bedingt, das heisst: es kommt darin eben die Anteilnahme unserer Persoenlichkeit oder die "Reaktion" unseres Wesens auf den Inhalt des Vorgestellten und die Beschaffenheit der Vorstellungszusammenhaenge zur Aussprache. Es giebt sich darin kund, was das Vorgestellte fuer uns, so wie wir einmal sind, bedeutet, ob seine Beschaffenheit mit unserem Wesen einstimmig ist, oder ihm widerstreitet, ihm zusagt oder widerstrebt, ob sie uns erfreut, erhoeht, ausweitet, oder in uns Unlust weckt, uns niederdrueckt, uns einengt.--Es ist, nebenbei bemerkt, eine gar nicht selbstverstaendliche, sondern hoechst merkwuerdige Thatsache, dass diese beiden Weisen psychischer Bethaetigung nicht nur nebeneinander existieren, sondern vollkommen unabhaengig voneinander sich vollziehen koennen, dass wir also das eine Mal logisch oder erkennend thaetig sein, das heisst unseren Wuenschen, oder der Reaktion unseres Wesens auf die Beschaffenheit des Vorgestellten den Einfluss auf den Vorstellungsverlauf verbieten, das andere Mal dagegen eben diesen Reaktionen unseres Wesens uns ueberlassen koennen. Es ist eine merkwuerdige Sache um diese wechselseitige Selbstaendigkeit von "Verstand" und "Gemuet". Und in diese verschiedenen psychischen Lebensgebiete nun sollen die "Kuenste" sich teilen. Gewisse Kuenste sollen an den "Verstand", andere an das "Gemuet" sich wenden. Bei einigen soll die Frage lauten: Was oder wie ist dies, bei anderen: Wie vermag mich dies innerlich anzumuten. Offenbar gehoerten jene Kuenste demselben Lebensgebiete an, dem die Wissenschaft angehoert, diese dem Gebiete des psychischen Lebens, das fuer die Wissenschaft ihrer Natur nach nicht besteht und nicht bestehen darf. Angenommen, das Wort Kunst haette in der That unserem Sprachgebrauch zufolge diese grundsaetzlich verschiedene Bedeutung, so muessten wir, da doch Begriffe im wissenschaftlichen Zusammenhange nicht voellig Heterogenes vereinigen sollen, uns entschliessen von jetzt an nur noch die eine Gruppe von Kuensten mit diesem Namen zu bezeichnen. Und zwar muesste dies die Gruppe sein, der die Musik angehoert. Die andere koennte dann etwa unter dem Namen "Kuenste der Belustigung des Verstandes und Witzes" zusammengefasst werden. Indessen diese Scheidung ist nicht erforderlich. Wir duerfen von vornherein annehmen, dass diejenigen, die den Wert der Werke gewisser Kuenste, etwa der Dramatik oder der Malerei oder der Plastik, darein setzen, dass sie uns etwas wiedererkennen lassen, uns etwas zeigen, uns Raetsel loesen, in die Wirklichkeit oder das Leben einen Einblick gewaehren, uns von Thatsaechlichem Verstaendnis schaffen, uns eine leichte, sichere, anschauliche Auffassung desselben ermoeglichen, oder wie die Wendungen sonst lauten moegen,--dass sie alle im Grunde nicht meinen, was sie sagen, oder dass sie bei dem, was sie sagen, Anderes stillschweigend voraussetzen, oder ihnen selbst unbewusst mit einschliessen. Und es ist leicht zu sehen, was dies sein muss. Zweifellos hat ja die dramatische Kunst,--um speciell bei dieser zu bleiben--die Absicht uns durch Vorfuehrung charakteristischer Faelle zu zeigen, was es um Menschendasein und Menschenschicksal fuer eine Sache ist. Aber damit ist nicht gesagt, dass hierin ihre Endabsicht besteht. Wer mir dergleichen "zeigt", kann ja gar nicht umhin--da ich doch nun einmal auch Mensch bin--mir zugleich den entsprechenden Eindruck zu schaffen. Und zeigt er mir's in der Weise, wie es die Dramatik thut, dann heisst dies: Ich lebe in ganz eigenartig eindrucksvoller Weise das Menschendasein und Menschenschicksal mit. Meine Persoenlichkeit,--nicht mein die Thatsachen nur einfach hinnehmender Verstand,--findet darin ihre eigenen Lebensmoeglichkeiten, Lebensbeduerfnisse, Lebensantriebe verwirklicht. Fassen wir die Sache so, dann verstehen wir, warum die Dramatik mir Leben "zeigt", mir einen "Blick" in dasselbe gewaehrt, mich dasselbe leicht, sicher, anschaulich "auffassen" laesst; und wiefern sie dies, als Gattung der "Kunst", notwendig thut. Das Leben, das ich mitleben soll, muss eben doch fuer mich da sein. Es kann aber fuer mich im Kunstwerk da sein, nur soweit ich in demjenigen, was das Kunstwerk meinen Sinnen bietet, ein mir bekanntes, naemlich aus der Wirklichkeit bekanntes Leben "wiedererkenne". Ich muss die Sprache des Kunstwerkes "verstehen", wenn es ueberhaupt fuer mich eine Sprache reden soll. Und je tiefer das Kunstwerk in das mir bekannte Leben greift, und mich einen "Blick" in dies Leben und seine "Raetsel" thun laesst, desto tiefer geht auch mein Miterleben. Andererseits, je leichter, klarer, unmittelbarer dies Leben von mir aus dem Kunstwerk herausgelesen werden kann, umso sicherer und reiner kann mein Miterleben geschehen. So besteht also der allgemeine Sinn der Kunst, mag sie nun Musik oder Dramatik oder sonstwie heissen, darin, dass ich--nicht an einer Verstandeseinsicht oder Bethaetigung des Intellektes, sondern an der Bethaetigung meiner zu innerem Anteil faehigen Persoenlichkeit reicher werde. Nur verwendet dazu natuerlich jede Kunst die Mittel, die sie hat. Die Musik hat aber dazu nun einmal die Toene, die Dramatik das Mittel einzelne Gestalten und Erlebnisse uns "schauen" zu lassen. Und damit ist zugleich das Allgemeinere gesagt, dass der Wert des Kunstwerkes nicht das eine Mal in etwas besteht, wozu uns das Kunstwerk Gelegenheit giebt, oder wozu es dienlich ist, das andere Mal in einem dem Kunstwerk selbst Angehoerigen, sondern dass derselbe in jedem Falle der letzteren Art, also Eigenwert des Kunstwerkes ist. Solcher Eigenwert ist ja der Wert des der Musik verwirklichten und ebenso der Wert des im Drama von uns "wiedererkannten" Lebens. Dagegen waere der Wert unseres Wiedererkennens, unserer klaren, einfachen Auffassung etc. nicht ein dem Kunstwerke selbst eigener, nicht ein unmittelbar in ihm liegender. "VERSTAENDNIS" DES KUNSTWERKES. Wir muessen nun aber diesen Sachverhalt noch nach anderer Richtung hin feststellen. Ich gelangte zu demselben, indem ich nach dem spezifischen Sinne des alle Kuenste umfassenden Wortes "Kunst" fragte. Man koennte nun sagen; Es giebt auch eine Befriedigung des _Verstandes_, die allen Kuensten gemeinsam ist. Naemlich die Befriedigung aus der Erkenntnis der Weise, wie "es" gemacht wird oder gemacht ist, aus der Einsicht in die kuenstlerische Thaetigkeit oder Leistung, wie sie im Kunstwerk offenbar wird, aus dem "Verstaendnis" des Kunstwerkes in diesem Sinne. Auch solche Wendungen sind wiederum nicht eindeutig. Dreierlei sogar kann damit gemeint sein. Zunaechst dasjenige, was damit unmittelbar gemeint _scheint_: Ich freue mich ueber meine Einsicht als solche, aber die Thatsache, dass ich verstehe, wie das Kunstwerk dazu kommt, als dies Kunstwerk dazusein, wie die Bedingungen des vorliegenden kuenstlerischen Ergebnisses zu eben diesem Ergebnisse zusammengewirkt haben oder zusammenwirken. Dann ist zu bemerken, dass die Einsicht in die _Unfaehigkeit_ des Kuenstlers, in die _Vergeblichkeit_ seiner Bemuehungen, in die _Zweckwidrigkeit_ der von ihm aufgewendeten Mittel, genau ebensogut "_Einsicht_" ist, wie die Einsicht von entgegengesetztem Inhalte. Und jene Einsicht kann eine ebenso klare und sichere, also vom rein intellektuellen Standpunkt ebenso befriedigende Einsicht sein. Wird man nun sagen, ein Kunstwerk habe, als Kunstwerk, Wert, auch wenn es nur die Moeglichkeit einer _solchen_ Einsicht, oder eines _solchen_ Verstaendnisses gewaehrt, wenn ich aus ihm moeglichst deutlich ersehe, welchen Bedingungen es seine Leerheit und Mangelhaftigkeit verdankt, und wiefern aus diesen Bedingungen nur eben dies Ergebnis entstehen konnte. Zweifellos hat dieses Verstaendnis _Wert_. Aber es ist darum nicht Verstaendnis eines wertvollen, sondern eines wertlosen "Kunstwerkes". Nichts Schlechtes in der Welt wird dadurch gut, dass ich verstehe, oder einsehe warum es nicht besser ist. Zweitens kann die Meinung diese sein: Ein Kunstwerk hat Wert in dem Masse, als darin das Vermoegen des Kuenstlers, irgendwelche, gleichgueltig ob sinnvolle oder widersinnige Absicht zu verwirklichen, sich kund giebt. Offenbar stehen wir hiermit schon an einem voellig anderen Standpunkte. Die Befriedigung ist jetzt nicht mehr eine solche des Verstandes. Wir sollen im Kunstwerk die Geschicklichkeit oder die Begabung des Kuenstlers erkennen. Aber indem wir sie erkennen, ist sie fuer uns da. Wir freuen uns nicht mehr darueber, dass wir erkennen, sondern wir freuen uns ueber das _Erkannte_. Die Geschicklichkeit des Kuenstlers, oder allgemeiner gesagt, der Kuenstler, ist Gegenstand unserer Freude. Der Wert des Kunstwerkes ist der Wert des kuenstlerischen Koennens, das wir aus dem Kunstwerke erschliessen. Dagegen koennte zunaechst eingewandt werden, dass wir uns doch sonst ueber eine auf Wertloses oder Widersinniges verwendete Geschicklichkeit nicht zu freuen, sondern sie zu beklagen pflegen. Wir nennen denjenigen, der seine Geschicklichkeit so missbraucht, einen Narren. Das Erste, was wir vom Menschen fordern, also doch auch wohl vom Kuenstler fordern duerfen, ist, dass er Sinnvolles wolle, sich vernuenftige Zwecke setze. Es kommt aber hinzu, dass wir in den allerwenigsten Faellen von den Absichten eines Kuenstlers eine genaue Kenntnis haben koennen. Angenommen, ein Stuemper behauptete, er habe in jedem seiner Werke genau das beabsichtigt, was darin erreicht sei, und wir koennten ihm nicht das Gegenteil beweisen; dann muessten wir der hier vorausgesetzten Theorie zufolge seine Werke saemtlich fuer vollendete Kunstwerke ansehen. Dann wer genau das erreicht, was er beabsichtigt, zeigt jederzeit, dass er zur Erreichung seiner Absicht vollkommen "geschickt" ist. Oder, muessen wir in einem Falle zweifeln, ob ein "Kunstwerk" dem Ungeschick sein Dasein verdankt, oder genau so gemeint ist, wie wir es vor uns sehen, so muessen wir ebendamit zugleich zweifeln, ob es ein grosses Kunstwerk oder das voellige Gegenteil davon sei. Vielleicht neigen wir erst zur ersteren Ansicht; dann sagen wir: das ist eine Stuemperei. Nachher scheint uns die letztere Ansicht die glaubhaftere; dann brechen wir in Kunstbegeisterung aus. Aber auch dies ist nicht die Meinung der Theorie, die den Wert des Kunstwerkes auf das kuenstlerische "Koennen" zurueckfuehrt. Mit diesem kuenstlerischen Koennen ist eben das _kuenstlerische_ Koennen gemeint, d. h. das Koennen, das auf kuenstlerische Absichten gerichtet ist. Dann haengt alles an der Frage: Was sind "kuenstlerische" Absichten. Gewiss nun sind dies nicht solche Absichten, die zu irgend einer Zeit ein "Kuenstler" hat. Ein Kuenstler kann allerlei Absichten haben, z. B. Essen und Schlafen. Er kann auch in seiner Kunst die Absicht haben, von sich reden zu machen, zu verblueffen, oder um jeden Preis Geld zu erwerben. Sondern kuenstlerische Absichten sind solche, die ein Kuenstler _als Kuenstler_ hat. Einem Kuenstler, so sagt man mit vollem Rechte, ist in seiner Kunst alles erlaubt. Noch mehr: Alles was ein Kuenstler will und thut, hat ebendamit absoluten kuenstlerischen Wert. Aber wann ist ein Kuenstler ein Kuenstler? In welchem Wollen und Thun stellt er sich als Kuenstler dar? Damit sind wir wiederum angelangt bei unserer ersten Frage. Was macht den specifischen Sinn des Wortes "Kunst" aus? Wir sahen: Kunst ist gerichtet auf Erzeugung eines in sich selbst Wertvollen. Das Kunstwerk schliesst in sich selbst etwas, das, wenn wir es in uns aufnehmen, unsere, der Anteilnahme an vorgestellten Inhalten faehige Persoenlichkeit, oder, wie ich statt dessen auch kurz sagte, das unser "Gemuet" bereichert, erweitet, erhoeht. Ein solches in sich selbst Wertvolles wird also notwendig der Inhalt der kuenstlerischen Absicht sein, ein solches will der Kuenstler, als Kuenstler. Und das Kunstwerk hat Wert, wenn wir daraus ersehen, der Kuenstler habe eine solche Absicht gehabt, und zugleich die Faehigkeit besessen, dieselbe zu verwirklichen. Was nun aber heisst dies anders als: Das Kunstwerk hat Wert, wenn es in sich selbst einen wertvollen Inhalt traegt. Die Verwirklichung der kuenstlerischen Absicht, so wie sie in einem Kunstwerke vorliegt, das ist doch eben das Kunstwerk. Sie ist, sofern die kuenstlerische Absicht auf einen an sich wertvollen, oder positive Anteilnahme hervorrufenden Inhalt gerichtet ist, das im Kunstwerke enthaltene Wertvolle oder positive Anteilnahme Erzeugende. Und: das _Koennen_ des Kuenstlers ist im Kunstwerke oder spricht sich darin aus, dies heisst nichts anderes als: Dies Wertvolle ist nicht bloss der Absicht nach, sondern wirklich da. Vielleicht kann der Kuenstler auch sonst noch allerlei. Aber das Koennen, das in einem bestimmten Kunstwerk vorliegt, kann nun und nimmer etwas anderes sein, als genau das, was dies bestimmte Kunstwerk dem Beschauer, der es in allen seinen Teilen und Zuegen auffasst, bietet. Natuerlich ist dieser Inhalt des Kunstwerkes dann auch in gleicher Weise fuer mich da, wenn ich an den Kuenstler und seine Bemuehungen, fuer die dabei aufgewendete Kunst gar nicht denke, sondern nur dem Kunstwerk als solchem, oder als waere es vom Himmel gefallen, mich hingebe. Dies weist nun auf zwei moegliche Standpunkte der Betrachtung. Der eine nimmt das Kunstwerk thatsaechlich wie ein Geschenk des Himmels. Der andere erinnert sich, dass es nicht daher stammt, sondern einem Kuenstler und seinem Wollen und Koennen sein Dasein verdankt. Jener Standpunkt ist der rein aesthetische, dieser der Standpunkt des aesthetischen Theoretikers oder des naturgemaess am kuenstlerischen Thun interessierten Kuenstlers. Aber beide Standpunkte betrachten doch nur dieselbe Sache von verschiedenen Seiten. Und sie ergeben demgemaess keine verschiedene Beurteilung des Kunstwerkes und seines Wertes. Ich kann nicht dem _kuenstlerischen_ Koennen und Thun, so wie es in einem bestimmten Kunstwerk steckt oder sich kund giebt, Wert beimessen, ohne eben damit dem _Kunstwerke_ einen _gleichartigen_ Wert beizumessen. Es kommt nur in jenem Falle hinzu, dass ich mein Wertbewusstsein zugleich auf den Kuenstler uebertrage, oder ihn, als Ursache des Wertvollen, das ich vor mir sehe, in meine Wertschaetzung mit einbeziehe. Nicht anders verhaelt es sich mit allerlei verwandten Wendungen. Wir bewundern, so sagt man, im Kunstwerk die Phantasie, die schoepferische Kraft, die Individualitaet des Kuenstlers. Von allem dem kann uns aber wiederum das Kunstwerk nur Kunde geben, sofern es im Kunstwerk realisiert ist. Die Phantasie des Kuenstlers, die uns im Kunstwerk entgegentritt, und uns erfreut, das sind die im Kunstwerk verwirklichten Gestalten seiner Phantasie; der Reichtum dieser Phantasie ist der Reichtum des Inhaltes des Kunstwerkes. Ebenso ist die Individualitaet des Kuenstlers, wie sie im Kunstwerk sich zeigt, die Individualitaet, der Charakter, die in sich einstimmige und geschlossene Eigenart des Kunstwerkes. Und auch hier koennen wir sagen: Der Kuenstler mag im uebrigen noch so viel Phantasie und eine noch so ausgepraegte Individualitaet haben, solange und soweit diese Phantasie oder diese Individualitaet nicht im Kunstwerk, als Inhalt oder Moment desselben, uns entgegentritt, besteht sie nicht fuer die Betrachtung des Kunstwerkes. Finden wir aber die Phantasie und Individualitaet im Kunstwerk, so finden wir sie da auch, und haben den Eindruck ihres Wertes, wenn wir den Gedanken an den Kuenstler voellig zur Seite lassen. Nicht als haette dieser Gedanke nicht seinen Wert. Es ist eine schoene Sache, nicht nur, dass ein Kunstwerk so phantasievoll und charaktervoll ist, wie es ist, sondern auch, dass es Menschen giebt, die vermoege ihrer Phantasie und ihres Charakters so Phantasie- und Charaktervolles wollen und vollbringen koennen. Aber beide Werte sind in ihrer Wurzel nur einer. Der Kuenstler hat fuer uns Wert als derjenige, der--nicht irgend etwas, sondern dies Wertvolle wollte und vollbrachte. Es wird also auch hier nur derselbe Wert von zwei verschiedenen Seiten betrachtet. So fuehrt uns jede Ueberlegung darauf zurueck, dass Wert des Kunstwerkes eben Wert des Kunstwerkes ist, und nicht Wert von irgend etwas ausser ihm, zu dem das Kunstwerk Gelegenheit giebt oder dient, oder dessen Dasein wir aus dem Kunstwerk erschliessen. "KUNSTWERT". Schliesslich komme ich noch einmal zurueck auf die oben als moeglich bezeichnete Unterscheidung des "_Kunstwertes_" von dem aesthetischen Werte des Kunstwerkes. Auch die schoene Landschaft, der wir in der Wirklichkeit begegnen, hat aesthetischen Wert. Aber sie hat keinen Kunstwert. Die gemalte Landschaft dagegen hat Kunstwert. Was heisst dies? Zunaechst einfach dies, dass die wirkliche Landschaft keine gemalte, also kein Kunsterzeugnis ist, dass mithin ihr aesthetischer Wert nicht der Wert eines Kunstwerkes sein kann. Mit anderen Worten; Wir nennen Kunstwert den aesthetischen Wert des _Kunstwerkes_. Dies erfordert doch noch eine genauere Bestimmung. Die gemalte Landschaft ist auch aesthetisch nicht dieselbe wie ihr wirkliches Vorbild. Nehmen wir auch an, der Kuenstler aendere die Motive, die Beleuchtung, den ganzen Inhalt und Charakter der wirklichen Landschaft nicht, sondern gebe alles voellig genau wieder. Dann giebt er es doch eben wieder, und zwar mit kuenstlerischen Mitteln. Er uebertraegt z. B. die Landschaft auf eine Flaeche, haelt sie in bestimmtem Massstabe, giebt ihr bestimmte Grenzen. Alles dies sind Elemente der kuenstlerischen Form, die der Kuenstler zum Objekte der Wirklichkeit, und den an ihm vorgefundenen und von ihm uebernommenen Formelementen hinzufuegt. Es sind Mittel, durch die eine specifische Weise der aesthetischen Anschauung ermoeglicht und herbeigefuehrt wird, eine solche, wie sie keinem Naturobjekte gegenueber moeglich ist. Und durch alle diese Formelemente oder Kunstmittel wird der wertvolle Inhalt des Kunstwerkes oder sein Wertinhalt im Vergleich mit dem aesthetischen Wertinhalte des Naturobjektes ein anderer und eigenartiger. So muss es sein, wenn die fraglichen Formelemente wirklich kuenstlerische, die Kunstmittel wirklich Kunstmittel sein sollen. Es giebt kein kuenstlerisches Formelement, das nicht, als solches, zur Eigenart des kuenstlerischen Inhaltes etwas beitrage, so wie es keinen kuenstlerischen, das heisst im Kunstwerk wirklich vorhandenen Inhalt giebt, der nicht an