The Project Gutenberg EBook of Der Streit Ueber Die Tragoedie, by Theodor Lipps Copyright laws are changing all over the world. Be sure to check the copyright laws for your country before downloading or redistributing this or any other Project Gutenberg eBook. This header should be the first thing seen when viewing this Project Gutenberg file. Please do not remove it. Do not change or edit the header without written permission. Please read the "legal small print," and other information about the eBook and Project Gutenberg at the bottom of this file. Included is important information about your specific rights and restrictions in how the file may be used. 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Genaueres ueber die Bedeutung des Leidens. Die Bestrafung der Boesen und die Macht des Guten. Zwei Gattungen der Tragoedie. Tragoedie und ernstes Schauspiel. Die poetische Motivierung. Der Untergang des Helden. Schluss. EINLEITUNG. So wenig wie die kuenstlerische Thaetigkeit, ebenso wenig ist auch unser Kunstgenuss bedingt durch die verstaendesmaessige Einsicht in die Gruende, auf denen die Wirkung des Kunstwerkes beruht. Und es ist gut, dass es sich so verhaelt. Waere es anders, aller Kunstgenuss geriete ins Schwanken. Vor allem duerfte kein tragisches Kunstwerk auf eine sichere und bei allen gleichartige Wirkung rechnen. So gross ist die Unsicherheit und Gegensaetzlichkeit der Anschauungen ueber den "Grund unseres Vergnuegens an tragischen Gegenstaenden." Die verstandesmaessige Einsicht bedingt nicht den Kunstgenuss. Aber die _vermeintliche_ Einsicht, die _falsche Theorie_ vermag ihn empfindlich zu _schaedigen_. Nicht bei solchen, die die Theorie haben, aber klug genug sind, von ihr angesichts des Kunstwerkes keinen Gebrauch zu machen; die sich zu Hause an ihrer Theorie der Tragoedie, im Theater an der Tragoedie erfreuen. Sie schaffen sich nur einen doppelten Genuss. Fuer sie ist die Theorie ein Luxus, den man ihnen wohl goennen mag. Wohl aber muss die falsche Theorie Schaden stiften bei denjenigen, die damit praktisch Ernst machen. Sie suchen, durch die Theorie verleitet, im Kunstwerk, was die Theorie vorschreibt, und finden natuerlich, was sie suchen. Und sie uebersehen mit ihrem durch die Theorie missleiteten Blick, was das Kunstwerk bieten will und bietet. Vielleicht beruht die falsche Theorie immerhin auf aesthetischem Boden; sie ist hervorgegangen aus oberflaechlicher und einseitiger Betrachtung des Kunstwerkes. Dies ist der bei weitem guenstigere Fall. Schlimmer ist es, wenn eine der Kunst fremde Theorie, eine Welt- oder Lebensauffassung, wie sie der "Philosoph" aus der Betrachtung der Wirklichkeit gewonnen oder in seinen Mussestunden ertraeumt hat, dem Kunstwerk untergeschoben, und dies zum Mittel gemacht wird, jene Welt- oder Lebensauffassung zu verkuendigen oder zu bestaetigen. DIE "RESIGNATION" DES TRAGISCHEN HELDEN. Es giebt eine Weltanschauung, die, ausgehend von der Betrachtung des Leides in der Welt, zur Ueberzeugung gelangt, dass es besser waere, die Welt waere nicht. Das Leid in der Welt fordere eine _Erloesung_. Diese sei gegeben in der Abkehr vom Leben, der Preisgabe des Daseins, der "Weltueberwindung" in diesem Sinne. Im Aufhoeren des Daseins, im Nichtsein also, sei die Disharmonie der Welt in "Harmonie" aufgeloest; hier sei "Ruhe, Versoehnung, Frieden". Lassen wir dahingestellt, wie der Verkuendiger dieser "pessimistischen" Weltanschauung seine Lehre zu beweisen gedenkt. Nur dies interessiert uns hier einigermassen, wie er die sonderbare Vorstellung rechtfertigen will, dass das Individuum nach Preisgabe seines Daseins, dass also das nicht mehr existierende Individuum, doch noch von eben dieser Nichtexistenz etwas _habe_; dass es, obgleich nicht mehr empfindend, doch sein Nichtsein als Harmonie, Versoehnung, Ruhe, kurz irgendwie befriedigend empfinde. Denn die Befriedigung, die ich nicht empfinde, ist ja doch fuer mich keine Befriedigung, so sehr sie es fuer einen anderen sein mag; Erloesung, Versoehnung, Harmonie, das alles sind Worte, die auf das nicht mehr existierende also auch nicht mehr empfindende Individuum angewandt voellig ihren Sinn verlieren. Was, frage ich, veranlasst den Vertreter jener Theorie trotzdem mit diesen Worten zu spielen, statt ueberall das so klare und viel einfachere Wort "Nichts" an die Stelle zu setzen. Das Spiel ist ja allzuleicht zu durchschauen. Ruhe ist ein doppelsinniges Wort. Ruhe ist Abwesenheit der Bewegung, Mangel des Lebens, also Tod, Starrheit, gleichfoermiges Einerlei. Solcher Ruhe "erfreut" sich der Stein gegenueber der Pflanze, die durch Entziehung der Waerme erstarrte Natur gegenueber der lebendigen. Ein ander Mal ist "Ruhe" gleichbedeutend mit "_Ausruhen_". Solches Ausruhen ist nicht Mangel des Lebens, sondern ungestoerter Ablauf desselben; nicht aufgehobene Bewegung, sondern ungetruebtes Gleichmass vorhandener Bewegung. Jene Ruhe hat nichts Erfreuliches; mit Bewegung und Leben ist ja auch das Fuehlen aufgehoben. Diese schliesst eine eigene und beglueckende Art des Lebens- und Selbstgefuehls in sich. Nur wenn man mit logischer Taschenspielerkunst jenem negativen Begriff der Ruhe diesen positiven Begriff unterschiebt, kann man auch jenen mit scheinbarem positivem Inhalte erfuellen. Noch schlimmer steht es mit den anderen, an Stelle des "Nichts" gesetzten Begriffen. Aufgehobene Disharmonie ist nicht ohne weiteres Harmonie, sie ist an sich bloss nicht vorhandene Disharmonie, Leere, ein Nichts an Stelle der Disharmonie. Nicht, wo nichts mehr erklingt, sondern wo Klaenge ungestoert zusammenklingen, ist Harmonie. Und solche Harmonie muss da sein, wo Disharmonie in Harmonie "_aufgeloest_" werden soll. Ohne die nachfolgende Harmonie ist die "Aufloesung" ein leeres Wort, eine sonderbare Erschleichung.--Und nicht anders ist es mit dem "Frieden", der "Versoehnung". Ich frage, ist es recht, solchen Begriffsbetrug zu ueben? Oder wie glaubt man dergleichen logischen Leichtsinn verantworten zu koennen? Jener "Weltanschauung" aber soll nun auch die Tragoedie zur Bestaetigung dienen. Wir erfahren: in der Tragoedie vollziehe der Held die Abwendung vom Dasein und Leben; daraus gewinne der Zuschauer den Trost, dass auch ihm ein Gleiches zu thun offen stehe. Die Tragoedie erschliesse so dem Geiste "seine wahre Heimat und die Aussicht auf den stillen Hafen hinter der sturmbewegten See des Lebens." Hier haben wir zunaechst neue Worte an Stelle des "Nichts". Schade, dass sie, so poetisch auch immer, und so wohlgeeignet die Leere des Nichts gefaellig zu verschleiern, doch auch nicht das Nichts in ein Etwas, wohl gar in ein beglueckendes Etwas zu verwandeln vermoegen. Man koennte meinen, trotz der schoenen Worte bleibe der Gedanke an jene Leere vielmehr der erschrecklichsten einer, und jene "trostreiche" Aussicht sei alles eher als trostreich. Doch streiten wir darueber nicht.--Der _Zuschauer_ soll jenen trostreichen Gedanken haben. Gemeint kann aber doch wohl nur der Zuschauer sein, der an die pessimistische Lehre glaubt, und auch der nur unter der Voraussetzung, dass er im Trauerspiel, das ja von allerlei redet, nur nicht von ihm und seinen persoenlichen und realen Interessen, noch die Zeit findet, zu diesen Interessen abzuschweifen. Oder wo pflegen Tragoedien von Zuschauern und ihren Wuenschen und Aussichten zu handeln? Welche Tragoedie faellt so aus der Rolle? Ich fuerchte nicht, dass man den Sinn und die Bedeutung dieser Frage verkenne. Die Fabel mag ausdruecklich enden mit dem "Fabula docet", der Nutzanwendung, die sich an den Leser oder Hoerer wendet; das Gleichnis mag sagen: "Gehe hin und thue desgleichen". Und wenn sie es nicht ausdruecklich thun, so sollen wir doch die Lehre oder Nutzanwendung aus ihnen ziehen. Beide sind eben Belehrungen in kuenstlerischer Form, nicht reine Kunstwerke. Dagegen will das reine Kunstwerk nicht belehren, am wenigsten ueber unsere "Aussichten". Oder was wuerde man sagen, wenn jemand aus dem Lustspiel, in dem der Held durchs grosse Loos aus materieller Not befreit wird, den troestlichen Gedanken zoege, dass auch ihm dergleichen begegnen koenne. Was wuerde man sagen, wenn er uns gar erklaerte, dieser troestliche Gedanke sei eben der Grund und eigentliche Inhalt seines Kunstgenusses? Nun, genau dasselbe muss man von demjenigen sagen, der den Genuss am tragischen Kunstwerk auf irgend welche trostreiche Aussicht gruendet, die er fuer sich daraus zieht. Das darstellende Kunstwerk will wirken durch das, was es darstellt, durch die Gestalten, die es uns vorfuehrt, und das, was diese Gestalten innerhalb des Kunstwerkes,--nicht irgend jemand sonst, am wenigsten wir selbst, _ausserhalb_ desselben,--sind und denken, thun und erleiden. In die Gestalten, in ihr Denken, Thun und Leiden sollen wir uns in unserer Phantasie hineinversetzen und unser reales Ich mit seinen Wuenschen und Aussichten, und damit zugleich die ganze sonstige Welt der Wirklichkeit nicht hineinmengen, sondern vergessen. Die Welt des darstellenden Kunstwerkes ist nicht eine wirkliche, sondern eben eine dargestellte; eine Welt der blossen Vorstellung, der Phantasie, des Scheins. Sie ist jedesmal eine Welt fuer sich, von der Welt, in der wir existieren, durch eine absolute Kluft getrennt. Diese Welt und sie allein geht uns an, wenn wir uns dem Kunstwerk hingeben; aus ihr allein koennen wir schoepfen, was wir aus dem Kunstwerke schoepfen wollen. Es besteht aber gerade das Besondere des darstellenden Kunstwerkes, dasjenige, was es vor dem Schoenen der Wirklichkeit jederzeit voraus hat, darin, dass es eine solche Welt fuer sich bildet, aller wirklichen Welt transcendent, voellig losgeloest von unseren Wirklichkeitsinteressen; es ist das Auszeichnende des Genusses am darstellenden Kunstwerke, dass das Schoene in ihm zur Geltung kommt und wirkt, wie es an sich ist, genossen wird in dem Werte, den es an sich hat, nur verflochten in die Beziehungen, in die es im Kunstwerke verflochten erscheint. Dagegen hebt jede Einmischung eines Gedankens, der sich auf das bezieht, was ausserhalb des Kunstwerkes liegt, jede Herzubringung eines Interesses ausser dem Interesse am Kunstwerk selbst und seinem Inhalte das eigentliche Wesen des Kunstwerkes auf. Die Vermengung ist nicht klueger als die von Traum und Wirklichkeit, der Versuch vor allem, "trostreiche" Gedanken fuer die Wirklichkeit aus dem Kunstwerke zu ziehen, nicht geistreicher als der Versuch, das Kapital, das man im Traume gewonnen, im wachen Leben auf Zinsen zu legen. Doch weiter. Aus gewissen _Bedingungen_ folgt jedesmal in der Tragoedie das Preisgeben des Daseins seitens des Helden. Er wendet sich vom Leben--wenn er es thut--nicht auf Grund einer philosophischen Reflexion ueber die Vortrefflichkeit der Nichtexistenz, sondern weil ein grosses Leid, ein unloesbarer Konflikt ueber ihn hereingebrochen ist. Warum dies? Man sagt uns, der Held muesse durch die Unloesbarkeit des Konfliktes erst dazu gebracht werden, die Welt zu ueberwinden, die instinktive Todesfurcht abzuschuetteln, das Nichtsein begehrenswert zu finden. Wie ihm das Leiden, so solle uns der Anblick des Leidens die Vortrefflichkeit des Nichtseins im Vergleich zu den Leiden des Daseins zum Bewusstsein bringen. Auch sei die Preisgabe des Lebens fuer den Helden erst auf Grund der Unloesbarkeit des Konfliktes _verzeihlich_. Denn von Hause aus habe der Einzelne die Pflicht sich dem Leben und seinen Aufgaben zu erhalten, obgleich diese Aufgaben zuletzt auf nichts anderes hinauslaufen, als darauf, auch die uebrige Welt zur Abkehr vom Leben reif zu machen. Aber ist damit nicht die ganze "troestliche Aussicht" wiederum illusorisch gemacht? Angenommen der Held entschloesse sich zur Preisgabe des Daseins _ohne_ besondere Veranlassung, etwa unter Recitation einiger "Lichtstrahlen" aus pessimistischen Werken. Dann koennten wir vielleicht aus seinem Verhalten die troestliche Zuversicht gewinnen, dass auch uns, denen einstweilen die besondere Veranlassung fehlt, ein gleiches Verhalten moeglich sei. Wie aber, wenn das Gegenteil dieser Annahme stattfindet? Dass die Veranlassung zur Preisgabe des Daseins beim Helden der Tragoedie eine besondere, dass die Bedingungen seines Unterganges ausserordentliche zu sein pflegen, das tut ja doch wohl keine Frage. Man hat sogar diese Besonderheit oder Ausserordentlichkeit ueber Gebuehr gesteigert. Der tragische Konflikt, sagte man, setze jederzeit eine "Ueberhebung" seitens des Helden voraus. Dies bezweifle ich. Ich wuesste wenigstens nicht, worin die Ueberhebung einer EMILIA GALOTTI bestehen sollte. Aber lassen wir diesen Punkt hier noch unentschieden. Uns genuegt, dass unter Voraussetzung gewisser, nicht alltaeglicher Bedingungen, und nur unter Voraussetzung derselben, der tragische Held sich vom Leben abzuwenden pflegt. Diese Bedingungen muessen gewiss, so wenig alltaeglich immer, moegliche und naturgemaesse, sie muessen "_normale_" Bedingungen sein. Ob sie dagegen irgend einmal wirklich waren, oder groessere oder geringere Aussicht haben, wirklich zu werden, hat wiederum mit dem Kunstwerke nichts zu thun. Angenommen aber, wir koennen es nun einmal nicht lassen, in die Phantasiewelt des Kunstwerkes die wirkliche Welt hineinzumengen, insbesondere Nutzanwendungen auf uns selbst zu machen. Dann ist zum mindesten gefordert, dass die Nutzanwendung dem entspreche, woraus sie gezogen ist. Nun liegt im Gedanken, dass wir koennen, was der Held kann, ein Vergleich des Helden mit uns. Dieser Vergleich hat, wie bei Vergleichen ueblich, auch seine Kehrseite. Der unloesbare Konflikt besteht jetzt fuer uns nicht. Wir muessen auch die Moeglichkeit, bzw. die groessere oder geringere Wahrscheinlichkeit zugeben, dass die Bedingungen, die ihn notwendig herbeifuehren, fuer uns nicht eintreten werden. Natuerlich muss dieser Gedanke unsere "troestliche Zuversicht" stoeren. Die Moeglichkeit oder Wahrscheinlichkeit, dass wir nie in eine Lage kommen werden, in der die Abwendung vom Leben auch fuer uns unvermeidlich und darum verzeihlich waere, die uns zugleich von der "instinktiven Todesfurcht" befreite, so dass wir das Nichtsein dem Dasein auch praktisch vorziehen koennten, diese Moeglichkeit oder Wahrscheinlichkeit muss uns sogar mit umso groesserem Schmerz und Neid erfuellen, je troestlicher jene "troestliche Aussicht" fuer uns sein wuerde. Daran aendert auch die Behauptung nichts, dass in jedem Menschen Konflikte "ruhen", die ihrer Natur nach unversoehnlich sind, und dass es nur der Zufaelligkeit der Verhaeltnisse zu danken sei, wenn sie nicht zum Ausbruch kommen. Denn die ruhenden, nicht aufgebrochenen Konflikte, das sind eben doch Konflikte, die thatsaechlich nicht bestehen. Vielleicht brechen sie einmal aus. Aber die Unsicherheit, ob sie ausbrechen werden, ob wir also Aussicht haben, es dem Helden einmal nachmachen zu koennen oder nicht, das Hangen und Bangen zwischen dieser Aussicht und der gaenzlichen Aussichtslosigkeit muss uns in einen Zustand marternder Unruhe versetzen, der erst recht das Gegenteil ist von der erhebenden Wirkung des tragischen Kunstwerks. Lassen wir auch diesen Punkt. Wenn wenigstens die Voraussetzung dieser wunderbaren Theorie zutraefe; wenn wenigstens der Held der Tragoedie wirklich ueberall resigniert vom Leben sich abkehrte. Thatsaechlich ist ja auch dies nicht der Fall. Oder wo ist in ANTIGONEs herzzerreissender Klage, dass sie das Leben verlassen muesse, diese Abkehr? Wo ist die Resignation, das Abschuetteln der Todesfurcht, das Wegwerfen des Daseins als eitel und wertlos? Was kann es auch nur fuer einen Sinn haben, von ihr zu behaupten, dass sie das Nichtsein den Leiden des Daseins vorziehe, da ja bei ihr vielmehr das ganze Leiden in der bitteren Notwendigkeit des Sterbens _besteht_?--Wo finden wir die Resignation selbst bei einem MACBETH oder RICHARD III.? Freilich, dass solche Ausnahmen sich finden, dass nicht in allen Tragoedien der Held zur Resignation gelange, dies wird ausdruecklich zugestanden. Die Resignation, sagt man uns, bleibe eben in solchen Faellen der Reflexion des Zuschauers ueberlassen. Aber damit ist doch wohl zugleich ausdruecklich zugestanden, dass die troestliche Aussicht, in welcher der eigentliche Sinn der Tragoedie bestehen sollte, ganz ausserhalb des Kunstwerkes steht, und lediglich dem Zuschauer zur Last faellt, der den Dichter ergaenzt oder korrigiert, wie es ihm eben beliebt. Giebt die thatsaechliche Resignation des Helden uns das Bewusstsein, dass wir unter gleichen Umstaenden derselben Resignation faehig sein wuerden, dann muss ebenso sicher der Mangel der Resignation, der ja auch im Kunstwerk wohl motiviert ist, die Ueberzeugung in uns wecken, dass wir unter gleichen Umstaenden ebenso unresigniert sein wuerden. Gewinnen wir trotzdem auch im letzteren Falle die Zuversicht unserer eigenen Resignationsfaehigkeit, so gelangen wir dazu auf unsere eigenen Kosten und dem Kunstwerk zum Trotz. Wir koennen dann ebensowohl aus jeder beliebigen Komoedie die gleiche Zuversicht schoepfen. Das Kunstwerk ist schliesslich gaenzlich gleichgiltig geworden. "Reflexionen" koennen wir ja jederzeit anstellen, welche wir wollen. Fassen wir alles zusammen, so leuchtet ein, worin fuer die Theorie in Wahrheit der Genuss des tragischen Kunstwerkes besteht. Man geht ins Theater, um sich seiner gluecklich gewonnenen Weltanschauung zu freuen. Stimmt damit das aufgefuehrte Stueck ueberein oder laesst es sich so umdeuten, dass es damit uebereinzustimmen scheint, dann freut man sich auch an dieser wirklichen oder vermeintlichen _Uebereinstimmung_. Will das Stueck sich durchaus nicht der Weltanschauung fuegen, nun, dann laesst man das Kunstwerk Kunstwerk sein und begnuegt sich mit der Freude an seiner eigenen Weisheit. Das tragische Kunstwerk ist eben, so wenig wie irgendwelches Kunstwerk, dazu da Weltanschauungen zu predigen oder zu bestaetigen, pessimistische so wenig wie optimistische. "Aber der Dichter muss doch irgend eine Weltanschauung haben, und die muss in seinem Werke zu Tage treten. Und nur der wird das Kunstwerk recht verstehen, der sich auf den Boden dieser Weltanschauung stellt."