eine Form gebunden waere. Auch Form und Inhalt beim Kunstwerke verhalten sich wie verschiedene Seiten _Desselben_. Kuenstlerische Form ist alles im Kunstwerke, das macht, dass ein aesthetisch unmittelbar Wirksames fuer uns im Kunstwerke da ist, und so wirkt, wie es wirkt. Und Inhalt des Kunstwerkes ist eben dies im Kunstwerk fuer uns unmittelbar Vorhandene und Wirksame selbst, soweit es in ihm vorhanden und wirksam ist. Was anders wirkt, ist eben damit ein anderes Wirksames, also ein anderer Inhalt des Kunstwerkes. So hat es keinen Sinn zu fragen, ob ein Kunstwerk durch die Form oder den Inhalt wirke, weil keines ohne das andere moeglich, oder jede Wirkung notwendig eine Wirkung von beidem ist. Dasjenige nun, was der Kuenstler durch die _specifisch_ kuenstlerischen, ich meine die am Naturobjekte nicht vorgefundenen Formelemente zum Wertinhalte des Kunstwerkes hinzugefuegt, kann man als spezifischen "Kunstwert", im Gegensatz zu dem aesthetischen Werte, der auch dem Naturobjekte als solchem eignet, bezeichnen. Es ist nach dem Gesagtem dasselbe, wenn ich diesen Kunstwert als den Wert jener spezifisch kuenstlerischen _Formelemente_ bezeichne, da diese ihren kuenstlerischen Wert nicht als leere Formen, sondern als inhaltvolle und den Inhalt bestimmende Formen besitzen. Damit ist dann aber zugleich gesagt, dass solcher "Kunstwert" nicht etwas vom aesthetischen Werte, der auch schon dem Naturobjekte zukommt, der Art nach Verschiedenes ist. Er ist vielmehr eine diesen Wert steigernde, reinigende, konzentrierende Modifikation desselben. Der in solcher Weise modifizierte aesthetische Wert des Naturobjektes, das ist der schliessliche gesamte _aesthetische Wert_ des Erzeugnisses der Kunst,--soweit naemlich dasselbe Naturobjekte zum Vorbilde hat. Freilich ist nun das, was ich hier ueber den spezifischen Kunstwert sagte, ebenso wie das, was vorhin ueber die aesthetische Bedeutung der kuenstlerischen Absichten, des kuenstlerischen Koennens, der kuenstlerischen Phantasie und Individualitaet gesagt wurde, fuer uns in diesem Zusammenhange zunaechst nicht von unmittelbarer Bedeutung. Womit wir es hier zunaechst zu thun haben, das ist ja der "aesthetische Wert" ueberhaupt. Ihn hat, wie wir sahen, einerseits jedes Kunstwerk; andererseits besteht er auch schon ausserhalb des Kunstwerkes. Halten wir dies beides zugleich fest, so kann das Spezifische des aesthetischen Wertes ueberhaupt nur in dem gefunden werden, was allen Kunstwerken und zugleich allem ausserhalb der Kunst vorhandenen aesthetisch Wertvollen gemeinsam ist. Und dabei kommt der Wert des kuenstlerischen Koennens und Thuns, der kuenstlerischen Individualitaet etc. nicht mehr in Frage. Es bleibt also einzig uebrig die Faehigkeit des aesthetisch wertvollen Objektes, unmittelbar durch das, was es an sich selbst ist oder uns zu sein scheint, auf uns zu wirken, kurz sein "_Eigenwert_". Auch das aesthetisch Wertvolle der Natur ist ja freilich irgendwie _geworden_. Aber hier unterscheidet jedermann die Freude an der Erkenntnis, wie die Objekte geworden sind, die Freude des Zoologen, Botanikers etc. an seinem "Verstaendnis" der Formen, von der aesthetischen Befriedigung, die aus der blossen betrachtenden Hingabe an das, was thatsaechlich vorliegt, erwaechst. DIE KOMIK ALS "SPIEL". _Eine_ Antwort auf die Frage nach dem Wesen des Wertes eines Kunstwerkes habe ich oben geflissentlich ausser Acht gelassen. Es ist die uns bereits bekannte Antwort, die _Groos_ giebt: Unsere Freude am Kunstwerk ist die Freude am Spiel der inneren Nachahmung. Diesen Gedanken haben wir bereits abgewiesen. Angenommen indessen, er waere wahr. Dann wuerde die Komik wohl in erster Linie das Recht haben, aesthetisch wertvoll zu heissen. Denn die Komik ist, wie wir gesehen haben, Spiel. Und sie ist Spiel der inneren Nachahmung, wenn wir unter Nachahmung alles das verstehen, was _Groos_ so nennt Sie ist spielende Auffassung von Objekten; und zwar, vermoege ihrer besonderen Bedingungen, Spiel von besonders ausgepraegter Art. In Wahrheit aber kann die Komik eben deswegen _keinen_ aesthetischen Wert beanspruchen. Das Komische ist belustigend. Lust ist Freude. Aber die Freude haftet hier nicht am komischen Objekte als solchem. Wir sahen, das komische Objekt kann wertvoll und unwert sein. Aber dieser Wert oder Unwert hat mit der Komik als solcher nichts zu thun. Die geringfuegige Leistung, die auf grosse Versprechungen folgt, ist komisch, aber sie ist nicht wertvoll, kein Gegenstand unserer Lust oder Freude. Woran aber haftet oder worauf bezieht sich dann die komische Lust? Wir sagten soeben: auf das Spiel. Aber auch dies ist noch keine eindeutige Erklaerung. Es liegt darin dieselbe Zweideutigkeit, die auch jener eben von neuem erwaehnten Theorie des kuenstlerischen Wertes anhaftet. Was ist mit jenem Spiel der inneren Nachahmung gemeint? Eine bestimmt geartete _Thaetigkeit_ des Nachahmens oder eine bestimmte Weise ihres _Gelingens_? Die gleichen beiden Moeglichkeiten muessen auch bei der Komik unterschieden werden. Die erstere aber muessen wir hier gleich abweisen. Die Lust am Komischen ist nicht Lust an unserem Spielen oder unserer spielenden _Thaetigkeit_. Nicht unser _Thun_ ist belustigend, sondern das komische Objekt. Man erinnert sich, dass wir ehemals die Behauptung, die Lust am Komischen sei Lust an unserer Ueberlegenheit, schon darum fuer unzutreffend erklaerten, weil die Lust von uns thatsaechlich nicht auf unsere Ueberlegenheit, sondern auf das inferiore Objekt bezogen werde. So wenig wie auf unsere Ueberlegenheit beziehen wir aber die Lust auf unsere Thaetigkeit des spielenden Auffassens. Wie soeben gesagt, nicht unser Thun erscheint uns belustigend, sondern das Objekt. Damit scheinen wir aber in einen Widerspruch mit um selbst geraten. Erst sollte die Lust nicht am Objekte haften, sondern am Spiele. Jetzt konstatieren wir, dass nicht unsere Thaetigkeit des spielenden Auffassens, sondern das Objekt das Belustigende sei. Die Loesung dieses Widerspruches habe ich schon angedeutet: Das spielende _Gelingen_ unserer Auffassungsthaetigkeit ist der Gegenstand der Lust. Doch fassen wir diese Frage etwas allgemeiner. ARTEN VON GEGENSTAENDEN DES GEFUEHLS UEBERHAUPT. Drei moegliche Arten der Beziehung unseres Lust- oder Unlustgefuehles auf Gegenstaende muessen unterschieden werden. Ich habe Lust an einem Objekt, oder ich habe Lust an meiner Thaetigkeit. Dazu tritt als Drittes die Lust, die weder Lust am Objekt noch Lust an meinem Thun und eben darum in gewisser Weise beides ist. Es giebt eine Lust an den Objekten meines _Denkens_: Ich freue mich an dem erfreulichen Inhalte meiner Gedanken. Dieser Lust steht gegenueber die Lust an meiner Thaetigkeit des Denkens oder meiner Denkarbeit, ihrer Energie, Konzentriertheit. Solche Lust kann ich haben, auch solange diese Denkarbeit ihr Ziel nicht erreicht, das heisst: solange ich noch nicht erkenne, was ich erkennen moechte. Endlich ist von beidem unterschieden die Freude an der _Erkenntnis_. Die Erkenntnis ist das "Gelingen" der Denkarbeit. Die Freude an ihr ist also Freude am "Gelingen". Dies nun verallgemeinern wir. Die drei Moeglichkeiten der Beziehung der Lust auf einen Gegenstand derselben, oder die drei hier zu unterscheidenden Arten des Wertgefuehls sind diese: Gefuehl des Wertes eines vorgestellten, von mir unterschiedenen Objektes als solchen; zweitens Gefuehl des Wertes meines Thuns; und drittens Wertgefuehl, das sich ergiebt aus der Beziehung eines Objektes zu einer jetzt in mir vorhandenen Weise innerer Thaetigkeit. Wertgefuehle der ersteren Art koennen wir kurz bezeichnen als Objektswertgefuehle, die der zweiten Art als Subjektswertgefuehle, die der dritten Art als Gefuehle den Wertes einer Beziehung des Objektes zum Subjekt. Die Erkenntnis ist eine solche "_Beziehung_". Sie ist eine bestimmte Weise, wie Objekte in einen Vorstellungszusammenhang sich einordnen. Diese drei Moeglichkeiten der "Wertbeziehung" koennen wir weiter verfolgen. Wir sahen sie soeben verwirklicht auf dem Gebiete des (logischen) Denkens. Wir begegnen ihnen aber ebenso auf dem Gebiete des praktischen Wollens. Lust gewaehrt mir der Gedanke an ein zu verwirklichendes Objekt, etwa einen zu erlangenden Genuss. Lust gewaehrt mir andererseits die in sich einstimmige, sei es auch vergebliche _Bemuehung_ der Verwirklichung eines Objektes, das starke, konzentrierte, kuehne Wollen. Lust gewaehrt mir endlich auch hier wiederum das "Gelingen". Und dieselben Moeglichkeiten bestehen endlich auf dem Gebiete des einfachen, weder auf Erkenntnis noch auf Verwirklichung eines von mir verschiedenen Objektes gerichteten Vorstellens. _Objekte_ unserer Betrachtung gefallen, oder wecken Lust. Der Kuenstler freut sich am Reichtum und der Kraft seines geistigen _Schaffens_. Beide endlich freuen sich oder koennen sich freuen, wenn ihnen Objekte sich darstellen, die, gleichgueltig ob in sich selbst wertvoll oder nicht, in die Richtung, die ihr Vorstellen jetzt eben genommen hat, _widerspruchslos sich einfuegen_ oder vermoege dieser Richtung _hemmungslos sich auffassen_ lassen. Hierhin gehoert die Komik. Sie gehoert zu den Gefuehlen der Lust, nicht an Objekten und nicht an unserem Thun, sondern an einer Weise, wie sich Objekte einem gegenwaertigen Thun oder inneren Vorgang einfuegen. Dasselbe drueckte ich eben so aus: Das Gefuehl der Komik ist ein Gefuehl von der Weise, wie mein Thun gelingt. Kein unwichtiger Unterschied ist es, auf den ich im Vorstehenden aufmerksam mache. Die Freude am Gelingen der Denk- oder Erkenntnisthaetigkeit oder kurz die Freude am Erkennen ist die specifisch logische. Es ergiebt sich schon aus dem ueber die Erkenntnis frueher Gesagten, dass diese Freude logisch ist, genau soweit sie nicht mitbestimmt ist durch den Wert, den das erkannte Objekt fuer mich haben mag. Und sie ist es, soweit sie ebenso wenig mitbestimmt ist durch den Wert, den mein Denken, das heisst meine Denkarbeit fuer mich besitzt. Der ist wissenschaftlich verloren, der sein Bejahen oder Verneinen einer Thatsache davon abhaengig macht, ob ihm die Thatsache zusagt. Und nicht minder derjenige, der an einer Theorie festhaelt, weil er sich nicht entschliessen kann, die von ihm auf ihre Gewinnung gerichtete Bemuehung fuer vergeblich anzusehen, oder kurz gesagt, weil sie seine Theorie ist. Nicht mindere Wichtigkeit besitzt die fragliche Unterscheidung auf dem praktischen oder ethischen Gebiet. Der verschiebt den Begriff des sittlich Wertvollen, der den Wert der Handlung bemisst nach dem Wert des gewollten Objektes. Ich kann das Wertvolle wollen, und doch es in sittlich unwerter Weise wollen. Und ebenso aussersittlich oder unsittlich ist die moralische Beurteilung, fuer welche dieser Wert sich bemisst nach dem Gelingen oder dem gluecklichen Erfolg. In Wahrheit ist sittlich wertvoll einzig die Weise des Wollens, also des inneren Thuns: Es giebt nichts in der Welt, das, "ohne alle Einschraenkung fuer gut koennte gehalten werden, als allein ein guter Wille". Und gleich gross ist endlich die Bedeutung jener Unterscheidung auf dem Gebiete der weder auf Erkenntnis, noch auf Verwirklichung eines von mir verschiedenen Objektes abzielenden Betrachtung, vor allem der aesthetischen Betrachtung. Aesthetisch wertvoll ist nicht meine Thaetigkeit der Auffassung eines Objektes oder die Weise dieser Thaetigkeit. Ebensowenig die Weise, wie mir die Auffassung gelingt, etwa die Leichtigkeit, Sicherheit, Klarheit derselben, von der oben die Rede war. Sondern, wie wir feststellten, aesthetischer Wert ist einzig der Wert des Objektes selbst, oder dessen, was fuer mich in dem Objekte unmittelbar enthalten liegt. Vergleichen wir die drei hier nebeneinander gestellten Weisen der Bethaetigung des menschlichen Geistes, die logische, die praktisch ethische, und die aesthetisch betrachtende, mit Ruecksicht auf ihr Verhaeltnis zu jenen drei Arten der Wertbeziehung, so ergiebt sich aus dem Gesagten, dass bei jeder derselben die Wertbeziehung eine andere ist, dass also jene drei Thaetigkeiten diese drei Wertbeziehungen unter sich aufteilen: Logischer Wert ist ein Wert des Gelingens; ethischer Wert ist ein Wert des inneren Thuns; aesthetischer Wert ist ein Wert des Objektes. DER WERT DER KOMIK KEIN AESTHETISCHER WERT. Damit ist zunaechst von neuem, aber in ganz anderer Richtung, als es frueher geschah, der aesthetische Wert gegen den logischen oder intellektuellen abgegrenzt. Zugleich ist die Stelle, die dem Werte des Komischen zukommt, genauer bestimmt. Er gehoert--von dem Gesichtspunkt der "Wertbeziehungen" aus--in _eine_ Wertgattung mit dem logischen oder Erkenntniswert. Er nimmt die mittlere Stellung ein, die allen Werten des Gelingens eignet. Das Gelingen besteht allemal im Sicheinstellen eines Objektes oder eines Objektiven. Insofern kann das _Objekt_ als Gegenstand des Wertgefuehles erscheinen. Zugleich ist doch das Gelingen ein sich Einstellen eines Objektiven unter der Voraussetzung eines darauf gerichteten Thuns oder inneren Geschehens. Insofern erscheint wiederum _nicht_ das Objekt, d. h. nicht das Objekt an sich, als Gegenstand des Wertgefuehles, sondern die durch das Objekt ermoeglichte Weise der Vollfuehrung oder Vollendung dieses Thuns, oder die Weise meiner Bethaetigung.--Damit ist der oben konstatierte scheinbare Widerspruch gehoben. Ich stellte eben die Komik neben die Erkenntnis. Unmittelbarer gehoert natuerlich das komische Wertgefuehl zusammen mit den anderweitigen Wertgefuehlen, in denen gleichfalls ein Gelingen einer Thaetigkeit der blossen _Betrachtung_ oder _Auffassung_, oder allgemeiner gesagt, in denen gleichfalls die Beziehung eines lediglich _aufzufassenden_ Objektes zu der vorhandenen psychischen Thaetigkeitsrichtung das Wertgefuehl bedingt. Solche Faelle haben wir bereits kennen gelernt. Ich erinnere an das Gefuehl des Erstaunens oder des Ueberraschtseins, weil wir ein weniger "Grosses" erwarteten. Ebendahin gehoert das Gefuehl des Schrecks, das, wie man weiss, auch entstehen kann, wenn objektiv gar nichts Schreckliches vorliegt oder geschieht. Ich bin etwa, vermeintlich allein, in meinen Gedanken versunken. Dann kann mich die leise Beruehrung meiner Schulter durch den unerwartet und unbemerkt zu mir Hinzugetretenen aufs heftigste erschrecken. Die Beziehung der Beruehrung zu meinem gegenwaertigen, in voellig anderer Richtung gehenden Gedankengang ist es, die hier dies Gefuehl verschuldet. So wenig braucht schliesslich das Erschreckende ein an sich Schreckliches zu sein, dass auch Hocherfreuliches das gleiche Gefuehl erzeugen kann. "Kuenstler" machen wohl gelegentlich die Kunst zu einem Mittel der Ueberraschung oder gar Verblueffung. Die Unfaehigkeit durch das Kunstwerk selbst zu wirken, veranlasst sie zu wirken, indem sie das Kunstwerk zu den jetzt zufaellig in uns bestehenden Vorstellungsgewohnheiten in Gegensatz treten lassen. Hier ist der Gegensatz des aesthetischen Wertes, und des Wertes, der an solcher Beziehung zwischen dem Objekt und den jeweiligen Vorgaengen im Subjekt haftet, besonders unmittelbar einleuchtend.--Genau so einleuchtend ist der Gegensatz zwischen jedem aesthetischen Werte und dem Wert der Komik. Dennoch hat man der Komik als solcher einen aesthetischen Wert zuerkannt. Dies war aber immer nur moeglich, wenn man den Sinn des Komischen oder des aesthetisch Wertvollen oder beider verkannte. Am naechsten liegt aus schon angegebenen Grunde jener Irrtum fuer die vorhin von neuem erwaehnte aesthetische Theorie, fuer welche der aesthetische Wert Wert des "Spieles der inneren Nachahmung" ist. Ich leugne nicht, dass hier die innere "Nachahmung" eine Ahnung des Richtigen enthaelt. Ich werde darauf nachher zurueckkommen. Zunaechst interessiert mich die Weise, wie die fragliche Theorie das Richtige geistreich verschiebt und in Widersinn verkehrt. Auch bei der Komik findet nach jener Theorie ein Nachahmen statt. An Stelle des Nachahmens tritt dann wohl das sich "Hineinleben" in das Objekt oder das sich "Hineinversetzen" in dasselbe. Soweit angesichts des Komischen dies Nachahmen stattfindet, soll das Komische aesthetischen Wert haben. Genauer gesagt, das Komische hat fuer die fragliche Theorie aesthetischen Wert, sofern wir uns in das "Verkehrte" hineinversetzen, es innerlich mitmachen. Damit geben wir dem Komischen den "bruederlichen Versoehnungskuss." Dieser bruederliche Versoehnungskuss ist das die Komik "Veredelnde". Soweit dies Moment an die Stelle der unbruederlichen Erhebung ueber das verkehrte Objekt oder an die Stelle unseres Gefuehls der Ueberlegenheit tritt, verwandelt sich die komische Betrachtung in die humoristische. Hierin liegt die richtige Einsicht, dass das Gefuehl der Ueberlegenheit ueber eine Verkehrtheit gewiss _keinen_ aesthetischen Wert begruenden, also auch nicht das Wesen des Humors bezeichnen kann. Im uebrigen ist jener "bruederliche Versoehnungskuss" zunaechst ein schoenes Wort. Was heisst dies: ich mache die Verkehrtheit oder das Verkehrte innerlich mit? Zweierlei kann damit gesagt sein. Einmal einfach dies: Ich nehme von der Verkehrtheit Kenntnis, erfasse sie in ihrem Wesen oder in ihrer Eigenart, gelte ihr in meinen Gedanken nach. "Wenn wir die Verkehrtheit wirklich durchschauen wollen, so muessen wir fuer einen Augenblick den verkehrten Gedankengang nachdenken." Damit scheint nichts anderes als dies Kenntnisnehmen bezeichnet. Die andere moegliche Auffassung ist die: Wir "machen" die Verkehrtheit innerlich "mit", d. h. wir denken oder wollen, kurz verhalten uns innerlich ebenso verkehrt. Wir denken den verkehrten Gedankengang nicht nur nach, sondern wir glauben daran, stimmen ihm bei, ebenso wie es derjenige thut, dem wir ihn nachdenken. Diese beiden Moeglichkeiten werden nun aber in jener Theorie nicht ausdruecklich geschieden. Immerhin verstehen wir, dass die zweite gemeint sein muss. Die erstere wuerde ja ueber das Gefuehl der Ueberlegenheit nicht hinausfuehren. Bei ihr fehlte der "bruederliche Versoehnungskuss". Ich kann unmoeglich das Gefuehl der Ueberlegenheit haben ueber eine Verkehrtheit, wenn ich sie nicht "durchschaue", also sie in Gedanken nachdenke. Indessen, wenn ich auch das "Mitmachen" in jenem zweiten Sinne nehme, so scheint mir wenig gebessert. Ich finde dann erstlich, dass ich in sehr vielen Faellen der Komik gar nicht weiss, worin dies innerliche Mitmachen bestehen sollte. So sehe ich beispielsweise nicht ein, was es heissen soll, dass ich mit dem leeren Grosssprecher mich innerlich aufblaehe, und dann seine geringfuegige Leistung mitmache. Da die geringfuegige Leistung nichts Innerliches ist, so kann hier das innerliche Mitmachen doch nur bestehen in dem Kenntnisnehmen, dem Beachten, der Weise dem Vorgang mit meinen Gedanken zu folgen. Ebensowenig weiss ich, wie ich eine aeussere Ungeschicklichkeit, das Stolpern eines erwachsenen Menschen ueber ein kleines, nicht wahrgenommenes Hindernis anders innerlich nachmachen soll, als so, dass ich es konstatiere. Oder besteht hier das Mitmachen in dem Gedanken, dass mir dergleichen unter gleichen Umstaenden ebensowohl begegnen koennte? Nehmen wir das Letztere an. Oder besser: Nehmen wir einen Fall, in welchem das "Mitmachen" in dem bezeichneten _praegnanten_ Sinne ohne weiteres einen Sinn ergiebt. Ich frage: Wenn ich einer Dummheit innerlich beistimme, wenn ich den Rechenfehler nicht nur "nachrechne", sondern im Nachrechnen gleichfalls begehe, wenn ich in diesem Sinne mit der komischen Verkehrtheit eine Zeitlang "Eines" bin,--liegt darin ohne weiteres ein Grund zur aesthetischen Befriedigung? Gewiss werde ich die Dummheit weniger von oben herab betrachten, oder mich ihr gegenueber weniger "ueberlegen" fuehlen, wenn ich so zum Mitschuldigen geworden bin. Aber diese Minderung des Gefuehles der Ueberlegenheit, dieser angebliche "bruederliche Versoehnungskuss", ist doch nicht gleichbedeutend mit aesthetischem Genuss. Es scheint mir, auch die schoensten Redewendungen koennen nicht darueber taeuschen, dass eine solche verminderte Ueberlegenheit nicht veredelte, sondern eben verminderte Ueberlegenheit ist, also eine relative Negation der komischen Lust, und weiter nichts. Allerdings kann dazu noch ein Element hinzutreten. Naemlich ein Gefuehl der Beschaemung ueber die Mitschuld. Aber die Vereinigung von vermindertem Gefuehl der komischen Lust und Gefuehl der Beschaemung ist doch auch nicht Dasselbe wie aesthetischer Genuss. Mit einem Wort, wir kommen auf diese Weise nicht weiter. XV. KAPITEL. DIE TRAGIK ALS GEGENSTUECK DES HUMORS. DIE TRAGIK ALS "SPIEL". Vielleicht gelingt es uns eher, weiter, d. h. den Bedingungen, unter denen das Komische in ein aesthetisch Wertvolles sich verwandelt, naeher zu kommen, wenn wir--bei dem Begriff der inneren Nachahmung noch einen Augenblick bleiben, aber zunaechst einmal zusehen, welche Bedeutung derselbe auf einem anderen Gebiete haben kann. Ich bezeichnete schon die "Modifikation des Schoenen", innerhalb welcher das Komische aesthetischen Wert gewinnt, als Humor. Neben dem Humor nun--nicht etwa neben der Komik--steht die Tragik. Immer wieder hat man diese beiden als Geschwister betrachtet. Dann werden beide eine Familienaehnlichkeit haben. Es ist zu erwarten, dass das Verstaendnis des einen der Geschwister einen wesentlichen Teil des Verstaendnisses des anderen in sich schliessen werde. Wie koennen Leiden, Besorgnis, Angst, Untergang Gegenstand unseres Genusses sein? Man sagt vielleicht auch hier wiederum: Indem wir sie "innerlich nachahmen". Dies wird zutreffen. Nur kommt dabei alles darauf an, dass wir das "innerliche Nachahmen" recht verstehen. Die blosse Kenntnisnahme von dem Leiden kann nicht erfreuen. Das innerliche Mitmachen aber scheint diese Wirkung noch weniger haben zu koennen. Das Mitmachen des Leidens ist ein Leiden mit dem Leidenden, das Mitmachen der Sorge ein Sichsorgen mit dem Sorgenden. Daraus, scheint es, kann uns nur Unlust erwachsen. Hier aber wird uns wiederum das "Spiel" entgegengehalten: Die innere Nachahmung ist Spiel, und demgemaess erfreulich, wie jedes Spiel. Das Leiden der tragischen Gestalt ist nicht wirklich. Es ist nur Schein. Diesem Schein ueberlassen wir uns freiwillig, um ebenso freiwillig wiederum uns ihm herauszutreten. Das heisst in unserem Falle: Wir ueberlassen uns dem Mitleiden oder der Mitsorge, wissen aber zugleich, dass dazu in Wirklichkeit kein vernuenftiger Grund vorliegt, da ja ein wirkliches Leiden oder eine wirkliche Sorge gar nicht stattfindet. Wir geben uns also nur spielend jenem Erleben hin. Wir geben es dann ebenso spielend wieder preis. Und an diesem Spiele, dieser Freiheit auf den Schein uns einzulassen und auch wiederum von ihm loszumachen, oder ihn innerlich in nichts aufzuloesen, an dieser Selbstherrlichkeit unserer Phantasie haben wir unsere Freude. Ich wiederhole nicht mehr, was ich ueber diesen ausgekluegelten Widersinn oben angedeutet und an anderer Stelle[3] ausfuehrlicher gesagt habe. Ich begnuege mich hier zu bemerken, dass ich diese Freiheit _nicht_ habe, und dass ich, falls ich sie haette, davon angesichts des tragischen Kunstwerkes keinen Gebrauch machen wuerde. [3] Im "Dritten aesthetischen Literaturbericht", der im "Archiv fuer systematische Philosophie" demnaechst erscheinen soll. Ich habe sie nicht, weil das tragische Kunstwerk, wenn es nicht etwa ein schlechtes Machwerk ist, mich festzuhalten pflegt; weil es mich wider meinen Willen fortreisst; weil es mit Zaubergewalt mich festbannt in seiner Welt des Scheines. Und ich wuerde von dieser Freiheit keinen Gebrauch machen, weil mir der ernste und erschuetternde Genuss des tragischen Kunstwerkes lieber ist als die kindische Freude an solcher armseligen Freiheit. Ausserdem fuege ich hinzu, dass nicht bloss angesichts der Scheinwelt der Buehne, sondern auch gegenueber der Tragik der _Wirklichkeit_ ein tragischer Genuss moeglich ist. Hier hat aber doch wohl jenes Spiel der Phantasie keine Stelle mehr. Hier ist ja das Leiden harte Thatsache. Wie der, oder die Vertreter jener Theorie, so mache ja gewiss auch ich das Leiden der tragischen Gestalt innerlich mit. Nur wie schon angedeutet, in anderer Weise. Ich leide mit dem Leidenden, und _bleibe_ dabei mit ihm zu leiden. Wiefern ich nun aber davon Genuss haben kann, dies ergiebt sich aus der Beantwortung der einfachen Frage: Wann wir denn von dem Leiden eines anderen, sei es einer Person im Drama, sei es eines wirklichen Menschen, nicht bloss Notiz nehmen, sondern es im eigentlichen Sinne des Wortes miterleben oder "mitmachen". TRAGIK UND "AESTHETISCHE SYMPATHIE". Jemand leidet, d. h. empfindet Unlust, weil ihm eine Bueberei, ein thoerichter oder verbrecherischer Anschlag misslungen ist. Auch dies Leiden erleben wir innerlich mit, d. h. wir vollziehen in uns die Vorstellung dieses Gemuetszustandes. Aber wir erleben das Leiden auch wiederum nicht innerlich mit, d. h. wir nehmen nicht daran teil. Warum dies? Zweifellos, weil die Wurzel, aus welcher dies Leiden stammt, d. h. der Wunsch, das Niedrige oder Boese vollendet zu sehen, oder allgemeiner gesagt, weil dies dem Leiden zu Grunde liegende oder in ihm sich kundgebende Moment in der Persoenlichkeit dessen, der leidet, uns widerstrebt oder unserem Wesen widerstreitet. Aus gleichem Grunde freuen wir uns nicht mit demjenigen, der ueber eine gelungene Schlechtigkeit Freude empfindet. Umgekehrt weckt Leiden unser Mitleiden, Freude unsere Mitfreude, wir nehmen ueberhaupt teil an jeder Regung in einem Menschen, wenn und soweit das Moment der Persoenlichkeit, aus welchem dieselbe stammt, in unserem Wesen Widerhall findet, oder wir hinsichtlich dieses Momentes mit der leidenden oder sich freuenden Persoenlichkeit uns einstimmig fuehlen koennen. Damit ist ohne weiteres der Grund zum Genusse gegeben. Der Genuss ist Genuss dieser Einstimmigkeit, Genuss der "_Sympathie_". Dies kann genauer bestimmt werden. Woher wissen wir denn von fremden Persoenlichkeiten? Wie kommt es, dass es solche ueberhaupt fuer uns giebt? Was wir wahrnehmen, wenn ein Mensch uns gegenuebersteht, ist eine Gestalt, eine aeussere Erscheinung, eine Summe von Lebensaeusserungen. Aber dies alles ist nicht die fremde Persoenlichkeit, ich meine die seelische oder geistige, die leidende, sich freuende, hoffende, fuerchtende u. s. w. Persoenlichkeit. Das Bild dieser Persoenlichkeit kann nur aufgebaut sein aus Elementen unserer eigenen Persoenlichkeit. Das Bild der fremden Persoenlichkeit ist die an einen fremden Koerper geknuepfte, je nach der Art dieses fremden Koerpers und der Besonderheit seiner Lebensaeusserungen modifizierte Vorstellung von uns selbst. Wie wir uns selbst in der Vorstellung modifizieren koennen, ist jedermann wohl bekannt. Wie oft haben wir ein Bewusstsein davon, dass wir so oder so sein koennten. Wir wuenschen vielleicht auch, dass wir so oder so waeren. Nun, eine Vorstellung von dem, was wir sein koennten, oder die Vorstellung, wie sie ein solcher Wunsch in sich schliesst, eine solche Vorstellung, geknuepft an eine fremde sinnliche Erscheinung, das ist die fremde Persoenlichkeit. Sie ist noch etwas mehr. Die fremde Persoenlichkeit _ist_, was wir sein koennten; sie ist es wirklich. Die eigene, in dieser oder jener Weise modifizierte Persoenlichkeit tritt uns in der fremden Person als etwas _Wirkliches entgegen_. Zunaechst in der _wirklichen_ fremden Person. Aber auch in gewisser Weise in der fremden Person, die nur kuenstlerisch _dargestellt_ ist. Die ideelle, d. h. nur fuer unsere Phantasie bestehende Welt des Kunstwerkes hat fuer uns Wirklichkeit, nicht im Sinne der erkannten, wohl aber in dem eigen- und einzigarten Sinne der aesthetischen Realitaet: Auch in der nur dargestellten Person tritt uns unsere eigene Persoenlichkeit, wie sie sein koennte, als etwas "_Objektives_", als ein nicht von uns ins Dasein Gerufenes, sondern uns "Gegebenes", uns von aussen Aufgenoetigtes entgegen. Und in jedem Zuge oder jeder Lebensaeusserung der fremden Person finden wir eine moegliche Weise der Bethaetigung unserer eigenen Person verwirklicht oder sich auswirkend, vor. Jetzt fragt es sich, wie diese Bethaetigungsweise in das Ganze unserer Persoenlichkeit, so wie sie thatsaechlich geartet ist, sich einfuegt, ob damit einstimmig oder den eigenen thatsaechlichen Bethaetigungsantrieben derselben widerstreitend, ob befreiend oder bedrueckend, foerdernd oder verletzend. Je nachdem haben wir diese oder jene Weise des Selbstgefuehls. Das Sympathiegefuehl ueberhaupt und demnach auch das aesthetische Sympathiegefuehl ist also eine psychologisch wohl verstaendliche, ja wenn man will selbstverstaendliche Sache. Es ist, wenn wir einmal vom Dasein fremder Persoenlichkeiten und von Regungen, die in ihnen stattfinden, wissen, ohne weiteres gegeben. Dies Sympathiegefuehl ist Selbstgefuehl, aber doch wiederum vom unmittelbaren Selbstgefuehl verschieden. Der Gegenstand desselben ist unser "_objektiviertes_", in Andere hineinverlegtes, und demgemaess in Anderen vorgefundenes Selbst. So muessen wir auch das Sympathie_gefuehl_ als objektiviertes _Selbstgefuehl_ bezeichnen. Wir fuehlen uns in Anderen, oder fuehlen Andere unmittelbar in uns. Wir fuehlen uns in oder durch den Anderen beglueckt, befreit, ausgeweitet, gehoben, oder das Gegenteil. Das _aesthetische_ Sympathiegefuehl ist aber nicht nur eine Weise des aesthetischen Genusses, sondern es ist der aesthetische Genuss. Aller aesthetischer Genuss liegt schliesslich einzig und allein in der Sympathie begruendet. Auch der aesthetische Genuss, den Linien, geometrische, architektonische, tektonische, keramische Formen etc. gewaehren. Was diesen letzteren Punkt betrifft, so verweise ich auf meine "Raumaesthetik und geometrisch-optische Taeuschungen". Diese ganze Thatsache uebersieht die oben bekaempfte Theorie. Sie uebersieht damit im Aesthetischen das Aesthetische. Sie greift darum zu jenem laeppischen "_Spiel_". VOLKELTS AUSSERAESTHETISCHE BEGRUENDUNG DER TRAGIK. Nicht das Gleiche kann gesagt werden von einem anderen Aesthetiker der Tragik, _Volkelt_. Ich denke dabei sowohl an _Volkelts_ "Aesthetik des Tragischen", wie an seine "Aesthetischen Zeitfragen". Aber auch _Volkelt_ erkennt die aesthetische Sympathie nicht als das eigentlich Entscheidende an. Darum muessen auch bei ihm ausseraesthetische Momente, oder solche Momente, die nur scheinbar selbstaendige Bedeutung haben, den aesthetischen Genuss vervollstaendigen. Ja schliesslich erscheinen solche Momente als die eigentlichen Faktoren des aesthetischen Genusses. Es ist schon bedenklich, dass diese Momente so verschiedenartig sind. Das Kunstwerk, so hoeren wir einmal, laesst uns in die "Raetsel" des Lebens "blicken"; es "zeigt" uns, was es um das Leben fuer eine Sache sei. Es laesst auf die Stellung von Freude und Leid, von Gut und Boese, von Vernunft und Unvernunft im Leben "ein Licht fallen". Die Tragik soll auch Unerfreuliches darstellen, bloss darum, weil auch das Unerfreuliche zur _Wirklichkeit des Lebens_ gehoert. Mit einem Worte, die Kunst soll uns das Wirkliche in seinen bedeutsamen Zuegen erkennen, wiedererkennen, verstehen lassen. Dies alles sind Wendungen, wie wir sie schon oben kennen gelernt und abgewiesen haben. Wir sahen, mit dem Wiedererkennen hat es freilich in der Poesie seine Richtigkeit. Aber der Zweck der Kunst kann nicht in dergleichen bestehen. Wir koennen jetzt genauer sagen: Dieser Zweck besteht nicht im Wiedererkennen, nicht darin, dass uns etwas gezeigt wird, sondern darin, dass wir mit dem _Wiedererkannten_, oder dem, was uns gezeigt wird, menschlich mitfuehlen oder "sympathisieren" koennen. Auch gegen die Behauptung haben wir uns schon erklaert, dass das Kunstwerk seine Wirkung uebe, indem es uns die Individualitaet des Kuenstlers offenbare, die Weise, wie in ihm die Welt sich spiegelt, seine Gestaltungskraft, den Reichtum seiner Phantasie. Alles dies offenbart sich uns, so sagten wir, im Kunstwerke, nur soweit es im Kunstwerke verwirklicht ist. Soweit es aber darin verwirklicht ist, bildet es einen Teil des Inhaltes des Kunstwerkes, und ist, wie der ganze Inhalt des Kunstwerkes, Gegenstand unserer aesthetischen Sympathie. Nur dann koennten diese Momente den Anspruch erheben, einen eigenen und neuen Faktor des aesthetischen Genusses zu bezeichnen, wenn es erlaubt waere, zur _aesthetischen_ Bewertung des _Kunstwerkes_ auch _das_ Wertgefuehl zu rechnen, das wir gewinnen, wenn wir vom Kunstwerk und der in ihm verkoerperten ideellen Welt unseren Blick abwenden, um statt dessen dem Kuenstler, und dem, was er ausserhalb des Kunstwerkes ist, uns zuzuwenden und ihn, diese wirkliche Persoenlichkeit, zum Gegenstand einer Betrachtung zu machen, die mit aesthetischer Betrachtung nichts zu thun hat. Ich nehme aber an, dass _Volkelt_ diese Erlaubnis nicht zu geben beabsichtigt. Als weiteren Faktor des aesthetischen Genusses bezeichnet _Volkelt_ die Freude an unserer "Belebung", an der "ueber das Mittelmass hinausgehenden Erregung des seelischen Lebens", an der inneren "Durchschuettelung". Hier haette _Volkelt_ wohl zunaechst zeigen muessen, ob es eine solche Freude ueberhaupt gebe, bezw. unter welchen Bedingungen es dieselbe geben koenne. Er wuerde dann zweifellos gefunden haben, dass es auch eine ueber das Mittelmass hinausgehende Erregung oder eine Durchschuettelung giebt, die alles andere als genussreich ist, einen inneren Aufruhr, ein sich Draengen heftiger Erregungen, ein Hoch- und Durcheinandergehen der Wogen unseres Inneren von quaelender, entsetzlicher Art. Es fragt sich also, was uns durchschuettelt. Wir haben Freude, wenn die Durchschuettelung eine Lebenssteigerung bedeutet, das heisst, wenn uns in dem, was uns durchschuettelt, etwas gegeben ist, das eine solche Lebenssteigerung in sich schliesst. Und damit sind wir wiederum angelangt bei dem Genuss, den die aesthetische Sympathie gewaehrt. Daneben giebt es freilich auch noch eine Durchschuettelung anderer Art, durch das Ueberraschende, Verblueffende, Sensationelle, Drastische, durch allerlei vom inhaltlichen Werte des Kunstwerkes unabhaengige "Effekte". Ich nehme aber wiederum an, dass Volkelt solche Faktoren, soweit sie nicht etwa der sichereren Wirkung des wertvollen Inhaltes des Kunstwerkes dienen, nicht als aesthetische Faktoren preisen will. Viertens wird von _Volkelt_ statuiert eine aesthetische Lust aus der "Entlastung": Die aesthetischen Gefuehlsbewegungen tragen den Charakter der Leichtigkeit, Freiheit und Stille. Wir sind hinausgehoben ueber unser individuelles Ich mit seinem Bleigewicht, seinen Fesseln, seinen Stacheln. Damit ist gewiss eine Bedingung des aesthetischen Genusses bezeichnet. Ohne solche Freiheit ist es unmoeglich, dass wir das aesthetisch Wertvolle ganz in uns aufnehmen, oder in seiner ganzen Fuelle und Wirkungskraft in uns erleben. Aber diese negative Bedingung des Kunstgenusses ist doch nicht gleichbedeutend mit einem positiven Faktor desselben. Die Befreiung von dem individuellen Ich mag eine Aufhebung von allerlei Gruenden der Unlust in sich schliessen. Daraus ergiebt sich doch positive Lust lediglich unter der Voraussetzung, dass dazu im Kunstwerk irgend welche positiven Gruende gegeben sind. Endlich wird von Volkelt darauf hingewiesen, dass die Kunst dem Beduerfnis unserer Phantasie nach freier Gestaltung reiche Befriedigung schaffe. Dagegen erwidere ich einmal dasjenige, was ich schon oben gegen das "Spiel der inneren Nachahmung" bemerkte. Die Kunst, die dramatische zum wenigsten, ermoeglicht nicht, sondern verbietet vielmehr unserer Phantasie die freie Gestaltung. Der Inhalt des Kunstwerkes ist uns gegeben, voellig unabhaengig von unserem freien Belieben. Und damit ist auch schon das Andere gesagt: Die Befriedigung unserer Phantasie, von der hier die Rede ist, kann nichts anderes sein, als die Befriedigung an den Gegenstaenden unserer Phantasie, das heisst am Inhalte des Kunstwerkes. Oder sollen wir ausser dieser Befriedigung an den Gegenstaenden oder Inhalten unserer Phantasie auch noch eine besondere Befriedigung verspueren an unserer Thaetigkeit der Phantasie, an dieser unserer geistigen Arbeit, und der Weise, wie sie sich vollzieht. Die Moeglichkeit einer solchen Befriedigung leugne ich wiederum nicht. Nur ist, soviel ich sehe, auch diese Befriedigung,--ebenso wie die Befriedigung an der Phantasie des Kuenstlers, soweit dieselbe nicht im Kunstwerk verwirklicht ist,--dadurch bedingt, dass ich meinen Blick vom Kunstwerk weg wende, und ihn richte auf das Stueck der wirklichen Welt, das durch meine reale Persoenlichkeit, mein individuelles