--Ich frage: Warum dies alles? Mag der Dichter als Mensch, sozusagen fuer seinen Privatgebrauch eine Weltanschauung haben. Als Dichter bedarf er keiner solchen, es sei denn, dass es ihm darauf ankommt in seinen Gestalten einen Kampf der Weltanschauungen zur Darstellung zu bringen. Im uebrigen wird er sogar gut thun, seine Weltanschauung moeglichst fuer sich zu behalten. Was er in jedem Falle braucht, ist Kenntnis der Welt und des in ihr Moeglichen; Verstaendnis fuer das, was in der Welt ist und auf das menschliche Gemuet zu wirken vermag; Beherrschung der Sprache, in der die Erscheinungen in der Welt ihren Sinn und Inhalt zu offenbaren pflegen. Will man dies Weltanschauung nennen, so ist es doch nicht Weltanschauung in dem hier vorausgesetzten philosophischen Sinne des Wortes. So haben denn auch grosse Dichter keine oder eine sehr schwankende "Weltanschauung" gehabt, und hatten sie eine, so hueteten sie sich das Kunstwerk zur Darlegung und Anpreisung dieser Weltanschauung zu missbrauchen. Nur in einem Sinne, ausser dem eben zugestandenen, muss der Dichter und jeder Kuenstler als solcher Weltanschauung haben und geben, wenn naemlich unter "Welt" die Welt des Kunstwerkes verstanden wird. Diese Welt ist seine Welt und diese Welt allerdings muss ihm, indem er sie schafft, Gegenstand einer klaren, einheitlichen und von innerer Wahrheit erfuellten Anschauung sein. Eben diese "Weltanschauung" soll dann gewiss auch der Betrachter gewinnen. DIE "POETISCHE GERECHTIGKEIT". Ich sagte schon, dass das tragische Kunstwerk, wie keine pessimistische, so auch keine _optimistische_ Weltanschauung predige. Es hat mit beiden gleich viel oder gleich wenig zu thun. Es giebt aber eine Theorie der Tragoedie, die optimistisch genannt werden kann, auch wohl sich selbst so nennt und die das tragische Kunstwerk, wenngleich in anderer Weise, darum doch nicht minder verfaelscht als die besprochene pessimistische. Die gemeinte Theorie fordert, dass das Uebel, das dem Helden widerfaehrt, insbesondere sein schliesslicher Untergang, als "Strafe" des Boesen, als "Suehne" fuer eine "Verschuldung" erscheine. Sie kennt eine ueberall in der Tragoedie waltende "poetische Gerechtigkeit". Dass es eine solche Gerechtigkeit in der Welt gebe, dass alle Schuld sich auf Erden raeche, dies soll der erhebende Gedanke sein, den das Trauerspiel vergegenwaertige und in dessen Vergegenwaertigung sein eigentlicher Sinn bestehe. Wir fragen zunaechst: _Besteht_ denn, wirklich jene Gerechtigkeit in der Welt, raecht sich wirklich alle Schuld auf Erden? Soviel wir wissen, nicht. Schuldige und Unschuldige gehen unter: Unschuldige und Schuldige bleiben erhalten und freuen sich ihres Daseins. Die Besten empfinden mit tiefem, vielleicht vernichtendem Schmerze, was die Boesen, die Oberflaechlichen, die sittlich Stumpfen gleichgiltig oder mit laechelndem Achselzucken ansehen. Darnach ist es ein unwahrer Gedanke, den die Tragoedie vergegenwaertigt oder es ist unwahr, dass ihn die Tragoedie vergegenwaertigt. Die Tragoedie vergegenwaertigt den Gedanken nicht. Die Tragoedie vergegenwaertigt ueberhaupt keine allgemeine Gedanken. Sie vergegenwaertigt nur sich selbst. MACBETHs, RICHARDs III. Schuld raecht sich; vielleicht, obgleich wir dies einstweilen bezweifeln, auch die der ANTIGONE, CORDELIA, OPHELIA. Aber diese Gestalten gehoeren, soviel ich sehe, nicht der "Erde" an, sondern der Tragoedie; nicht auf Erden, sondern in der Welt der Phantasie, in der wir leben, wenn wir die Gestalten sehen, raecht sich ihre Schuld. Und dass sie sich raecht, das ist kein Gedanke, sondern eine Thatsache, die wir vor unseren Augen erleben. Nicht dazu ist die Tragoedie da, damit wir Gedanken vollziehen, sondern damit wir etwas erleben und davon ergriffen sind. Doch damit ist die Theorie nicht beseitigt. Den "Gedanken" sind wir los und damit die "Weltanschauung", die in dem Glauben an jenen Gedanken besteht, und damit ist viel gewonnen. Aber das Erlebnis, der einzelne Fall der poetischen Gerechtigkeit, den uns die Tragoedie vorfuehrt, bleibt bestehen oder scheint bestehen zu bleiben. Und damit bliebe fuer uns das Wesentliche. Mag der "Gedanke" oder die "Weltanschauung" wahr sein oder falsch, uns genuegte der einzelne Fall, wie er auf der Buehne uns entgegentritt. In der Welt der Wirklichkeit braucht ein solcher Fall nur _moeglich_ zu sein. Ist er zugleich auf der Buehne wirklich und beruht darauf die Wirkung der Tragoedie, so hoert unser weiterer Widerspruch gegen die Theorie auf. Aber hier draengt sich sofort ein anderer naheliegender Einwand auf. Es giebt ausser der Tragoedie andere tragische Kunstwerke. Man sollte meinen, was den Sinn der Tragoedie ausmache, muesse in irgend einer Weise auch in sonstigen tragischen Kunstwerken vergegenwaertigt sein. Wiefern aber leidet der LAOKOON des plastischen Bildwerks zur Strafe fuer eine Schuld? Wo ist da die poetische, oder wie es hier wohl heissen muesste, "plastische" Gerechtigkeit? Ich sehe das Leiden deutlich genug, aber woran sehe ich, dass ihm eine Schuld voranging? Der LAOKOON des _Dichters_ mag fuer eine Schuld leiden, obgleich ich nicht weiss, worin sie bestehen sollte. Aber der LAOKOON des Dichters ist nun einmal nicht der plastische. Dieser Thatbestand fuer sich allein haette genuegen muessen, die Schuld- und Straftheorie, oder die Theorie der "poetischen Gerechtigkeit" zu Falle zu bringen. Doch so eingewurzelte Theorien sind nicht so leicht zu faellen. Vielleicht hilft man sich mit der Bemerkung, die gemeinsame Bezeichnung plastischer und dramatischer Kunstwerke als tragischer sei voellig zufaellig, beweise darum in der That nichts fuer irgendwelche Uebereinstimmung in den Gruenden ihrer Wirkung. So fassen wir lieber die Tragoedie direkt ins Auge. Der tragische Held soll leiden zur Strafe fuer eine Schuld. Diese Behauptung noetigt die Vertreter unserer Theorie, ueberall an den tragischen Helden eine "Schuld" aufzusuchen. Es gelingt ihnen denn auch ueberall etwas zu finden, dem sie diesen Namen glauben geben zu duerfen. ANTIGONE erhebt sich gegen den Traeger der socialen Ordnung; DESDEMONA versuendigt sich gegen die vaeterliche Autoritaet, sie macht keinen Versuch, BRABANTIO durch Bitten und Thraenen zur Einwilligung zu bewegen; und nun gar der Leichtsinn, das Taschentuch zu verlieren!--EMILIA GALOTTI hat keine tatsaechliche, aber eine "Gedankenschuld" auf sich geladen.--So sehen wir, kein Unschuldiger, nur Schuldige werden vom tragischen Geschick ereilt. Man wird nicht umhin koennen, den Scharfsinn zu bewundern, der zu solchen Schuldbeweisen aufgeboten worden ist. Im uebrigen gewaehren sie ein wenig erfreuliches Schauspiel. Als ob es nicht genug waere, dass der Dichter seine Helden leiden laesst, werden sie nun auch noch von den Aesthetikern misshandelt. Man zwingt sie erbarmungslos auf die Anklagebank, um alles an ihnen hervorzukehren, das Innerlichste und Aeusserlichste, das was sie gethan und das was sie, zwar nicht gegen ihre eigene, aber gegen des Aesthetikers bessere Einsicht unterlassen haben, Fehler, von denen Dichter und Kunstwerk wissen, und solche, von denen beide nichts wissen. Nachdem so das Verborgenste ans Licht gezogen ist, "plaediert" man fuer und wider. Wo der eine eine kleine Schuld findet, wittert der andere eine grosse; wo der eine milde gestimmt ist, redet sich ein anderer in Entruestung hinein. Alle aber stimmen sie schliesslich in das Schuldig ein: "Was brauchen wir weiter Zeugnis? Weg mit ihnen." Was aber will man denn eigentlich mit dem allem? Darum handelt es sich ja doch nicht, ob die tragische Persoenlichkeit ueberhaupt "unschuldig" ist, so unschuldig, dass auch derjenige, der seiner Theorie zuliebe einen Tadel an ihr finden muss und will, keinen zu finden vermag. Wir sind allzumal Suender, und die etwa ausgenommen sind, die neugeborenen Kinder oder die Heiligen des Himmels, wird man gewiss auch in Zukunft nicht zu Helden von Tragoedien machen. Nur das kann doch die Frage sein, ob der Held eine Schuld auf sich geladen hat, fuer die das Leiden, das ihn trifft, als gerechte _Strafe_ erscheint, eine Schuld, die nur mit _Vernichtung gesuehnt_ werden kann. Und dies wiederum nicht nach einem Massstabe, den wir speciell fuer die Tragoedie zurecht schneiden moegen, sondern nach demjenigen, den unser natuerliches sittliches Gefuehl uns an die Hand giebt. Reden wir ganz speziell. Hat ein Weib, das ganz erfuellt von reinster Bruderliebe, die heiligste Verpflichtung, die ihr diese Bruderliebe auferlegt, festhaelt, trotz der Drohungen eines Tyrannen, angesichts der Notwendigkeit elend dahinzusterben, kurz, hat ein Weib, das ebenso handelt wie ANTIGONE, und aus ebensolcher Gesinnung, durch dies Handeln und durch diese Gesinnung den Tod verdient, nicht irgend einen, sondern den grausamen und schmachvollen, wie ihn ANTIGONE erleidet? Ist sie durch unser natuerliches Gefuehl gerichtet, als eine, die nicht verdient, weiterzuleben? Haben wir, wenn sie ihrem schrecklichen Schicksal verfaellt, das Bewusstsein, ihr sei recht geschehen und weiter nichts, und ist es dieses Bewusstsein, ist es dies befriedigte "Gerechtigkeitsgefuehl", aus dem wir den erhabenen Genuss schoepfen, den uns die Tragoedie gewaehrt? Man rede nicht von einem hoeheren sittlichen Standpunkte gegenueber dem Kunstwerk. Reiner allerdings ist der Standpunkt, wir stehen nirgends auf einem reineren sittlichen Standpunkt als gegenueber dem tragischen Kunstwerk. Aber er ist reiner, nicht weil er dem natuerlichen Gefuehl Hohn spricht, sondern sofern er eben dies Gefuehl unbeeinflusst durch Ruecksichten, wie sie der Zusammenhang der Wirklichkeit mit sich bringt, zur Geltung kommen laesst. SCHULD UND "STRAFE". Doch urteilen wir nicht zu schnell. Sehen wir der Theorie etwas naeher ins Gesicht. Worin denn soll jener "hoehere" Standpunkt bestehen? Ist er ein hoeherer, weil er ein strengerer ist, der misst nicht nach menschlichem Massstabe, sondern nach dem Massstabe sittlicher Vollkommenheit? Von sittlicher Vollkommenheit allerdings bleibt ja alle menschliche Tugend weit entfernt. Vielleicht sieht ein vollkommenes Wesen, sieht die Gottheit die besten der Menschen so weit von sich entfernt, dass das Gute, das an ihnen ist, ihr unendlich klein erscheint. Besteht es darum fuer sie gar nicht mehr? Darf sie es voellig fuer nichts achten? Doch was reden wir? Sind denn wir die Gottheit? Koennen wir denn einen anderen Massstab haben als den menschlichen? Ist der Dichter nicht Mensch und wendet sich an Menschen? Lassen wir uns aber jenen hoeheren Standpunkt einen Augenblick gefallen. Die besten der tragischen Helden seien trotz ihres guten Wollens so nichtswuerdig, als es von jenem hoeheren Standpunkt irgend scheinen mag. Muessen sie darum vernichtet werden? Gewiss wird einem absolut vollkommenen Willen jede Unvollkommenheit, jeder Mangel, jedes Boese widerstreben. Er wird demgemaess das Boese ueberall aufzuheben und zu vernichten streben. Aber heisst dies, er wird die _Menschen_ vernichten? Sind denn die Menschen die Unvollkommenheit, der Mangel, das Boese? Sind sie das Nichtseinsollende, weil das Nichtseinsollende ihnen anhaftet? So gewiss nur das, was am Menschen boese ist, oder der Mensch, sofern er boese ist, dem vollkommenen Willen widerspricht, so gewiss kann die Gegenwirkung dieses Willens nur gegen dies Boese gerichtet sein, nicht gegen das Ganze des Menschen. Der vollkommene Wille kann nicht seinen Zorn von dem Boesen auf das ganze Wesen uebertragen und so mit dem Boesen auch das, sei es noch so geringe Gute, oder den Keim des Guten, der im Menschen wohnt, zugleich vernichten wollen. Dies Gute muss er lieben und zu erhalten streben, so gewiss er das Boese hasst und aufzuheben strebt. Moegen wir vermoege eines natuerlichen Irrtums unseres Empfindens Menschen hassen, statt das Boese in ihnen zu hassen, dem vollkommenen sittlichen Willen liegt solcher Irrtum fern. Welche Bedeutung duerfen wir dann noch der Strafe beimessen?--Strafe ist nicht _unmittelbar_ Aufhebung oder Verneinung _des Boesen_. Sie ist Verhaengung eines Uebels ueber die _Person_, stoerender oder vernichtender Eingriff in den Bestand der Persoenlichkeit, der diese oder jene Seite der Persoenlichkeit treffen kann. Dies hindert doch nicht, dass ihr ganzes _sittliches Wesen_ einzig in jener Reaktion des sittlichen Willens,--wenn ein sittlich vollkommener Wille als der Strafende gedacht wird, in der Reaktion dieses sittlich vollkommenen Willens--gegen _das Boese_ bestehen kann. Das Boese aber ist einzig im Innern der Persoenlichkeit als deren boeser Wille. Darnach hat die Strafe ihre sittliche Bedeutung, nicht sofern sie in die Persoenlichkeit ueberhaupt stoerend und vernichtend eingreift, sondern lediglich sofern dadurch der boese Wille getroffen, gebrochen, vernichtet wird. Die Strafe verfehlt ihren sittlichen Zweck, sie ist nicht Strafe, so sehr sie es nach der Absicht des Strafenden sein mag, wenn nicht in dem Gestraften das Bewusstsein entsteht, dass er gestraft und mit Recht gestraft sei, wenn ihm nicht in der Strafe die Nichtigkeit seines boesen Wollens und die sittliche Uebermacht _des_ Willens, der die Strafe verhaengt, zum Bewusstsein kommt. Sie verdient ihren Namen nur soweit dies der Fall ist. Wie nun, so frage ich, steht es hiermit bei ANTIGONE, EMILIA GALOTTI, MARIA STUART und so vielen anderen? Erkennen sie die "Strafe", die ihnen angeblich zu teil wird, als solche an? Beugen sie sich, wenn auch widerstrebend, vor der sittlichen Uebermacht dessen, der sie straft? Ist ihnen ueberhaupt die Macht, der sie unterliegen, eine sittliche?--Das Gegenteil ist der Fall. Also ist ihre "Strafe" thatsaechlich keine Strafe. Die Wirkung in ihrem Innern, die allein der strafende sittliche Wille--wenn ihnen ein solcher gegenuebersteht--wollen kann, bleibt unerreicht.--Damit haben auch wir die sittliche Befriedigung, die uns die Strafe gewaehren soll, nicht gewonnen. Denn auch unser sittliches Bewusstsein, wenn es nicht vielmehr sittliche Verblendung ist, kann nur durch das Boese am Menschen verletzt, also auch nur dadurch befriedigt oder wiederhergestellt werden, dass dies Boese, dass das boese Wollen des Menschen durch die Strafe getroffen, und wenn es moeglich ist, aufgehoben wird. Doch es scheint, wir haben hier noch eine Moeglichkeit ausser Acht gelassen. Noch in anderer, als der eben bezeichneten Weise kann die "Strafe" sittliche Bedeutung haben: Sie wendet sich nicht gegen das boese Wollen in dem "Gestraften", sondern gegen das Boese oder Nichtseinsollende in der sonstigen Welt. Sie schreckt ab oder sie ermoeglicht die Verwirklichung eines hoeheren, ueber die einzelne Persoenlichkeit hinausgehenden sittlichen Zwecks. Zunaechst nun verdient auch diese "Strafe" den Namen Strafe nicht mehr.--Sollte die Schuld- und Straftheorie dennoch diesen Strafbegriff im Auge haben? Wer sind dann die Abgeschreckten? Wir, die Zuschauer? Werden wir bei manchen tragischen Helden nicht vielmehr wuenschen, es ihnen an sittlicher Staerke und edler Leidenschaft gleichthun zu koennen? Oder wenn wir von dem abgeschreckt werden, was an ihrem Thun unvollkommen ist, werden wir dann nicht auch vor dem, was daran edel ist, zurueckschrecken muessen, da doch ihr Thun als Ganzes die "Strafe" zur Folge hat?--Und welches sind die "hoeheren sittlichen Zwecke", deren Verwirklichung durch die Bestrafung der Helden ermoeglicht wird? Vergessen wir aber bei solchen Fragen eines nicht. Von der erhebenden Wirkung der _Tragoedie_ ist hier die Rede. Soweit die Strafe als Mittel der Abschreckung oder der Verwirklichung hoeherer sittlicher Zwecke an dieser Wirkung teil haben soll, muss beides, die Abschreckung und die Verwirklichung hoeherer Zwecke, in der _Tragoedie_ uns entgegentreten. Wo aber findet dergleichen statt? RICHARDs III. Fall fuehrt eine gluecklichere Zeit herbei. Aber gerade diese Wendung der Dinge gehoert nicht mehr zur Tragoedie als solcher. Und wie steht es in der Hinsicht mit den oben erwaehnten Tragoedien? So kann uns jener "hoehere", weil "strengere" moralische Standpunkt von unserem Widerspruche gegen die Schuldtheorie oder die Theorie der poetischen Gerechtigkeit nicht bekehren. DIE "SITTLICHE WELTORDNUNG". Es giebt aber einen anderen, nicht nur strengeren, sondern umfassenderen oder weitsichtigeren und _darum_ "hoeheren" Standpunkt, der jene Theorie zu rechtfertigen scheinen koennte. Suchen wir uns auch diesen Standpunkt verstaendlich zu machen. Von Natur, so etwa koennte der Vertreter dieses Standpunktes sich vernehmen lassen, sind wir geneigt, unser sittliches Urteil zunaechst auf das Einzelne und das Individuum zu beziehen. Indem wir uns als Persoenlichkeit fuehlen und uns das Recht unserer Persoenlichkeit zuschreiben, koennen wir nicht umhin, auch anderen das Recht ihrer Persoenlichkeit zuzuerkennen. Das Individuum, meinen wir, duerfe sich als solches bethaetigen und sein Wollen, sofern es ein an sich gutes sei, behaupten, auch gegen die Schranken, die ihm die objektive Welt entgegenstellt, und in leidenschaftlichem Kampfe gegen dieselben. Nicht ihm, sondern der unvollkommenen Wirklichkeit falle die Schuld zu, wenn das Individuum mit seinem guten Wollen in diesem Kampfe untergehe. Aber dieser Standpunkt, so meint man, bestehe nicht vor einer hoeheren Einsicht. Ueber dem Einzelnen stehe das Allgemeine, ueber dem Individuum der Zusammenhang der Welt, ueber dem individuellen Wollen die objektive Ordnung der Dinge. Nicht im Individuum, sondern im Ganzen, der Welt und ihren Ordnungen verwirkliche sich der "Weltgeist", die "Idee", das "Absolute". Und nur die Idee oder das Absolute habe ein absolutes Recht. Wer sich in "einseitigem" Wollen, in einseitiger Betonung seiner Persoenlichkeit gegen die Ordnung der Dinge auflehne, lehne sich gegen die Idee auf und verfalle in Schuld. Und diese Schuld muesse sich raechen. Die Idee negire, die Wirklichkeit verschlinge den Schuldigen, und von Rechtswegen. Wir moegen seine Vernichtung menschlich beklagen, aber mit der Klage verbinde sich das erhabene und erhebende Bewusstsein von der siegenden Allgewalt der Idee. In diesem Bewusstsein, dem ehrfurchtsvollen Schauer vor der Idee, bestehe der Genuss der Tragoedie. Viel Wahres ohne Zweifel liegt in solchen Worten oder kann in ihnen liegen. Viel Unwahrheit aber, viel Missverstaendnis kann sich dahinter verbergen. Und mit je groesserem Pathos die Worte auftreten, um so groesser ist die Gefahr des Missverstandes.--Andererseits fragt es sich, wie viel von der Wahrheit, die in ihnen liegt, auf die Tragoedie Anwendung findet. Was meint man denn mit jener "objektiven Ordnung" der Dinge, deren Verletzung Suende sei? Ist es die Ordnung der Dinge, so wie sie ist, der thatsaechliche Bestand der Welt? Diese Ordnung der Dinge bekaempft und verletzt jedes menschliche Wollen und Handeln, nicht nur das des tragischen Helden. Jedes Wollen geht auf Veraenderung des Weltbestandes. Was wirklich ist, das brauchen wir nicht erst zu wollen und wollend herbeizufuehren. Die _Gesetze_ der Wirklichkeit freilich, die hebt unser Wollen nicht auf; die aber tastet auch das Wollen des tragischen Helden nicht an.--Waere die objektive Ordnung so gemeint, und die Verletzung dieser objektiven Ordnung Suende, so waere jedes Wollen suendhaft und strafwuerdig. Das Dasein des Individuums waere das Nichtseinsollende. Die "absolute" Moral schluege in die Moral der Selbstvernichtung um. Indessen dies ist nicht die Meinung der Theorie, oder braucht sie nicht zu sein. Nicht jedes Wollen soll sich versuendigen, wohl aber dasjenige, das seine "natuerlichen und sittlichen Schranken" ueberschreitet. Aber was heisst dies? Ich kann zunaechst die "_natuerlichen_" Schranken meines Wollens in verschiedenem Sinne ueberschreiten. Ich will oder unterfange mich zu thun, was ich nicht hinausfuehren kann. Wenn ich aber im Voraus nicht weiss, oder nicht wissen kann, welche Umstaende mein Wollen durchkreuzen werden, wenn der Zufall meine Absichten scheitern laesst? --Dann ist es lobenswert, dass ich gewollt habe, wenn und in dem Masse, als Ziel und Motiv meines Wollens loeblich waren. Oder ich vertraute auf meine Kraft; auch solches Selbstvertrauen ist gut. Ja selbst, wenn mich der heftige Drang eines nicht unedlen Wollens der besseren Verstandeseinsicht zum Trotz an die Moeglichkeit der Erreichung des Zieles glauben und in diesem Glauben handeln laesst, so hat dies groesseren inneren Wert, als wenn es der kuehlen Einsicht so leicht gelungen waere mich zur Aufgabe meines Wollens zu bringen. Der Leichtsinn freilich, der die Augen schliesst, wo die bessere Einsicht sich aufdraengt, der Uebermut, das hartnackige Festhalten des sichtlich Unmoeglichen, sie verdienen Tadel. Aber immer bleibt auch hier das gute Wollen gut. Und nicht "streng", aber bei aller Strenge doch gerecht, sondern ungerecht waere die Strafe, die nur jenes Tadelnswerte ansaehe und den guten Kern des Wollens, das Treibende der guten Gesinnung fuer nichts achtete. Doch in dem Falle, von dem wir ausgingen, und vielen anderen, handelt es sich ja um kein Wollen, das in diesem Sinne seine natuerlichen Schranken ueberschritte. ANTIGONE will nicht, was nicht in ihrer Macht laege. Sie will an ihrem Bruder die letzte Liebespflicht ueben und sie uebt sie. Nicht minder vollbringen MARIA STUART und EMILIA GALOTTI, was sie wollen. Nur in einem voellig anderen Sinne _stossen_ ueberhaupt die genannten, ebensogut wie alle tragischen Helden, mit Schranken ihres Wollens _zusammen_. Indem sie ihr Wollen verwirklichen, kommen sie in Konflikt mit der Macht des Schicksals und der Macht der Menschen, die fuer sie das Schicksal bedeuten. Sie beugen sich nicht vor solcher Macht; darum gehen sie unter. Dass sie sich nicht beugen, darin besteht ihr "Ueberschreiten der natuerlichen Schranken"; sie sind "unmaessig" oder "uebermaessig" in ihrem Wollen, wenn in der Geneigtheit, vor der Macht sich zu beugen, das "Mass" besteht. ANTIGONE bleibt bei ihrer Liebe dem Tyrannen KREON zum Trotz; darum muss sie sterben. MARIA STUART, deren Frauenwuerde mit Fuessen getreten wird, richtet sich stolz auf gegen ihre Feindin und entscheidet damit ihr Schicksal. Und auch EMILIA GALOTTI brauchte nicht zu sterben, wenn sie nicht ihre Unschuld gegen den Prinzen, in dem sich die Macht der Verfuehrung mit der aeusseren Macht vereinigt, aufrechterhalten wollte. Ist solche "Unmaessigkeit" des Wollens Suende, dann allerdings sind alle die Genannten schuldig.--In der That ist es vielfach nichts anderes, als diese "Unmaessigkeit", die man den tragischen Helden zur Last zu legen weiss. Die "absolute" Moral, sie schlaegt hier schliesslich um in die bekannte Moral FALSTAFFs, nur dass FALSTAFF an der Stelle des Wortes Unmaessigkeit oder Uebermass, das weniger philosophisch klingende Wort "Vorsicht" gebraucht, und dass bei ihm die Vorsicht nur der bessere Teil der Tapferkeit, nicht wie hier, der bessere Teil aller Tugend ueberhaupt ist. Es ist eben die ganze Theorie der Versuendigung durch Verletzung natuerlicher Schranken ein Widerspruch in sich selbst. Nicht was ist, ist heilig, sondern was ist, wie es sein soll. Dies ist keine Wahrheit, die man zu beweisen brauchte, sondern eine Tautologie. Nicht durch Verletzung dessen, was ist, nur durch Verletzung dessen, was sein soll, kann ich mich versuendigen. Es giebt aber freilich eine Stufenordnung dessen, was sein soll; ein System einander unter- und uebergeordneter sittlicher Zwecke. Ein Inhalt meines Wollens mag an sich gut sein, aber er widerstreitet einem hoeheren sittlichen Zweck; dann ist mein Wollen doch boese. Jene Stufenordnung sittlicher Zwecke, jene Ordnung des Seinsollenden, das ist die _sittliche_ Weltordnung. Ihr entspricht die natuerliche Ordnung der Dinge, oder sie entspricht ihr nicht. Soweit sie ihr entspricht, ist in der natuerlichen Ordnung der Dinge die "Idee" verwirklicht. Oder was sollte die Idee anders sein, als der Inbegriff oder die Einheit des Seinsollenden. Die Verletzung dieser sittlichen Weltordnung, oder der natuerlichen, soweit sie mit der sittlichen sich deckt, die nur ist Auflehnung gegen die Idee und ist Suende. Erst von hier aus kann die Frage gestellt werden, in wiefern doch am Ende auch das beste Wollen der tragischen Helden Verschuldung in sich schliessen koenne. Zugegeben, dass ANTIGONEs Wollen auf Edles gerichtet war. Aber haette sie nicht durch die Ruecksicht, zwar nicht auf KREONs Macht, aber doch auf das Wohl oder die Wuerde des Staates, dessen Herrscher er ist, sich abhalten lassen muessen, die Pflicht zu ueben, die ihr die Liebe and das Gebot der Goetter auferlegten? Hat nicht vielleicht MARIA STUART durch ihre Art der ELISABETH entgegenzutreten an der Zukunft ihres Volkes, an der Weltgeschichte, der Entwickelung der Menschheit oder dergl. sich versuendigt? Und EMILIA GALOTTI und DESDEMONA? Liesse sich nicht auch bei ihnen ein frevelhafter Eingriff in die sittliche Weltordnung auffinden?--obgleich wir einstweilen nicht wissen, wo er gefunden werden sollte. Hier gilt zunaechst ein Einwand: es giebt keine Pflicht, die ueber die Pflicht der Aufrechterhaltung der eigenen sittlichen Persoenlichkeit ginge, keinen sittlichen Zweck, dem die eigene sittliche Wuerde geopfert werden muesste, keine Forderung: Wirf dich selbst weg, damit fuer die Welt Gutes daraus entstehe. Aber dies ist uns hier nicht das Wesentlichste.--Wo ist denn in SOPHOKLES' ANTIGONE der Staat, das Staatswohl, die Staatswuerde? Wo pflegen denn in Tragoedien ueberhaupt die Welt, die Weltgeschichte, die Menschheit aufzutreten? Die Frage klingt trivial. So trivial sie klingt, so entscheidend ist sie. Wir kommen damit von neuem auf den eigentlichen Grundirrtum aller Weltanschauungstheorien. Das Kunstwerk, so sahen wir, repraesentiert eine Welt fuer sich und nichts geht uns bei seiner Betrachtung an und kann fuer seine Beurteilung in Betracht kommen, was nicht eben dieser Welt angehoert. Dabei muss es bleiben, mag nun das Nichtdazugehoerige Staat, Volk, Welt, Weltgeschichte, Weltordnung oder sonstwie heissen. Ich suche diese Wahrheit, weil sie von so grosser Wichtigkeit ist, hier noch an einem Beispiel aus einem anderen Kunstgebiet zu illustrieren. Was wuerde man sagen, wenn jemand bei der Betrachtung einer Bauernscene von ADRIAN VAN OSTADE Reflexionen darueber anstellte, ob die Bauern auf dem Bilde nicht besser thaeten zu arbeiten und fuer ihr und ihrer Familie gedeihliches Fortkommen zu sorgen, als so den Tag zu verlungern; ob sie durch ihre Traegheit nicht Pflichten verletzen gegen ihre Dorfgemeinde, gegen den Staat, schliesslich gegen die Menschheit?-- Ich denke die Antwort waere einfach genug. Man wuerde--entweder dem Laestigen den Ruecken kehren, oder ihn folgendermassen zu belehren suchen. Die Bauern auf diesem Bilde, so wuerde man sagen, sind, wie du siehst, nicht wirkliche, sondern gemalte, nicht der Welt der Wirklichkeit, sondern der Welt des Bildes angehoerige Bauern, und als solche koennen sie keine Verpflichtungen verletzen, als solche, die ihnen im Bilde entgegentreten und da von ihnen verletzt werden. So ist beispielsweise keine Gefahr, dass sie durch ihr Gebahren irgend eine, irgendwo in der wirklichen Welt vorhandene Dorfgemeinde schaedigen. Sie koennen dies so wenig, als diese Dorfgemeinde sie in ihrer Traegheit und ihrem Behagen zu stoeren vermoechte. Das eine wie das andere koennte nur geschehen, wenn auch die Dorfgemeinde auf dem Bilde gegenwaertig waere, also Bauern und Dorfgemeinde derselben Welt kuenstlerischer Darstellung angehoerten, und wenn zugleich der Konflikt zwischen beiden mitgemalt waere, oder aus der Darstellung ohne freie Zuthat des Beschauers einleuchtete. Die Erde, so koennte der Belehrende verdeutlichend fortfahren, ist, wie du weisst, vom Monde sehr weit entfernt, so weit, dass von uns Erdbewohnern eine Beruecksichtigung der Zwecke der etwaigen Mondbewohner mit Fug und Recht nicht verlangt werden kann. Sehr viel groesser aber noch ist die Entfernung zwischen der Welt dieses Bildes und der Welt der Wirklichkeit, oder unserer die Wirklichkeit betreffenden Gedanken. Sie ist genau so gross, wie ueberhaupt die Entfernung zwischen der Welt der Objekte, die nur in der Phantasie und fuer sie existieren, von der Welt der Wirklichkeit zu sein pflegt, naemlich unendlich gross. Es besteht eine absolute Kluft zwischen beiden Welten, die jeden Weg zwischen ihnen und jede Wechselwirkung voellig ausschliesst. Diese Kluft ist, obgleich sie ohnehin einleuchtet, doch zum Ueberfluss versinnlicht durch den Rahmen des Bildes. In den Rahmen ist das Bild eingeschlossen, er schliesst die Welt des Bildes ab. Damit ist uns gesagt, bis wohin bei Betrachtung des Bildes unsere Gedanken reichen sollen. Was dann das Bild wolle?--Es will behagliches, sorgloses, humorvolles Dasein vor Augen stellen. Glueck in der Beschraenkung, auch wohl in der Beschraenktheit. Den Wert, den dieses Glueck an sich, so wie wir es da sehen, besitzt, nicht im Zusammenhang der Welt und Weltordnung, von dem nun einmal hier keine Rede ist, sondern abgesehen davon, diesen Wert will uns das Bild eindringlich machen und geniessen lassen. Eben dazu ist es da, diese Heraushebung und Isolierung zum Zweck des reinen durch keine Weltruecksichten gestoerten Genusses macht es zum Kunstwerk.-- Ganz ebenso nun, wie mit diesem Bilde, verhaelt es sich auch mit der Tragoedie. So wie jene OSTADEschen Bauern keine Pflichten verletzen koennen, ausser solchen, die ihnen im Bilde entgegentreten und da von ihnen verletzt werden, so koennen sich die Personen einer Tragoedie an keinem Staat oder Volk, keiner Welt, Weltgeschichte oder Weltordnung versuendigen, ausser soweit der Dichter dergleichen in der Tragoedie, in den Personen, ihren Worten und Handlungen sich verkoerpern oder zur Darstellung gelangen laesst, und sie versuendigen sich dagegen immer genau soweit, als sie eben in der Tragoedie, der sie nun einmal ausschliesslich angehoeren, sich dagegen versuendigen. Niemand fuerchtet, wenn der Held auf der Buehne Drohungen ausstoesst, fuer die Sicherheit des Theaterpublikums und bietet zu seinem Schutze die staedtische Polizei auf. Hier ist man sich der absoluten Trennung zwischen der Welt des Kunstwerkes und der sonstigen Welt wohl bewusst. Man weiss, jene Welt reicht bis zur Umrahmung der Buehne und nicht weiter. So sollte man auch nicht dem Helden Konflikte aufbuerden mit Momenten der sittlichen Weltordnung, die mit dem Kunstwerk genau so viel zu thun haben, wie das Theaterpublikum und die staedtische Polizei. Jetzt sehen wir ein, wie es sich mit dem "hoeheren" Standpunkt in Wahrheit verhaelt. Nicht im Leben ist unser sittliches Urteil eingeschraenkt, dem Kunstwerk gegenueber aber weltumfassend, sondern voellig umgekehrt. Im Leben moegen und sollen wir jede Handlung hineinstellen in einen umfassenderen Zusammenhang; wir sollen sie schliesslich betrachten unter dem Gesichtspunkte der ganzen Welt und ihrer sittlichen Ordnung. Im Kunstwerk dagegen ist sie hineingestellt und soll darum von uns hineingestellt werden in den Zusammenhang einer begrenzten Welt und ihrer sittlichen Beziehungen. Dies eben ist der Unterschied zwischen der praktisch sittlichen und der aesthetischen, darum nicht minder sittlichen Betrachtungsweise. Keine der Betrachtungsweisen ist ohne weiteres die "hoehere". Sie sind zunaechst nur verschiedene Betrachtungsweisen. Von der Einsicht in ihre Verschiedenheit haengt in jedem Falle das Verstaendnis des Kunstwerks in erster Linie ab. Darnach lautet auch der Tragoedie gegenueber jedesmal die Frage: Wie weit reicht die in ihr dargestellte Welt? Wo und wie weit insbesondere sind in den Personen der Tragoedie Dinge, wie Staat und Volk, Welt, Weltgeschichte und sittliche Weltordnung verkoerpert? Wie verhaelt sich in der Tragoedie der Held zu ihnen und wie verhalten sie sich zum Helden? Dass ANTIGONE, weit entfernt, sich gestraft zu fuehlen, bis zum Tode das menschliche und goettliche Recht ihrer Liebe behauptet, wurde schon betont. Ihre Liebe und der Goetter Gebot, das ist zunaechst _ihre_ sittliche Weltordnung. Sie verletzt das Gebot des Herrschers. Aber auch den Staat und sein sittliches Recht? Wo ist der Staat? Wo in der Tragoedie erscheint KREONs Gebot als Ausfluss seines sittlichen Rechtes? KREON selbst erkennt, dass er unrecht gehandelt hat. Er klagt sich deswegen an. Er beruft sich nicht auf das Recht des Staates, das er anerkennen muesse und das auch ANTIGONE haette anerkennen muessen. Er beruft sich auf keine sittliche Weltordnung, die ihn zu seiner Handlungsweise noetige. Nicht als Vertreter des Rechtes oder der sittlichen Weltordnung hat er gehandelt, sondern als Frevler an Recht und Sittlichkeit. Auch fuer ihn vertritt ANTIGONE die sittliche Weltordnung. Also thut sie es thatsaechlich, d. h. nach Meinung der Tragoedie und des Dichters; sie thut es auch fuer uns, wenn wir das Kunstwerk nehmen, wie es ist. Oder soll ANTIGONE am Schlusse der Tragoedie als Naerrin erscheinen, die an ihr heiliges Recht glaubt, wo sie gefrevelt hat, und ebenso KREON als Narr, der verzweifelt, wo er Grund haette, erhabene Genugthuung zu verspueren, dass er gewuerdigt sei, die sittliche Weltordnung wieder ins Gleiche zu bringen, so wie wir der Theorie zufolge Genugthuung verspueren sollen, wenn wir diese "poetische Gerechtigkeit" auf der Buehne sich vollziehen sehen. Ist SOPHOKLES' ANTIGONE als Posse gemeint? Will sie mit uns, die wir doch nicht umhin koennen, in ANTIGONEs Klage und KREONs Selbstanklage des Dichters Meinung und den Sinn des Kunstwerkes zu erkennen, ihr Spiel treiben? Die gleiche Frage liesse sich sonst stellen. Auch OTHELLO, EMILIA GALOTTI, MARIA STUART sind Possen, der Mohr, der Prinz von Guastalla, ELISABETH, sie sind Narren, ueberall treibt der Dichter, ohne es zu sagen, sein Spiel mit uns, wenn die Selbstanklage der genannten Personen Selbstbetrug sein, wenn ein OTHELLO gar aus sittlichem Irrtum sich selbst toeten soll. Die Genannten sind keine Narren; der Dichter treibt nicht sein Spiel mit uns. Nur die Theorie der poetischen Gerechtigkeit macht sie zu Narren. Nur sie treibt ihr Spiel mit uns. Die "poetische Gerechtigkeit", sie ist in der That das Widerspiel aller Gerechtigkeit. Gott sei Dank, so muessen wir mit LESSING sagen, dass es noch eine andere Gerechtigkeit giebt, als die poetische. DAS ENDE DER "POETISCHEN GERECHTIGKEIT". Aber _soll_ nicht etwa die poetische Gerechtigkeit etwas ganz anderes sein als die sonstige Gerechtigkeit? Gewiss, hoeren wir sagen, ist sie etwas anderes. Was sie auszeichnet, ist, dass sie nicht blosse _aeussere_ Gerechtigkeit ist, sich nicht lediglich in der aeusseren Strafe vorverwirklicht. "Wie gelinde ist die Strafe der DESDEMONA, der CORDELIA fuer geringe Schuld; wie furchtbar die MACBETHs."