Ich repraesentiert ist. Denn dieser Welt, und nicht der Welt des Kunstwerkes, gehoert doch eben meine, mit den Inhalten des Kunstwerkes beschaeftigte Phantasiethaetigkeit an. Es ist also auch die Freude daran nicht Freude am Kunstwerk, sondern Freude an der ausserhalb des Kunstwerkes liegenden realen Welt. Diese aber kann _Volkelt_ umso weniger zur Freude am Kunstwerk rechnen wollen, als er ja selbst mit vollem Rechte die Losloesung vom individuellen Ich zur Bedingung des aesthetischen Genusses macht. In der That ist der aesthetische Genuss nichts anderes als der Genuss, der sich aus der reinen _aesthetischen Betrachtung_ ergiebt. Und diese _besteht_ in der Losloesung von allem, was nicht im Kunstwerk unmittelbar gegeben ist. Sie besteht im Aufgehen in diesem Objekte der Betrachtung. Die aesthetische Sympathie ist die Sympathie unter _Voraussetzung_ solcher Losloesung oder solchen Aufgehens. Ich bezeichnete diese aesthetische Sympathie auch damit, dass ich sagte, wir erleben im Kunstwerke uns selbst, nicht bloss, wie wir jetzt sind, sondern wie wir sein koennten. Wir erleben darin unser ideelles Ich. Dies kann bald in diesem, bald in jenem Zuge zu einem idealen, oder ueber das Mass unseres realen Ich gesteigerten Ich werden. Wie es aber hiermit bestellt sein mag: Immer wenn uns im Kunstwerk Persoenliches entgegentritt, nicht ein Mangel am Menschen, sondern ein positiv Menschliches, das mit unseren eigenen Moeglichkeiten und Antrieben des Lebens und der Lebensbethaetigung im Einklang steht oder darin Widerhall findet; immer wenn uns dies positiv Menschliche entgegentritt so objektiv, so rein und losgeloest von allen ausserhalb des Kunstwerkes stehenden Wirklichkeitsinteressen, wie dies das Kunstwerk ermoeglicht und die aesthetische Betrachtung fordert, immer dann ist dieser Einklang oder Widerhall fuer uns beglueckend. Persoenlichkeitswert ist ethischer Wert. Es giebt keine moegliche andere Bestimmung und Abgrenzung des Ethischen. Aller Kunstgenuss, aller aesthetische Genuss ueberhaupt ist darnach Genuss eines ethisch Wertvollen, nicht als eines Bestandteiles des Wirklichkeitszusammenhanges, sondern als eines Gegenstandes der aesthetischen Anschauung. DAS SPEZIFISCHE DES TRAGISCHEN GENUSSES. Im Vorstehenden ist doch noch in keiner Weise das eigentlich Spezifische des tragischen Genusses erwaehnt worden. Mitfreude ist Genuss, Miterleben des Leidens ist hoeherer Genuss. Wie ich gelegentlich an anderer Stelle--in dem oben erwaehnten "Litteraturbericht"--sagte: Es ist eine schoene Sache um eine Mutter, die ueber ihr gesundes und froehlich spielendes Kind sich freut. Aber es ist eine erhabenere Sache um die Mutter, die um ihr krankes oder sterbendes Kind in Sorge sich verzehrt. Jene Freude ist fuer uns erfreulich; dieser Schmerz ist verehrungswuerdig, heilig. Er ist nicht nur ein hoeherer, sondern ein anderer Genuss, tiefer und ernster. Solchen tiefen und ernsten Genuss giebt die Tragik. Wie dies moeglich ist, dies wird uns verstaendlich aus einem psychologischen Gesetz, das wir bereits in anderem Zusammenhang kennen gelernt haben. Indem ich es hier zur Erklaerung herbeiziehe, scheine ich Erhabenes aus Banalem ableiten zu wollen. Aber kein Gesetz ist banal an sich. Jedes Gesetz ist erhaben, wenn es Erhabenes vollbringt. Ich meine hier das Gesetz der "psychischen Stauung". Ich formuliere es von neuem: Wird ein Vorstellungszusammenhang, der einmal in mir angeregt ist, in seinem natuerlichen Ablauf gehindert, so entsteht eine psychische Stauung, d. h. die Vorstellungsbewegung macht an dem Punkte, wo die Stoerung stattfindet, Halt. Damit wird zunaechst das, was vor diesem Punkte sich findet, von dieser Bewegung staerker, als es sonst geschehen wuerde, erfasst und emporgehoben. Es kommt in uns in hoeherem Masse zur Geltung und Wirkung. Es uebt insbesondere auch in hoeherem Masse die Gefuehlswirkung, die es an sich zu ueben faehig ist. Wir werden seines Wertes in hoeherem Masse inne. Mannigfache Wirkungen dieses Gesetzes, die auf seine Bedeutung fuer die Tragik hinweisen koennen, sind uns schon aus dem alltaeglichen Leben gelaeufig. Ein wertvolles Objekt, das wir besassen, sei zerbrochen oder vernichtet. Jetzt schaetzen wir erst recht seinen Wert. Der Freund, den wir verloren haben, erscheint uns in idealisiertem Lichte. Wir sind geneigt von den Toten Gutes zu reden. Die Strafe, die dem Verbrecher zu teil wird, soehnt uns mit ihm aus. Dies alles sind Wirkungen jenes Gesetzes. Vieles an einem Menschen kann Gegenstand unseres Hasses sein. Daneben ist er doch auch Mensch wie wir. Es finden sich in ihm positiv menschliche Zuege, hinsichtlich deren ich mit ihm einstimmig bin, die in mir Widerhall finden koennen, kurz mit denen ich sympathisieren kann. Von diesem Positiven, oder von der Persoenlichkeit, sofern sie eben Persoenlichkeit ist, fordern wir, dass sie bestehe, daure, sich bethaetige, frei sich auslebe. Dabei verstehe ich unter dem freien Sichausleben das durch kein inneres oder aeusseres Hindernis gehemmte Sichbefriedigen, die freie Verwirklichung dessen, worauf irgend ein positiver Lebensantrieb abzielt. Solche Forderungen sind nichts anderes als unser _eigenes_ Verlangen, zu dauern, uns zu bethaetigen, uns frei auszuleben. Hier nun haben wir einen bestimmten Vorstellungszusammenhang und zwar den denkbar zwingendsten. Es ist eben der Zusammenhang zwischen dem Positiven der Persoenlichkeit und seiner Dauer, seiner Bethaetigung, seinem Sichausleben. In der Natur dieses Zusammenhanges liegt die Tendenz mit voller Sicherheit in _dieser Weise_, oder als dieser bestimmte Zusammenhang abzulaufen. Dies heisst nichts anderes als: Es knuepft sich an das Bewusstsein, es sei ein positiv Menschliches gegeben, unbedingt jene Forderung. Ein solcher Vorstellungszusammenhang wird nun in uns angeregt, immer wenn wir von einem Menschen wissen. Und sein freier Ablauf wird gehemmt durch die Wahrnehmung seines Todes, durch das Bewusstsein von jedem Leiden, jeder Strafe, jedem Eingriff in sein Dasein. Der ganze Mensch, also auch jenes Positive in ihm, dauert nicht, wenn er stirbt, lebt nicht frei sich aus, wenn ihn ein Uebel trifft. Damit ist die Stauung gegeben, d. h. die Notwendigkeit, das wir bei jenem Positiven und seiner Natur nach uns Sympathischen haften. Dies "tritt heraus", wird Gegenstand der "Aufmerksamkeit", gewinnt psychische Hoehe und steigt fuer uns an Wert, oder gewinnt jetzt erst, in unseren Augen naemlich, seinen Wert. Und diesen Wert geniesse ich mitfuehlend in einer Weise, wie es sonst unter keinen Umstaenden moeglich waere. In dem Bilde des Verstorbenen tritt das Gute und Tuechtige, das was ihn wert machte, zu leben, oder was mir sein Leben wertvoll machte, deutlicher hervor. Bei dem Freunde faellt hellstes Licht auf das, was ich an ihm schaetzte. Der Verbrecher wird fuer mich erst Mensch, d. h. menschlicher Wertschaetzung wert. Dass wir dem Verbrecher die erlittene Strafe zu gute schreiben, oder sie zu seinen Gunsten anrechnen, ist nichts als ein populaerer, aus einer anderen Sphaere hergenommener Ausdruck fuer diese psychologische Thatsache. Sowie hier der Tod oder das Erleiden der Strafe, so wirkt ueberall im Leben und in der Kunst,--nur in der Kunst, vermoege der Besonderheit der kuenstlerischen Darstellung und unserer aesthetischen Anschauung, in hoechstem Masse,--alles was irgendwie als ein Eingriff in eine Persoenlichkeit, oder als eine Stoerung des unmittelbaren freien Sichauslebens der menschlichen Persoenlichkeit, oder einen Positiven in ihr, bezeichnet werden kann; jede Einengung eines Menschen, jeder Druck, jedes Nichtgelingen, alles was wir Kummer, Sorge, Mangel, Not, Elend nennen, jedes Missgeschick; auch jede innere Hemmung, jeder Zweifel, jede Verkuemmerung; schliesslich in hoechstem Masse der, sei es physische, sei es auch sittliche Untergang. Es wirkt dies alles _in dem Masse_, als wirklich ein _positiv Menschliches_, dessen Wert wir in uns inne werden koennen, in seinem Bestande, seiner Dauer, seinem freien Sichausleben gehemmt erscheint; im hoechsten Masse, wenn dies positiv Menschliche zugleich _Groesse_ hat. Immer ist die Art der Wirkung dieselbe: Erleben unserer selbst in einem Anderen, Erklingen oder lauteres Erklingen einer sonst nicht erklingenden oder nur schwach erklingenden Saite unseres Inneren, also vollerer Zusammenklang der Momente unseres Wesens, Steigerung, Erhoehung, Ausweitung unserer selbst; alles dies zugleich in einem Anderen, also objektiviert; in der fremden Persoenlichkeit mit aesthetischer Realitaet uns entgegentretend. Zugleich ist diese Wirkung umso staerker, je schaerfer der Eingriff in den Bestand, die Betaetigung des Sichausleben der Persoenlichkeit erscheint. Gewiss waechst mit der Schaerfe des Eingriffes auch die Unlust am Leiden. Und diese kann sich steigern zu einem Gefuehl des Entsetzlichen, das keinen tragischen Genuss mehr aufkommen laesst. Diesseits dieser Grenze aber liegen die unendlich vielen Stufen der Moeglichkeit, dass sich die Gruende der Unlust und die Gruende der Lust zur Erzeugung des tiefen, ernsten, erschuetternden Genusses vereinigen, als welcher eben der tragische Genuss sich uns darstellt. WEITERE AESTHETISCHE WIRKUNGEN DES KONFLIKTES. Ich betrachte hier die Tragik nicht um ihrer selbst willen, sondern als Gegenbild des Humors. Soll aber die Tragik das volle Gegenbild des Humors sein, so duerfen wir sie nicht in dem engen Sinne nehmen, in dem wir sie zu nehmen pflegen, sondern muessen als tragisch jede Art des ernsten Konfliktes bezeichnen. Die Tragik, im engeren Sinne, ist Tragik des aeusserlich ungeloesten Konfliktes. Konflikte koennen aber auch sich loesen; die Sache kann einen gluecklichen Ausgang nehmen. Dann gewinnt die Stauung eine weitere Bedeutung. Die durch die Stauung gesteigerte oder zu groesserer psychischer Hoehe gebrachte psychische Bewegung ergiesst sich, wenn der Konflikt geloest, also das Hindernis des freien Vorstellungsablaufes beseitigt ist, mit groesserer Kraft. Die Loesung, oder das worin sie besteht, gewinnt groessere psychische Bedeutung und groessere Eindrucksfaehigkeit. Auch dies ist eine im gewoehnlichen Leben uns wohl vertraute Thatsache. Das schwer Errungene hat fuer uns doppelten Wert. Die Konsonanz, in welcher die Dissonanz sich loest, hat ein besonderes und eigenartiges Gewicht. Wem Namen statt Erklaerungen dienen, der hat hier eine neue Gelegenheit von "Kontrastwirkung" zu sprechen und einen Fall des sogenannten "Kontrastgesetzes" zu statuieren. Zwei Arten der Wirkung des Konfliktes oder des Eingriffes in Menschendasein und freies Sichausleben von Menschen haben wir hiermit einander gegenuebergestellt. Beide Wirkungen sind zunaechst unmittelbar subjektiv begruendete, d. h. Wirkungen die unmittelbar in einem Vorgang im Beschauer ihren Grund haben: Die Stauung, die der Konflikt _in uns_ bewirkt, laesst uns das Positive der Persoenlichkeit, die in den Konflikt geraet oder jenen Eingriff erfaehrt, bedeutsamer erscheinen; und die Loesung der Stauung, die _in uns_ sich vollzieht, macht uns das, worin die Loesung sich vollzieht, eindrucksvoller. Neben diesen subjektiv bedingten Wirkungen stehen aber dann objektiv bedingte. Davon habe ich in meiner Schrift "Der Streit ueber die Tragoedie" ausfuehrlicher geredet. Wir sehen, wie eine Persoenlichkeit leidet, d. h. wie tief sie vom Leiden erfasst wird, und welchen Charakter dies Leiden in ihr gewinnt. Und wir sehen, _wovon_ oder _worunter_ sie leidet. Daraus gewinnen wir ein Bild von ihrer Tiefe und ihrer Hoehe und von ihrem inneren Wesen. Nichts wuerde so uns das Innerste ihres Wesens enthuellen, als es das Leiden vermag. Ungeahnt Grosses kann das Leiden im Menschen zu Tage foerdern, die feinsten Fasern der Persoenlichkeit herausstellen, die verborgensten Saiten zum Anklingen bringen. Wir sehen dann vor allem auch, wie die Persoenlichkeit dem Leiden standhaelt, oder von ihm gebrochen wird. Die Persoenlichkeit kann im Leiden auch sittlich gebrochen, zerbroeckelt, zerrieben werden, und doch tragische Gestalt bleiben. Es ist nur noetig, dass in ihr, in ihrem inneren Wesen etwas Grosses, Echtes liegt, und dass dies wirklich, im Kampf mit dem feindlichen Geschick, _zerrieben_ wird. Es kann aber auch die Persoenlichkeit dem Leiden innerlich standhalten. Sie will lieber leiden als das Grosse in sich preisgeben. Sie bleibt sich getreu, auch indem sie untergeht. Das Grosse in ihr zeigt sich Leiden und Tod ueberwindend. Hier ist ueberall die Wirkung auf uns zugleich objektiv bedingt: Das Bild der tragischen Persoenlichkeit selbst wird ein reicheres, tieferes, es wird ein in sich selbst wirkungsfaehigeres. Je mehr es dies ist, um so mehr steigert sich zugleich die Wirkung jenes subjektiven Faktors, d. h. der in uns stattfindenden Stauung. Das Ganze der Wirkung ist ja notwendig ein Produkt aus den beiden Faktoren. Und in einem Produkt wirkt jeder Faktor um so mehr, je groesser der andere ist. Dies gilt auch, wo der Konflikt ueberwunden wird, falls naemlich er nicht durch den dummen Zufall oder einen Deus ex machina, sondern durch eine Kraft oder Groesse ueberwunden wird, mit der wir sympathisieren. Die Kraft und Groesse wird, indem sie ueberwindet, fuer uns objektiv oder an sich bedeutsamer. Zugleich steigert sie die Stauung oder die Erwartung ihres sich Auslebens, die "Spannung". Um so wirksamer wird dann auch die Loesung. AESTHETISCHE BEDEUTUNG DES BOESEN. Auf dies alles gehe ich hier nicht weiter ein. Dagegen interessiert uns noch ein fundamentaler Gegensatz. Wir sprachen bisher von Eingriffen in die Persoenlichkeit, von Hemmungen ihres freien sich Auslebens, kurz vom Leiden, und der daraus sich ergebenden Stauung. Aber neben dem Leiden steht das Boese. Auch das Boese greift stoerend ein in den freien Ablauf eines Vorstellungszusammenhanges, bewirkt also eine Stauung und damit eine Steigerung der psychischen Bewegung. Der Vorstellungszusammenhang besteht hier in dem Zusammenhang zwischen dem Menschen und der sittlichen Forderung, die wir an ihn stellen. Eine Persoenlichkeit vollziehe in sich mit Bewusstsein die Negation des Sittlichen, verhalte sich also wollend widersittlich, oder was dasselbe sagt, in irgend einem Punkte widermenschlich. Sie leugne in Worten oder durch die That eine sittliche Forderung. Dann gewinnt in uns diese sittliche Forderung erhoehte Kraft. Jemehr sie geleugnet wird, um so bestimmter setzen wir sie der Verneinung entgegen. Unser eigenes sittliches Bewusstsein tritt uns maechtiger entgegen. Darin liegt nun nicht ohne weiteres ein aesthetischer Wert. Die wahrgenommene Auflehnung gegen die in mir bestehende sittliche Forderung erfuellt mich mit Unlust. Die Kraft, mit der ich das eigene sittliche Bewusstsein festhalte, giebt mir sittliches Kraftgefuehl, etwas von sittlichem Stolz. Und dies Gefuehl ist an sich beglueckend. Das Objekt aber erscheint um so unlustvoller. Nehmen wir indessen jetzt an, die sittliche Persoenlichkeit sei nicht nur in uns, und werde in uns wachgerufen und durch den "Kontrast" zur "Reaktion" veranlasst, sondern sie finde sich auch irgendwie neben der Negation des Sittlichen in einem Kunstwerke, dann ergiebt sich, auf Grund dieser Negation, ein besonderer _aesthetischer Wert_. Es bestehen dafuer verschiedene Moeglichkeiten, die ich wiederum nur andeute. Das Boese ist "Folie" des Guten, d. h. wir finden die sittliche Forderung, die einerseits geleugnet erscheint und dadurch in uns Kraft gewinnt, andererseits verwirklicht, und erleben es jetzt, dass diese Verwirklichung uns eindrucksvoller, also in hoeherem Grade in ihrem vollen Werte sich darstellt. Oder wir sehen in einer und derselben Persoenlichkeit das Gute neben dem Boesen, als Kehrseite desselben, und erfahren eine gleichartige Wirkung. Oder das Boese, die ihr Mass ueberschreitende Leidenschaft, hat ein Gutes zu ihrer Wurzel und weist uns darauf hin. Oder das Boese ist Durchgangspunkt des Guten, der Weg, auf dem das Gute in einem Menschen sich Bahn bricht. Hier ist die den Eindruck des Guten steigernde Wirkung zunaechst wiederum eine subjektiv bedingte. Der Gegensatz und die dadurch bedingte Stauung oder "Spannung" steigert die psychische Bewegung in uns. Auch hier aber gesellen sich zur subjektiv bedingten objektiv bedingte Wirkungen. Es verfaellt etwa der Boese einem ueblen Geschick. Jetzt erscheint unserer alles vermenschlichenden Phantasie dies Geschick wie eine dem Boesen sich entgegensetzende quasi-persoenliche Macht, mit deren Wollen wir uns Eines fuehlen. Vielleicht bedient sich das Geschick der Boesen. Boeses Wollen und boeses Wollen bekaempfen sich und bringen sich zu Falle. Dann ist unser sittliches Bewusstsein befreit; wir sind versoehnt. Das Gute hat Recht behalten. Aber dies Gute ist doch einstweilen nur "das" Gute, die sittliche Macht nur eine quasi-persoenliche. Sie wird zu einer persoenlichen, wenn gutes, berechtigtes, sittliches Wollen eines Menschen gegen das Boese sich kehrt und darin seine Kraft bethaetigt. Diese Kraft erweist sich doppelt gross, wenn in der boesen Persoenlichkeit selbst ein sittliches Bewusstsein oder ein Zwang der Anerkennung, dass das Gute Recht habe, sich regt; oder wenn endlich dies sittliche Bewusstsein das Boese besiegt und endgueltig die Uebermacht in der Persoenlichkeit behauptet. Auch darauf gehe ich hier nicht naeher ein. Es genuegt mir auch hier, die Hauptmomente der tragischen Wirkung kurz bezeichnet zu haben. Alle diese Momente haben in der Wirkung des Humors ihr Gegenstueck. XVI. KAPITEL. DAS WESEN DES HUMORS. LAZARUS' THEORIE. Dass durch die Negation, die am positiv Menschlichen geschieht, dies positiv Menschliche uns naeher gebracht, in seinem Wert offenbarer und fuehlbarer gemacht wird, darin besteht, wie wir sahen, das allgemeinste Wesen der Tragik. Ebendarin besteht auch das allgemeinste Wesen des Humors. Nur dass hier die Negation anderer Art ist als dort, naemlich komische Negation. Ich sagte vom Naivkomischen, dass es auf dem Wege liege von der Komik zum Humor. Dies heisst nicht: die naive Komik ist Humor. Vielmehr ist auch hier die Komik als solche das Gegenteil des Humors. Die naive Komik entsteht, indem das vom Standpunkte der naiven Persoenlichkeit aus Berechtigte, Gute, Kluge, von unserem Standpunkte aus im gegenteiligen Lichte erscheint. Der Humor entsteht umgekehrt, indem jenes relativ Berechtigte, Gute, Kluge aus dem Prozess der komischen Vernichtung wiederum emportaucht, und nun erst recht in seinem Werte einleuchtet und genossen wird. Dieser Erfolg wird in den auf S. 104 ff.