--Und inwiefern dies?--"Die Schuld der Naiven kommt kaum zu ihrem Bewusstsein, Der Zuschauer muss das Gewissen fuer sie haben; so fuer LEAR, ROMEO und JULIA, OTHELLO, DESDEMONA, CORDELIA, OPHELIA."-- In der That eine sonderbare Art, die poetische Gerechtigkeit zu rechtfertigen. Oder heisst es nicht zum Unrecht den Hohn hinzufuegen, wenn ich einen Menschen erst aeusserlich ueber Gebuehr "strafe" und dann damit troeste, dass ich ihm sage, er habe ja sein gutes Gewissen. Wird er nicht eben, weil er ein gutes Gewissen hat, ein Recht haben, die Strafe nicht als solche anzuerkennen, sondern als unverdientes Geschick abzuweisen? Freilich, in den eben angefuehrten Worten ist vorausgesetzt, der Held befinde sich mit dem Bewusstsein seiner Schuldlosigkeit im Wahn. Was von diesem Gedanken zu halten sei, haben wir schon gesehen. Nicht nur die gestrafte Person muesste sich in jedem der angefuehrten Faelle in Selbsttaeuschung befinden, sondern mit ihr zugleich das ganze Kunstwerk, dem sie angehoert, und der Dichter, der dasselbe geschaffen hat. Der Zuschauer, der das Gewissen fuer den Helden haette, haette es zugleich fuer den Dichter und sein Werk. Er verbesserte, d. h. verfaelschte die Tragoedie nach seiner Idee von poetischer Gerechtigkeit.--Wir sehen hier die Gerechtigkeitstheorie genau auf dem Punkte angelangt, auf dem sich die pessimistische Theorie der Resignation befand, wenn sie die Resignation, weil nun einmal das Kunstwerk nichts davon wusste, der Reflexion des Zuschauers ueberliess. Wenn wir aber davon absehen, was waere das fuer eine "sittliche" Weltordnung, die die Strafe des Helden dadurch milderte, dass sie ihn in sittlicher Selbstverblendung liesse.--Wie sinkt die Theorie der poetischen Gerechtigkeit tiefer und tiefer mit jedem Versuche, sich zu retten. Es ist aber von hier nur ein Schritt zur voelligen Selbstaufhebung der Theorie. Der Schritt ist gethan, sobald auf die innere Strafe, ueberhaupt auf das, was im Bewusstsein der "Gestraften" vorgeht, das Hauptgewicht oder alles Gewicht gelegt wird; wenn wir hoeren, die poetische Gerechtigkeit walte gar "nicht im Physischen, sondern im Psychischen". Ist es denn aber nicht so, so kann man fragen, dass die groessere Strafe die innere Strafe, die Strafe des boesen Gewissens ist, dass andererseits die Tugend in sich selbst den Grund hoechster Befriedigung, hoechsten Glueckes traegt? Darauf antworte ich, dass ganz gewiss in der _Tragoedie_ die innere Strafe nicht nur die groessere, sondern dass sie diejenige ist, auf die es bei der Bestrafung des Boesen einzig _ankommt_; und dass ohne Zweifel die Guten, die vom Schicksal verfolgt werden, nur im Bewusstsein ihres guten Wollens ihren "Lohn" finden koennen. Aber was will das hier? Glaubt man die Theorie der poetischen Gerechtigkeit dadurch vor dem Bankrott bewahren zu koennen, dass man in dieser Zuteilung innerer Strafe und inneren Lohnes, die ja ganz gewiss immer nach "Verdienst" erfolgen wird, die poetische Gerechtigkeit findet? Man hat in der That den Versuch gemacht,--ohne zu sehen, dass man damit der poetischen Gerechtigkeit einen voellig neuen Sinn gab und den Boden der Gerechtigkeits- oder Straftheorie ganz und gar verliess. Die Frage, um die es sich bei dem Streit um die poetische Gerechtigkeit handelt, ist ja doch einzig die und kann einzig die sein, warum der Held in der Tragoedie vom _Unglueck_ verfolgt werde, unter den Schlaegen des _Schicksals_ leide und schliesslich _physisch_ untergehe. Darueber und nur darueber ist Streit, ob dies Leiden und dieser Untergang ueberall als Strafe fuer eine entsprechende Schuld zu fassen sei oder nicht. Dagegen befinden wir uns auf voellig anderem Boden, sobald es als poetische Gerechtigkeit gepriesen wird, dass nicht nur die Boesen in der Marter des boesen Gewissens ihre innere Strafe, sondern auch die Guten, bei allen Schlaegen das Schicksals, im Bewusstsein des Guten ihren inneren Lohn empfangen. Ja es ist damit die poetische Gerechtigkeit im eigentlichen und urspruenglichen Sinne des Wortes aufs entschiedenste _geleugnet_. Ist das Bewusstsein des Guten gerechter Lohn, also berechtigt, dann hat es ganz gewiss keinen Sinn mehr, das Leiden, das die Traeger dieses Bewusstseins trifft, als verdiente Strafe zu fassen. Ist es aber nicht verdiente Strafe, so ist es unverdientes Geschick, also ein Geschehen, in dem sich gar keine Gerechtigkeit, mithin auch keine poetische Gerechtigkeit verwirklicht. Die Theorie ist damit in ihr Gegenteil umgeschlagen. Natuerlich streiten wir gegen diese in ihr Gegenteil umgeschlagene Theorie nicht mehr. Wir streiten ebenso wenig gegen diejenige Theorie der poetischen Gerechtigkeit, die unter poetischer Gerechtigkeit _von vornherein_, freilich wiederum ohne davon ein Bewusstsein zu haben, etwas versteht, das mit Gerechtigkeit irgend welcher Art, darum auch mit poetischer, gar nichts zu thun hat. Nur gegen den unberechtigten Wortgebrauch und die daraus notwendig entstehende Verwirrung kaempfen wir auch in diesem Falle. Es giebt eine fuer das poetische Kunstwerk ueberhaupt, vor allem aber fuer die Tragoedie giltige Forderung der poetischen _Begruendung_ oder _Motivierung_. Das Schicksal des Helden muss sich, wie aus den Umstaenden und dem Charakter derjenigen, die ihm das Schicksal bereiten, so auch aus seinem eigenen Charakter und Handeln auf begreifliche Weise ergeben. Sein Leiden und Untergang muss zufolge der Art, wie er auftritt und sich geberdet, moeglich erscheinen, nicht in dem bloss logischen Sinne, dass wir die Unmoeglichkeit nicht behaupten koennen, sondern in dem aesthetischen Sinne, dass uns nach gewohnter Vorstellungsweise einleuchtet, _wie_ es bei solchem Verhalten, zugleich unter Voraussetzung solcher Umstaende und eines solchen Charakters der Gegner, so habe kommen _koennen_ und am Ende kommen _muessen_. Diese Forderung nun und nichts anderes meinen einige, wenn sie die Forderung der poetischen Gerechtigkeit stellen, nur dass sie sich ueber ihre eigene Meinung taeuschen. Sie verwechseln die sachliche oder psychologische mit der moralischen Begruendung und schieben jener diese, ohne es zu wissen, unter. Auch der Held, nicht die Umstaende und Gegner allein, ist an seinem Schicksal "Schuld", so naemlich wie der Regen "Schuld" ist am Wachstum der Pflanzen, oder die Duerre "Schuld" ist an ihrem Verwelken, d. h. er ist _Mitursache_ desselben. Aus diesem Schuldsein macht man ein Schuldigsein. Der Held der gewiss jederzeit an seinem Tod mit "Schuld" ist, wird "des Todes schuldig". Damit ist die Theorie der poetischen Gerechtigkeit geboren. Sie beruht schliesslich auf einem Wortspiel. Hiermit nehmen wir Abschied von der Theorie der poetischen Gerechtigkeit und zugleich ueberhaupt von den Theorien der Tragoedie, die in dem Kunstwerk statt des Kunstwerkes ihre Weltanschauung suchen und finden. Der Vollstaendigkeit halber waere auch noch diejenige Theorie zu erwaehnen gewesen, die den Helden und den Zuschauer mit dem ausgleichenden, _besseren_ bzw. fuer den Boesen schlimmeren Jenseits troestet. Aber dagegen ist nichts Neues zu sagen. Wir wissen, dass die Tragoedie abschliesst, wo sie abschliesst. Laesst sie der Dichter, wie im "Faust", im Jenseits abschliessen, dann und nur dann kann sie auch fuer uns im Jenseits abschliessen. Dann aber braucht man uns nicht mehr mit der _Aussicht_ auf das Jenseits zu troesten. DIE "VORUEBERGEHENDE SCHMERZEMPFINDUNG". So gewiss nun die vorher fertigen Weltanschauungen die aergsten Feinde des Verstaendnisses der Tragoedie sind, so wenig ist damit gesagt, dass man nicht auch durch sonstige fertige Theorien dies Verstaendnis hinreichend schaedigen koenne. Vor allem fertige psychologische Theorien sind dafuer wohl geeignet. Ich will es nicht unterlassen ein Beispiel einer solchen Theorie hier besonders namhaft zu machen. Der Gedankengang der Theorie ist folgender. Sie setzt als zugestanden voraus, dass die Freude am Tragischen auf dem gemeinsamen Boden der Freude am Schmerz beruhe. Von da aus sucht sie nach einem allgemeinen Zusammenhang zwischen Freude und Schmerz. Sie findet einen solchen in der Thatsache, dass Aufhoeren des Schmerzes positives Wonnegefuehl sei. Daraus ergiebt sich der Schluss, dass voruebergehende Schmerzempfindung Mittel sei zur Erzeugung der Wohlempfindung. In verschiedener Art nun kann aus voruebergehendem Schmerz Wohlempfindung entstehen. Auf einer ersten Stufe bin ich selbst Traeger des Schmerzes. Mein eigener Schmerz vergeht, und dies erweckt mir Freude. Auf einer zweiten Stufe erfaehrt ein anderer einen koerperlichen Schmerz. Dieser Schmerz kann fuer mich Grund der Wohlempfindung werden nur, wenn ich ihn mitempfinde, wenn auch mein eigener Koerper von dem Schmerz "durchschauert" wird. "Daher kommt es, dass der Indianer, der sein Opfer martert, erst dann in Jubel ausbricht, wenn das Opfer zu wimmern und zu schreien anfaengt." Es ist die Grausamkeitswollust, die hier erklaert werden soll. Aber es ist leicht zu sehen, wie schon hier die Theorie zur Erklaerung dessen, was sie erklaeren will, unvermoegend ist. Die vermeintliche Erklaerung aus der Theorie ist in Wirklichkeit eine Aufhebung der Theorie. Der Indianer freut sich, wenn das Opfer wimmert und schreit. Das Wimmern und Schreien ist aber gewiss nicht Zeichen des aufhoerenden, sondern des jetzt erst recht fuehlbar werdenden Schmerzes. Es soll ja bewirken, dass nun auch der Koerper des Marternden vom Schmerz "durchschauert" wird. Wie ist dies moeglich, wenn nicht der Marternde daraus den hoechsten Grad des Schmerzes herausliest.--Und _indem_ der Marternde vom Schmerz durchschauert wird, indem er also den Schmerz nachempfindet, jubelt er. Sonach ist das _Dasein_ des Schmerzes, beim Marternden sowohl wie beim Opfer, nicht das Entschwinden desselben, Grund des Jubels. Das Entschwinden aber muesste ihn erzeugen, wenn die Theorie hier am Platze sein sollte. Offenbar erklaert sich der in Rede stehende Thatbestand auf ganz andere Weise. Es hat keinen Sinn zu sagen, der Marternde juble, weil er vom Schmerz des Opfers durchschauert wird. Die Mitempfindung des Schmerzes ist nun einmal nicht Freude, sondern selbst Schmerzempfindung. Und auch der Schmerz des Opfers selbst, und abgesehen von dieser Mitempfindung, kann nicht Gegenstand, sondern nur mittelbarer Grund der Empfindung der Freude sein. Er ist es, sofern dem Marternden in der Wahrnehmung desselben seine _Faehigkeit_ Schmerz _zuzufuegen_, seine _Ueberlegenheit_ ueber das Opfer zum unmittelbaren Bewusstsein kommt. Physischer Schmerz ist dasjenige, wogegen sich jedes lebende Wesen zunaechst und am allersichersten straeubt. Indem ich solchen Schmerz zufuege, erweise ich mich somit in besonderer Weise dem fremden Wesen uebermaechtig oder als Herr ueber dasselbe. Ich gewinne damit ein Kraft- und Selbstgefuehl eigener Art. Vollstaendig aber kann dies erst zur Geltung kommen, wenn ich auch den _moralischen_ Widerstand des Opfers gebrochen, auch den Stolz oder Trotz niedergezwungen habe, der es hindert, seinen Schmerz zu _aeussern_. Und davon giebt mir das "Wimmern und Schreien" Zeugnis.--Dies ist der Grund, warum der Indianer erst jubelt, wenn das Opfer wimmert und schreit. In dem jedem Menschen natuerlichen und wohlberechtigten Streben nach Erhoehung des Gefuehls eigenen Koennens und eigener Macht liegt der einzige positive Grund der Grausamkeitswollust. Wie ueberall, so ist auch hier, das was der verwerflichen Handlung Positives zu Grunde liegt, an sich nicht verwerflich; das was sie verwerflich oder moralisch haesslich macht, ein lediglich Negatives. Es ist in unserem Falle der Mangel der Achtung vor der fremden Persoenlichkeit und ihrem unverletzten Bestande, der _Mangel_ also an wirksamer schmerzlicher _Mitempfindung_, wenn sie verletzt wird. Darnach erscheint schliesslich der Grund der Grausamkeitswollust als gerade der entgegengesetzte von demjenigen, den die Theorie angiebt. Der Indianer jubelt und kann jubeln nur darum, weil er _nicht_ in dem Masse, wie er es sein koennte und sollte, von dem Schmerz seines Opfers "durchschauert" wird, weil ebendeswegen der Genuss des erhoehten Macht- oder Selbstgefuehls unvermindert oder relativ unvermindert in ihm zur Geltung kommen kann. Nur wenn man unter dem Durchschauertwerden etwas voellig anderes versteht, als die Mitempfindung des Schmerzes, naemlich eben die fuehllose oder ueber das Mitgefuehl siegende Genugthuung ueber die eigene Ueberlegenheit, nur dann kann auch das _Durchschauertwerden_ als Grund des Jubels bezeichnet werden. Auf einer dritten Stufe der Freude am Schmerz, so erfahren wir weiter, trete an die Stelle des Schmerz empfindenden Koerpers das Bild desselben. Hier sei die Freude am Schmerz bereits eine aesthetische. Als Beispiele von Gegenstaenden solcher Freude werden die "Passions- und Marterdarstellungen des 14. und 15. Jahrhunderts" angefuehrt. Sie werden, so meint unser Aesthetiker, von diesem Standpunkt aus Gegenstand einer milderen Beurteilung. Auch hier muss ich bekennen durchaus nicht zu verstehen, wie die Freude am Schmerz als eine Art des Wonnegefuehls bezeichnet werden koenne, das mit dem Aufhoeren des Schmerzes sich verbinde. Jene bildlichen Darstellungen _verewigen_ ja eben fuer unsere Betrachtung den Schmerz. Oder ist die Meinung, der Betrachter der Darstellungen erlebe es, dass in ihm eine schmerzliche Mitempfindung erst erweckt werde, dann schwinde? Gewiss muesste dies der Fall sein, wenn in _ihm_ das mit dem Aufhoeren des Schmerzes verbundene Wonnegefuehl entstehen sollte. Wie aber sollte dies geschehen. Ohne Zweifel schwindet unser Gefuehl des Schmerzes, oder wohl auch des Widerwillens, wenn wir uns vom Anblick der Marterdarstellungen wegwenden und sie vergessen; und wir moegen dann ein sehr angenehmes Gefuehl der Erleichterung und Befreiung haben. Aber dies Gefuehl ist doch nicht Genuss an den _Darstellungen_. In der That hat auch unsere Freude an jenen Passions- und Marterdarstellungen, soweit sie vorhanden ist, einen ganz anderen Grund. Sie ist Eines mit der Freude am Ausserordentlichen, in besonderer Weise die Phantasie Packenden und Erregenden, von der gleich die Rede sein wird. Oder aber sie ist wirklicher tragischer Genuss, d. h. eine Art des Genusses, die von der hier in Rede stehenden Theorie in keiner Weise getroffen wird. Der Theorie zufolge aber soll eben dieser eigentlich tragische Genuss erreicht werden auf der vierten Stufe unserer "Freude am Schmerz." Das Besondere dieser Stufe ist, dass wir den _seelischen_ Schmerz nachempfinden, den wir in einem Anderen vorstellen. Dieser seelische Schmerz, so wird uns gesagt, ergreife uns am tiefsten, wenn wir fuer die Persoenlichkeit Sympathie empfinden. Die Wirkung werde die hoechste sein, wenn das Leiden die Folge von Situationen and Handlungen sei, die wir auch um ihrer selbst willen als berechtigt anerkennen. "Das Mitleid wuerde in diesem Falle sich jedoch zu wahrhaftem Entsetzen steigern muessen, und die beabsichtigte Wirkung, die Befreiung von dem Schmerzgefuehl, in uns durch ein zurueckbleibendes Gefuehl der Bitterkeit beeintraechtigt werden, wenn nicht das vorgestellte Leiden dadurch begruendet waere, dass auch die Ursache, welche das Leiden zur Folge hat, an sich gleichfalls berechtigt ist. Hierdurch erscheint das Leiden als ein zwar schmerzliches, aber notwendiges, in seinen Gruenden tiefer liegendes". Ich frage wiederum: Wo ist das Moment, auf das fuer die Theorie alles ankommt, das Verschwinden des Schmerzes? Wieso "befreit" die Tragoedie vom Schmerz? Der Held stirbt ja freilich schliesslich und damit endet sein Leid. Aber auch unser Mitleid? Ist denn nicht auch der Tod selbst, umsomehr, je wertvoller das Dasein ist, das er endet, Gegenstand unseres berechtigten Schmerzes? Wie werden wir von diesem Schmerz befreit? Soviel ich sehe, einzig durch das Fallen des Vorhangs und die Rueckkehr ins Leben. Vorausgesetzt ist auch dabei noch, dass das Ende des Stuecks uns das Stueck voellig vergessen laesst. Indem wir von der Tragoedie erloest sind, die uns den Schmerz bereitete, sind wir von dem Schmerz befreit. Der Zweck der Tragoedie besteht dann darin, dass sie zu Ende geht und vergessen wird. Der hat von der Tragoedie den vollkommensten Genuss, der beim Herausgehen aus dem Theater aus vollster Seele rufen kann: Gott sei Dank, dass das ueberstanden ist. Natuerlich ist dies nicht die Meinung der Theorie. Es ist nur ihre notwendige Konsequenz. Dass die Meinung eine voellig andere ist, zeigen die angefuehrten naeheren Bestimmungen, die vom Standpunkte der Theorie keinen rechten Sinn geben. Der tragische Held soll mit den Handlungen, durch die er sein Leiden herbeifuehrt, im Rechte sein, damit unsere schmerzliche Mitempfindung sich steigere. Andererseits sollen auch diejenigen, die ihm feindlich entgegenstehen, im Rechte sein, damit kein Gefuehl der Bitterkeit in uns zurueckbleibe. Aber warum soll das Gefuehl der Bitterkeit in uns _zurueckbleiben_, und nicht vielmehr, ebensowohl wie die schmerzliche Mitempfindung weichen und dem Wohlgefuehl der Befreiung platzmachen? Waere dies letztere der Fall, so wuerde das Gefuehl der Bitterkeit ja als eine wertvolle Beigabe zum Genuss der Tragoedie angesehen werden muessen. Die Theorie laesst aber nicht einsehen, wiefern beide Gefuehle hinsichtlich ihres Gehens oder Bleibens sich verschieden verhalten sollten. In der That verhalten sie sich nicht verschieden. D. h. die schmerzliche Mitempfindung schwindet nicht, so wenig als die Bitterkeit schwinden wuerde. Die Tragoedie will uns von jener Mitempfindung so wenig befreien, dass vielmehr die Dauer derselben Bedingung ihrer Wirkung ist. Nicht das Aufhoeren des Leidens, sondern das vorhandene und von uns mitempfundene Leiden ist in der Tragoedie, wie bei jeder Tragik, der Grund unseres Genusses. Unser Schmerz ist nicht Vorlaeufer dieses Genusses sondern sein notwendiger Hintergrund.--Wir fragen jetzt: Wie ist dies moeglich? Wie kann das Schmerzliche, Schreckliche, Furchtbare erfreuen? DAS MITLEID. Auf diese Frage kann zunaechst eine Antwort gegeben werden, die nur eine nebensaechliche Wahrheit in sich schliesst, aber uns doch endlich auf festen Boden gelangen laesst. Man kennt die Freude, die vor allem Kinder und Ungebildete am Gruseligen und Gespensterhaften, die Freude, die rohere Naturen am Graesslichen und Entsetzlichen haben. Diese Freude haben wir kein Recht, so ohne weiteres zu verurteilen. Das Positive an ihr, die Freude an dem, was aus der Alltaeglichkeit des Lebens deutlich heraustritt, nach irgend einer Richtung die Grenzen des Gewoehnlichen ueberschreitet, und eben damit unsere Vorstellungsfaehigkeit in besonderem Masse fasst und in Anspruch nimmt, diese Freude ist uns allen natuerlich, und sie ist eben damit wohl berechtigt. Ihr Wert erhoeht sich, wenn sie zur Freude wird an dem, was ein gesteigertes Mass von Wollen und Koennen verraet, was neue und ungeahnte Kraefte und Wirkungen, sei es Kraefte in der Natur oder im Menschen, uns vor Augen stellt. Eben diese Freude nun findet auch in der Tragik ihre Stelle. Die Kraft und das gewaltige Mass sittlicher Leidenschaft in ANTIGONE gefaellt; und auch RICHARDs III. frevelhafter Trotz besitzt, soweit darin ausserordentliche Kraft menschlichen Wollens und Koennens, ungeheure Energie der Bethaetigung einer Persoenlichkeit zu Tage tritt, Wert, aesthetischen und, wenn man das Wort sittlich nicht ungebuehrlich enge nimmt, sittlichen Wert. Was ihn uns verabscheuungswert macht, ist nicht diese Kraft, sondern dass sie nicht eingedaemmt und in Dienst genommen ist von Regungen und Leidenschaften hoeherer, menschlicherer Art. Damit ist doch die Schoenheit und Erhabenheit nicht aufgehoben, die dieser Kraft als solcher eignet. Indessen die Frage ist, warum laesst das Kunstwerk, das doch nur die Schoenheit zum Zweck hat, das Erhabene in RICHARD III. derart ins Boese verkehrt erscheinen? Warum laesst sie den Traeger der reinen sittlichen Erhabenheit in ANTIGONE dem Leiden und Untergang verfallen? Was will das Verabscheuungswerte und Schmerzliche, das doch als solches das Gegenteil des Schoenen ist, im Kunstwerke?--Da es nicht Zweck sein kann, so muss es Mittel sein. Gehen wir von jetzt an Schritt fuer Schritt.--Ein Gegenstand, der uns lieb war, sei beschaedigt, zerstoert, vernichtet; ein praechtiger Baum sei vom Sturme geknickt, eine Gegend, die uns ans Herz gewachsen war, durch den Krieg zertreten. Dann empfinden wir den Wert des Gegenstandes deutlicher. Die Pracht des Baumes, das was uns die Gegend lieb und wert machte, kommt uns zu klarerem Bewusstsein; das Bild wird erhabener oder lieblicher in unseren Augen, als es zuvor war. So wird unser Verlust Gewinn, nicht thatsaechlich, aber fuer unser Empfinden. Es mischt sich in unserem Gefuehl des Bedauerns oder der Wehmut mit dem Schmerz um die Zerstoerung ein erhoehtes Bewusstsein des Wertes, ein erhoehter und, eben durch den Schmerz, vertiefter Genuss. Die Wehmut wird zur suessen Wehmut, je mehr der Schmerz sich mildert, und doch das Bild des Gegenstandes klar vor unseren Augen bleibt. Doch damit sind wir noch nicht eigentlich bei der Sache. Leblose Gegenstaende leiden nicht; sie wissen nichts von dem Geschick, das in ihr Dasein eingriff, sie empfinden keinen Schmerz. Nur das Lebendige leidet, Leben hat man gesagt _sei_ Leiden. Ganz sicher gilt das Umgekehrte: Leiden ist Leben. Das Glied meines Koerpers, das keinen Schmerz mehr empfindet, erweist sich damit als abgestorben. Umgekehrt ist Schmerzempfindung Zeichen des Lebens. Die Zufuegung des Schmerzes ist Schaedigung, Vergewaltigung, kurz Negation des Lebens; die Empfindung desselben aber ist Reaktion des Lebendigen gegen die Schaedigung und Vergewaltigung, also Lebensbethaetigung, Lebensoffenbarung.--In der Kraft und Eigenart dieser Reaktion zeigt sich die Kraft und Art des geschaedigten Lebens. Je intensiver, mannigfaltiger und feiner diese Reaktion, also die Schmerzempfindung bei einem Wesen ist, ein umso energischeres, reicheres und zarteres Leben offenbart sich darin. Aber der Schmerz verraet nicht nur das Dasein und die Art des Lebens; vielmehr, wie nach Obigem die Zerstoerung eines leblosen Objektes uns seinen Wert besser empfinden laesst, so bringt auch die Schaedigung des Lebens, die uns im Schmerze sich kund giebt, den Wert dieses Lebens zu deutlicherem Bewusstsein. Wir wissen nun erst, was uns das Leben und der Traeger des Lebens bedeutet. Auch hier gewinnt das Bild an Erhabenheit und Liebenswuerdigkeit. Es gewinnt nur hier um so viel mehr, je mehr von Hause aus der Wert des Lebendigen den des Leblosen ueberragt. Lebendiges und Lebloses wurden hier als sich ausschliessende Gegensaetze gefasst. Diesen Gegensatz muessen wir nachtraeglich in gewisser Weise wieder zuruecknehmen. Es bleibt dabei, dass Lebloses nicht leidet. Aber was leblos ist, kann unsere Phantasie mit Leben erfuellen. Dann wird es auch in gewisser Art leidensfaehig. Die Schaedigung seines Bestandes erscheint uns gleichfalls als eine Lebensschaedigung, also als ein Leiden. So ist der Baum leblos und bleibt es; aber wir leihen ihm von unserem Leben; wir vermenschlichen ihn. Was ihn betrifft, erscheint damit als menschenaehnliches Erleben und Leiden. Seine Verletzung oder Zerstoerung wird fuer uns Gegenstand nicht des gleichen, aber eines aehnlich gearteten Interesses, wie der stoerende oder zerstoerende Eingriff in menschliches Dasein. Auch sein Schicksal, so koennen wir, dem Folgenden vorgreifend sagen, mutet uns "tragisch" an. Das Gefuehl nun, in dem sich mit dem Weh, das die Wahrnehmung des Schmerzes bereitet, das erhoehte Bewusstsein des Wertes verbindet, den das geschaedigte Leben besitzt, dies Gefuehl koennen wir als _Mitleid_ bezeichnen. Dabei muessen wir aber uns bewusst bleiben, dass es unendlich viele Arten, ich koennte besser sagen, unendlich viele Klangfarben des Mitleids giebt. Das schmelzende, weiche, weichliche Mitleid mag man missachten. Es giebt aber daneben ein ernstes, erhabenes, kraftvoll erregendes Mitleid. So verschieden die Gegenstaende des Mitleides, so verschieden ist das mit jenem Namen bezeichnete Gefuehl. Daran mag es zum Teil liegen, dass wenig menschliche Gefuehle so missverstanden worden sind, wie das Mitleid. Diejenige Erklaerung, die den Ruhm groesster Oberflaechlichkeit fuer sich in Anspruch nehmen darf, macht aus dem Mitleid ein Leid, das in dem Beschauer durch eine Art Resonanz entstehe, verbunden mit dem angenehmen Bewusstsein, dass es ihm, dem Beschauer, _besser ergehe_. Dann allerdings waere das Mitleid grober Egoismus. In Wahrheit ist es davon das gerade Gegenteil. Wir haben nicht Mitleid mit dem Nichtswuerdigen, von dem wir meinen, dass ihm gerade recht geschehe. Um so sicherer mit demjenigen, den wir eines besseren Loses wert halten. Wir haben es ueberall in dem Masse, als uns der Leidende, indem wir ihn leiden sehen, und sein Leid mitempfinden, zugleich Wertschaetzung, Achtung, Liebe abzunoetigen vermag. Also liegt im Mitleid Bewusstsein des Wertes, Achtung, Liebe, nicht Bewusstsein eines materiellen, sondern eines Persoenlichkeitswertes. Und es liegt darin erhoehtes Bewusstsein dieses Wertes, erhoeht eben durch die Wahrnehmung des Leidens, das der Persoenlichkeit widerfaehrt. Wertbewusstsein aber ist Genuss; Bewusstsein persoenlichen Wertes Genuss der hoechsten Art. Dieses Mitleid meint LESSING, wenn er das Mitleid eine suesse Qual nennt, und als Zweck des Trauerspieles bezeichnet. "Furcht und Mitleid" sagt sein Gewaehrsmann ARISTOTELES. Er meint die Furcht, dass auch uns, die Zuschauer, aehnliches Leid treffen koenne. Diese Furcht laesst LESSING in seiner eigenen Betrachtung beiseite, und mit Recht. Denn, wie wir wissen, nicht was uns betreffen kann, sondern was die Gestalten der Dichtung betrifft, geht uns an, wenn wir in der Welt der Dichtung leben. Nicht unsere Reflexionen ueber das, was ausserhalb des Kunstwerkes liegt, koennen die Wirkung des Kunstwerkes begruenden, sondern nur das Kunstwerk selbst. In der That nun ist das Mitleid die Empfindung, die angesichts _jedes_ tragischen Objektes sich in uns einstellt. Es fragt sich nur, ob das Mitleid zur Bezeichnung jeder, auch der hoechsten Art tragischer Empfindung _genuegen_ kann. Es fragt sich in jedem Falle, welcher Art das Mitleid sein wird.--Am besten ist es, wir lassen einstweilen den Namen dahingestellt. An dem Streit um Namen ist uns ja jedenfalls nichts gelegen. GENAUERES UEBER DIE BEDEUTUNG DES LEIDENS. Bei aller Tragik vermittelt das Leiden den Genuss. Nach dem vorhin Gesagten muss es dabei ueberall zunaechst darauf ankommen, _was fuer ein Individuum_ es ist, das leidet; andrerseits, _wie tief_ es leidet. Je edler das Individuum ist, um so Edleres kann in ihm durch das Leiden offenbar werden, und in seinem Werte uns zum Bewusstsein kommen. Je tiefer das Leiden geht, um so eindringlicher wird uns jenes Edle zum Bewusstsein gebracht. Was wollte uns das Leiden all der liebenswerten Gestalten, der ANTIGONE, GRETCHEN, OPHELIA, DESDEMONA bedeuten, wenn nicht das Bild ihrer Persoenlichkeit, das uns durch das Leiden geoffenbart und zugleich menschlich naeher gerueckt und heller erleuchtet wird, eben dies liebenswerte waere. Und was waeren sie uns trotz ihrer Liebenswuerdigkeit, wenn uns nicht das Leiden vergegenwaertigte, was fuer Persoenlichkeilen es sind, in deren Dasein das Geschick so grausam eingreift, welches ganz anderen Geschickes wert. Eine gemeine Natur, die um ihr Leben klagte, wie ANTIGONE, oder um einen Tag, eine Stunde, einen Augenblick ihres Lebens bettelte, wie DESDEMONA, ruehrte uns nicht, wie ANTIGONE und DESDEMONA uns ruehren. Das Letztere erweckte eher widrige Empfindungen. Und weder ANTIGONEs noch DESDEMONAs Untergang wuerde uns zu so menschlich warmem Anteil zwingen, wenn sie statt klagend und damit die Tiefe ihres Leidens an den Tag legend, mit kuehler Resignation dem Tode die Hand reichten.--So wenig macht hier die Resignation und das resignierte Wegwerfen des Lebens den eigentlichen Sinn der Tragik, dass solcher Heroismus vielmehr die ganze Tiefe der Tragik zerstoeren muesste. Im Gesagten liegt ein weiteres Moment im Grunde schon eingeschlossen. Was fuer ein Individuum es ist, das leidet und wie tief es leidet,--damit haengt unmittelbar zusammen die Art, _wie_ das Individuum leidet, wie es das Leiden ertraegt, oder sich dagegen verhaelt. Es offenbart sich ja vor allem in dieser Art sich zum Leiden zu verhalten das Wesen der Persoenlichkeit; es offenbart sich darin zugleich die Tiefe des Leidens. Auch der LAOKOON der plastischen Gruppe nimmt das Leiden nicht mit Resignation auf sich, sondern kaempft dagegen an. Wie aber kommt gerade in diesem Kampfe gegen das Leiden die Kraft und Tuechtigkeit der Persoenlichkeit zur Geltung. Auch hier wird uns zugleich der Wert der Persoenlichkeit und ihres Lebens dadurch eindringlicher, dass es ein _Leiden_, dass es die drohende _Vernichtung_ ist, gegen welche die Persoenlichkeit so maechtig sich baeumt, und dass sie trotz alles Kampfes _untergehen_ muss. Es fuegt hier, wie in allen Faellen, das Bewusstsein des Leidens und Untergangs zur Freude an der Persoenlichkeit, wie wir sie auch sonst verspueren koennten, etwas von der tieferen und waermeren Empfindung der Liebe und Ehrfurcht. So untragisch das Wegwerfen des Lebens bei ANTIGONE und DESDEMONA und nicht minder beim LAOKOON waere, so tragisch ist es in anderen Faellen. ROMEO muss das Leben wegwerfen, so gewiss ANTIGONE es nicht darf. Wir kommen damit auf einen weiteren Punkt. Nicht nur, wer leidet, wie tief das Leiden geht and wie ihm der Leidende begegnet, bestimmt die Hoehe und die Art des tragischen Genusses. Auch das ist von Bedeutung, _wovon_ oder _worunter_ der Held leidet, was der _Gegenstand_ seines Leidens ist. Das Leiden meinten wir, lasse die Persoenlichkeit offenbar werden. Das thut auch die Freude, der Jubel, das Lachen. "Sage mir, worueber Du lachst, und ich will Dir sagen, wer Du bist." Doch mehr als dies alles that es der Schmerz. Nichts laesst so sehr ins Innerste der Persoenlichkeit, in den eigentlichen Kern ihres Wesens blicken, als die Schmerzempfindung; so wie wir in die Pflanze einschneiden, vielleicht sie zerstoeren muessen, um ihr innerstes Leben zu sehen. Eben dabei aber ist es wesentlich, _was_ die Empfindung des Schmerzes erweckt. Dies braucht nicht ueberall dasselbe zu sein. Es kann je nach Persoenlichkeit und Schicksal der verschiedensten Art sein. Es ist bei ANTIGONE und ROMEO gegensaetzlicher Art. Trotzdem ist es bei beiden positiver Faktor fuer unseren tragischen Genuss. Wer saehe nicht mit liebendem oder ehrfuerchtigem Anteil auf die Persoenlichkeit, in der ein menschlich wertvolles Streben, eine edle Leidenschaft solche Macht gewonnen hat, dass die Persoenlichkeit, um das Ziel ihres Strebens betrogen, des Gegenstandes der Leidenschaft beraubt, den Tod als Erloesung begruesst? Nicht weil die Weggabe des Lebens an sich irgend etwas Erhebendes haette. Wer um nichts, getrieben durch den Schmerz um eine wertlose Sache, sein Leben wegwuerfe, erschiene uns nicht gross und erhaben, sondern jaemmerlich. Sondern, weil sich in der Unmoeglichkeit weiter zu leben die Tiefe eines edeln Schmerzes, und durch ihn hindurch die Groesse einer edeln Leidenschaft kundgiebt. Solcher Art ist der Schmerz ROMEOs. Dagegen ist, wie schon oben gesagt, fuer ANTIGONE eben die Aussicht auf den Tod der Gegenstand des Schmerzes. Sie hat ja ihr Ziel, die Erfuellung der Liebespflicht an ihrem Bruder, erreicht. So andersgeartet aber dieser Schmerz ist, so gewiss hat doch auch er sein menschlich Berechtigtes und menschlich Anmutendes. Es ist etwas Schoenes, ja Entzueckendes um ein Menschenkind, das jung und hoffend am Leben haengt, an das es glaubt und zu glauben sein gutes Recht hat. Wenn nicht fuer eine gewisse Art "philosophischer" Reflexion, so doch fuer das natuerliche Gefuehl, das ohne Einmischung solcher Reflexionen, von denen nun einmal eine ANTIGONE nichts weiss, sich dem Eindruck des Kunstwerkes hingiebt. Darauf allein aber kommt es an. Vielleicht meint jemand, der klueger ist als ANTIGONE, auch sie wuerde, wenn sie weiter lebte, Enttaeuschungen erfahren, die ihr das Leben nicht mehr so lebenswert erscheinen liessen. Dieser Einwand waere in aller seiner Klugheit so thoericht, wie der andere, dass es doch fuer einen Menschen in der Lage ROMEOs auch solche Verpflichtungen gebe, die ihn hindern muessten das Leben preiszugeben. Wer so redete, mischte wiederum das Wirkliche und in der wirklichen Welt Moegliche oder Geforderte ins Kunstwerk und zeigte, dass ihm vom Sinne des Kunstwerkes auch noch nicht das Abc aufgegangen ist. In der Tragoedie lebt nun einmal ANTIGONE nicht weiter; und von jenen Verpflichtungen ROMEOs ist in SHAKESPEAREs Stueck keine Rede. Die Frage ist einzig: Ist ANTIGONEs Haengen am Leben aus ihrer Persoenlichkeit, ROMEOs Preisgabe des Lebens aus der Staerke seiner Liebe begreiflich, und verspueren wir eine erhebende Wirkung von jener Persoenlichkeit und dieser edlen Leidenschaft, wenn wir das eine und das andere, genau so wie es uns entgegentritt, und ohne alle Nebengedanken auf uns wirken lassen. Bejahen wir diese Frage, dann