[*] zuletzt angefuehrten Faellen der naiven Komik notwendig eintreten. Insofern waren sie zugleich Faelle des Humors. [* Im Unterkapitel MOEGLICHKEITEN DES NAIV-KOMISCHEN. Transkriptor.] Der eben bezeichneten Auffassung des Humors scheint Lazarus in seinem Werke "Das Leben der Seele" zu widersprechen, indem er im Humor ueberhaupt nicht eine eigene Kunstform, sondern vielmehr eine eigene Denkweise und Gemuetsverfassung, sozusagen eine eigene Weltanschauung sehen will. Indessen damit ist uns hier nicht gedient. Mag immerhin das Wort Humor in diesem Sinne genommen werden koennen--und wir werden es selbst spaeter so nehmen--hier handelt es sich um etwas anderes. Wie es uns ehemals nicht auf den Witz ankam, den man hat, sondern auf denjenigen, den man macht, so beschaeftigt uns hier nicht der Humor, den man hat, sondern das humoristische Thun oder Verhalten, der einzelne Fall des Humors. Thatsaechlich nimmt nun auch _Lazarus_ im Verlaufe seiner Abhandlung das Wort Humor in diesem letzteren Sinne. Der von uns als naiv in Anspruch genommene Ausspruch des Korporals Trim ist fuer _Lazarus_ ein Fall des Humors. Nun kommt in diesem Ausspruch freilich eine bestimmte Denkweise zu Tage. Aber weder, dass diese Denkweise vorhanden ist, noch dass sie ueberhaupt zu Tage kommt, sondern die Art, wie sie zu Tage kommt, macht den Vorfall zu einem humoristischen. Und Entsprechendes gilt von der Rede _Falstaff_'s, die _Lazarus_ gleichfalls der Gattung des Humors zuweist. Wichtiger aber ist uns, dass _Lazarus_ bei der Erklaerung dieser einzelnen Faelle des Humors--ebenso wie _Hecker_ und _Kraepelin_ bei ihrer Erklaerung des Naiven--die Hauptsache uebersieht. "Wie laecherlich," sagt er mit Bezug auf Trim, "wenn einer das vierte Gebot nicht als einen selbstaendigen Satz auswendig kennt, wie erhaben, wenn einer es so strikt, so reich, so voll erfuellt. Wie humoristisch, wenn wir beides zugleich von ihm erfahren". In der That ist es gar nicht humoristisch, wenn wir diese beiden Dinge zugleich und von Einem erfahren. Man lasse Trim auf die Frage des Doktors der Theologie einfach erklaeren, er wisse nur, was das Gebot von ihm verlange, naemlich, dass er seinem Vater von seinen 14 Groschen Lohn 7 geben solle, und der Eindruck des Humors ist dahin. Eine solche Erklaerung waere eben eine einfach sachgemaesse Erklaerung, nicht mehr eine gleichzeitig treffende und unzutreffende, erhabene und nichtige _Beantwortung der Katechismusfrage_. Noch weniger trifft _Lazarus_' Erklaerung des Humors der _Falstaff_'schen Rede die Sache. _Falstaff_ wecke, so meint er, alle hohen Ideen, deren Widerpart er in Leben und Gesinnung sei, durch sein Reden und Thun. "Er spricht von Ehre, Mut u. s. w.; er stellt den Koenig dar, wie er Heinrich straft u. s. w.; in allem ist er ein Gebildeter, die Ansprueche der Idee Kennender und Zeigender. Wir lachen ueber ihn, obgleich er das Hohe erniedrigt (z. B. in seiner Definition der Ehre); wir lachen, weil er selbst die wahre Idee in uns weckt, und diese um so sicherer zeigt, je angelegentlicher er dagegen kaempft". Der Humor der Rede _Falstaff_'s beruht also fuer _Lazarus_ darin, dass die Erniedrigung der Ehre doch zugleich die Idee der Ehre in uns wachruft. Waere damit ohne weiteres der Humor gegeben, so muesste jeder, der nicht aus Unkenntnis, sondern in bewusster Bosheit das Edle erniedrigte und in den Schmutz zoege, humoristisch erscheinen, auch wenn er dies ohne allen "Humor" thaete. Denn je boshafter es herabgezogen wird, um so deutlicher wird uns jederzeit das Edle als solches zum Bewusstsein kommen. In Wirklichkeit wuerde aber solche Bosheit nicht den Eindruck des Humors, sondern das Gefuehl der Empoerung hervorrufen. So ist denn auch der Grund der Humors der _Falstaff_'schen Rede in gewisser Weise gerade der entgegengesetzte von demjenigen, den _Lazarus_ angiebt. Nicht dass _Falstaff_ das Recht des Sittlichen bewusst verneint, sondern das er zu dem, was er sagt, selbst ein gewisses, naemlich individuelles, sittliches Recht _hat_, das macht den Humor der Rede. Wie _Lazarus_ in der Bestimmung des Humors die Hauptsache uebersieht, dies wird nicht minder deutlich aus seinem allgemeinen Erklaerungsversuch. Der Seelenzustand des Humors soll sich ergeben "aus dem Wesen und Verhaeltnis von Fuehlen und Denken. Indem das Gefuehl der Realitaet ebenso herrschend ist, wie der Gedanke des Idealen, entspringt durch die Gleichzeitigkeit eine notwendige Verschmelzung beider, vermoege deren das Ideale den psychologischen Wert und Reiz des Realen erhaelt, sodass im Humor nicht nur die Wirklichkeit und die sinnliche Welt, sondern auch die Idee selbst anders, naemlich tiefer, kraeftiger, lebensvoller aufgefasst wird als im abstrakten Idealismus." Diese Erklaerung erweckt allerlei Bedenken. Zunaechst frage ich mich vergeblich, nach welchem psychologischen Gesetz jene Verschmelzung geschehen, und nach welchem psychologischen Gesetz sie die ihr hier von _Lazarus_ aufgebuerdete Wirkung haben solle. Ich koennte weiterhin darauf aufmerksam machen, wie viel Unheil in der Aesthetik das nichtssagende Abstraktum Idee schon angerichtet hat. Lassen wir uns aber diesen Begriff gefallen, dann muessen wir allgemein sagen: Mag noch so sehr das Ideale und Reale in uns gleichzeitig Macht gewinnen und das Gefuehl des einen mit dem Gedanken des andern, ich weiss nicht wie, "verschmelzen"; der Eindruck des Humors ensteht uns jedenfalls erst, wenn wir das Ideale in einer Persoenlichkeit verwirklicht finden, und zugleich auch nicht verwirklicht finden, wenn also das Ideale das Reale ist, und doch zugleich nicht ist. Oder wenn wir jetzt wiederum auf das "Ideale" und "Reale" verzichten. Der eigentliche Grund und Kern des Humors ist ueberall und jederzeit das relativ Gute, Schoene, Vernuenftige, das auch da sich findet, wo es nach unseren gewoehnlichen Begriffen nicht vorhanden, ja geflissentlich negiert erscheint. _Lazarus_ bezeichnet den Humor der _Fallstaff_'schen Rede im Gegensatz zum Humor _Trim_'s als objektiven. Dieser Unterschied ist ungueltig. _Falstaff_ und _Trim_ erscheinen humoristisch aus voellig gleichem Grunde. NAIVITAET UND HUMOR. In allem naiv Komischen steckt nach oben Gesagtem Humor. Ich bezeichnete diesen Humor als die Kehrseite der naiven Komik. Aber es kann nicht umgekehrt gesagt werden, jeder Humor sei naiv. Vielleicht ist man geneigt, schon einige der oben angefuehrten Faelle des naiv Komischen, vor allem die naive Komik des _Sokrates_ nicht mehr als naiv-komisch gelten zu lassen. Zur Naivitaet gehoert es, ihrer selbst unbewusst zu sein. Daraus folgt dann, was den Humor betrifft, freilich zunaechst nur dies, dass es einen unbewussten Humor giebt. Andererseits kann aber der Humor als vollbewusster sich darstellen. Diesen bewussten Humor will _Hecker_ einzig als Humor anerkennen. Der Humor, meint er, sei im Gegensatz zum Naiven voellig bewusst, ja willkuerlich. Das ist dann eine engere Fassung des Begriffs des Humors, die wir nicht mitmachen wollen. Die Einsicht in das positive Wesen des Humors, das vom Gegensatz des Bewussten und des Unbewussten unabhaengig ist, verbietet es uns. Auch der Sprachgebrauch widerspricht. Es ist naiv, wenn die Putten in _Rafaels_ Madonna di San Sisto so recht kindlich, und doch so ganz entgegen dem feierlichen Charakter des Vorganges sich ueber die Bruestung lehnen. Aber niemand wird uns verwehren duerfen zu sagen, es stecke darin koestlicher Humor. Wenn _Braesig_ gegen Bildung und Sitte verstoesst, so thut er dies meist voellig unbewusst. Er ist also insofern naiv. Und doch bezeichnet _Lazarus_ mit Recht _Braesig_ als eine der grossartigsten humoristischen Schoepfungen, Und wir koennen noch mehr sagen. Auch im bewussten Humor steckt eine Art der Naivitaet. Nicht nur bei _Falstaff_ und _Trim_, sondern auch bei _Hamlet_, beim Narren im Lear, selbst bei _Mephisto_, ist der eigentliche Kern des Humors nicht ein Ergebnis bewusster Reflexion, sondern das Gesunde, Gute, Vernuenftige, das in der innersten "Natur" der Persoenlichkeit liegt und darum nicht umhin kann, in ihrem verkehrten oder naerrischen Gebaren mit "naiver" Gewalt sich geltend zu machen. Damit ist doch jener Gegensatz des Bewussten und des Unbewussten nicht aufgehoben. Der Humor kann, sagte ich, schliesslich ein vollbewusster sein. Er ist ein solcher, wenn der Traeger desselben sich sowohl des Rechtes, als auch der Beschraenktheit seines Standpunktes, sowohl seiner Erhabenheit als auch seiner relativen Nichtigkeit bewusst ist, wenn er also neben seinem Rechte auch das Recht derer anerkennt, denen sein Thun komisch ist. Dies ist der Humor, von dem Kuno Fischer sagt, er sei "die volle und freie Selbsterkenntnis, die nicht moeglich ist, ohne helle Erleuchtung der eigenen Karikatur, ohne die komischen Vorstellungen der anderen heiter ueber sich ergehen zu lassen". Es muss nur hinzugefuegt werden, dass dies heitere Uebersichergehenlassen der komischen Vorstellungen anderer nur moeglich ist, wenn der Traeger des Humors zugleich des relativen Rechtes seines Thuns, wenn er also eines diesem Thun zu Grunde liegenden positiven Kernes seiner Persoenlichkeit, der durch das Lachen der anderen nicht getroffen wird, sich bewusst ist. Die vollbewusste humoristische Persoenlichkeit laesst andere ueber ihr Gebaren lachen und lacht selbst herzlich mit; zugleich weiss sie sich doch im innersten Kern ihrer Persoenlichkeit ueber jenes Lachen erhaben. Sie lacht auch wieder ueber dies Lachen und lacht so am besten, weil sie zuletzt lacht. Man erinnert sich, dass wir das Verhalten des _Sokrates_ bei Auffuehrung der Wolken oben als letztes Beispiel der naiven Komik auffuehrten, zugleich aber zugaben, dass der Name des Humors dafuer geeigneter erscheine. Wir koennen jetzt nicht nur Humor, sondern vollbewussten Humor im eben bezeichneten Sinne darin erblicken. Es entfernt sich dann _Sokrates_' Verhalten moeglichst weit von dem naiv Komischen im engeren Sinne. Schon dass _Sokrates_ der Auffuehrung der Wolken beiwohnt und mitlacht, wenn sein Gegenbild auf der Buehne verlacht wird, ist humoristisch. Wie thoericht, wenn man dem Lachen Anderer zu begegnen meint, indem man mitlacht; wie schwaechlich, wenn man auch nur dies Lachen, statt irgendwie dagegen aufzutreten oder es abzuwehren, sich gefallen laesst. Giebt man nicht damit den Lachern Recht?--Aber eben dies ist die Meinung des _Sokrates_. Er versteht den Standpunkt des Volksbewusstseins, zu dessen Vertreter sich _Aristophanes_ gemacht hat, und sieht darin etwas relativ Gutes und Vernuenftiges. Er anerkennt eben damit das relative Recht derer, die seinen Kampf gegen das Volksbewusstsein verlachen. Damit erst wird sein Lachen zum Mitlachen. Andererseits lacht er doch ueber die Lacher. Er thut es und kann es thun, weil er des hoeheren Rechtes und notwendigen Sieges seiner Anschauungen gewiss ist. Eben dieses Bewusstsein leuchtet durch sein Lachen, und laesst es in seiner Thorheit logisch berechtigt, in seiner Nichtigkeit sittlich erhaben erscheinen. Dieser Humor steigert sich dann noch, wenn _Sokrates_ sich erhebt und seinen Lachern geflissentlich preisgiebt. Jetzt erst begeht er eine rechte Thorheit; und er begeht sie mit vollem Bewusstsein. Er erniedrigt sich nicht nur in den Augen der Menge, sondern er weiss, dass er sich erniedrigt, und er weiss es nicht nur, sondern er giebt wiederum denen, die ihn jetzt erst recht verlachen, relativ Recht. Die Menge, wie kann sie anders--nach gewoehnlicher und in ihrer Art wohlberechtigter Anschauung--als solches Gebaren thoericht finden, und wie sollte sie das natuerliche Recht sich verkuemmern lassen, ueber das zu lachen, was nun einmal ihren Horizont ueberschreitet. Zugleich lacht doch _Sokrates_ wiederum ueber die, deren relatives Recht, ihn zu verlachen, er einraeumt, weil er weiss, das seine Erhabenheit der Erniedrigung zum Trotz bestehen bleibt, ja in derselben erst recht zu Tage tritt. Indem ich hier den vollbewussten Humor zu kennzeichnen versuche, habe ich im Grunde auch schon das Wesen des Humors nicht als einzelnen humoristischen Thuns, sondern als einer Gesinnung oder Denkweise bezeichnet. Diese beiden Begriffe des Humors wollten wir oben scharf unterscheiden. Auch jetzt bleiben wir bei dieser Unterscheidung. Zugleich sehen wir doch, dass die Inhalte dieser beiden Begriffe aufs unmittelbarste zusammenhaengen. Die Denkweise des Humors ist es, die dem bewusst humoristischen Thun zu Grunde liegt und darin sich kundgiebt. Auch _Sokrates_ handelt nicht nur humoristisch, sondern er denkt humoristisch oder hat Humor. Er koennte sonst nicht so handeln wie er handelt.--Andererseits brauchen wir Humor, um den Humor des _Sokrates_'schen Thuns zu verstehen. Wir koennen aber ueberhaupt _jeder_ Art der Komik mehr oder weniger Humor entgegenbringen. Je mehr wir ihr entgegenbringen, um so mehr "Sinn" fuer Komik haben wir. Ich sagte schon oben, dass in der Komik nicht nur das Komische in nichts zergeht, sondern auch wir in gewisser Weise, mit unserer Erwartung, unserem Glauben an eine Erhabenheit oder Groesse, den Regeln oder Gewohnheiten unseres Denkens u. s. w. "zu nichte" werden. Ueber dieses eigene Zunichtewerden erhebt sich der Humor. Dieser Humor, der Humor, den wir angesichts des Komischen _haben_, besteht schliesslich ebenso wie derjenige, den der Traeger des bewusst humoristischen Geschehens hat, in der Geistesfreiheit, der Gewissheit des eigenen Selbst und des Vernuenftigen, Guten und Erhabenen in der Welt, die bei aller objektiven und eigenen Nichtigkeit bestehen bleibt, oder eben darin zur Geltung kommt. Er besteht "_schliesslich_" darin, das will sagen, dass freilich nicht jeder Humor diese hoechste Stufe erreicht. Es giebt niedrigere Arten des Humors, und es giebt neben dem hier vorausgesetzten positiven einen negativen, neben dem versoehnten einen entzweiten Humor. HUMOR UND "PSYCHISCHE STAUUNG". Auf diese Unterschiede werden wir spaeter zurueckzukommen haben. Einstweilen sahen wir, dass Erhabenheit in der Komik das Wesen des Humors bezeichnet. Wir sagten aber auch schon, der Humor sei Erhabenheit in der Komik und _durch_ dieselbe. Die Erhabenheit ist nicht nur bei der Komik, oder irgendwie mit ihr verbunden, sondern die Komik laesst die Erhabenheit erst eigentlich fuer uns zu stande kommen. Wie dies moeglich ist, dies sagt uns wiederum das Gesetz der "psychischen Stauung". Wiefern eine solche Stauung bei aller Komik stattfinde, haben wir gesehen. Wir sahen, wie diese Stauung die "Verblueffung" bewirkt, wie sie dann den Anspruch des Nichtigen ein Erhabenes zu sein, heraustreten laesst und dadurch das Nichtige, auch nachdem es als solches, das heisst als Nichtiges sich dargestellt hat, zum Gegenstande der Aufmerksamkeit, und damit zum Objekte des freien und heiteren Spieles der Auffassung werden laesst. Zugleich aber bewirkt die Stauung ein Weiteres; naemlich die nachfolgende Rueckwaertswendung des Blickes auf dasjenige, das den Anspruch der Erhabenheit machte. Dabei bestehen die beiden Moeglichkeiten: Dieser Anspruch erscheint auch jetzt als blosser Anspruch; oder er erscheint als berechtigter Anspruch. Wie sonst, so laesst auch hier die "Rueckwaertswendung des Blickes", das heisst die Rueckkehr der seelischen Bewegung nach ihrem Ausgangspunkte zu, an diesem Ausgangspunkte neue Seiten entdecken, falls naemlich an ihm solche zu entdecken sind. Ich erinnere noch einmal an eines der oben angefuehrten Beispiele: Auf ein A sahen wir in der Erfahrung sonst ein B folgen. Jetzt folgt ihm ein dem B widersprechendes B1. Dann ist das Erste die Verblueffung, das [Griechisch: thaumazein], die Frage: Was ist oder was will das. Ihr folgt das sich Besinnen, die Konzentration auf das A und die Erwartung, dass wieder B folge. Das Dritte ist in diesem Falle--nicht die Aufloesung der Erwartung in nichts, aber das Bewusstsein des Widerspruches. Daran aber schliesst sich die Rueckkehr zu dem A. Und diese Rueckkehr ist gleichbedeutend mit einer genaueren Betrachtung des A, mit der Frage, ob A wirklich das A sei, auf das sonst das B folgte. Dabei kann an dem A etwas gefunden werden, das es von jenem A unterscheidet, es zu einem davon verschiedenen A1 macht. Der gleiche Prozess vollzieht sich auch bei der Komik. Auch hier fuehrt die Rueckkehr zu A, ich meine zu dem, was als erhaben sich gebaerdete, zur volleren Erkenntnis desselben. Hat dasselbe begruendeten Anspruch auf Erhabenheit, so wird, was diesen Anspruch begruendet, entdeckt, oder es tritt deutlicher ins Bewusstsein. Das Komische erscheint schliesslich vielleicht als das eigentlich Erhabene. Indem das nicht nur scheinbar, sondern in Wahrheit Erhabene solchergestalt aus dem komischen Prozess erst recht als ein Erhabendes emportaucht, besitzt es zugleich fuer uns einen besonderen Charakter. Es giebt eben doch an ihm eine Seite, oder es giebt fuer dasselbe eine moegliche Beleuchtung, die es jederzeit wiederum zum Gegenstand der Komik oder unserer spielenden Anfassung werden lassen kann. Dadurch mildert sich seine Erhabenheit. Hat die Erhabenheit Strenge, so weicht diese Strenge. Der Gegenstand der Ehrfurcht wird uns vertrauter, wird Gegentand der Liebe. Es ist die Aufgabe des Humors, Erhabenes liebenswert erscheinen zu lassen, wie es andererseits seine Aufgabe ist, Erhabenes im Verborgenen, in der Enge und Gedruecktheit, im Geringgeachteten und Verachteten, in jeder Art der Kleinheit und Niedrigkeit aufzusuchen. XVII. KAPITEL. ARTEN DES HUMORS. DIE DASEINSWEISEN DES HUMORS. Das allgemeine Wesen des Humors, von dem im Vorstehenden die Rede war, bestimmt sich genauer und gewinnt mannigfache speciellere Zuege in den verschiedenen Arten des Humors. Solche lassen sieh zunaechst unterscheiden nach zwei Gesichtspunkten. Mehrfach schon war die Rede vom Humor als Stimmung, oder als Weise der Betrachtung der Dinge. Ich "habe" Humor, wenn ich diese Stimmung habe oder dieser Weise der Betrachtung mich hingebe. Ich selbst bin hier der Erhabene, der sich Behauptende, der Traeger