ist vielleicht weder ANTIGONE noch ROMEO in irgend welcher pessimistischen oder optimistischen Moralvorlesung als Musterbeispiel brauchbar. Ihr Wert im Kunstwerk wird doch dadurch um nichts verringert. Indessen, so sehr wir berechtigt sind, was ANTIGONE leidet, und was den Gegenstand des Schmerzes bei ROMEO bildet, nebeneinander und unter einen Gesichtspunkt zu stellen, so wenig hat doch jenes und dieses Leiden dieselbe Bedeutung fuer die Tragoedie. Dass ANTIGONE dem Tode entgegengeht, so wie sie es thut, macht sie zur tragischen Gestalt, darum noch nicht zur tragischen Heldin. Soll sie dies sein, so muss bei ihr noch ein Moment hinzukommen, das bei ROMEO in dem Gesagten bereits enthalten liegt. Welches Moment dies ist, das kommt ans am leichtesten zum Bewusstsein, wenn wir uns wiederum des Laokoonbildwerkes erinnern. Bisher konnten wir den LAOKOON in allem mit den tragischen Helden vergleichen und in eine Linie stellen. Auch der zuletzt hervorgehobene Faktor ist fuer ihn, wie fuer die Helden dei Tragoedie bedeutsam. Auch bei ihm ist der _Gegenstand_ des Leidens nicht unwesentlich. Es ist weder gleichgueltig noch tadelnswert, sondern schoen, dass er am _Leben_ haengt und fuer sein _Leben_ kaempft, an dem zu haengen und fuer das zu kaempfen er ein Recht hat. Aber die Laokoongruppe ist kein Drama, LAOKOON nicht Held einer Tragoedie. Gewiss koennte er es werden. Nicht der Bildner, aber der Dichter kann ihn dazu machen. Er stelle in LAOKOON einen Menschen dar, der ganz erfuellt von dem Gedanken sein bedrohtes Vaterland zu retten, trotz des Widerspruchs der Seinen, und im Kampfe mit der Ungunst des Geschickes an seinem edlen Streben festhaelt und schliesslich um dieses edlen Strebens willen untergeht; und ich wuesste nicht, was ihm zum tragischen Helden fehlen sollte. Damit ist jenes Moment bezeichnet. Die Tragoedie ist Drama. Und das Drama hat zum wesentlichen Merkmal das Wollen und Handeln. Ein Wollen und Handeln muss im tragischen Helden sich verwirklichen. Nicht ein beliebiges Wollen und Handeln, sondern ein bedeutsames, die ganze Persoenlichkeit des Helden erfuellendes. Dasselbe muss einen solchen Inhalt haben, dass wir einsehen, wie es die ganze Persoenlichkeit erfuellen koenne. Es muss die Persoenlichkeit erfuellen koennen auch insofern, als es aus ihrer innersten Natur sich ergiebt. Eben dieses Wollen und Handeln muss in der Tragoedie zum Leiden hinfuehren. Es muss dasjenige sein, "_wofuer_" oder "_um dessen willen_" der Held leidet. Den LAOKOON des plastischen Kunstwerkes aber sehen wir nur leiden, ohne dass uns zugleich ein bedeutsames Wollen und Handeln als Grund dieses Leidens vergegenwaertigt wuerde. Hiermit scheidet sich die Tragik der Tragoedie von der sonstigen, nicht oder nicht im engeren und eigentlichen Sinne dramatischen Tragik. Was sie scheidet, ist das "Wofuer", der "Grund" des Leidens in diesem besonderen, eben naeher bezeichneten Sinne des Wortes. Man mag den LAOKOON des Bildwerkes dramatisch, dramatisch bewegt oder dramatisch lebendig nennen; aber die Tragik ist nicht dramatisch, d. h. nicht dramatisch _begruendet_. Wie aber bei allen bisher bezeichneten und fuer die tragische Wirkung in Anspruch genommenen Momenten alles darauf ankam, dass in ihnen ein Wertvolles der Persoenlichkeit offenbar werde und in seinem Wert einleuchte, so auch hier. Auch das "Wofuer" des Leidens soll uns die Persoenlichkeit wertvoll machen und dadurch den tragischen. Genuss, der eben jederzeit Genuss eines Wertvollen in der Persoenlichkeit ist, bedingen. Das "Wofuer" meinten wir, sei ein bedeutsames Wollen und Handeln. Es ist in den hier zunaechst vorausgesetzten Faellen ein _gutes_ Wollen und Handeln. Insoweit leuchtet ohne weiteres ein, wie es uns die Persoenlichkeit wertvoll machen koenne. "Gut" ist ja gar nicht das einzelne auf den Vollzug einer Handlung gerichtete Wollen als solches, erst recht nicht das Handeln an und fuer sich, sondern beides ist gut, sofern ihm ein gutes Motiv, ein Gutes der Gesinnung, des Charakters, kurz der Persoenlichkeit zu Grunde liegt. Bei ANTIGONE nun ist die That, "fuer" welche sie leidet, die Bestattung des Bruders, was sie dazu treibt, die Bruderliebe. Dass diese Liebe und das Bewusstsein der Pflicht, die sie auferlegt, Stand haelt angesichts des Todes, das zeigt uns die Staerke der Liebe, und damit das erhabene Wesen der ANTIGONE in seiner vollen Herrlichkeit.--Es braucht wohl nicht mehr gesagt zu werden, dass die Macht der Bruderliebe in ANTIGONE um so groesser erscheinen muss--nicht je bereiter sie ist, das Leben als eitel und wertlos wegzuwerfen, sondern je mehr sie am Leben _haengt_, und ihrer Natur nach am Leben zu haengen berechtigt ist. Danach faellt in ANTIGONE dasjenige, was, oder worunter sie leidet--die Aussicht auf den Tod--und das, _wofuer_ sie leidet, auseinander. Dagegen ist bei ROMEO beides zugleich und in Einem gegeben. Er leidet fuer seine Liebe; der Verlust des Gegenstandes seiner Liebe ist zugleich das, was er erleidet. Damit haben wir zwei verschiedene Arten des Trauerspiels gewonnen. Wir koennen sie auch so bezeichnen, dass wir sagen: in der einen folge das Leiden aus der Verwirklichung eines wertvollen und erhabenen Wollens, in der andern bestehe es in der Vereitelung eines solchen Wollens. Diesem Unterschiede entspricht ein Unterschied in der aesthetischen Bedeutung des Leidens. Bei ANTIGONE _behauptet_ sich das Schoene und Gute trotz des Leidens und im Leiden; bei ROMEO _erweist_ es sich erst im Leiden. DIE BESTRAFUNG DER BOESEN UND DIE MACHT DES GUTEN. Dieser Unterschied zwischen Arten des Trauerspiels tritt aber zurueck gegenueber einem anderen, tiefer greifenden. Wie fuegt sich MACBETH unseren Bestimmungen ein? Auch MACBETH leidet "fuer" etwas. Aber nicht fuer ein gutes Wollen, sondern fuer ungeheure Frevel. Offenbar hat hier das "fuer" einen anderen Sinn, als oben. Ich koennte es verdeutlichen, indem ich sagte, MACBETH leide "zur Strafe fuer" seine Frevel, oder leide fuer die "Schuld", die er durch seine Frevel auf sich geladen habe. Damit scheint die Schuld- und Straftheorie oder Theorie der "poetischen Gerechtigkeit" wenigstens teilweise wieder in ihr Recht eingesetzt. Aber es fragt sich, was wir unter Strafe verstehen. Wir sahen oben, was allein der Strafe sittliche, also aesthetische Bedeutung verleiht. Naemlich die Reaktion des sittlichen Willens--nicht gegen den Boesen; eine solche waere widersinnig und damit das Gegenteil der Reaktion eines _sittlichen_ Willens,--sondern gegen _das_ Boese. Der boese Wille, so sagten wir, muss getroffen, gebrochen ueberwunden werden; oder die Strafe ist nicht Strafe, sondern nutzlose und eben damit unser Gefuehl beleidigende Schaedigung. Dies bestaetigt uns die Erfahrung. Wenn wir es ausserhalb der Buehne erleben, dass den Verbrecher die Strafe ereilt, so halten wir dies freilich fuer recht und in der Ordnung. Aber eine erhebende Wirkung verspueren wir von dieser blossen aeusseren Thatsache der Bestrafung nicht, die Strafe mag noch so wohlverdient sein. Sie wird besonders wohlverdient erscheinen muessen, wenn der Verbrecher noch angesichts und waehrend des Vollzugs der Strafe verstockt bleibt. Aber gerade dann sind wir von jeder erhebenden Wirkung am weitesten entfernt. Vollends gilt dies, wenn die Strafe in Verhaengung des Todes besteht. Solche Strafe wird ja von nicht wenigen ueberhaupt als unrecht, unsittlich, empoerend abgewiesen. Ihnen stehen andere entgegen, denen sie zur Aufrechterhaltung der Rechtsordnung notwendig und darum gut erscheint. Lassen wir hier dahingestellt, ob mit dieser "Aufrechterhaltung der Rechtsordnung" ueberall ein klarer und widerspruchslos denkbarer Begriff sich verbindet. Welchen Begriff wir allein damit verbinden koennen, haben wir oben angedeutet, und wir werden, was die Tragoedie betrifft, darauf zurueckkommen. Einstweilen genuegt uns dass in jedem Falle niemand zum Anblick des Vollzugs der Todesstrafe sich draengt, weil er einen sittlich erhebenden Genuss, weil er sittliche Genugthuung davon erwartet. Und auf der Buehne sollten wir solchen Genuss, solche sittliche Genugthuung daraus schoepfen! Wohl aber uebt es eine erhebende und sittlich befreiende Wirkung, wenn wir sehen, wie MACBETHs Trotz getroffen, sein Glaube alles Sittliche verhoehnen zu koennen fuer ihn selbst zu Schanden geworden ist, wie er also nicht nur gestraft ist, sondern sich innerlich gestraft weiss. Damit erfuellt eben die Strafe die Forderung, die wir ehemals an sie stellten, wenn sie ihren Namen verdienen solle. Die Strafe, die MACBETH erfaehrt, ist, was die "Strafe" der ANTIGONE sein muesste, aber, wie wir sahen, ganz und gar nicht ist. Wir muessen aber, was wir hier unter Strafe verstehen, oder in wiefern wir der Strafe eine sittlich erhebende Wirkung beimessen koennen, noch genauer bestimmen. Wir muessen vor allem uns darueber klar sein, dass auch bei der inneren Wirkung der Strafe nicht das Gebrochensein, das Zuschandenwerden, das darin sich verwirklichende Leiden als solches den Grund der sittlichen Erhebung ausmacht. Das waere ein Rueckfall in den zurueckgewiesenen Fehler. _Kein_ Leiden, wie es auch heissen mag, kann durch sein blosses Dasein erfreuen. Der Grund des Genusses kann in keiner Weise in einem lediglich Negativen, er kann auch nicht in der inneren Negation bestehen. Sondern das macht hier wie ueberall den Genuss am Leiden, dass in dem Leiden ein positiv Wertvolles der Persoenlichkeit zu Tage kommt. Dies positiv Wertvolle ist aber hier die Stimme des Gewissens und der Wahrheit. Sie erwacht in der boesen Persoenlichkeit und schafft ihr durch ihr Erwachen und Sichregen das innere Leiden. Das Leiden erhebt und erzeugt Genugthuung, sofern in ihm die innere Macht des Guten aber das Boese in der Persoenlichkeit sich kundgiebt. Hiergegen bleibt noch ein Einwand zurueckzuweisen. Kein Leiden, sagten wir, schaffe durch sein blosses Dasein Genuss. Aber giebt es nicht Schadenfreude, angenehmes Gefuehl der befriedigten Rache? Solche Gefuehle mag man sonst nicht hochstellen. Sie koennten darum doch durch den besonderen Charakter, den sie der Tragoedie gegenueber annehmen, zum Genuss der Tragoedie beitragen. In der That giebt es dergleichen. Wir koennen sogar von einer doppelten Schadenfreude reden, einer egoistischen und einer nichtegoistischen oder sittlichen. Wir empfinden zwar nicht Freude an dem Schaden, dem aeusseren oder inneren Leiden jedes Beliebigen, wohl aber koennen wir Freude haben an dem Schaden desjenigen, der uns geschaedigt, sich uns ueberlegen gezeigt, oder in irgend einer Weise sich uns gegenueber wirklich oder vermeintlich ueberhoben hat, ja der auch nur durch das, was er ist, oder hat, uns einen eigenen Mangel fuehlbar macht. Dies ist die egoistische Schadenfreude. Dagegen ist es nicht egoistische Schadenfreude, aber doch auch "Schadenfreude", wenn ich mich freue ueber den Schaden desjenigen, der Unrecht gethan hat, gleichgiltig an wem es begangen wurde. Es kommt aber hier alles auf das psychologische Verstaendnis dessen an, was wir Schadenfreude nennen. Und dazu gehoert vor allem, dass wir uns des positiven Kerns der Schadenfreude bewusst sind. Dieser ist bei der egoistischen Schadenfreude Genuss des befreiten und gehobenen _Selbstgefuehls_. Darum eben heisst sie egoistisch. Die Schaedigung, die ich von der fremden Persoenlichkeit erfahren habe, ihre Ueberhebnug oder Ueberlegenheit, das Bewusstsein des eigenen Mangels, das alles bedeutet fuer mich Niederdrueckung, Hemmung, Stoerung meines Selbstgefuehls. Von dem Druck oder der Stoerung fuehle ich mich befreit durch den der fremden Persoenlichkeit zugefuegten Schaden. Aber wie ist dies moeglich? Der mir zugefuegte Schaden wird ja nicht aufgehoben durch den Schaden, den mein Schaediger erleidet. Es wird damit nur der Schaden in der Welt verdoppelt. Auch sonst wird mir kein faktischer Gewinn, der mein Selbstgefuehl heben koennte, zu Teil. Mein Mangel wird nicht geringer.--Umso sicherer habe ich einen ideellen Gewinn. Aber auch ihn ziehe ich nicht aus dem Schaden, den die fremde Persoenlichkeit erfaehrt, sondern aus dem mit dem Bewusstsein desselben verbundenen Gedanken der Hemmung oder Verminderung des fremden Selbstgefuehls. Daher ich die Schadenfreude erst empfinde, wenn ich annehmen kann, die fremde Persoenlichkeit habe den Schaden nicht nur erfahren, sondern fuehle ihn auch und fuehle sich dadurch in ihrem Selbstgefuehl getroffen. Die fremde Persoenlichkeit kann sich, so meine ich, nachdem sie den Schaden erfahren hat, nicht mehr so, wie sie es that, gegen mich ueberheben oder sich mir ueberlegen glauben; ich brauche mich nicht mehr, wie vorher, durch den Gedanken ihrer Ueberhoehung oder das Nachempfinden ihres Ueberlegenheitsbewusstseins in mir gedrueckt zu fuehlen.--Damit ist zugleich gesagt, dass auch dann, wenn ich von der fremden Persoenlichkeit _thatsaechlichen_ Schaden erfahren habe, das Bestreben ihr wieder zu schaden in dem Gedanken, dass sie sich gegen mich ueberhebe oder mir ueberlegen fuehle, seinen eigentlichen Grund hat, dass also auch bei solcher _realen_ Schaedigung die darin liegende _Ueberhebung_ das mir eigentlich Unertraegliche ist. Doch auch damit ist die Schadenfreude nicht erklaert. Dass ich nicht mehr den drueckenden Gedanken der fremden Ueberhebung in mir vollziehe, das schafft mir nicht die in der Schadenfreude liegende positive und eigenartige Lust. Jener drueckende Gedanke schwindet ja immer auch dann, wenn ich ihn fuer einen Augenblick oder laengere Zeit hindurch vergesse. Und doch ergiebt sich daraus kein der Schadenfreude vergleichbares Gefuehl. Vielmehr muss noch Eines hinzukommen; und das ist der Gedanke, dass die fremde Persoenlichkeit, indem sie sich in ihrem eigenen Selbst vermindert weiss, nicht umhin kann, nunmehr mich, oder wenn sie von mir nichts weiss, Meinesgleichen als sich gleich, und zu gleichem Selbstbewusstsein berechtigt _anzuerkennen_. Und wiederum ist dabei nicht das Entscheidende, dass ueberhaupt mein Selbst und Selbstbewusstsein anerkannt wird;--denn solche Anerkennung finde ich ja sonst in allen moeglichen Individuen, die sich nicht gegen mich ueberheben oder gar mir positiven Respekt bekunden. Vielmehr kommt alles darauf an, dass eben _die_ Persoenlichkeit, die sich gegen mich ueberhob oder mir ueberlegen war, ihrer Ueberhebung oder ihrem Ueberlegenheitsbewusstsein zum _Trotz_ zur Anerkennung sich gezwungen sieht. Dadurch gewinnt die Anerkennung ein Gewicht und fuer mich einen Wert, den sonstige Anerkennung fuer mich nicht besitzt. Es schafft mir Genugthuung, mich in eine Art von Respekt gesetzt zu sehen, da und gerade da, wo kein solcher Respekt und keine Neigung dazu vorhanden war. Und in dieser Genugthuung erst besteht die Schadenfreude.--Weil sie darin besteht, darum ist meine Schadenfreude umso vollkommener, je ueberlegener mir derjenige zu sein oder sich zu fuehlen schien, an dessen Schaden ich mich freue, und je vollkommener die bewusste Demuetigung ist, die ich bei ihm, nachdem er den Schaden erfahren hat, meine annehmen zu duerfen.--Man sieht, es verhaelt sich mit dieser egoistischen Schadenfreude voellig analog wie mit der Grausamkeitswollust, von der oben die Rede war. Die Grausamkeitswollust ist eben am Ende nur eine andere Art der Schadenfreude. Es braucht nun aber nicht mehr gesagt zu werden, dass solche egoistische Schadenfreude ebenso gut wie die Grausamkeitswollust dem Kunstwerke gegenueber ausgeschlossen ist. Der Held der Tragoedie insbesondere schaedigt uns nicht, er weiss nichts von Ueberlegenheit und Ueberhebung uns gegenueber, es hat keinen Sinn sich mit ihm vergleichen oder messen zu wollen und ueber das fuer die eigene Person unguenstige Ergebnis der Vergleichung und Messung ihm zu grollen. Vor allem dem bewahrt uns die absolute Kluft zwischen der Welt des Kunstwerkes und uns. Obgleich dies alles nicht gesagt zu werden braucht, so ist es doch fuer das Verstaendnis des Kunstwerkes grundwesentlich es zu wissen. Wir betonten schon, dass das sittliche Urteil gegenueber dem Kunstwerke reiner sei als unser sonstiges sittliches Urteil, und dass es dies darum sei, weil es von Ruecksichten auf das, was ausserhalb der Welt des Kunstwerkes liege, frei bleibe. Hier nun sehen wir an einem Punkte deutlich, wiefern diese Behauptung zutrifft. Was ist es denn, das im Leben vor allem unser sittliches Urteil truebt? Gewiss die Beziehung auf uns und unser Selbstgefuehl. Statt eine Person und ihr Handeln nach ihrem eigenen Werte und nur danach zu beurteilen, sind wir geneigt sie vielmehr zu beurteilen nach dem realen oder ideellen Gewinn oder Verlust, der uns oder unserem Selbstgefuehl aus ihrem Dasein oder Handeln erwaechst oder erwachsen koennte. Dass davon nicht nur gegenueber der Tragoedie, sondern gegenueber jedem darstellenden Kunstwerk--trotz aller Theorien, die das Gegenteil behaupten und so den Sinn des Kunstwerkes in Widersinn verkehren--keine Rede ist und keine Rede sein kann, dies ist es zunaechst, was dem Kunstwerk und damit auch der Tragoedie einen besonderen, durch nichts in der Welt zu ersetzenden sittlichen Wert verleiht. Je weniger nun aber die egoistische Schadenfreude beim Genuss der Tragoedie mitsprechen kann, umsomehr scheint die andere, die von uns oben zugestandene nichtegoistische Schadenfreude dabei beteiligt zu sein. Dies leugne ich denn auch nicht. Sie ist nicht nur dabei beteiligt, sondern sie macht das Wesen des Genusses aus. Die unegoistische oder sittliche Schadenfreude ist eben gar nichts, eine leere Illusion, oder sie ist jene Freude an der inneren Macht des Guten, auf die wir den tragischen Genuss zurueckgefuehrt haben. Was bei der egoistischen Schadenfreude unser Selbstgefuehl, das ist bei der nichtegoistischen oder sittlichen unser sittliches Gefuehl. Wie dort durch die Ueberhebung gegen unsere Person unser Selbstgefuehl, so wird hier durch die Ueberhebung gegen die Forderungen unseres sittlichen Bewusstseins unser sittliches Gefuehl bedrueckt, gehemmt, verletzt. Wir verspueren hier wie dort Genugthuung, nicht weil durch das Leiden die Ueberhoehung aufgehoben, sondern weil sie in _Anerkennung_ dessen verwandelt ist, wogegen die Persoenlichkeit sich erhob. Endlich ist auch hier wesentlich, dass eben _derjenige_ zur Anerkennung der sittlichen Forderungen sich gezwungen sieht, der mit aller Gewalt sich dagegen _straeubte_ und vielleicht bis zuletzt sich dagegen straeubt. Je mehr er sich straeubt, umsomehr kommt die innere Macht des Guten in jenem Zwang der Anerkennung zu Tage.--So hat die Berufung auf die Thatsache der Schadenfreude nur unsere schon ausgesprochene Anschauung bestaetigt. Welche Bedeutung koennen nun noch bei Tragoedien von der Art des "MACBETH" jene uns bekannten Wendungen haben, dass in der Tragoedie die sittliche Weltordnung wiederhergestellt erscheine, dass die Idee triumphiere oder das Recht gesuehnt werde? Die Antwort liegt in dem bisher Gesagten. Die "sittliche Weltordnung" wird wiederhergestellt, nicht in dieser Allgemeinheit, sondern sofern das Gute im Helden Macht gewinnt. Seine Ueberhebung ueber die sittlichen Forderungen, das war die Verkehrung der sittlichen Weltordnung, naemlich der sittlichen Ordnung in der Welt der Tragoedie. Dass er sich beugt und wenn auch noch so unwillig beugen muss, dass ist ihre Wiederherstellung.--Die "Idee" triumphiert, aber nicht als dies Abstraktum, sondern als die Stimme des Gewissens und der Wahrheit im Helden.--Damit ist dann auch schon dem "Rechte" sein Recht geworden. Das Recht wird gesuehnt, d. h. das Rechtsbewusstsein im Helden, das durch die boese Leidenschaft niedergehalten war, kommt zur Geltung; und eben damit findet _unser_ Rechtsbewusstsein, das er verneint hatte, seine Anerkennung. Jede sonstige Suehnung des Rechtes ist eine inhaltleere Phrase. Man hat auch wohl gesagt, die sittliche Weltordnung, die Idee, das Recht sei der eigentliche Held der Tragoedie, nicht die einzelne Persoenlichkeit. Von diesem Satze kann der erste Teil zugestanden werden, wenn man den zweiten preisgiebt. Die sittliche Weltordnung, die Idee, das Recht ist der Held eben in der einzelnen Persoenlichkeit und genau so weit, als es die einzelne Persoenlichkeit ist. Wir sind in diesen Eroerterungen davon ausgegangen, dass ein MACBETH "fuer" ungeheure Frevel leide; den Sinn dieses "fuer" suchte ich deutlich zu machen. Es leuchtet jetzt auch ein, wie mit diesem Moment die anderen oben unterschiedenen und als wesentlich fuer den tragischen Genuss bezeichneten Momente aufs engste zusammenhaengen. Was ist der Gegenstand des Leidens fuer MACBETH? "Worunter" leidet er? Aeusserlich betrachtet unter dem Scheitern seiner Plaene, tiefer gefasst unter der Anklage seines Gewissens, der Notwendigkeit, die sittliche Weltordnung anzuerkennen. Die innere Macht des Guten, die sich damit an ihm erweist, muss aber umso groesser erscheinen, je gewaltiger in ihm die Macht der boesen Leidenschaft ist, je heftiger er darum gegen das Gute ankaempft. Insofern kommt es auch hier darauf an, "was fuer eine Persoenlichkeit" es ist, die leidet, und "wie" sie leidet oder zu dem sich verhaelt, was ihr das Leiden schafft. Nicht die Schwaechlinge im Boesen, nicht diejenigen, die noch von ihrem boesen Wollen ablassen und, ohne darueber zu Grunde zu gehen, zum Pfade der Tugend zurueckkehren koennen, am wenigsten die weichlich Bereuenden sind die tragisch wirksamsten Gestalten, soweit die tragische Wirkung durch die Wahrnehmung der inneren Macht des Guten ueber das Boese bedingt ist, sondern die _Helden_ der boesen Leidenschaft, diejenigen, die alles an ihre Leidenschaft setzen, und schliesslich _knirschend_ die sittliche Weltordnung anerkennen, aber doch eben sie anerkennen. Nur wo das Boese ein gewaltiges ist, bedarf es einer gewaltigen sittlichen Macht, um es zu brechen, erst wenn es den ganzen Menschen beherrscht, so dass er ohne die Verwirklichung des boesen Wollens nicht leben kann, zeigt sich die sittliche Macht, die trotzdem sich Anerkennung verschafft, in ihrer _vollen_ Groesse. Dann wird aber das boese Wollen sich zu behaupten suchen muessen bis zum Ende. Der Held wird kaempfen und kaempfend _untergehen_. --Es ist wiederum eine wichtige Einsicht, die hier sich ergiebt. Sie ergiebt sich aber aus der richtigen Fassung des Sinnes der Tragoedie mit Notwendigkeit. Endlich ist nicht minder deutlich, dass die Wirkung einer Tragoedie von der hier in Rede stehenden Art sich steigert mit der "Tiefe" des Leidens. In ihr zeigt sich ja wiederum die Staerke dessen, wogegen der Held--zuletzt vergeblich--ankaempft. ZWEI GATTUNGEN DER TRAGOEDIE. Wie verhalten sich jetzt die Tragoedien nach Art des "MACBETH" zu "ANTIGONE" und "ROMEO"? Zunaechst ist das Grundthema bei ihnen allen eines und dasselbe. Es ist die Macht, naemlich die _innere_ Macht des Guten. Zugleich sehen wir den Unterschied. In ANTIGONE, sagten wir, _bewaehrt_ sich die Macht des Guten angesichts des Leidens; in ROMEO _erweist_ sie sich im Leiden. In MACBETH endlich kommt sie erst im Leiden zur _Wirksamkeit_. Wiederum, sind jene beiden darin eins, dass es in der einen, wie in der anderen das _Uebel_ ist, gegen das das Gute in der Persoenlichkeit sich behauptet, oder in dem es sich erweist. Dagegen bethaetigt sich in MACBETH die Macht des Guten gegenueber dem _Boesen_. Wir koennten danach ueberhaupt Tragoedien des Uebels und Tragoedien des Boesen unterscheiden und die beiden als die zwei Hauptgattungen der Tragoedie einander gegenueber stellen. Wir setzen indessen lieber statt dieser beiden Namen die Namen _Schicksalstragoedie_ und _Charaktertragoedie_. Nicht weil bei der "Tragoedie des Uebels" der Charakter, bei der "Tragoedie des Boesen" das Schicksal keine Bedeutung haette, sondern weil das Uebel, mit dem dort das Gute der Persoenlichkeit in Konflikt geraet, fuer die Persoenlichkeit Schicksal ist, das Boese, gegen das hier das Gute der Persoenlichkeit Macht gewinnt, der Persoenlichkeit selbst und ihrem Charakter angehoert. Aber diese Unterscheidung kann nicht als eine reinliche Scheidung der vorhandenen Tragoedien gemeint sein. So zutreffend sie ist, so wenig kann sie die Forderung in sich schliessen, dass Tragoedien jederzeit entweder nur der einen oder nur der anderen Gattung angehoeren. Vielmehr hindert nichts, dass eine und dieselbe Tragoedie beide Gattungen, zugleich vergegenwaertige. Die Gleichheit des Grundthemas verbuergt die Moeglichkeit der Vereinigung. Dass die Tragoedie es mit Menschen zu thun hat, in denen Gutes und Boeses sich zu mischen pflegt, dass die Groesse einer edlen Leidenschaft mit boesem Wollen sich verbinden, ja zu ihm hinfuehren kann, dies laesst sogar von vornherein erwarten, dass die meisten Tragoedien sich als Vereinigungen der beiden Gattungen darstellen werden. Darum bleibt doch der Unterscheidung ihr guter Sinn. Es genuegt dafuer, dass wir solche Tragoedien, die mehr der einen Gattung angehoeren, solchen gegenueberstellen koennen, die mehr der anderen angehoeren, dass wir in jedem Falle unterscheiden koennen, in _wiefern_ eine Tragoedie der einen oder der anderen Gattung sich zuordne. Dass wir damit zu einer reinlichen Klassifikation der vorhandenen Tragoedien nicht gelangen, darueber kann uns der Umstand troesten, dass Tragoedien auch nicht dazu da sind, um von uns klassifiziert zu werden, dass sogar das Verstaendnis, auf das es beim Kunstwerk ankommt, durch das Bestreben der Klassifikation eher verdunkelt zu werden pflegt. Es wird erhellt durch die Erkenntnis und deutliche Unterscheidung der Gruende, auf denen die Wirkung der Kunstwerke beruht. Eine solche Unterscheidung der Gruende der Wirkung ist es darum, woran uns schliesslich allein gelegen ist. Moegen diese Gruende noch so sehr Hand in Hand gehen, so bleiben sie doch verschieden. So gehen, wenn wir ein Beispiel wollen, die eben unterschiedenen "Gruende" der tragischen Wirkung Hand in Hand, Schicksalstragoedie und Charaktertragoedie sind vereinigt in GRETCHEN. GRETCHENs Liebe und dass sie der Macht der Verfuehrung Raum gegeben hat, beides in Einem fuehrt sie ins Leiden. Sie leidet "fuer" ihre Liebe und fuer ihre "Schuld". Und indem sie beides thut, indem die Stimme des Guten erwacht, die in ihr eine Zeitlang zurueckgedraengt war, und zugleich das "Liebe und Gute", das von vornherein in ihr war und auch der Verirrung zu Grunde lag, jetzt erst recht eindringlich wird, erweist sich in ihr das Gute in doppelter Art. "Sie ist gerichtet", so meint MEPHISTO im Hinblick auf ihre Schuld und im Einklang mit den Aesthetikern der "poetischen Gerechtigkeit". "Sie ist gerettet," so verkuendigt die Stimme von oben, fuer die auch in dem "Gericht" das Sittliche der Persoenlichkeit sich geoffenbart hat. An die Vereinigung von Schicksalstragik und Charaktertragik in einer Person, naemlich der Person des Helden, war hier zunaechst gedacht. Die Moeglichkeit der Vereinigung gewinnt einen weiteren Umfang, wenn wir die Tragoedie als Ganzes ins Auge fassen und bedenken, dass in einer und derselben Tragoedie Vertretern der einen Art der Tragik Vertreter der anderen Art gegenuebertreten koennen. Ist die Tragik des Helden Schicksalstragik und ist es das boese Wollen einer Persoenlichkeit, wodurch ihm das Schicksal bereitet wird, so wird diese Persoenlichkeit garnicht umhin koennen, zum Traeger einer Art von Charaktertragik zu werden. Sie wird es um so sicherer sein muessen, je mehr sie neben dem Helden hervortritt. Nicht der Held macht ja die Tragoedie; nicht ausschliesslich, sondern nur in erster Linie verkoerpert sich in ihm ihr Sinn. Der versteht das Kunstwerk schlecht, der immer nur vom Helden zu reden weiss und nicht zugleich das Ganze als Ganzes fasst, als eine Einheit, in der nichts ueberfluessig ist oder sein darf, nichts dem einen beherrschenden Gedanken voellig fremd gegenueberstehen oder gar ihn verneinen darf. So gehoert zur Tragoedie "ANTIGONE" KREON ebensowohl wie ANTIGONE, zur Tragoedie "MARIA STUART" ELISABETH ebensowohl wie MARIA STUART. Die innere Macht des Guten, die in ANTIGONE sich behauptet, eben die muss in KREON erwachen und ihm ein inneres Leiden schaffen, oder der Sinn des Ganzen, der dort bejaht ist, ist hier verneint. Und wir fassen den Sinn der Tragoedie, der eben in der Thatsache jener inneren Macht besteht, nur halb, wenn wir nur auf ANTIGONEs und nicht zugleich auf KREONs Leiden, und was darin zu Tage kommt, achten. Aehnlich verhaelt es sich mit MARIA STUART und ELISABETH und in vielen anderen Faellen. TRAGOEDIE UND ERNSTES SCHAUSPIEL. Die _innere_ Macht des Guten, so betonten wir, macht das Thema des Trauerspiels. Damit ist doch keineswegs ausgeschlossen, dass neben der inneren die aeussere Macht des Guten in einem Trauerspiel uns entgegentritt. Es _muss_ sogar so sein, wenn das Schicksal, das den Boesen niederwirft und das Gute in ihm zum Siege bringt, in Gestalt einer das Gute wollenden Persoenlichkeit auf die Buehne tritt. Freilich naehert sich das Trauerspiel in dem Masse, als diese Macht hervortritt und _selbstaendige_ Bedeutung gewinnt, dem ernsten Schauspiele, in dem eben diese Macht des Guten das eigentliche Thema bildet. So tritt in "RICHARD III." neben dem Helden sein Gegner RICHMOND mehr und mehr in den Vordergrund, um schliesslich der eigentliche Held des Dramas zu werden. RICHARD wird Mittel zum Zweck, Hindernis, das dazu da ist, von RICHMOND ueberwunden zu werden und ihn zu verherrlichen, zugleich Folie, von der sich die Lichtgestalt RICHMONDs glaenzender abhebt. Man wird diese Teilung des Interesses bedauern muessen, sie zugleich aber unter den obwaltenden Umstaenden begreifen. RICHARD klagt sich an, er erkennt eine ueber ihm stehende sittliche Macht an. Aber genuegt die Art, wie er es thut, um uns soweit mit ihm auszusoehnen, dass sein Ende fuer uns Gegenstand eines, wenn auch ernsten, so doch ungetruebten, von Bitterkeit oder Abscheu freien Genusses ist? Wuerde selbst ein vollkommeneres inneres Gebrochensein, ein tiefergehendes seelisches Leiden, den Eindruck von so viel Verworfenheit bis zu dem Grade zurueckzudraengen vermoegen, dass die Genugthuung ueber den Sieg, den das Gute auch noch in einer _solchen_ Persoenlichkeit davonzutragen vermag, in uns die herrschende Empfindung wuerde? Ist das _zermalmende_ Bewusstsein der begangenen Frevel, wie wir es von RICHARD III. fordern muessten, bei seinem Charakter ueberhaupt _moeglich_? Wuerden wir, nach dem, was wir gesehen und gehoert haben, daran glauben koennen?--Verneint man diese Fragen, dann muss RICHARD III. schliesslich zuruecktreten, und die andere Art der Versoehnung, die im aeusseren Sieg des Guten, dem Sieg _ueber_ RICHARD besteht, Ersatz und Ergaenzung bieten. Dann haette aber freilich RICHARD III. von vornherein in hoeherem Grade zuruecktreten und nicht als eigentlicher Held des Dramas erscheinen muessen. Die Frage lautet eben schliesslich: Ist nicht, wie ganz gewiss in anderen Tragoedien, so auch schon in RICHARD III. das Mass des sittlich Haesslichen ueberschritten, das dem Helden der Tragoedie, in der ja wie in jedem Kunstwerk das Haessliche nur Mittel zum Zweck ist, zugestanden werden darf? Von einer doppelten Art der Versoehnung war hier die Rede. Die eine besteht nur in uns, als unsere Versoehntheit mit dem Ausgang, insbesondere mit dem Helden und seinem Geschick. Sie ist in diesem Sinne "subjektive" und _nur_ subjektive Versoehnung. Das, womit wir versoehnt oder ausgesoehnt werden muessen, ist das Uebel oder das Boese, das Schicksal oder die Persoenlichkeit, oder das eine und das andere zugleich. Was uns damit versoehnt oder aussoehnt, ist das sittlich Wertvolle in der Persoenlichkeit, das in dem Konflikt des Helden mit dem Schicksal oder mit sich selbst zu Tage tritt. Diese Versoehnung und nur diese ist tragische Versoehnung. Ihr steht entgegen die objektive, die in dem Kunstwerk selbst sich vollziehende und von uns angeschaute Versoehnung, der versoehnliche Ausgang, die glueckliche Loesung. Diese Versoehnung bildet Ziel und Sinn des ernsten Schauspiels. Auch hier kann, wie der Konflikt, so die Versoehnung doppelter Art sein. Der Held, der Traeger des Guten, besiegt das ihm entgegenstehende Schicksal bezw. die Boesen, die fuer ihn das feindliche Schicksal repraesentieren. Das Uebel wendet sich fuer ihn zum Guten.