des Vernuenftigen oder Sittlichen. Als dieser Erhabene oder im Lichte dieses Erhabenen betrachte ich die Welt. Ich finde in ihr Komisches und gehe betrachtend in die Komik ein. Ich gewinne aber schliesslich mich selbst, oder das Erhabene in mir, erhoeht, befestigt, gesteigert wieder. Damit ist hier der humoristische Prozess vollendet. Man erinnert sich des Gegenstueckes dieser humoristischen Weltbetrachtung, das uns oben bei Betrachtung der Tragik begegnete. Es besteht in der Weltbetrachtung, die einen sittlichen Massstab anlegt--nicht an das Kleine und Nichtige, oder an das, was so erscheint, sondern an das Schlechte, das Boese, das Uebel; kurz das ernste Nichtseinsollende. Auch aus solcher Weltbetrachtung kann ich in meiner Persoenlichkeit oder meinem sittlichen Bewusstsein gesteigert zu mir zurueckkehren. Neben diese ernst sittliche Weltbetrachtung stellten wir die gleichartige _Darstellung_ der Welt, der Menschen, des Geschehens in der Welt. Dieser entspricht in der Sphaere des Humors die _humoristische Darstellung_. Ich finde das Kleine, Nichtige, Belachens- und Verlachenswerte _dargestellt_ und komisch beleuchtet: zugleich offenbart sich in der Weise der Darstellung der vernuenftige oder sittliche Standpunkt. Sein Recht, seine Wahrheit, seine Ueberlegenheit wird aus der Darstellung offenbar und eindringlich. Die dritte "Daseinsweise" des Humors endlich ist verwirklicht im "objektiven Humor". Hier ist das Positive des Humors, d. h. das Erhabene nicht mehr bloss in mir, auch nicht lediglich in der Weise der Darstellung, sondern es findet sich, ebenso wie das Nichtige, in den dargestellten Objekten. Diese Daseinsweise des Humors erst hat ihr Gegenstueck in der Tragik, und weiterhin in jeder kuenstlerischen Darstellung, in der das Boese und das ernste Uebel in der Welt einen Faktor des aesthetischen Genusses ausmacht. Bleiben wir noch einen Augenblick bei diesen drei Daseinsweisen des Humors. Der Humor, so sagen wir, ist Erhabenheit in der Komik und durch dieselbe. Bei der humoristischen Weltbetrachtung nun ist zunaechst das Erhabene in mir. Dann freilich ist auch das Komisch-Nichtige in mir, aber nur sekundaerer Weise, nur sofern, wie schon frueher gesagt, mein Eingehen in die Komik zugleich eine Art des Zunichtewerdens meiner selbst in sich schliesst. Lediglich soweit dies der Fall ist, besteht hier Erhabenheit in der Komik und demnach Humor. Damit ist zugleich gesagt, dass dieser Humor in sehr verschiedenen Graden sich verwirklichen kann. Es fragt sich jedesmal, in welchem Masse ich mir das eigene Zunichtewerden gefallen lassen kann, und in welchem Masse ich doch zugleich davor geschuetzt bin, thatsaechlich zu nichte zu werden. Ich muss, um diesen Humor zu erleben, von meiner Hoehe herabsteigen; aber nicht, um da unten zu bleiben, sondern um von da aus jene Hoehe zu ermessen und erst recht zu erkennen, also in meinen Gedanken,--und darum handelt es sich ja hier--doch auch wiederum auf der Hoehe zu bleiben, und jetzt erst mit vollem Bewusstsein da zu sein. Darin liegt dann zugleich das Umgekehrte: Ich bin auf der Hoehe nicht abgeschlossen, wie auf einer einsamen weltabgeschiedenen Hoehe. Sondern ich bin da mit der Moeglichkeit, immer wiederum herabzusteigen und mich in die nichtige Welt zu mischen. Und ich bin immer wiederum im Begriff dies zu thun. Ich bin auf der Hoehe mit der eigentuemlichen Geistesfreiheit, die hieraus sich ergiebt. Derselbe Humor liegt bei der humoristischen _Darstellung_ in der Weise der _Darstellung_. Er liegt zugleich in mir, sofern ich die Darstellung innerlich nachmache und ihren Humor in mir nacherlebe. Auch hier ist das Komische oder das Zunichtewerden nur sekundaerer Weise mit dem Erhabenen--in der Darstellung und in mir--vereinigt. Sofern ich den hieraus sich ergebenden Humor in der Darstellung finde, ist derselbe objektiver Humor; das Gefuehl dafuer ist eine Weise des objektivierten Selbstgefuehls. Andererseits ist der Humor der Darstellung doch wiederum kein objektiver: Er ist noch nicht in den dargestellten Objekten. Darum bezeichne ich den oben sogenannten objektiven Humor speciell mit diesem Namen. Bei ihm ist der Humor dreifach da: in den Objekten, in der Weise der Darstellung und in mir. Dies doch nicht im Sinne des Nebeneinander. Der Humor ist in Wahrheit nur in mir. Aber ich erlebe ihn in den Objekten und der ihrer Natur entsprechenden Darstellung. HUMOR DER DARSTELLUNG. Der Humor der Darstellung ist lyrisch. Das Spezifische der Lyrik ist dies, dass bei ihr das eigentliche Objekt der Darstellung, das innere Geschehen, keinen persoenlichen Traeger hat. Man sagt wohl, Traeger dieses inneren Geschehens sei der Dichter. Dies ist unrichtig, wenn man mit dem Dichter diese bekannte oder unbekannte wirkliche Persoenlichkeit meint. Diese Persoenlichkeit mag ein Aehnliches inneres Geschehen thatsaechlich einmal erlebt haben. Aber fuer das dichterische Erzeugnis kommt nur die Thatsache in Betracht, dass der Dichter als _Dichter_ den Inhalt der Dichtung in sich erlebt hat. Er hat ihn erlebt als Dichter, d. h. aber; er hat ihn erlebt als ideelle Persoenlichkeit, nicht als dieser bestimmte Mensch, sondern als ideeller Repraesentant _des_ Menschen. Sein etwaiges wirkliches Erleben ist hierfuer nur Vorbild. Als solcher ideeller Repraesentant _des_ Menschen erlebt der Dichter das lyrisch dargestellte innere Geschehen, _solange_ er es eben erlebt, d. h. insbesondere im Akte des Dichtens. Genau in derselben Weise aber erleben wir es, wenn wir die Dichtung hoeren, lesen, uns derselben erinnern, und sie geniessen. So oft wir dies thun, treten _wir_ an die Stelle des Dichters. Wir sind jetzt die Traeger jenes inneren Geschehens, wiederum nicht als diese realen Persoenlichkeiten, sondern als ideelle Repraesentanten des Menschen. Ich sage: des Menschen; in jedem einzelnen Falle ist dies natuerlich nicht der Mensch ueberhaupt, sondern eine bestimmte Seite am Menschen oder eine mehr oder minder speciell geartete, auch durch aeussere Umstaende mehr oder minder determinierte Modifikation "des" Menschen. Dies meine ich, wenn ich sage, das in der Lyrik dargestellte innere Geschehen habe keinen persoenlichen Traeger. Es hat zum Traeger nicht eine Persoenlichkeit, die von derjenigen, die das lyrische Produkt in sich erlebt und geniesst, verschieden waere. Es hat also bald diesen bald jenen Traeger. Zugleich sind alle diese Traeger doch wiederum nur Beispiele des persoenlichen Traegers, der so oder so gearteten Modifikation des Menschen oder des Menschseins. Darum ist es doch nicht in jedem Sinne zutreffend, wenn man die Lyrik die "_subjektive_" Dichtungsgattung nennt. Eben dieser unpersoenliche Traeger ist nicht nur im Dichter vorhanden, wenn er dichtet, und in uns, wenn wir das dichterische Erzeugnis uns innerlich zu eigen machen, sondern er ist zugleich im Kunstwerk, also objektiv da. Als objektiver Vorgang, als etwas uns Gegebenes tritt uns das dargestellte innere Geschehen entgegen. Es ist fuer uns nicht nur ein subjektives, sondern zugleich ein objektives persoenliches Erleben. Das innere Geschehen wird nicht nur von uns erlebt, sondern es geschieht zugleich ausser uns, und wird von uns miterlebt. Oder was dasselbe sagt: Auch hier objektivieren wir unser Erleben, und uns, sofern wir es erleben; auch hier erleben wir, was wir erleben, in einem Anderen. Nur nicht in einem bestimmten, vom Dichter uns vor Augen gestellten Anderen, sondern in einem Anderen, der fuer uns--nicht individuell, sondern der Art nach dieser oder jener ist, soweit ihn das dargestellte innere Geschehen als diesen oder jenen charakterisiert, d. h. von anderen _qualitativ_ unterscheidet.--Natuerlich rede ich hier von der _reinen_ Lyrik. So nun verhaelt es sich auch bei der humoristischen Darstellung im hier vorausgesetzten Sinne dieses Begriffes. Wir erleben den Humor mit oder nach, aber nicht als Humor in einem dargestellten Individuum, sondern als ueberindividuellen Humor oder als Humor im Menschen, naemlich im Menschen, sofern er eben solchen Humor haben kann und hat. Dagegen ist der speciell von uns sogenannte objektive Humor, sofern er kuenstlerisch verwirklicht ist, episch oder dramatisch. Das heisst: er ist Humor eines dargestellten Individuums, das je nachdem einer, obzwar auch nur ideellen Zeit, oder keiner Zeit, d. h. der zeitlosen Gegenwart angehoert. In jenem Falle wird er von uns im engeren Sinne des Wertes nacherlebt, in diesem unmittelbar miterlebt. STUFEN DES HUMORS. Die zweite Einteilung von Arten des Humors hat mit der soeben vollzogenen dies gemein, dass auch bei ihr die Beziehung des Erhabenen zum Komischen den Einteilungsgrund bezeichnet. Nur ist diese Beziehung hier anderer Art. Die Komik, die einer Person anhaftet, oder in welche dieselbe verflochten ist, kann einmal harmlos, unschaedlich, ohne ernsten Stachel sein. Wir sind, indem wir das Komische wahrnehmen, unmittelbar damit versoehnt, weil wir uns unmittelbar darueber erheben koennen oder unmittelbar darueber erhoben werden. Ohne Konflikt oder Kampf ist die Erhabenheit zugleich mit der Komik fuer uns da. Ein andermal ist das Komische an sich ein Verletzendes. Das Objekt der Komik ist nicht Gegenstand des Laechelns oder des harmlos herzlichen Lachens; sondern es erscheint laecherlich und wird verlacht. Ein Gegensatz, ein Kampf, ein Konflikt findet statt zwischen ihm und einem Erhabenen oder der Forderung eines solchen. Eben dieser Konflikt aber stellt das Erhabene ins Licht. Und zwar nehmen wir hier an, dass das _Dasein_ des Konfliktes, ohne aeusserliche Loesung desselben, diese Wirkung hat. Die dritte Moeglichkeit endlich ist die, dass ein solcher Konflikt nicht nur besteht, sondern sich loest, d. h. das Laecherliche ueberwunden, das Nichtige vernichtet wird oder selbst sich vernichtet, und damit das Erhabene oder die Forderung desselben, die vorher geleugnet war, zum Sieg gelangt. Offenbar ist unter diesen drei Stufen des Humors die erste diejenige, der nun zunaechst den Namen des Humors zugestehen wird. Wir wollen sie als die des versoehnten, oder des konfliktlosen, oder des in sich unentzweiten Humors bezeichnen. Die zweite Stufe duerfen wir dann bezeichnen als die Stufe des in sich entzweiten oder des satirischen Humors. Entzweiung, Gegensatz, Konflikt ist ja das Charakteristische der Satire. Ich verhalte mich zum Komischen satirisch, indem ich es als zum Erhabenen oder zur Forderung eines solchen gegensaetzlich erkenne, verlache, lachend verurteile. In dieser Verurteilung tritt die Erhabenheit des Erhabenen, sein hoeheres Recht, seine Ueberlegenheit ans Licht. Dieser Humor kann scharf, bitter, ja verzweifelt sein. Er bleibt doch Humor, so lange er das Komische nicht einfach als nichtseinsollend abweist, sondern, wie es in der Natur der Satire liegt, lachend in dasselbe eingeht, also daran teil nimmt. Was endlich die dritte der oben bezeichneten Stufen des Humors betrifft, so ist dabei dies zu bedenken: Das Nichtige, so sagte ich, tritt hier zum Erhabenen in Gegensatz und wird vernichtet. Das Erhabene erringt den Sieg. Aber dies muss, wenn hier wirklich eine Stufe, des Humors gegeben sein soll, in "humoristischer" Weise geschehen. Und dies schliesst in sich, dass dem Nichtigen das Erhabene nicht als ein durchaus Fremdes entgegentritt. Das Erhabene darf nicht einfach von aussen her dem Nichtigen entgegentreten und es beseitigen oder seinen Geltungs- oder Herrschaftsanspruch aufheben. Sondern das Nichtige muss dazu, als solches, eine Handhabe bieten. Es muss in gewisser Weise sich selbst vernichten und dem Erhabenen zum Siege verhelfen. Es muss in solcher Weise das Erhabene in sich selbst tragen. Oder umgekehrt, das Erhabene muss in das Nichtige eingehen, und indem es dies thut, also in gewisser Weise als Nichtiges, seine Erhabenheit zum Sieg bringen. Auch hier erscheint dieser Sieg unter dem Gesichtspunkt einer Selbstvernichtung des Nichtigen. Nun war uns, wie man sich erinnert, die "_Ironie_" die Komik der Selbstvernichtung. Sie war das Zergehen eines Erhabenheitsanspruches durch diesen Anspruch selbst, oder durch die Weise, wie er erhoben wird, durch die Festhaltung desselben, oder die aus ihm folgenden Konsequenzen. Ironie des Schicksals ist die objektive Komik, die darin besteht, dass das selbstgewiss auftretende Wollen sich selbst ad absurdum fuehrt, oder gerade durch das, was seiner Verwirklichung zu dienen schien, oder zu dienen bestimmt war, ad absurdum gefuehrt wird. Witzige Ironie ist die Vernichtung des scheinbar Sinnvollen oder auf Sinn Anspruch Erhebenden durch die Art wie der Anspruch erhoben wird, oder auf Grund der aus ihm sich ergebenden Konsequenzen. Demgemaess haben wir ein Recht, diese dritte Stufe des Humors als die des "_ironischen Humors_" zu bezeichnen. Will man diesen Namen vermeiden, so nenne man ihn wiederversoehnten Humor, entsprechend dem von Hause aus versoehnten und dem entzweiten Humor. UNTERARTEN DES HUMORS. Die beiden im Vorstehenden unterschiedenen Einteilungen von Arten des Humors kreuzen sich. Und daraus ergeben sich dreimal drei Arten. Ich erhebe mich das eine Mal ueber das Zunichtewerden dieser oder jener Erwartungen und Forderungen in der Welt, weil ich den Humor dazu besitze, d. h. weil mein _Glaube_ an das Seinsollende, meine Empfaenglichkeit fuer das Gute, meine Freude am Schoenen stark genug ist, um durch jenes Zunichtewerden nicht angetastet zu werden. Mag sich die Welt auch naerrisch gebaerden, und auch an meiner Person oder meinem Geschick das Naerrische nicht fehlen, so bleibe ich doch meiner selbst und der Welt, in dem, was den Kern oder das Wesentliche an beiden ausmacht, gewiss. Vielmehr, indem ich diese Selbstgewissheit oder diese Erhabenheit meiner Betrachtung oder Stimmung dem Naerrischen entgegensetze und sie ihm zum Trotz behaupte, tritt diese Selbstgewissheit erst in ihrer Staerke hervor, oder zeigt sich in der Macht, die sie in mir besitzt. Offenbar gewinnt dieser "subjektive" Humor oder dieser Humor meiner Weltbetrachtung eine andere und andere Bedeutung, je nachdem die Betrachtung lediglich vom Standpunkte meiner individuellen Neigungen, Wuensche, Anschauungen, Stimmungen, oder von einem objektiven, d. h. allgemein menschlichen Standpunkt aus geschieht. Sie hat im letzteren Falle, obgleich ihrem Wesen nach subjektiv, doch objektive Geltung oder objektiven Wert. Die fragliche Weise der Weltbetrachtung gewinnt in anderer Richtung einen verschiedenen Charakter, je nachdem der Gegensatz des Erhabenen und Nichtigen, um den es sich dabei handelt, dem Gebiet der verstandesgemaessen Erkenntnis oder dem Gebiet eudaemonistischer Zweckmaessigkeit, oder endlich dem eigentlich sittlichen Gebiete angehoert. Der Weltbetrachtung des versoehnten oder unentzweiten Humors steht gegenueber die Weltbetrachtung des entzweiten Humors oder die satirische Weltbetrachtung. Nicht immer ist die Negation des Seinsollenden harmlos. Oft genug sehen wir das Nichtige, das _wesentlichen_ Forderungen der "Idee" widerstreitet, in Macht und Geltung, Unvernunft, Zweckwidrigkeit, sittliche Verkehrtheit herrschen in der Welt. Sie gebaerden sich und duerfen sich gebaerden als wahre Vernunft, als echte Zweckmaessigkeit, als hohe Moral. Der Wahnwitz wird heilig gesprochen. Der gebildete und der ungebildete Poebel faellt anbetend nieder vor der aufgeblasenen und aufgeputzten Possenreisserei. Halte ich dem gegenueber--noch nicht den Glauben an den endlichen Sieg der Idee, aber das Bewusstsein der Erhabenheit und Wuerde ihres Wesens fest, gewinne ich es zugleich ueber mich, jenes Nichtige, weil ich seine Nichtigkeit und Hohheit durchschaue--nicht nur zu verurteilen, sondern zu verlachen, und in mir selbst oder in meinem Bewusstsein lachend zu vernichten, so verhalte ich mich in meiner Weltbetrachtung satirisch. Ich verspuere zunaechst das Nichtige als Nichtiges, ich erlebe es, dass mit der Verneinung des Sittlichen, die ich in der Welt vorfinde, zugleich meine sittlichen Forderungen zunichte werden. Zugleich aber gewinnt mein sittliches Bewusstsein, indem es gegen seine Verneinung sich "erhebt", seine volle Groesse und Hoehe. In dieser "Erhebung" besteht hier das Positive des Humors oder das siegreiche Auftauchen des Erhabenen aus dem komischen Prozess. Auch hier wiederum koennen die soeben, bei der versoehnt humoristischen Weltbetrachtung, angedeuteten Unterschiede gemacht werden. Endlich erscheint der in dieser satirischen Weltbetrachtung liegende Gegensatz wiederum aufgehoben, der Humor wird im einem wiederum in sich versoehnten Humor, wenn und soweit ich mich zu der Ueberzeugung hindurchzuarbeiten vermag, dass das Nichtige, so sehr es in Geltung sein mag, doch schliesslich auch aeusserlich oder objektiv in seiner Nichtigkeit offenbar werde, dass das Nichtige, wenn es sich auswirke, nicht umhin koenne, sich aufzuheben oder seine Macht zu verlieren, und damit der Idee zum Siege zu verhelfen. Diese im tiefsten und hoechsten Sinne humoristische Weltbetrachtung bezeichnen wir als ironische Weltbetrachtung oder als Weltbetrachtung des ironischen Humors. Ich brauche nicht zu sagen, dass dieser ironische Humor mit der "Ironie" der romantischen Schule nicht etwa eine und dieselbe Sache ist. Die gleichen drei Moeglichkeiten, wie bei der humoristischen Weltbetrachtung, bestehen ruecksichtlich des Humors der Darstellung. Die Darstellung ist harmlos humoristisch, oder wenn man will humoristisch im engeren Sinn, d. h. nie stellt das Kleine, die Schwaechen an Menschen und das Komische ihres Schicksals dar; zugleich tritt aus der Darstellung der Glaube an das von der Komik umspielte Hoehere, Sittliche, Erhabene versoehnend und erhebend heraus. Sie ist andererseits satirische Darstellung des anmasslichen und in Geltung stehenden Nichtigen und Verkehrten, eine Darstellung, die diesem Anmasslichen die Maske vom Gesicht reisst, den Schein, dass es ein Recht habe, in Ansehen und Geltung zu stehen, zerstoert, es dem Verlachen preisgiebt, aber eben dadurch die Wuerde und einzige Hoheit der "Idee"' vor Augen stellt. Offenbar ist hiermit dasjenige bezeichnet, was man gemeinhin oder vorzugsweise mit dem Namen der Satire zu belegen pflegt. Die humoristische Darstellung ist endlich ironische Darstellung des die Idee Negierenden, das heisst eine