--Oder er ueberwindet die ihm und seinem Glueck entgegenstehende Bosheit oder Schwaeche der eigenen Natur. So hat selbst IPHIGENIE einen Feind im eigenen Herzen, naemlich die Luege, zu ueberwinden. Der Held ueberwindet das Boese, das heisst hier nicht wie bei der Tragoedie, sein besseres Ich erwacht und kommt zur Geltung _gegenueber_ der boesen Leidenschaft und in dem Konflikt und inneren Leiden, das ihm aus der Verwirklichung seines leidenschaftlichen Wollens erwaechst; sondern: es vernichtet das Boese, es wird Herr darueber. Das Gute im Helden wird zum guten Wollen und zur guten That; der Gegensatz des Boesen und Guten _entscheidet_ sich; nicht das Boese, sondern das Gute wird schliesslich _verwirklicht_: das Boese wandelt sich in das Gute. Dieser Sieg des Guten dient dann wiederum dazu, das boese Schicksal, naemlich dasjenige, das aus dem boesen Wollen erwuchs oder zu erwachsen drohte, zum Guten zu wenden. So ist ueberall der versoehnliche Ausgang das Ziel. Dem Guten wird, weil es da ist, oder sich sieghaft durcharbeitet, sein verdienter Lohn. Erst, indem wir diese objektive Versoehnung miterleben, entsteht hier das Gefuehl der Versoehnung oder unsere Versoehntheit. Dieser Gegensatz zwischen der nur subjektiven Versoehnung der Tragoedie und der zugleich objektiven des ernsten Schauspiels laesst sich noch in anderer Weise bezeichnen. Dort ist das Gute, ich meine das persoenlich oder sittlich Gute, an sich der Gegenstand des Genusses, hier das Gute mit Ruecksicht auf die Verwirklichung seiner Zwecke; dort handelt es sich um das _Dasein_ des Guten, hier um seine Bethaetigung, seine Leistungen, seinen _Erfolg_. Man hat gefragt, was in der Tragoedie wichtiger sei, der Charakter oder die Handlung. In dieser Unbestimmtheit muss die Frage abgewiesen werden. In jedem Drama muss der Charakter in Handlungen und Erlebnissen sich bethaetigen und ueberall muessen die Handlungen und Erlebnisse aus einem entsprechenden Charakter begreiflich werden. Insofern sind beide gleich wichtig. Beides ist gar nicht von einander zu trennen. Wohl aber hat die obige Frage ihr gutes Recht, wenn sie zu wissen verlangt, worauf die Tragoedie eigentlich abziele. Die Tragoedie, so muessen wir sagen, zielt durchaus auf den Charakter ab, sie weist uns von den Handlungen und Erlebnissen auf den Charakter, der darin sich kundgiebt, waehrend das ernste Schauspiel vielmehr uns vom Charakter auf die Handlungen und Erlebnisse hinweist, die daraus fliessen. Dort haben die Handlungen und Erlebnisse Bedeutung, sofern sie uns ein Wertvolles im Charakter enthuellen, hier soll vielmehr der Charakter die Handlungen und Erlebnisse uns wertvoll und erfreulich machen. Indem man diesen Gegensatz zwischen Tragoedie und ernstem Schauspiel uebersah und die dem ernsten Schauspiel angehoerige objektive Versoehnung, die objektive "Loesung des Konflikts" auch von der Tragoedie forderte, musste man zu den oben zurueckgewiesenen, die Tragoedie verfaelschenden Theorien gelangen. Man suchte die Loesung im Jenseits, sei es dem alles Unrecht ausgleichenden, besseren Jenseits, sei es dem Jenseits, das mit dem "Frieden" des Nichts gleichbedeutend ist, in jedem Falle also in etwas, von dem der Aesthetiker allerlei wissen mag, das Kunstwerk aber nichts weiss. Oder man suchte im Leiden und Untergang selbst die aeussere Loesung und liess zu dem Zweck die Armen schuldig werden, die der Dichter unschuldig hatte leiden lassen. Allen solchen Kluegeleien gegenueber muessen wir festhalten, dass in der Tragoedie der Konflikt thatsaechlich _ungeloest_ bleibt. Weder ist das Leiden selbst die Loesung noch folgt ihm die Loesung. Die Tragoedie vertraegt keine aeussere Loesung, weil in ihr die ganze Bedeutung des Konfliktes darauf beruht, durch sein _Vorhandensein_ und das daraus entspringende Leiden unmittelbar ein sittlich Schoenes zu vergegenwaertigen. Dass die Tragoedie nichts weiss von gluecklichem Ausgang, dass ihr der aeussere Erfolg des Handelns so garnichts bedeutet, die Begriffe der "Belohnung" des Guten und der "Bestrafung" des Boesen im aeusserlichen Sinne ihrer Natur so voellig fremd sind, vielmehr statt dessen alles in ihr abzielt auf die Vergegenwaertigung des Guten im Menschen, der inneren Macht dieses Guten und des Wertes, den es _an und fuer sich hat_--, dieser hoechste sittliche Standpunkt ist es, der erst die Tragoedie als solche konstituiert, der ihr zugleich ihre besondere sittliche und damit aesthetische Bedeutung giebt. DIE POETISCHE MOTIVIERUNG. Es giebt nichts Schoeneres und Erhabeneres auf der Welt, als das Schoene und Gute, was im Menschen ist. Darum gewaehrt die Tragoedie den erhabensten Genuss. Immerhin ist dieser Genuss an das schmerzliche Mitfuehlen des Leides gebunden. Hier erwaechst der Tragoedie die Aufgabe, Sorge zu tragen, dass der Schmerz nur dient, den Genuss zu vermitteln und ihm den erhaben ernsten Charakter zu geben, den Charakter der Liebe und Ehrfurcht, den er zu tragen bestimmt ist; dass kein Gefuehl des Schmerzes, der Unlust, der Verletztheit uebrig bleibt, das nicht in jenen Genuss sich aufloeste. Die subjektive Versoehnung, die einzige, die fuer die Tragoedie gefordert ist, muss eine _vollstaendige_ sein. Daraus ergeben sich verschiedene Forderungen. Schon oben meinten wir, die Tragoedie, als _dramatisches_ Kunstwerk, erheische, dass das Wollen und Handeln des Helden zum Leiden _hinfuehre_. Jemehr dies der Fall ist, jemehr der Held zu seinem Leiden positive Veranlassung giebt, so dass wir es mit einer gewissen Notwendigkeit "so kommen sehen", desto eher fuegen wir uns darein, desto leichter koennen wir uns im tragischen Genusse mit ihm versoehnt fuehlen. Hierauf reduziert sich das Recht der frueher erwaehnten Forderung, dass das Leiden des Helden auf einer Ueberhebung desselben beruhen muesse. In der That wird das Verhalten des Helden in vielen Faellen mit diesem Namen bezeichnet werden koennen. In keinem Falle wird sich ja sein Wollen und Handeln in den Schranken des Alltagsmenschen halten, fuer den die Maessigung die hoechste Tugend ist. Dass es auch _Aesthetiker_ giebt, die die "Maessigung" so hoch stellen, und von diesem sittlichen Standpunkte aus sich in eine sittliche Entruestung gegen die reinsten tragischen Gestalten hineinreden, das beweist nur, welche begriffsverwirrende Macht die einmal feststehende Theorie besitzt. Dass andererseits der boese Charakter des Helden ein gewisses Mass der _Bosheit_ nicht ueberschreiten duerfe, dies zu bemerken hat uns schon oben "RICHARD III" Gelegenheit gegeben. Im uebrigen ist die Bemerkung so alt, wie die Aesthetik der Tragoedie. Nicht der eingefleischte Teufel, nur das menschlich verstaendliche Boese, das Boese, das aus relativ berechtigter Wurzel stammt und zugleich der Groesse nicht entbehrt, macht den inneren Sieg des Guten begreiflich und unsere Aussoehnung mit dem Bilde des Helden moeglich. Will man ein Beispiel, wie der Dichter es anfaengt bei aller Macht des Boesen uns doch an die Moeglichkeit, dass das Gute zum Siege komme, glauben zu lassen, so sehe man, wie MACBETH zum Boesen getrieben wird, nicht durch urspruengliche Niedertracht, sondern durch gewaltigen Ehrgeiz, wie dieser Ehrgeiz kuenstlich geschuert wird durch die eigentliche Teufelin, die Lady MACBETH, wie MACBETH, einmal auf der Bahn des Boesen, nicht mehr anders _kann_, als weiter stuermen. Dies alles laesst ihn gewiss nicht schuldiger und die Strafe gerechter erscheinen, wohl aber wird uns, wenn wir auf dies alles achten, sein boeses Thun durchaus menschlich verstaendlich und ebendamit das Erwachen der Stimme des Guten begreiflich. Zugleich dient es, uns die schliessliche Aussoehnung mit ihm zu ermoeglichen. So gewiss nun aber das Wollen und Handeln des Helden zum Leiden hinfuehren muss, so widersinnig waere die Forderung, dass es fuer sich allein dazu hinfuehren solle. Man hat gesagt, in der Tragoedie muesse nicht nur der Untergang des Helden aus dem Konflikt, sondern auch der Konflikt aus dem Charakter des Helden mit Notwendigkeit folgen. Das ist schlecht ausgedrueckt oder leere Schwaermerei. Nichts, was irgend ein Mensch thut, folgt lediglich aus seinem Charakter; fuer nichts ist er allein die zureichende Ursache. Alles folgt nur aus ihm und den hinzukommenden aeusseren _Umstaenden_. Bei EMILIA GALOTTI waere zu Konflikt und Untergang kein Anlass, wenn sie nicht dem Prinzen begegnete, bei ANTIGONE nicht, wenn nicht KREON ein Tyrann waere, und so in allen moeglichen Faellen. Aus verschiedenen Bedingungen ergeben sich verschiedene Folgen. So ist es vollends ein nichtiges Reden, wenn behauptet wird, das Leiden des tragischen Helden sei praedestiniert in dem Sinne, dass der Held so handeln muesste, wie er handelt "und wenn er auch die ganze kausale Verkettung mit Gewissheit ueberblickte, durch die ihn diese That zum Untergange fuehrt". Oder was soll es fuer einen Sinn haben, dass OTHELLO DESDEMONA ermorden muesste, auch wenn er den Thatbestand kennte, aus dem sich die Grundlosigkeit seiner Eifersucht ergiebt? Aber den _Zufall_ meint man doch aus der Tragoedie ausschliessen zu muessen. Hier kommt alles auf den Sinn des Wortes an. Meint man den Zufall, der im Gegensatze steht zum ursaechlichen Zusammenhang der Dinge? Dieser Zufall besteht nirgends. Kein Wunder, wenn er auch in der Tragoedie nicht besteht. Oder meint man den Zufall als Gegensatz dessen, was ich _will_ und durch mein Wollen zuwege bringe? Diesen Zufall giebt es ueberall und vor allem in der Tragoedie. Es ist in diesem Sinne Zufall fuer ANTIGONE, dass KREON ist, wie er ist; fuer RICHARD, dass es Personen giebt, gegen die er sich so verhalten kann, wie er es thut. Oder haben ANTIGONE und RICHARD auch dies "verschuldet"? Nur freilich der in der Tragoedie waltende Zufall, oder wenn man lieber will, das, alles Handeln und Leiden der Personen und vor allem des Helden mitbedingende Schicksal muss uns verstaendlich sein. Nicht nur so, dass wir daran glauben koennen. Ohne dies waere alle Wirkung in Frage gestellt. Sondern in dem Sinne, dass es sich einfuegt in einen uns vertrauten Zusammenhang der Dinge. Wir muessen auch, soweit das Schicksal das Leiden bedingt, in gewisser Weise "es mit Notwendigkeit so kommen sehen". Damit verliert das Schicksal das Schreckliche oder Entsetzliche, das dem wider alles natuerliche Erwarten hereinbrechenden Schicksal eignete und den tragischen Genuss bedrohte. In diesem Punkte verfehlt es die speciell sogenannte "Schicksalstragoedie". Ihr besonderer Name rechtfertigt sich gewiss nicht dadurch, dass in ihr das Schicksal "blinder" waere als sonst. Blind, und eben darum den Gesetzen des Zufalls oder der Wahrscheinlichkeit gehorchend ist das Schicksal sonst, im Leben und in der Tragoedie. In der "Schicksalstragoedie" dagegen ist es vielmehr sehend, ein boshaftes Wesen, das mit kindischem Eigensinn sich an Aeusserlichkeiten heftet, Menschen vernichtet, weil es sich dies nun einmal in den Kopf gesetzt hat, oder weil ein Wahnwitziger einen thoerichten Fluch ausgesprochen hat. In dies menschlich boshafte, kindisch und toll gewordene Schicksal, finden wir uns nicht, wie in die durch Erfahrung uns vertraut gewordene blinde Naturnotwendigkeit. Eben darum ist es so entsetzlich und so untragisch. Darin liegt zugleich, dass auch das Schicksal des Helden, soweit es im _boesen Wollen Anderer_ besteht--ebenso wie nach Obigem das boese Wollen des _Helden selbst_--uns menschlich verstaendlich sein und ein gewisses relatives Recht in sich tragen muesse. Dies um so sicherer, je weniger relatives Unrecht auf der Gegenseite zu finden ist. So erscheint KREONs Wueten gegen ANTIGONE von seinem Standpunkte aus in gewisser Art berechtigt und dadurch von seiner Seite her das Beleidigende des ueber ANTIGONE verhaengten Leidens gemildert. Das Leiden der ANTIGONE selbst freilich wird damit nicht geringer. Aber darum handelt es sich auch hier nicht. Alle die hier gestellten Forderungen zielen nicht darauf ab, dass das Leiden gemindert, sondern dass unser Schmerz ueber das Leiden versoehnbarer gemacht werde. Versoehnbarer,--das heisst nach oben Gesagtem: faehiger, in den Genuss, den die Tragoedie gewaehren will, sich aufzuloesen, nicht um zu verschwinden, sondern um darin fortzuleben als das Moment des Ernstes und heiligen Schauers, das diesem Genusse vor anderen eignet.--Duerfen wir, so kann jetzt gefragt werden, diesen Genuss noch mit dem Namen nennen, den wir der tragischen Empfindung auf ihrer ersten Stufe zugestehen mussten? Ist der tragische Genuss, wie wir ihn jetzt kennen gelernt haben, noch blosses Mitleid? Man kann gewiss den Sinn des Wortes Mitleid so umfassend nehmen. Sicher ist, dass wir uns von dem, was wir damals zunaechst so nannten, weit entfernt haben. Mitleid war uns das schmerzlich freudige Bewusstsein vom Werte eines Lebendigen, das leidet, abgesehen noch von dem specifischen, im hoechsten Masse sittlichen Werte, den ein Leidender und sein Leiden gewinnt, indem sich in ihm in bestimmter Art das Gute als innerlich siegende Macht erweist. Jetzt sehen wir eben in diesem Werte den besonderen Gegenstand des Genusses. Damit erhebt sich der Genuss an der Tragoedie ueber das Gefuehl des Mitleids gegenueber einem beliebigen tragischen Objekt so hoch, als sich dieser specifische Wertinhalt erhebt ueber das blosse Dasein eines Lebendigen. Es ist beide Male Empfindung von derselben Art; nur hier, bei der Tragoedie, wie es in der Natur des Dramas liegt, in Fluss gebracht, potenziert und in einem Punkte von hoechster Bedeutung zusammengefasst. DER UNTERGANG DES HELDEN. Indessen wir sind mit dem Bilde des Genusses, den die Tragoedie gewaehren will, noch nicht voellig zum Abschluss gelangt. Wir haben schliesslich noch im Ganzen die Frage zu stellen, auf die wir gelegentlich und im Einzelnen schon eine Antwort gaben. Wozu der Tod des tragischen Helden? Warum muss ANTIGONE sterben? Weil sie nur angesichts des Todes die volle Macht ihrer Bruderliebe an den Tag legen kann, und die Drohung KREONs nicht etwa nachtraeglich als Scherz sich erweisen darf. Warum ROMEO? Weil nur der _toedliche_ Schmerz die Macht seiner Leidenschaft voll offenbaren kann. Warum endlich RICHARD III.? Dass sein Untergang notwendig ist, wenn der Triumph RICHMONDs ein vollkommener, die Herrschaft besserer Zeiten, die mit ihm anbricht, unzweifelhaft sein soll, kommt fuer die Tragik in RICHARD nicht in Betracht. Wohl aber dies, dass auch er, so wie er einmal ist, und nach solchen Zunichtewerden seines ganzen Wollens nicht weiter leben kann. Darum stirbt er zwar keineswegs resigniert, aber er stuerzt sich in den Kampf, um zu siegen _oder_ unterzugehen. Soweit erscheint der Tod in verschiedenen Tragoedien verschieden begruendet. Es lassen sich aber zugleich die verschiedenen Gruende in einen zusammenfassen. Der tragische Konflikt ist unloesbar und wir haben gesehen, warum er es sein muss. Ebendarum, muss er _abgeschnitten_ werden. Die Endlosigkeit des Konfliktes und Leidens wuerde wiederum die Versoehnung, naemlich die Versoehnung unseres Gefuehles mit sich selbst, aufheben. Das endlose Leiden waere nicht tragisch, sondern entsetzlich. Aus diesem Grunde ist der Tod notwendig, nicht fuer den Helden, sondern fuer uns, nicht objektiv, sondern fuer unser Empfinden. Zugleich ist durch den Tod alles unnoetige und dem Kunstwerk widersprechende Fragen abgeschnitten: Was wuerde aus RICHARD, wenn er weiter lebte? Was _wird_ aus ihm oder ANTIGONE in irgend welchem Jenseits?--Im Kunstwerk ist es zu Ende; und wir haben nicht das Kunstwerk auf unsere Kosten weiterzudichten. Nicht vorwaerts soll unser Blick gehen, ueber das Kunstwerk hinaus, in das Gebiet unserer Reflexionen, sondern haften soll er und nach rueckwaerts gehen. Das kann er aber jetzt in _besonderer_ Weise. Der Tod ist das Ende des Leidens, auch in dem Sinne, dass mit ihm erst die Wirkung des Leidens auf _uns_ sich abschliesst und vollendet. Der Freund, der leidet, erscheint uns liebens- und achtungswerter. Er erscheint uns in dem _ganzen_ Wert, den er fuer uns hatte, wenn er uns entrissen ist. So auch tritt uns die ganze Erhabenheit und Schoenheit der ANTIGONE ins Bewusstsein, wenn sie dahingegangen ist. Wir wissen, was sie war, wenn sie nicht mehr ist. Und ebenso wird bei RICHARD III., was an ihm Wertvolles war und in seinem Leiden zu Tage getreten ist, erst mit seinem Tod uns voellig gegenwaertig. Der Tod wirkt verklaerend, nicht objektiv, sondern in unseren Augen, nicht den Helden, sondern sein Bild verklaerend. Und er wirkt zugleich andererseits mildernd, reinigend. Solange ANTIGONE lebte, war sie verflochten in den Streit der Leidenschaften; und in ihm mochte sie gelegentlich herb und verletzend erscheinen. Solche Gedanken treten zurueck angesichts des Todes. So lange RICHARD III. lebte, haftete unser Blick an dem Schrecklichen, was sein Wollen und Thun als solches fuer uns hatte und haben musste. Dies einzelne Wollen und Thun verschwindet, wie alles Einzelne, angesichts des Todes. Der Tod oeffnet die Augen fuer das Ganze der Persoenlichkeit, fuer das, was sie im Ganzen w a r. Und da sehen wir auch das Gute und berechtigt Menschliche, was selbst dem verletzenden oder schrecklichen einzelnen Wollen und Thun zu Grunde lag. Es ist wiederum keine objektiv, sondern eine subjektiv reinigende, ich meine eine unsere Betrachtung, unser Bild des Helden reinigende Wirkung, von der ich hier spreche. SCHLUSS. In dieser reinigenden und jener verklaerenden Wirkung des Todes vollendet sich endlich der Sinn und Zweck der Tragoedie. Nach dem Gesagten ist der Tod, der physische Untergang, nichts weniger, als dasjenige, was den eigentlichen Sinn der Tragoedie macht; sosehr auch die Meinung in Geltung sein mag. Er ist vielmehr ein durchaus sekundaeres, dienendes, immerhin um des Zweckes willen notwendiges Moment. Dieser Zweck der Tragoedie ist aber, um nun unser Ergebnis noch einmal in Eines zusammenzufassen, kein anderer als der, _uns die Macht des Guten in einer Persoenlichkeit geniessen zu lassen, wie sie im Leiden zu Tage tritt und gegen Uebel und Boeses sich bethaetigt, uns von dem Werte dieses Guten den denkbar tiefsten und reinsten Eindruck zu geben, einen Eindruck, der nicht, wie so oft im Leben, getruebt ist durch den Gedanken an uns selbst, an aeusseren Erfolg, an Lohn und Strafe, der im Gegensatz zu allem Haften am Einzelnen und an der Oberflaeche des Geschehens und Thuns dem Ganzen der Persoenlichkeit und ihrem innersten Wesen gerecht wird. Die Tragoedie fordert dafuer nichts, als dass wir uns ihr ganz hingeben und nichts Fremdes einmischen, dass wir vor allem nicht in unseren Reflexionen und Theorien statt im Kunstwerk unsere Befriedigung suchen. *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, DER STREIT UEBER DIE TRAGOEDIE *** This file should be named 7sttr10.txt or 7sttr10.zip Corrected EDITIONS of our eBooks get a new NUMBER, 7sttr11.txt VERSIONS based on separate sources get new LETTER, 7sttr10a.txt Project Gutenberg eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not keep eBooks in compliance with any particular paper edition. We are now trying to release all our eBooks one year in advance of the official release dates, leaving time for better editing. Please be encouraged to tell us about any error or corrections, even years after the official publication date. 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