Darstellung, die nicht nur _gegen_ das Nichtseinsollende sich "erhebt", sondern zugleich in demselben den Keim der Selbstvernichtung erblickt, und im Glauben, dass schliesslich alles zum Guten dienen muesse, das Dasein desselben heiter ueber sich ergehen laesst. DIE HUMORISTISCHE DARSTELLUNG UND DER WITZ. Hier ist der Punkt, wo auf die aesthetische Bedeutung, die der Witz zu gewinnen vermag, oder auf die Bedeutung des Witzes als eines Elementes des Humors, speciell hingewiesen werden kann. Der Witz an und fuer sich, als dies reine Vorstellungsspiel, kann ebensowenig wie die objektive Komik auf aesthetischen Wert Anspruch erheben. Auch er kann einem aesthetisch Wertvollen nur _dienen_. Er ist aber als _logisches_ Spiel, zu dem jede sachliche und persoenliche Beziehung nur als ein ihm Fremdes hinzukommt, auch davon noch um einen Schritt weiter entfernt als das objektiv Komische. Der Witz naehert sich jener Aufgabe zunaechst, insoweit bei ihm _Wahrheiten_ aus dem komischen Prozess auftauchen und sich behaupten. Aber er naehert sich ihr damit auch nur. Das aesthetisch Wertvolle, oder das "Schoene", ist nicht das Wahre, so gewiss Wahrheit Bedingung der Schoenheit ist. Auch "_ergetzliche_ Belehrung" ist keine aesthetische Leistung. Aesthetischer Wert ist Wert von Objekten, von Gegenstaenden der Anschauung oder der Phantasie. Es ergiebt sich daraus, dass der Witz aesthetische Bedeutung besitzen kann, nur sofern er solche Objekte, also Dinge, Menschen, ein Geschehen an Dingen oder Menschen, in die komische Vorstellungsbewegung, in welcher er psychologisch betrachtet besteht, hineinzieht. Insoweit aber dies der Fall ist, ist der Witz nicht mehr blosser Witz, sondern traegt ein Moment der objektiven Komik in sich. Als Mittel zur Erzeugung der objektiven Komik also kann der Witz allein aesthetische Bedeutung gewinnen. In die komische Vorstellungsbewegung des Witzes wird nun zunaechst dasjenige hineingezogen, auf dessen Kosten der Witz gemacht wird. Dies "Objekt" des Witzes wird durch den Witz in komische Beleuchtung gerueckt, also als komisch oder in seiner Komik _dargestellt_. Der Witz, sofern er objektive Komik erzeugt, ist demnach eine Weise der komischen Darstellung. Diese wird zur humoristischen Darstellung, wenn sie--humoristisch ist Und dies kann sie sein in der soeben bezeichneten dreifachen Art: Der Witz deckt _harmlos_ witzig, oder im engeren Sinne humoristisch, Schaeden und Schwaechen auf, greift die Wirklichkeit, selbst die erhabenste an, wo immer sie ihm einen Angriffspunkt bietet, und verraet dabei seinen Glauben an die unmittelbare Gegenwart und Macht der "Idee". Er geisselt _satirisch_, mit schneidendem Witze, das Nichtseinsollende, das sich blaeht, und zeigt darin die Festigkeit seines vernuenftigen und sittlichen Bewusstseins. Er wird endlich zur witzig _ironischen_ Darstellung, aus der der Glaube an den schliesslichen Sieg des Seinsollenden oder der Idee hindurchleuchtet. Sowenig, wie bereits zugestanden, die im XIII. Kapitel gegebene Einteilung der Arten des Witzes vom aesthetischen Gesichtspunkte beherrscht war, so wollte ich doch in ihr auf die soeben bezeichnete dreifache Moeglichkeit der aesthetischen Verwertung des Witzes schon in gewisser Weise vorbereiten. Ich wollte dies durch die Art, wie ich von dem bloss scherzenden Witze den charakterisierenden und andererseits den ironischen Witz unterschied. Nicht als koennte diese Unterscheidung mit jener Unterscheidung des harmlosen, satirischen, und ironischen Humors einfach zusammentreffen. Der charakterisierende Witz kann ja auch Schwaechen _harmlos_ charakterisieren; er dient andererseits der Charakterisierung des Wertvollen sogut wie der des Nichtigen. Der ironische Witz kann dem harmlos Bescheidenen, das selbst keinen Anspruch erhebt, spielend einen Anspruch leihen, um diesen Anspruch wieder in sein Gegenteil umschlagen zu lassen, und auch er kann andererseits am Wertvollen sich vergreifen. Immerhin fehlt eine Beziehung zwischen beiden Unterscheidungen nicht. Der bloss scherzende Witz, der nur, was ihm eben vorkommt, in seine willkuerliche Beleuchtung rueckt, ohne den Anspruch zu machen, es in seinem eigentlichen Wesen zu treffen oder in seinem wahren Lichte erscheinen zu lassen, kann auch nicht den Anspruch erheben, das _Nichtseinsollende_ in seinem wahren Wesen blosszustellen oder in sein Nichts zuerueckzuschleudern. Ihm bleibt nichts als das harmlose _Spiel_ mit Personen und Objekten, und die das Wesen der Objekte nicht beruehrende Komik, der sie damit verfallen. Dagegen liegt es in der Natur den charakterisierenden Witzes, auch das Wesen des thatsaechlich Nichtigen oder der Idee Widrigen, das sich erhaben geberdet, zu beleuchten. Ebenso wird der ironische Witz, der zunaechst nichts ist, als die in ihr Gegenteil umschlagende Bezeichnung oder Aussage, im ironischen Humor, der den Anspruch des Nichtseinsollenden in sein Gegenteil umschlagen laesst, eine wichtige, ueber den Witz hinausgehende Aufgabe haben. Er wird diese Aufgabe erfuellen, beispielsweise immer dann, wenn die in ihr Gegenteil umschlagende Bezeichnung oder Aussage einen solchen Anspruch des Nichtseinsollenden zum Inhalte hat. XVIII. KAPITEL. DER OBJEKTIVE HUMOR. UNENTZWEITER HUMOR. Dieselben drei Moeglichkeiten oder Stufen, wie wir sie beim Humor der Weltbetrachtung und beim Humor der Darstellung unterschieden haben, bestehen endlich auch beim objektiven Humor. Darauf haben wir noch etwas naeher einzugehen. Nach dem oben Gesagten unterscheiden wir einen harmlosen, in sich unmittelbar versoehnten, unentzweiten, im engeren Sinne "humoristischen" objektiven Humor; andererseits einen in sich entzweiten oder satirischen; endlich einen wiederversoehnten oder ironischen objektiven Humor. Der objektive Humor gewinnt ein mannigfaltigeres Ansehen, wenn wir mit dieser Dreiteilung hier sogleich den Gegensatz der Situations- oder Schicksalskomik und der Charakterkomik verbinden, den wir oben bei Betrachtung der objektiven Komik feststellten, dann aber einstweilen ausser Acht liessen. Indem ich die hieraus sich ergebenden Arten des Humors bezeichne, setze ich gleich voraus, dass der Humor in Form des Kunstwerkes uns entgegentrete. Dabei nehme ich mir die Freiheit, den Namen "Komoedie" zu verallgemeinern, und nicht nur das zunaechst so benannte dramatische Kunstwerk damit zu bezeichnen, in dem die Komik die hoechste kuenstlerische Verwertung findet, sondern jedes Kunstwerk, in dem und soweit in ihm ein dargestelltes Komisches Traeger des Schoenen oder Vermittler des aesthetischen Wertes ist. Die "Komoedie" in diesem Sinne ist erstlich harmlose oder im engeren Sinne "_humoristische_" _Schicksalskomoedie_. Der Mensch erfaehrt die Tuecke des Schicksals, sei es in Gestalt des blinden Zufalls, sei es in Gestalt des neckenden oder feindlichen Thuns anderer, und wird objektiv komisch, er erhebt sich aber darueber, als ueber etwas, das ihm und seinen wesentlichen Zwecken nichts anhaben kann.--Ihr steht entgegen die harmlose _Charakterkomoedie_, das heisst dasjenige Kunstwerk, in dem in der Schwaeche, Beschraenktheit, Verkehrtheit des Individuums und durch dieselbe das relativ Gute, Vernuenftige, Gesunde, kurz das positiv Menschliche sich offenbart. Diese Art der Schicksals- und Charakterkomoedie verwirklicht sich in der epischen Poesie, und soweit jener Gegensatz des Individuums und seiner Komik in einer einzigen Situation darstellbar ist, schon in der bildenden Kunst. Dass sie dagegen in Gestalt des dramatischen Kunstwerkes auftrete, daran hindert der ihr eigentuemliche Mangel des dramatischen Konflikts und der dramatischen Entwicklung. Mag im komischen Drama der Konflikt geloest werden, oder zur Unloesbarkeit sich zuspitzen, in jedem Falle besteht ein Konflikt, und in jedem Falle wird--nicht der Konflikt, aber das Komische oder Nichtige, irgendwie ueberwunden, naemlich objektiv thatsaechlich im Falle der Loesung, nur innerlich im Falle der Unloesbarkeit des Konfliktes. Wo aber die Person ueber die Tuecke des Schicksals sich im oben vorausgesetzten Sinne unmittelbar "erhebt", ich meine in dem Sinne, dass sie trotz alles Strauchelns und Fallens doch ihrer selbst und ihrer guten Zwecke sicher bleibt, da ist der Gegensatz zwischen ihr und dem Schicksal fuer sie selbst von vornherein aufgehoben. Und damit ist Beides ausgeschlossen, sowohl dass sie das Schicksal bekaempfe und aeusserlich darueber triumphiere, als auch dass sie dem uebermaechtigen und sie aeusserlich vernichtenden Schicksal die Wuerde ihrer Persoenlichkeit entgegenstelle und es so innerlich ueberwinde. Ebenso ist bei der komischen Person, ueber deren verkehrtes Gebahren wir uns um des dahinterliegenden Guten willen "erheben", so dass es uns nicht hindert, den Wert der Person zu erkennen und anzuerkennen, der Gegensatz zwischen dem Guten und der Verkehrtheit _fuer uns_ von vornherein ueberwunden. Wir koennen darum nicht fordern, dass eine solche Ueberwindung noch besonders sich _vollziehe_. Das heisst: wir koennen weder fordern, dass das Verkehrte in der Person thatsaechlich negiert, beseitigt, weggeschafft werde, noch dass die bleibende Verkehrtheit in ihr Nichts zurueckgeschleudert und dadurch ein von ihr _negiertes_ Erhobene in seiner Wuerde uns erst zum Bewusstsein gebracht werde. In mancherlei Graden kann dieser harmlose Humor im Kunstwerk verwirklicht sein. Vor allem kommt hier jener Unterschied des unbewussten und bewussten Humors zu seinem Rechte, der bereits von uns betont wurde. In erster Linie war damals gedacht an den Humor des komischen _Charakters_. Derselbe Gegensatz besteht aber auch beim Humor des komischen Schicksals. Wir begegnen der untersten Stufe des objektiven Humors der einen und der anderen Art im Humor des naiven Kindergemuetes, das weder der Unzulaenglichkeit oder Verkehrtheit seines Wollens, noch der Komik des Schicksals, die es straucheln und fallen laesst, sich bewusst ist. Wir begegnen beiden Arten des Humors in ihrer hoechsten Steigerung bei der vollbewussten Persoenlichkeit, die in ihrem erhabenen Wollen nicht nur die komische Situation deutlich erkennt, in welche, sie der natuerliche Lauf der Dinge geraten laesst, sondern auch die eigene Unvollkommenheit klar durchschaut, darum aber doch weder am Weltverlauf noch an sich selbst irre wird. Ohne Zweifel wuerde es zur vollkommenen Persoenlichkeit gehoeren, dass sie das komische Geschick jederzeit voraussaehe und abzuwenden wuesste. Darnach muss vom erhabensten Standpunkte aus jede Schicksalskomik zugleich als Charakterkomik erscheinen. Aber auch fuer den niedrigeren, menschlichen Standpunkt koennen die beiden Arten der Komik nicht nur in einer Person sich vereinigen, sondern sie werden sich jederzeit irgendwie, bald in hoeherem bald in geringerem Grade, wechelseitig bedingen. Es ist also auch die Scheidung zwischen Schicksals- und Charakterkomoedie nur eine in Gedanken rein vollziehbare; waehrend in der Wirklichkeit der Kunst die beiden in mannigfacher Weise sich verbinden. Je mehr die Charakterkomoedie ueber die Einfachheit eines Bildes hinausgeht oder aus der Stille eines bescheidenen Daseins in den Strom des Lebens tritt, um so weniger werden dem Helden, um seiner eigenen Komik willen, komische Situationen erspart bleiben koennen. Umgekehrt wird die Schicksalskomoedie, je weniger sie sich auf der Oberflaeche des blinden Zufalls haelt, um so mehr im Charakter des Helden einen schwachen Punkt statuieren muessen, aus dem das komische Schicksal begreiflich erscheint. Das Leben des anspruchslosen Schulmeisterleins Wuz von Auenthal kann so "still und meergruen" verlaufen, wie es verlaeuft. Schon Onkel Braesig dagegen greift soweit in das Geschick Anderer ein, dass er es sich gefallen lassen muss, durch sein gutmuetiges Ungeschick in allerlei Ungemach zu geraten; und dass er darein geraet, ist uns wiederum nur aus seiner komischen Natur verstaendlich. SATIRISCHER HUMOR. Was hier ueber das Zusammentreffen und Zusammenwirken von Schicksals- und Charakterskomoedie gesagt wurde, gilt nun ebensowohl auch fuer die anderen Gattungen der Komoedie, d. h. fuer die des ungeloesten und die des geloesten Konfliktes, die ich nach Obigem auch als satirische und ironische Komoedie oder als Komoedie des entzweiten und des wiederversoehnten Humors bezeichnen kann. Mit beiden stehen wir auf dramatischem Boden, ohne dass doch die epische Gestaltung ausgeschlossen waere. Wenn ich hier von einem Konflikte spreche, so meine ich nicht irgendwelchen Konflikt, sondern denjenigen zwischen dem Nichtigen, der Thorheit, dem Laecherlichen in irgend einer Sphaere einerseits, und dem Erhabenen, der Vernunft, dem Seinsollenden andererseits. Und der Konflikt ist ungeloest, dies heisst, dieser Gegensatz bleibt bestehen; das Laecherliche, sei es nun ein Laecherliches an einer Person, oder das Laecherliche einer Situation, oder beides zugleich, hoert nicht auf zu existieren. Es wird nicht thatsaechlich aus der Welt geschafft, macht nicht einem Erhabenen Platz, schlaegt nicht in ein solches um. Es wird freilich Ueberwunden, aber nur innerlich, d. h. im Bewusstsein. Diese Ueberwindung kann nur darin bestehen, dass sein Anspruch als ein Erhabenes oder Seinsollendes betrachtet zu werden, als ein Zurechtbestehendes, Ueberlegenes, Vornehmes, Grosses zu gelten, oder auch sein Anspruch ein Maechtiges zu sein, zu nichte wird. Dies Zunichtewerden muss nun irgendwie sich vollziehen. Es muss im humoristischen Kunstwerke etwas geben, dass solchen Anspruch aufhebt. Dies erscheint dann als Traeger des Seinsollenden oder der "Idee"; und zwar als Traeger der siegreichen Idee. Auch dieser Sieg ist beim objektiven satirischen Humor oder in der satirischen "Komoedie" nicht ein thatsaechlicher, sondern ein solcher im Bewusstsein. Hier erhebt sich nun die Frage: In wessen Bewusstsein? Die Antwort lautet: In jedem Falle in dem unsrigen. Vielleicht aber auch im Bewusstsein dargestellter Personen. Und dazu tritt die andere Frage: Wo findet sich die Idee, oder was ist der Traeger derselben? Auch darauf sind verschiedene Antworten moeglich. Das Nichtige, Unvernuenftige, Laecherliche, aber mit Anmassung, d. h. mit Anspruch auf Wuerde Auftretende kann zunaechst sich in seiner Nichtigkeit offenbaren im natuerlichen Verlauf der Dinge, im einfachen sich Auswirken, in irgend einem Konflikt mit den Umstaenden. Dabei nehmen wir an, der Traeger des Laecherlichen sei sich seiner Laecherlichkeit nicht bewusst. Er verlacht, so setzen wir voraus, nicht sich selbst, sondern geht froehlich seinen Weg. Er erreicht sein Ziel, behaelt also aeusserlich betrachtet Recht. Er steigt nur eben notgedrungen von seiner angemassten Hoehe herab, muss sich ohne Maske zeigen, muss mit dem von ihm Verachteten, dass seine Nichtigkeit und vielleicht Nichtswuerdigkeit offen zur Schau traegt, sich auf eine Linie stellen, mit ihm paktieren, ihm den "bruederlichen Versoehnungskuss" reichen. Dass dies geschieht, ist das Verdienst jenes natuerlichen Verlaufs der Dinge. Der Zusammenhang des Geschehens, die innere Logik desselben, die in ihm waltende sittliche Notwendigkeit will es so. Mit diesem Zusammenhang, dieser Logik, dieser sittlichen Notwendigkeit sympathisieren wir. Sie erscheint als das Erhabene. In dem hieraus entspringenden Gefuehl sind wir versoehnt. Man kann dies Versoehntsein als Schadenfreude bezeichnen. Aber es ist Schadenfreude besonderer Art, naemlich sittliche Schadenfreude. Jede Schadenfreude ist--nicht Freude am Schaden Anderer als solchem, sondern Freude an der Aufhebung eines auf der eigenen Persoenlichkeit liegenden Druckes, Freude am einer Befreiung und damit Steigerung des Selbstbewusstseins. Und sittliche Schadenfreude ist Freude an einer Befreiung und damit einer Steigerung des sittlichen Selbstbewusstseins. Solche Schadenfreude oder solche sittliche Befreiung kommt in uns auch zu stande angesichts der satirischen Darstellung, von der ich oben sagte, dass ihr wohl zunaechst der Name der Satire zukomme. Davon unterscheidet sich die satirische "Komoedie", von der wir hier reden, dadurch, dass bei ihr das Befreiende nicht nur in der Darstellung, sondern objektiv als Gegenstand der Darstellung uns entgegentritt. Die Befreiung besteht im Miterleben der durch den Zusammenhang des Geschehens bewirkten Vernichtung des Erhabenheitsanspruches des Nichtigen. Dieser Zusammenhang des Geschehens ist hier der eigentliche Held, oder tritt an die Stelle desselben. Wo wir eine _Person_ in einem poetischen Kunstwerk als Helden bezeichnen, meinen wir damit die Person, auf welche schliesslich der ganze mannigfache Inhalt des Kunstwerkes sich bezieht, nicht irgendwie aeusserlich, sondern aesthetisch, d. h. in der Art, dass unser aesthetisches Interesse an diesem Inhalt in dem Interesse am Helden muendet oder zur Einheit sich zusammenfasst. Dies Interesse ist aber positives Miterleben, d. h. ein solches, in welchem wir eine eigene Lebenssteigerung erfahren. Wir koennen also auch sagen: Der "Held" bezeichnet den Punkt, in dem dasjenige, was wir angesichts des ganzen Kunstwerkes miterleben sollen, oder was uns durch das ganze Kunstwerk Positives gegeben werden soll, in Eines sich zusammenfasst. Dieser Punkt nun ist in unserem Falle bezeichnet durch den Zusammenhang des Geschehens. Er ist also der "Held". Oder: die "Idee" ist der Held, sofern sie in diesem Zusammenhang sich als uebermaechtg ausweist, naemlich uebermaechtig ueber den Erhabenheitsanspruch des Nichtigen. Dagegen koennen die Traeger des Nichtigen nicht Helden sein. Ihnen fehlt das Positive. Es wird darum auch kein Einzelner in einem solchen Kunstwerk alles beherrschend heraustreten. Was uns entgegentritt, wird eine Gruppe von Menschen sein, eine Gesellschaftsklasse, Vertreter eines Standes oder mehrerer Staende. Damit ist zugleich gesagt, dass der _Humor_ der Sache hier--nicht in den Entlarvten oder ihres Erhabenheitsanspruches Beraubten, sondern in diesem Zusammenhang des Geschehens, oder dieser "Idee" seinen Traeger hat. Der Humor liegt in der aus der Verschleierung oder versuchten Vernichtung emportauchenden Wahrheit. Dieser Humor ist nicht Schicksalshumor und nicht Charakterhumor, oder er ist beides. Der Gegensatz zwischen beiden kann eben hier, weil der Held nicht persoenlich ist, noch nicht hervortreten. Der Zusammenhang des Geschehens ist komisch. Und sofern die Idee, das Seinsollende, die Wahrheit, nur in diesem Geschehen, oder in Gestalt desselben fuer uns gegenwaertig ist, erscheint auch sie mit der Komik _behaftet_. Andererseits ist doch jener Zusammenhang ein Zusammenhang des _Geschehens_; die Komik ist also Schicksal; die komische Verschleierung oder versuchte Vernichtung _widerfaehrt_ der Idee. Ist die Idee oder das Positive bei dieser satirischen Komoedie nicht persoenlich, so ist es doch quasi-persoenlich. Wir beleben, beseelen, also personifizieren schliesslich auch einen solchen abstrakten Zusammenhang des Geschehens. Wir reden von treibenden Kraeften, die in einem solchem Zusammenhang wirken. Solche "Kraefte" sind, wie alle "Kraefte", Persoenlichkeitsanaloga. Immerhin steht ein derart abstrakter Zusammenhang uns persoenlich umso ferner und ist unserem Mitleben umso weniger unmittelbar zugaenglich, je abstrakter er ist. Er wird aber in der That so abstrakt, wie wir ihn bisher gedacht haben, niemals bleiben. Verschiedene Moeglichkeiten bestehen zunaechst, wie konkret Persoenliches in ihn eingehen kann. Immer wird es in dieser satirischen Komoedie geschehen, dass Laecherliches und Laecherliches _wechselseitig_ sich blosstellt, noch nicht mit Bewusstsein von der Laecherlichkeit oder Jaemmerlichkeit des Blossgestellten, sondern nur einfach thatsaechlich. Es ist dann die Macht der Wahrheit in dem Laecherlichen selbst wirksam. Dass diese Wirksamkeit unbewusst, ja gegen den Willen des Laecherlichen geschieht, mindert nicht, sondern steigert den Eindruck dieser Macht. Es koennen aber auch die Traeger des Laecherlichen mehr oder minder bewusst einer dem anderen das Recht auf Erhabenheit streitig machen, und einer den anderen in seiner Nacktheit zeigen. Ebenso koennen andererseits diejenigen, denen dies widerfaehrt, von ihrer Nacktheit ein mehr oder minder deutliches Bewusstsein haben. Vielleicht auch ist unter den Verkehrten ein Cyniker, der das Kind beim rechten Namen nennt und damit der sich vornehm duenkenden Niedrigkeit ihren Spiegel vorhaelt. In allen solchen Faellen ist es von Wichtigkeit, dass der _selbst_ in die Verkehrtheit _Verstrickte_ die Verkehrtheit in ihr Nichts verweist oder zurueckschleudert. Es zeigt sich darin die Macht der Wahrheit doppelt deutlich. Der Cyniker, der die Wahrheit eingestellt, thut der Wahrheit einen groesseren Dienst, als der Tugendhafte, der sie verkuendigt, oder gar der Moralist, der sie predigt. Hier ist die Wahrheit einfach da. Dort siegt sie ueber das Schlechte, dessen natuerlicher Schutz die _Luege_ ist. Andererseits kann zu denjenigen, um deren Verkehrtheit eigentlich es sich handelt, eine Gestalt _hinzutreten_, die irgendwie in positiver Weise die Idee, und damit den Standpunkt des Beschauers vertritt. Mit ihr ist ein Zuwachs des Humors gegeben, schon wenn sie lediglich lachend und verlachend in die Komik eingeht oder sich _einlaesst_. Einen weiteren Zuwachs erfaehrt die Komik, wenn diese Gestalt gleichfalls in ihrem _Wesen_ komisch und schliesslich laecherlich ist, aber eben in ihrem komischen Gebaren oder in ihrer laecherlichen Erscheinung das Bewusstsein von jener Verkehrtheit erst recht machtvoll zu Tage tritt. Ein Verkommener etwa, ein mauvais sujet, sagt den Heuchlern derbe Wahrheiten; und wir verspueren die Wirkung viel eindrucksvoller, als wenn sie aus anderem Munde kaeme. Vielleicht hat er das Recht der Wahrheiten an seinem eigenen Leibe erfahren. Ehe er so verachtet war, wie er es jetzt ist, war er so veraechtlich, wie diejenigen sind, die ihn jetzt verachten. Oder eine niedrige Gesinnung von der Art, die hier vor ihm sich bruestet, und als edel oder menschenfreundlich sich ausgiebt, hat ihn zu dem gemacht, was er jetzt ist. Er wird von den Heuchlern ausgestossen. Aber sie sind die Gerichteten. Oder ein komischer Polterer, aber gesund und ehrlich, nicht ohne moralische Groesse, vertritt seinen Standpunkt gegenueber dem Unwahren, Verschrobenen oder innerlich Verrotteten. Die sich erhaben Duenkenden gehen aber ueber ihn hinweg. Er ist in ihren Augen ein Narr. Um so mehr uebt seine Gesundheit und Ehrlichkeit ihre herzerfreuende Wirkung. Hierbei ist nicht vorausgesetzt, dass solche Gestalten Helden seien. Sie koennen Nebenpersonen sein, die auftreten und wieder verschwinden. Dann bleibt der "Held" noch immer der Zusammenhang des Geschehens, nur dass zugleich die in diesem Zusammenhang waltende Idee in solchen Gestalten verdichtet, uns anschaulich gemacht und dadurch naeher gerueckt ist. Sie sind noch nicht _die_ Traeger, aber sie sind doch Traeger der Idee, das heisst des Positiven, das uns nahe gebracht werden soll. Von da geht die "Verdichtung" der Idee weiter. Zugleich scheidet sich schaerfer und schaerfer der Humor der Schicksals- und der Humor der Charakterkomik. Eine Persoenlichkeit wird nicht nur verlacht, sondern sie ist der eigentliche Gegenstand des Lachens. Sie ist es um des Vernuenftigen oder Guten willen, das in ihr ist, das aber in eine verschrobene oder heuchlerische Umgebung nicht hineinpasst. Sie haelt dem Lachen stand und bethaetigt damit die Sicherheit ihres vernuenftigen oder sittlichen Bewusstseins. Dies ist satirischer Schicksalshumor. Das Kunstwerk, das uns dergleichen zeigt, ist satirische Schicksalskomoedie. In ihr ist jener Verlachte der Held. Ein Beispiel ist _Moliere_'s "Menschenfeind", dessen Titelheld uns in seiner eigensinnigen Ehrlichkeit um so lieber wird, jemehr alle ihn verspotten und im Stiche lassen. Dass zugleich auch sein Wesen nicht von Komik frei ist, macht uns dies Schicksal begreiflicher und laesst es uns milder erscheinen. Diesem ausgepraegten satirischen Schicksalshumor steht entgegen der satirische Charakterhumor, bei welchem in der verkehrten Persoenlichkeit selbst der Gegensatz des Erhabenen und des Naerrischen zu einem aeusserlich ungeloesten Konflikte sich zuspitzt. Das verkehrte Wollen zeigt sich machtlos. Die Persoenlichkeit erlebt es an sich selbst, dass die Vernunft oder das Gute dem verkehrten Wollen ueberlegen ist. Sie giebt, wenn auch widerwillig der Vernunft oder dem Guten Recht. Der Konflikt ist ungeloest, sofern wir hier voraussetzen, dass der Verkehrte nicht etwa vernuenftig wird. Es wird ihm nur eben die Unvernunft seines Gebarens zum Bewusstsein gebracht. Er steht beschaemt. So steht _Mephisto_ "beschaemt", indem er "gestehen muss", der "dunkle Drang" im Menschen sei maechtiger als er. Er hoehnt ueber sich und seine Mitteufel, weil die Liebe sich ihnen ueberlegen erwiesen hat. Darin liegt solcher satirischer Charakterhumor. Was _Mephisto_ dazu bringt, die Nichtigkeit seines verkehrten Wollens zu erkennen, ist das komische Scheitern seiner Plaene, also die Komik seines Schicksals. So wird ueberhaupt dieser satirische Charakterhumor oder dieser Humor "des in sich komisch entzweiten Charakters" ueberall durch die Komik des Schicksals, die ihrerseits durch die Verkehrtheit des Charakters bedingt ist, vermittelt sein. Nicht nur die Schicksalskomik, sondern der Humor des dem komischen Geschick sich entgegenstellenden und standhaltenden Charakters, verbindet sich mit solchem Charakterhumor bei _Hamlet_, _Lear_ u. a. Auch _Lear_ ist beschaemt in der Erkenntnis der Thorheit, durch die er sich sein laecherliches Schicksal zugezogen. Zugleich zeigt er sich als "jeder Zoll ein Koenig" in dem Geschick, das ihn durch seine Schuld und doch so unverdient trifft. Beides zusammen macht ihn erst so gross und liebenswert. Der Humor im _Lear_ schlaegt in furchtbare Tragik um. Aber, wie schon gesagt, Humor und Tragik sind Geschwister. Und es sind Geschwister, die sich oft schwer unterscheiden lassen. Zunaechst ist leicht zu sehen, welche _speciellere Parallele_ hier zwischen Humor und Tragik sich ergiebt: Der Schicksals- und Charakterkomoedie, speciell der soeben besprochenen Art, entspricht eine Schicksals- und Charaktertragoedie, und der Vereinigung jener beiden die Vereinigung dieser. Dem Humor im Misanthrop steht gegenueber die Schicksalstragik in Antigone, Maria Stuart, die nicht dem komischen, sondern dem in brutaler Haerte auftretenden Schicksal aeusserlich unterliegen, um es innerlich zu ueberwinden. Ebenso dem Humor des Mephistopheles die Tragik des Macbeth, der nicht seine Thorheit, sondern das Furchtbare seines Thuns erkennt, dadurch aber ebenso wie Mephistopheles der Idee Recht giebt und ihre Macht an sich erweist. Endlich sind beide Arten der Tragik vereinigt im Wallenstein, Coriolan etc. Dass die Schicksalstragoedie, von der ich hier rede, nicht zusammenfaellt mit der Karikatur derselben, die in der Literaturgeschichte speciell diesen Namen traegt, brauche ich nicht besonders zu betonen. Andererseits beruehren sich Humor und Tragik unmittelbar. Es braucht nur der komische Konflikt ein gewisses Mass der Schaerfe zu ueberschreiten, um ohne weiteres zum tragischen zu werden. Umgekehrt sehen wir den Raeuber Moor seine Auflehnung gegen die sittliche Weltordnung humoristisch fassen, wenn auch verzweiflungsvoll humoristisch, nachdem er die ganze Widersinnigkeit seines Beginnens eingesehen hat. DER IRONISCHE HUMOR. Ebenso wie der zweiten Art des objektiven Humors die Tragik, so entspricht der dritten Art desselben, die wir kurz als den _ironischen_ objektiven Humor bezeichnet haben, die Darstellung des Menschen, der ernste Konflikte gluecklich Ueberwindet. Insbesondere hat die dramatische Schicksalskomoedie des geloesten Konflikts in dem Schauspiele, dessen Held ernste aeussere Widerwaertigkeiten besiegt, die entsprechende Charakterkomoedie in dem Schauspiele, dessen Held ueber Regungen des Boesen in sich Herr wird, ihr Gegenbild. Wir nennen diese dritte Art des Humors ironisch, weil wir, wie nun oefter betont, in der Ueberwindung des Nichtigen, im Umschlag seiner Ansprueche in ihr Gegenteil, das Wesen der Ironie sehen. In gewisser Art ist ja freilich Vernichtung des Nichtigen oder des der Idee Widrigen das eigentliche Wesen jeden Humors. So koennen wir es als eine Vernichtung bezeichnen, wenn das Nichtige dem Erhabenen von vornherein nichts anhaben kann, also von Hause aus machtlos erscheint, wie beim harmlosen Humor. Ebenso wenn es zur thatsaechlichen Geltung kommt, zugleich aber innerlich ueberwunden wird, wie beim entzweiten oder satirischen Humor. Aber alles dies ist nicht Vernichtung in unserem Sinne, nicht Umschlag des die _Geltung_ in der Welt sich anmutenden Nichtigen _selbst_ in seiner objektiven _Thatsaechlichkeit_, wodurch die Uebermacht der Idee dokumentiert wird; darum nicht objektive Ironie, oder Ironie als Art des objektiven Humors. Es kann aber das Nichtige in dreifacher Weise jener Vernichtung und jenem Umschlag anheimfallen. Dieselbe entspricht den drei Arten der witzigen Ironie, die wir oben schon mit Ruecksicht hierauf unterschieden haben. Wir sahen in der ironischen Bezeichnung und dem ironischen Urteil eine Bezeichnung oder ein Urteil zergehen und der Wahrheit Recht geben, ohne weiteres, durch den blossen Eintritt in den Zusammenhang unseres Bewusstseins; wir sahen es in der "witzigen Widerlegung" zu Schanden werden durch eine Wahrheit, die ihm geflissentlich entgegentrat; wir sahen endlich in der "witzigen Folgerung" und "Konsequenz" den Umschlag erfolgen durch ein gleich Nichtiges, in dessen Gewand sich die Wahrheit kleidete. Dem entsprechend kann hier, bei dem ironischen objektiven Humor, das Nichtige zergehen, ohne besondere Anstrengung seitens eines Erhabenen, nur durch den Zusammenhang der Wirklichkeit, den natuerlichen und vernuenftigen Lauf der Dinge; oder es wird zu Falle gebracht durch die Uebermacht eines ihm geflissentlich entgegentretenden und den Kampf mit ihm aufnehmenden Guten und Vernuenftigen; oder endlich es wird in seiner Nichtigkeit und Machtlosigkeit offenbar durch seinesgleichen. Eine ironische Schicksalskomoedie der ersten dieser drei Stufen ist die "Komoedie der Irrungen", und die ganze Mannigfaltigkeit der Komoedien, in denen eine komische Verwickelung in ihrem eigenen Verlauf, durch die Laune des Zufalls, durch das Wechselspiel naerrischer Vorfaelle und Einfaelle sich loest. Ihr steht entgegen die Cbarakterkomoedie von der Art etwa der "Gelehrten Frauen", die von ihrer Vergoetterung der Scheingelehrsamkeit durch die zufaellige Entlarvung ihres Abgottes geheilt werden. Insofern ihre Thorheit zugleich den beiden Liebenden als feindliches, aber ohne ihr Zuthun sich loesendes Schicksal entgegentritt, ist diese Komoedie zugleich, soweit diese beiden in Betracht kommen, Schicksalskomoedie der gleichen Stufe. Dagegen besiegt Petrucchio durch maennliche Kraft und Klugheit die Komik des Geschicks, dass er sich mit Kaethchen aufgebunden hat. Er thut es, indem er Kaethchen selbst besiegt, und zur Vernunft bringt. So sind hier ironische Schicksals- und Charakterkomoedie der zweiten Stufe unmittelbar verbunden. Ebenso sehen wir ein andermal die Damen in "Liebes Lust und Leid" durch ihre Liebenswuerdigkeit, und die Liebe, die sie dadurch erwecken, ueber die Kavaliere, die ihnen die Thuere weisen, aeusserlich triumphieren und zugleich sie von ihrem naerrischen Vorsatz heilen. Der Unterschied zwischen dieser Stufe und der vorigen ist kein unwesentlicher. Es ist ein Anderes, ob das Nichtige in sich selbst zu Fall kommt und das Gute und Vernuenftige Recht behaelt, oder ob das Nichtige zu Fall gebracht wird durch ein positiv Gutes und Vernuenftiges, das darin seine Uebermacht betaetigt. Dies hindert doch nicht, dass beide Stufen im selben Kunstwerk sich verbinden und dass sie in einander uebergehen. Ueberhaupt handelt es sich ja hier nicht um feste Grenzen, sondern um fliessende Unterschiede; nicht um eine Klassifikation von Kunstwerken, sondern um die Aufstellung von Gesichtspunkten, denen sich dies oder jenes ganze Kunstwerk, oder auch nur diese oder jene Gestalt einen solchen mehr oder weniger unterordnet. Ich sagte, Petrucchio siege durch maennliche Kraft und Klugheit. Humoristisch ist doch er selbst und sein Thun nicht durch diese Kraft und Klugheit als solche. Der Humor fehlte, wenn dieselbe sich zur Verkehrtheit lediglich in Gegensatz stellte, sie in stolzer Selbstbewusstheit aufdeckte, abkanzelte, abwiese. Im Gegensatz hierzu schliesst der Humor, von dem ich hier rede, dies in sich, dass der Traeger des Vernuenftigen oder Guten von seiner Hoehe herabsteigt, in die Komik eingeht, oder sich einlaesst, demgemaess die Verkehrtheit _lachend_ ueberwindet. So ueberwindet Petrucchio lachend Kaethchens Tollheit. Aber freilich Petrucchio thut noch mehr. Er uebertollt die Tollheit der Widerspaenstigen. Er besiegt sie mit ihren eigenen Waffen. Sofern er dies thut, gehoert sein Humor bereits der dritten Stufe des ironischen Humors an. Diese dritte Stufe findet sich, zunaechst in der Form der Schicksalskomoedie, verwirklicht in allen Komoedien, in denen und soweit in ihnen das feindliche Schicksal oder die Person, die seine Rolle spielt, auf eigenem Boden und mit eigenen Waffen geschlagen wird. Hier wird das Nichtige von dem Erhabenen im Gewande seiner eigenen Nichtigkeit ueberwunden. Mit dieser Schicksalskomoedie muss nicht, aber es kann sich mit ihr die Charakterkomoedie der gleichen Stufe verbinden. So ist "Minna von Barnhelm" beides, sofern der Major, der die Heldin in die komische Situation bringt, von ihr nicht nur besiegt, sondern damit zugleich geheilt wird. Beides gelingt ihr, indem sie ihm in der Maske seiner eigenen Narrheit entgegentritt. In Minna von Barnhelm ist die Narrheit nur Maske; in den Helden der "Voegel" ist sie Wirklichkeit. Die Gruender des Vogelstaates sind ganz ausbuendige Narren. Und doch sind auch sie Vertreter der Idee. Eben in ihrer Narrheit repraesentieren sie die gesunde Vernunft. Und indem das naerrische Athenervolk mit seinen naerrischen Goettern vor ihnen sich beugt, beugt es sich vor der gesunden Vernunft. Oder wohin anders sollte sich, wenn es in der Welt und im Olymp so naerrisch zugeht, die gesunde Vernunft fluechten koennen, als dahin, wohin sie sich fluechten, nach Wolkenkukuksheim? Was anders kann man noch wuenschen, wenn es um alle hoeheren Interessen so uebel bestellt ist, als sein Leben in Ruhe zu verbringen und seinen Leib zu pflegen?--Wie erhaben bricht aber doch wiederum die Idee, ich meine das sittliche Bewusstsein an dem Gewande der Narrheit hervor, dann etwa, wenn der Hauptnarr dem schlechten Sohne das Gebot, Vater und Mutter zu ehren, entgegenhaelt, oder den Sykophanten auf die Mittel hinweist, sich ehrlich und ohne Schurkenprozesse sein taegliches Brod zu verdienen. Wie nichtig erscheint die Anmassung des Schlechten, wenn sie aus solchem Munde sich muss strafen lassen, wie erhaben die Idee, wenn ihre Karikatur genuegt, die Karikatur in der Welt der Wirklichkeit zu ihren Fuessen zu zwingen und zu entthronen. Denn nicht das karikierte Athenertum, wie Droysen meint, koennen die Gruender des Vogelstaates sein, sondern nur die Karikatur, ich meine die naerrische Verkleidung und absichtliche Verzerrung der gesunden Vernunft, die den Athenern _abhanden_ gekommen ist, und nun trotz ihrer Karikatur und in aller Niedrigkeit und Possenhaftigkeit die wahre Narrheit lachend ad absurdum fuehrt, In der aristophanischen Komoedie hat die Komik ihre ausgiebigste Verwertung im Dienste des Kunstwerkes gefunden. Hier ist hoechster Humor, das heisst tiefster sittlicher Ernst, und groesste Freiheit des Geistes, lachend in den Strudel der Verkehrtheit hinabzutauchen, und darin die Hoheit des Vernuenftigen, Guten, Grossen, kurz des Menschlichen zu bewaehren. *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, KOMIK UND HUMOR *** This file should be named 7kmik10.txt or 7kmik10.zip Corrected EDITIONS of our eBooks get a new NUMBER, 7kmik11.txt VERSIONS based on separate sources get new LETTER, 7kmik10a.txt Project Gutenberg eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not keep eBooks in compliance with any particular paper edition. We are now trying to release all our eBooks one year in advance of the official release dates, leaving time for better editing. Please be encouraged to tell us about any error or corrections, even years after the official publication date. 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